Dateien nicht gesichert. Muss den Blog noch mal tippen. Frustrierender geht’s nicht.

23.9.2006

Nach dem Kantinenlesen im Schusterjungen. Der Betreiber weiß schon, dass ein Lauf ansteht, wenn ich am Vorabend Apfelschorle statt Bürgerbräu bestelle.

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Kettenreaktion, bei Jochen, da der Drucker nicht kompatibel ist: Er kann seine Mails, die er, da er kein Mailprogram benutzt, auf dem Server belässt, nicht ausdrucken und muss nun entscheiden, welche Mails für immer verschwinden, dadurch würden Existenzen ausgelöscht. Warum er 2002 aufgehört hat, Outlook Express zu nutzen? Oder spielt er mit dem Gedanken, die Mails dereinst in die Gesammelte Werke Ausgabe aufzunehmen. Überhaupt sollte mal jemand eine Lanze für Outlook Express brechen. Schöne Volltextsuche. Einfacher handhabbar als Thunderbird, sicherer als Outlook. Man muss nur aufpassen, dass das Denken in Volltextsuche nicht auf andere Wahrnehmungsbereiche überschwappt. Manchmal fällt mir ein Zitat aus einem Buch, das ich gerade lese, ein und will dieses Zitat dann per Volltextsuche aufspüren. Manchmal streite ich mich mit meiner Freundin: "Doch", sagt sie, "das hast du gesagt." – "Hab ich nicht!" – "Doch!" Man kann es leider nicht per Volltextsuche überprüfen. Manchmal frage ich mich, ob ich schon einen bestimmten Gedanken gedacht habe, aber auch mein Gehirn verfügt nicht über dieses schöne Outlook Express Feature.

Problematik des Schenkens, das erpressbar mache. Dazu zitiert Jochen Adorno: "Die Spende ist mit Demütigung durch Einteilen, gerechtes Abwägen, kurz durch die Behandlung des Beschenkten als Objekt notwendig verbunden."
Ich hatte hier schon geschrieben, dass das Schenken ja eine der fünf Sprachen der Liebe ist. Sind Misstrauen und Berechnung Teil des Schenkens, verliert es völlig seinen Wert und erstarrt zur Konvention, weshalb der Schenk-Exzess zu Weihnachten auch so abstoßend wirkt.

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So, 24.9.06

Marathon. Meine Aufzeichnungen zeigen, wieviel anstrengender es doch 2006 im Vergleich zu 2008 war.

Eine leichte innere Unruhe lässt mich schon 6.20 Uhr aufwachen, versuche noch weiterzudösen, was nicht recht gelingen mag. Stehe also auf, und versuche, den Tag ruhig anzugehen. Gönne mir eine Tasse Kaffee und verpflichte mich, noch vor dem Lauf genügend Wasser zu mir zu nehmen.
Trainingshose verschwunden, also Leggins, darüber die kurze Hose. Laufshirt, Termo-Shirt, Trainingsjacke, Laufschuhe. Wähle doch die alte Armbanduhr, obwohl ich am Abend zuvor beschlossen hatte, die Stoppuhr mitzunehmen, fürchte aber, ich komme dann auf dem Lauf mit den vielen Modi nicht klar. Traubenzucker, 5 Euro, Hausschlüssel, Schnapper, Pflaster, Wasserflasche. Befestige Startnummer und Chip.
Zum S-Bahnhof. Wetter etwa so wie im letzten Jahr, vielleicht sogar 1-2 Grad wärmer. Gute Luft. Versuche, mich auf diese Weise positiv zu stimulieren.
Auf dem Gelände wieder zu wenig Dixie-Klos. Schlangen von bis zu 10-12 Leuten davor – eine halbe Stunde vor Beginn. Warum müssen sie ausgerechnet daran sparen? Geselle mich zu den Buschpinklern, und kurz vor dem Start nutze ich die inzwischen freien Klos für letztmaliges Abschütteln. Brustwarzen abkleben fällt bei meiner Brustwolle aus.
Startfeld sehr dicht gedrängt. Besonders Block H, wo es diesmal keine Lautsprecher gibt. Wir kriegen nichts mit von dem, was vorne passiert. Startschuss für unser Feld ca. 9.15 Uhr. Ich gehe 9.17 Uhr über die Linie.
Bemühe mich um lockeres Tempo. Bin mir bis zum Start nicht klar darüber, welche Zeit ich anpeilen soll. 4.15 Stunden zu schnell. 4.30 vielleicht zu wenig. Deren Tempo ist mir zu locker. Zu Beginn durchschnittliches Tempo von ca. 6:15 Minuten pro Kilometer, ohne dass irgendeine Konditionsleistung zu spüren wäre. 30 Sekunden pissen in Moabit, definitiv kein Nervositätspissen, sondern satter Strahl. Nach 10 Kilometern melden sich allerdings rechter Fuß und Zeigezeh sowie linkes Knie. Versuche, sie zu ignorieren. Geht aber nicht. Rechne damit, bei zu großen Beschwerden aufgeben zu müssen. Halte aber mein Tempo, das ich immer noch als locker empfinde, durch. Uli schaut, wie angekündigt, aus seinem Fenster. Vielleicht hilft für den Zeigezeh ein Pflaster. Trage es bei km 19 auf, wo Steffi mit Eltern und Nachbarn wartet. Alle starren auf meinen Fuß. Steffi reicht mir eine Schorle ohne CO2. Das hilft tatsächlich, wie Dirk sagte. Es sind gar nicht so sehr die 15-30 Sekunden, die man an den Getränkeständen verliert, sondern der damit verbundene Stress. Ca. bei km 24 verschlucke ich mich dann böse an der Schorle. Verliere dadurch ca. 20-30 Sekunden. Bei 28 km noch keine größeren Ermüdungserscheinungen. Bin voller Hoffnung, im letzten Drittel durch Willensanstrengung letzte Kräfte mobilisieren zu können. Wieder drückt die Blase stark, letzte Gelegenheit, da nach dem Wilden Eber keine Büsche mehr kommen. Wieder 30 Sekunden. Wilder Eber. Von nun an beginnt der Lärm zu nerven, vor allem aber dumme Moderatoren, die die Läufer dazu auffordern, im Takt der Musik zu laufen. Bei km 33 spüre ich die zunehmenden Anstrengungen, ich verenge den Blick und nehme Trinkpausen auch als kurze Gehpausen wahr. Auf km 34 – der Mann mit dem Hammer. Ich muss mein Tempo drastisch reduzieren. Die 4:30-Läufer überholen mich zwischen km 34 und 36. Versuche, an ihnen dranzubleiben, aber so lahm wie sie mir zu Beginn erschienen, so utopisch kommt mir ihr Tempo jetzt vor. Versuche nun, mich darauf zu konzentrieren, so wenig wie möglich zu gehen. Von Beginn an, als ich die Probleme im Knie und in den Kniekehlen merkte, immer wieder Anfersen-Lauf. Ab km 25 Dehnen. Nun alle 1 km.(Das habe ich 2008 bei jedem km getan und bin dadurch wesentlich besser durchgelaufen.) Ungefähr bei km 37 ein Krampf, als ich die Ferse ans Gesäß ziehe. Auf dem Kudamm soll ich einer älteren Dame erklären, wie man sich für den Lauf bewirbt, während ich mich dehne. Da die 4:30 nun für mich erledigt sind, setze ich mir ein neues Ziel. Könnte es mir einfach machen und die letzten 8 km gehen, da würde ich auch nur knapp über 5 h bleiben. Aber ich will auch meinen Willen fordern. Also Ziel 1: unter der Zeit des letzten Jahres bleiben, Ziel 2: Unter 4: 40 bleiben. Potsdamer Platz extrem heiß und unangenehm.

Laufe in eine Dusche, und meine Schuhe saugen sich in einer tiefen Pfütze voll. Immer wieder versuche ich, mir einen persönlichen Pacer auszuspähen, denn es gibt einige Läufer, die ich immer wieder sichte. Aber ich habe keine Kraft, mich dann konsequent an einen dranzuhängen, und wahrscheinlich sind die auch kaputt. Steffi und die Eltern dann Leipziger Straße, wo sie auch fremde Leute anfeuern. Laufe schön joggend vorbei, Steffi ausdauernd eine ganze Weile mit. Diesmal nicht über Gendarmenmarkt, sondern über Breite Straße, und so zieht sich die Leipziger Straße endlos hin. Als ich die Breite Straße erreiche, bin ich eigentlich völlig erschöpft, und die Beine schmerzen stark. Nehme mir nun ca. alle 400 Meter eine Dehnpause. Aber die letzten 1.000 Meter ziehe ich ohne Pause durch. Auf den letzten 200 Metern gelingt mir sogar eine Art Endspurt, der vom Tempo aber kaum schneller als mein Anfangstempo ist. Komme dann bei 4:37 ins Ziel. Nicht ganz so kaputt wie im letzten Jahr. Übelkeit setzt dennoch ein. Mir wird schlecht, wenn ich die Lebensmittel schon sehe. Mache dann große Bögen um die Dixie-Klos. Eine alte Frau, vielleicht sogar die mit 73 älteste Teilnehmerin kommt mit mir ins Ziel. Wir beglückwünschen uns. Ich klopfe einer Weinenden auf die Schulter. Der Weg bis zu den Umkleidewagen ist eine Qual. Setze mich dann – 20 Minuten nachdem ich ins Ziel gekommen bin, das erste Mal vor dem LKW ab. Ziehe mich um. Schleichend zum Ausgang und zum Bahnhof Friedrichstraße. Kurzer Wortwechsel mit T.L., der auch um die 4:30 lief, aber nicht so erschöpft wirkt.
Hitze in der S-Bahn. Den herbeigebeteten Sitzplatz erwische ich glücklicherweise. Tröste mich mit dem Gedanken, dass es letztes Jahr alles noch wesentlich schlimmer war. Warschauer Str. Ziehe mich am Handlauf die Treppe hoch, aber auch das geht besser als vermutet. Nur das Gehen so langsam, dass mich eine Frau auf Krücken überholt. Beim Libanesen wartet Steffi mit einem Falafel in der Hand, sie hat die Tür mit dem Schnapper nicht aufgekriegt.
Zusammen hoch. Ich lege mich hin, und nach 30 Minuten unter die Dusche. Dann die ersehnte Massage von Steffi mit Franz-Branntwein. Rücken, Hals, Waden, Waden, Waden, Füße. Tee ans Bett. Als die Übelkeit weg ist, Brötchen mit Mandel-Paprika-Creme und Brühe. Ich messe Temperatur: 37,3°, die sich auch nicht steigern. Auch dies besser als im letzten Jahr. Puls schwankt zwischen 100 und 108 und geht im Laufe des Abends auf 90 runter. Zwar auch dies besser als 2005, aber bezweifle, ob das gesund ist. Steffi sucht im Internet die Ergebnisse von Dirk (4:05), Manuela (4:31) und meines (4:37). Was ich als Endspurt empfunden habe, waren anscheinend knapp 15 Minuten auf den letzten 2,2 km.
Schlafe zwischendurch. Später holt Steffi uns noch Gemüse- und Tomatensuppe vom Italiener.
All diese Leiden blieben mir 2008 erspart!

*

Kein Wort zum Marathon bei Jochen. Stattdessen Gedanken übers Bücken beim Tischtennis, das auch bei uns ein entscheidender Begleiter durch die Frühpubertät war. Ein egalisierender Sport, vor allem beim Chinesisch. Es gab die Gewinner, und es machte nichts, wenn man den schlechten Spielern ab und zu mal einen Punkt gönnte. Teilweise standen wir zu zwölft an der Platte. Quatschen und Tratschen. Als Tischtennis allerdings mit 15 Jahren als Sport seinen Reiz für mich verlor, hatte ich da nichts mehr . Die Platten als Unterlage für schnellen Geschlechtsverkehr nutzten dann die, die nie ein Match gewonnen hatten.

Marcels These: Die soziale Umwelt des Schriftstellers sollte nicht zu anregend sein. "Gott will, daß ein paar gut geschriebene Bücher erscheinen, und zu diesem Zweck füllt er das Herz solcher Frauen wie Madame Leroi mit solcher Art von Verachtung an, denn er weiß, daß, lüden sie eine Madame de Villeparisis zu sich ein, diese sofort ihr Schreibzeug im Stich und für acht Uhr anspannen ließe."

23.9. – 24.9.06
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