Habe hier ab und zu schon das Problem thematisiert, dass fast alle Spieler, nach dem sie sich 1-2 Jahre mit Improtheater beschäftigt haben, an einen Punkt kommen, wo sie lahm werden. Sie haben den Anspruch “Geschichten zu erzählen”, anspruchsvolle Szenen zu spielen. Sie wissen bereits enorm viel, aber die eigenen Fähigkeiten bleiben dahinter zurück. Das Wissen um “die Regeln” beginnt, sie zu hemmen.
Wie geht man dieses Problem an? Auf lange Sicht natürlich durch Übung und Geduld. Andererseits können sich diese Blockaden zu einem regelrechten Leidensdruck auswachsen: Es kommt zu Frustration, Streit in den Gruppen, Zweifel am Sinn von Improvisation usw.
Auf der Bühne drückt sich das am sinnfälligsten durch eine erstaunliche Langsamkeit aus. Dieses kuriose Phänomen habe ich am deutlichsten bei den Sommerfesten der Gorillas kennengelernt. Je “fortgeschrittener” die Schüler waren, umso langsamer wirkten sie auf der Bühne.
Wahrscheinlich hilft auf Dauer nur Wiederholung von Basics: Tempo, den Zensor ausschalten, radikales Akzeptieren, leichte Euphorie beim Spiel. Ich lehre inzwischen “Unhöflichkeit”. Die Spieler sind oft zu nett zueinander, wollen einander in den Szenen nicht unterbrechen, selbst wenn das (wie beim Reigen) Teil des Games ist. Oder ihre Angebote sind “zu lieb”. Wenn die Gruppe atmosphärisch gut funktioniert, kann man Frechheiten trainieren.

Die Blockaden der Fortgeschrittenen
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3 Kommentare zu „Die Blockaden der Fortgeschrittenen

  • 2011-10-26 um 20:13 Uhr
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    Hallo Dan, Du sprichst mir aus der Seele (gerade in punkto Langsamkeit *gähn*). Der Trick ist für mich, die eigene "Comfort-Zone" zu verlasesn – und das ist gar nicht so einfach. Denn das kann man leider nicht alleine. Man braucht einen Kick von außen. Wenn alle lahm sind, ist man selber auch tendenziell eher lahm.

    Mal sehen, ob wir es schaffen, "frech" zu sein.

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  • 2011-12-05 um 09:51 Uhr
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    Und funktioniert das dann?

    Ich meine, schafft es tatsächlich belangvolle Geschichten mit einem Spannungsverlauf und einem befriedigenden Ende, wenn man vor allem auf Tempo geht, den Zensor ausschaltet und leicht euphorisch zu den Mitspielern unhöflich ist?

    Wie viel Gehalt haben die Geschichten dann?
    Wie gut ist die Schauspielerei?
    Wie fein gezeichnet sind die gespielten Charaktere?

    Games, schön und gut – aber was wenn die Improvisierer darauf aus sind, ein (theatre) play zu gestalten?

    Peter G. Bouillon

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  • 2011-12-05 um 10:08 Uhr
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    Lieber Peter,
    danke für die guten Fragen. Es hängt von der Gruppe ab, welche Impulse man als Lehrer hineingibt. (Eine Gruppe, in der Rampensäue die anderen Mitspieler dominieren, würde ich nicht dazu ermutigen "unhöflich" zu sein.) Die meisten Gruppen, von denen ich in diesem Artikel spreche, verlieren durch das viele Wissen ihre Spielfreude, und die gilt es wiederzuerlangen.
    Du fragst, ob das zu besseren Geschichten führt. Das lässt sich nicht unmittelbar sagen. Auf jeden Fall führt Verspannung, Angst und rein strukturelles, auf Plots fokussiertes Denken zu miesen Storys, zu Langeweile und Ödnis.
    Fortgeschrittene Gruppen brauchen auch immer wieder eine Ankoppelung an die Improvisations-Grundlagen: Scheiter heiter! Es ist gut, nach einer schönen Story zu streben, aber man darf sich nicht während des Spiels selbst zensieren. Die Analyse darf erst hinterher stattfinden.
    Was das Thema Höflichkeit betrifft: Ich sehe es immer wieder, dass vor allem nette Spieler auf der Bühne dermaßen nett sind, dass sie einander dauernd den Vortritt lassen wollen, so dass es schon wieder lahm wirkt.
    Mit "Tempo" meine ich nicht, dass alles immer schnell gespielt werden muss. Aber Tempo-Games helfen, aus dem Kopf zu kommen.
    Zensor ausschalten? Immer!
    Was, wenn man ein ganzes Stück (Theater play) spielen will: Wer nicht verschiedene Rhythmen beherrscht, wer nicht vermag, den inneren Zensor auszustellen, wer nicht heiter scheitern kann, der sollte sich überlegen, ob er wirklich ein ganzes Stück improvisieren will.

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