Moderation – Frechheit und Freundlichkeit

Wie frech kann man als Moderator sein? Kann man das Publikum auch mal vor den Kopf stoßen? So weit, dass es über nette “Frechheit” hinausgeht?
Ich denke, es funktioniert eine ganze Menge, solange man auf der Seite des Publikums ist. Umgekehrt funktionieren alle Nettigkeiten nicht, wenn man von oben herab belehrend wirkt.
Jedes Mal aufs Neue frisch das Publikum zu lesen, das ist die große Kunst.

Rhythm

Question: “In all your films, the pacing is very quick. Do you have the actors deliver their lines faster?”
Billy Wilder: “Well, there is a sort of a misconception that pace and quickly speaking is the same thing. You can have pace by people not speaking quickly. It depends on the cut. It depends on the rhythm of the thing, because leisurely moments, silent moments, they have much more power, but certain pictures have to be played at a good clip. But pace and actors just rattling things off…, you know, don’t confuse that.”

Improvisierte Grenzüberschreitung 1912

Karl Valentin berichtet, dass er 1912 in der Singspielhalle auftrat und den Besitzer mehrmals bat, die Bühne erneuern zu lassen. Endlich gab dieser nach. Es wurde entschieden, dass der Abriss der alten Bühne direkt nach der Vorstellung begonnen werden sollte, die Arbeiter würden, wenn sie rund um die Uhr arbeiten würden, die neue Bühne bis zum nächsten Tag errichtet haben.
Valentin hatte nun den Einfall, die Bühne nicht erst nach der Vorstellung, sondern schon währenddessen abzureißen.
“Wir hatten als Schlusskomödie eine Bauernszene, bei der ein Bauer zu spät nach Hause kommt und von der Bäuerin eine Gardinenpredigt erhält. Der Bauer bekommt deshalb Streit mit seiner Frau, fängt an zu toben und schlägt mit den Fäusten auf den Tisch; sonst tat er nichts. Im Ernstfalle würde der Bauer vielleicht im Jähzorn die Möbeleinrichtung demolieren. Das könnte er doch eigentlich heute machen, dachte ich mir, denn die alte Bühne brauchen wir morgen sowieso nicht mehr. Gut. Ich teilte meine Idee dem Bauern mit, sonst niemand, nicht einmal der Bäuerin (…) Als die Gardinenpredigt zuende war, ergriff der Bauer nicht nur das Wort, sondern auch das Beil und schrie: “Jetzt wird’s mir aber amol zu dumm, Himmisapprament”, und ein wuchtiger Hieb zertrümmerte gleich die Zimmertüre. (…) Dann schrie er zum Fenster hinaus: “Großknecht, da geh rei.” Ich erschien ebenfalls mit einem Beil – und nun ging es los.
Alle, der Besitzer des Frankfurter Hofes, die Besitzerin, die Stammgäste, das Publikum und die Bäuerin – alle sperrten Augen und Mund auf, als die ganze Bühne vor ihren Augen in Trümmer zerfiel. Sogar die Gäste flogen aus dem Saal, weil sie glaubten, die Schauspieler seien wahnsinnig geworden. Kopfschüttelnd verließen die Gäste die Singspielhalle und einige meinten: ‘Die haben aber natürlich gespielt.'”
(Karl Valentin in “Autobiographisches und Vermischtes” – Piper)

Originalität und Folgerichtigkeit

Oftmals wird die Frage diskutiert, welche Rolle “Originalität” im Improtheater spielt. Keith Johnstone lehnt sie bekanntlich ab, und schwört auf das Naheliegende, obwohl es in seinen Szenenbeispielen von Elfen, Monstren, wahnsinnigen Tätowierern und verwunschenen Meerschweinchen nur so wimmelt. Dies begründet er damit, das sei eben “sein Naheliegendes”.
Auf dieses Problem hat Gunter Lösel in seinem Buch Theater ohne Absicht hingewiesen: Die erste Assoziation ist auf Dauer doch ein wenig langweilig. Gerade in der Phase der Assoziation, d.h. im Entwickeln des Ausgangsmaterials können wir ruhig unseren Horizont ein wenig verbreitern, ohne gleich albern zu werden. Angenommen, die Szene startet im so oft vorgeschlagenen Schwimmbad, so müssen wir nicht die zwölftausendste Schwimmlehrer-Schüler-Szene sehen. Andererseits wirken Alien, die plötzlich aus der Rutsche trudeln etwas gewollt, oder in Johnstones Worten “originell”. Aber ich kann den Charakteren, die ins Schwimmbad gehen, eine zusätzliche Eigenschaft geben, z.B. Geheimdienst-Agenten, die über unerklärliche Morde spekulieren. Wenn dann die Aliens auftauchen, wäre es gewissermaßen die logische Folge des bereits Etablierten.
Bei allem Akzeptieren, Ja-Sagen usw., sollte man sich nicht davor scheuen, ein frisches Irritierendes Moment hinzuzufügen.

Werden Kontraste zu wenig wertgeschätzt?

Selten wird der Wert des Kontrasts in der Improvisation gewürdigt. Flow wird häufig nur aus der Perspektive des Sanft-Nachahmens und Hinzufügens gesehen. (Vielleicht, weil der Kontrast etwas von Nein-Sagen hat?) Aber auch der scharfe Kontrast hat seinen Wert:
– Der Stimmungs- oder Tempo-Wechsel in der Szene (ähnlich der Musik)
– Der entgegengesetzte Character.
– Die entgegengesetzte Haltung.
– Ein neues Erzählelement.
Auch habe ich bisher kaum Kontrast-Übungen in Improtheater-Workshops erlebt. Ausnahmen bisher: Contact-Impro und Tanz-Impro, die ich durch Nina Wehnert kennengelernt habe, sowie die Storytelling-Workshops von Lee White.
(Bitte um Kommentare)

Ein paar Kernaussagen von Lee White

  • Respektiere dein Publikum, deine Mitspieler, deine Kunst.
  • Man kann zwar Comedy-Sketche aufführen; wir aber sagen: Das was wir zeigen, ist, worum es im Leben geht.
  • Es geht nicht darum, dein Publikum zum Lachen zu bringen, sondern darum, dass sie deine Figur lieben. Das Publikum wird eine Figur nie “zu stark” lieben.
  • Vermeide Smalltalk. Jeder Satz sollte etwas bedeuten. Warum sonst sollten wir ihn sagen?
  • “Ich habe noch nie eine schlechte Szene mit Jacob Banigan gesehen.” (der bekannt für seine Großzügigkeit mit seinen Mitspielern ist.)
  • Was das Publikum sieht, sollten wir nutzen, statt es zu verändern. (in diesem Sinne naheliegend sein.)
  • Figurengegensätze schaffen, nicht nur durch Status, sondern auch durch Emotion, Fähigkeiten, Haltungen usw.

Patti Stiles’ view on developing impro by discussing it

“I think it is important we discuss openly what we think, feel, want in impro. We should do this with respect and without one person trying to be right or better than the other. We should understand that one person’s point of view is simply that – one persons point of view. There is never a question of whether or not someone should do their work. Of course, follow your passion. Many great teachers, artists and art forms are a response to disliking what was currently being offered or performed as ‘art’.” (Patti Stiles)