Journalisten neigen ja dazu, Impro-Shows zu ignorieren, wenn nicht gerade ein Festival ansteht, bei dem die Eröffnungsshow besprochen wird oder es in einer Kleinstadt nun endlich auch ein Improtheater gibt.
Die unangenehme Kehrseite dieser Journalisten-Ignoranz sind die ewiggleichen Rezensionen von Impro-Shows: „Das Publikum wälzt sich auf dem Boden vor Lachen, als sich in der zweiten Szene der Detektiv mit einer schizophrenen Katze auf dem Mars eine Opern-Arien-Battle liefert…“ Fast immer beziehen sich die Journalisten in ihren Rezensionen auf absurde Situationen. So gut wie nie verstehen sie die Mechanismen der Improvisation, was letztlich dazu führt, dass sie kein Beurteilungs-Instrumentarium dafür haben, ob eine Impro-Show gut oder schlecht war. Sie gleichen Richard-Wagner-Fans auf einem Hip-Hop-Konzert. Sie erkennen nicht, ob die Spieler gut zusammengespielt haben, ob sie ein Händchen fürs Narrativ haben. Sie wissen nicht die Feinheiten des improvisierten Bewegungs-Ablaufs zu schätzen. Komisches Timing und Narrativ sind ihnen wurscht. Hauptsache „Fünf-vier-drei-zwei-eins! Und alles war improvisiert.“
Falls es da draußen einsame Journalisten mit Impro-Kenntnis gibt, verzeiht mir bitte diese Tirade. Ich bin auf eurer Seite.

Impro-Journalisten, wo seid ihr?
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8 Kommentare zu „Impro-Journalisten, wo seid ihr?

  • 2016-04-27 um 15:47 Uhr
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    Lieber Dan, ich hatte Dir ja schon mal geschrieben, wie unheimlich schwierig ich es finde, selbst als Improvisateurin über Impro zu schreiben (weshalb ich es jetzt im Grunde hab ganz sein lassen, da ich selber für mich noch nicht gefunden habe, wie ich gute Artikel über Impro-Shows schreiben kann). Und ich merke das auch, wenn ich Artikel über Impro lese, dass mich die meisten nicht berühren und für mich blutleer und abstrakt bleiben: Eine Inhaltsangabe der Show interessiert mich im Nachhinein höchstens am Rande, und nur, um mir ein Bild des groben Geschichtenverlaufs zu machen. Die Technik oder "Mechanik" des Formats interessiert mich ebenfalls nur peripher, da mir das eben zu abstrakt und blutleer ist. Was mich interesssiert ist: Was hat die Show im Resenzention zum Schwingen / Klingen gebracht? Welche (emotionale) Resonanz hat sie erzeugt? Mit welchen Gefühlen ist der Resenzent in die Show rein, und hinterher wieder raus gegangen? Was hat besonders berührt? Eine bestimmte Szene? Das Schauspiel der Personen auf der Bühne? Ihre Figuren? Deren Schicksale? Das Zusammenspiel (auch mit der Musik)? Oder wie das Ganze am Schluss verwoben wurde? Und wenn da nun mal gerade keine Saite zum Klingen gebracht wurde, halte ich es auch für müßig, einen Artikel über so eine Show zu schreiben – denn es gibt keinen Stoff für den Artikel (jedenfalls geht das mir so).

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  • 2016-04-27 um 20:42 Uhr
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    Ja, das sehe ich im Grunde auch so. Aber wenn die Show "nicht klingt" muss der Journalist eben auch den Mumm haben, sie zu kritisieren. Die Kunstform an sich ist genug gelobt worden. Sie ist erst erwachsen, wenn sie von Kennern angemessen beurteilt wird.

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  • 2016-04-28 um 22:40 Uhr
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    Super Artikel. Hast du schon mal selbst schon so was geschrieben? Wär interessant zu lesen.

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  • 2016-04-29 um 00:20 Uhr
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    Hier mal erste Versuche von mir:

    A
    "Vorspiele 1

    Mit Szenencollage, emotionaler 2er Synchro mit blutrünstigem Fleischer und Bier beim Zahnarzt setze sich die Spontanwerkstatt in der ersten Halbzeit durch – gegen die Transpiranten mit Experteninterview inklusive Gebärdendolmetsch-Unterstützung zum Thema Quantenphysik und rudern mit E-Boat am Traunsee.

    In einer 2ten Halbzeit lieferten sich die Schaulustigen und die Chilies ein Feuerwerk an feinen Szenen. Kuh-Ohrenfett wird als Lippenstift benützt, kompetenter Maschineningeneur stoppt Raumschiff per Handbremse, Verbrecher werden verhört und Zwillinge geboren – am Ende ging es 11 zu 10 superknapp für die Schaulustigen aus."

    B
    "Vorspiele 2

    In der ersten Halbzeit können Catfish bei der Zettelspiel-Runde fast alle Punkte holen. Beim Wunschspiel präsentieren Nimm2plus2 eine ganz neues Spiel ‚Sammy again play‘.. bei der dritten Wiederholung übernimmt Flora erfolgreich alle Parts der ursprünglich 3 Schauspieler– und bekommt die volle Punktezahl vom Publikum. Clemens von Catfish synchronisiert bei ihrem Wunschspiel beide Schauspieler auf der Bühne – das Stück besticht durch gute Synchro und schön-markante Figuren, es gibt je einen Punkt von 2 der 3 Juroren. Bei den freien Szenen kann Catfish mit der Figur des hochmütigen erhabenen ‚Richard dem Dritten‘ Zuschauer- und Jury-Herzen erobern und sich gegen die kurze Szene von Nimm2plus2 durchsetzen. Am Schluß geht es 14 zu 7 für Catfish aus.

    In der zweiten Halbzeit räumten in der ersten Runde ‚Ja, natürlich‘ mit ihrem Western alle Punkte ab, Cowboy Max hat mimikstark und mit Pantomime-Action überzeugt. Die Ungezähmten konnten in der Wunschspiel-Runde mit einer ausdrucksstarken Alltagsolympiade mit den Punkten gleichziehen. Bei der freien Szene konnten die Ungezähmten mit einer sehr runden Geschichte über einen Sprengmeister mit Hobby ‚kuscheln‘ überzeugen und es geht 14 zu 7 für die Ungezähmten aus."

    Sind nur Facebook Nachberichte auf der eigenen Veranstaltungs-Seite anstatt nur die Sieger zu sagen und wer weiterkommt.

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  • 2016-05-01 um 20:54 Uhr
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    @AntiMike: Beide Beiträge überzeugen mich leider nicht. (Oder sollten sie ein ausformuliertes Exemplar dafür sein, was ich mit meinem "schizophrene-Katze-Beispiel meinte?) Journalistische Rezensionen müssten ja auch für Außenstehende interessant sein. Die Beispiele sind ja im Grunde Parodien von Sportberichten, d.h. der Theatersport-Gedanke wird in die Rezension verlängert. Das ist zwar originell und funktioniert auch vom Ton. Außerdem ist es wahrscheinlich auch für alle Beteiligten und vielleicht auch für den ein oder anderen Zuschauer amüsant. Aber es hat keinerlei Mehrwert für jemanden, der nicht dabei gewesen ist.
    Was erfahre zum Beispiel ich, als extrem Impro-Interessierter, über diese Show? "Kuh-Ohrenfett wird als Lippenstift benützt". Und?
    Ich erfahre nichts über die Impro-Qualitäten der Spieler, außer dass einer gut synchronisieren kann und des anderen Pantomime ausdrucksstark ist. (Bei dem parodistischen Tonfall der Rezension ist aber nicht einmal klar, ob ich dieses magere Lob überhaupt ernstnehmen kann.)
    Die Frage stellt sich hier natürlich, ob eine Theatersport-Show überhaupt rezensionsfähig ist. Ich denke, dass das im Prinzip möglich ist, aber man muss schon sehr genau hinschauen.

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  • 2016-05-01 um 22:11 Uhr
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    Danke für die Antwort!
    Jup jup.. ich habe das bei 'A' schon gewusst und auch das 'B' nicht perfekt ist, mich hat das Thema jetzt so interessiert dass ich meine Beispiele posten wollte.

    Dein Blogartikel hat mich angesprochen weil ich gerade das Beispiel 'A' selbst kurz vorher produziert habe.
    Die Notwendigkeit bestand einfach darin auf der eigenen Facebook-Seite des Impro-Turniers das Ergebnis der ersten Runde zu verkünden.
    Und statt einfach nur 'Ergebnisse: x gewinnt gegen y, z gewinnt gegen a' zu schreiben kam dann sowas raus.
    Nämlich sowas wie du geschrieben hast, dass man als 'Zusammenfassung' die absurden Situationen rausgreift.
    Ziel war: Ergebnis verkünden, lustigen Text haben den Mannschaften dann auch eventuell auf ihren Facebook-Seiten 'teilen', Werbung für Leute die es nicht gesehen haben – dass man vermittelt dass es etwas lustiges ist, und als frohe Erinnerung für Leute die es gesehen haben

    Bei 'B' habe ich ein bisschen versucht wenigstens für Leute in der örtlichen Szene etwas mehr brauchbare lesenswerte Infos zu geben. Wie wenn ich wem in der Szene verzählen würde wie das letzte Match so war. Ich habe hier mehr vom Match-Verlauf erzählt, wer wo Punkte bekommen hat und was das Gute an den Szenen war, welche Wunschspiele in der Wunsch-spielrunde gespielt wurden.
    Das Kritische fehlt, weil da bin ich als Organisator der auch selber mitspielt nicht ganz in der richtigen Position.

    Ich habe mal als Idee für das Turnier einen hauseigenen 'Journalisten/Chroniker' zu beauftragen der dann 'unabhängig' schreiben soll.. mal schauen ob ich wen finde.

    Das Ganze ist jetzt auch ein bisschen etwas anderes weil es bei mir nicht um eine wirkliche Rezension von einer unabhängigen Zeitung geht.

    Hmmm..

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  • 2016-11-04 um 09:41 Uhr
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    Da gibt es auch Gruppen, die an solchen Presseartikeln nicht unschuldig sind.
    Eine Gruppe schreibt folgendes zu ihren Aufführungen: "Erleben Sie, wie ein Schafaufsteller arbeitet, wie ein Gedankenfänger funktioniert oder was bei der Goldhamsterolympiade passiert."

    Dann ist das kein Wunder mit den Artikeln.

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