Pantomime

Marcel Marceau sagte: “Der Filmschauspieler muss vergessen machen, dass er spielt. Der Pantomime darf das nicht, er muss in beständiger Anspannung sein.” Die Herausforderung für uns Improtheater-Schauspieler besteht darin, dass wir und im Grunde zwischen diesen zwei Polen bewegen. Wir brauchen die realistische Darstellungsweise des Filmschauspielers, um glaubwürdige Figuren interagieren zu lassen, und wir müssen die Technik der Pantomime beherrschen, um aus der leeren Bühne eine bewegende Szene zu erschaffen.

Pantomime

Marcel Marceau sagte: “Der Filmschauspieler muss vergessen machen, dass er spielt. Der Pantomime darf das nicht, er muss in beständiger Anspannung sein.” Die Herausforderung für uns Improtheater-Schauspieler besteht darin, dass wir und im Grunde zwischen diesen zwei Polen bewegen. Wir brauchen die realistische Darstellungsweise des Filmschauspielers, um glaubwürdige Figuren interagieren zu lassen, und wir müssen die Technik der Pantomime beherrschen, um aus der leeren Bühne eine bewegende Szene zu erschaffen.

Dem Rhythmus widerstehen

Rhythmisch akzentuierte Begleitmusik kann für Impro-Spieler oft schwieriger sein, als es dem Musiker erscheint. Vor allem musikalisch sensible Spieler tendieren dazu, den Rhythmus aufzunehmen und tänzerisch umzusetzen. Nun ist nichts gegen Tanz einzuwenden, es sei denn, wir spielen eine Szene, in der der Tanz die Szene eben zerstören würde. (Wie es ja auch in Hollywood- und Russenfilmen der 50er nervt, wenn an jeder dramatischen Stelle eine Horde Tänzer erscheint und der Held zu singen beginnt.)
Nun soll der Musiker sich ja nicht des Rhythmus enthalten, aber er sollte sich bewusst sein, welche Schwierigkeiten er bei den Schauspielern auslöst.

Nörgeln

Aus der Reihe Regeln, über die ich mir nicht 100%ig sicher bin: Nörgle nicht!
Nörgeln ist eine Art von schlecht anzuhörendem Streit, es bringt die Szene nicht voran, und macht die Figuren hässlich und öde. Unterschwelliger Ärger, unterdrückter Zorn, Angst usw. sind als negativer Ausdruck allemal interessanter.

Präsentation oder Repräsentation, Bernhardt vs. Duse

In ihrem Buch “Respect for Acting” unterscheidet Uta Hagen representational und presentational acting.
Das Repräsentations-Schauspiel, wie wir es im Spiel von Sarah Bernhardt sehen, setzt auf äußere Effekte. Das Präsentationsspiel ist “natürlicher” und kleiner.
“Bernhardt’s audience stood to scream and shout its admiration. Duse’s audience wept.”

Das führt uns wieder auf die Frage zurück, was Schauspiel ist und was es kann. Und obwohl man tendiert, ihr zuzustimmen, beantwortet Hagen hier ein paar Punkte nicht.
Schauspiel ist ja weiterhin ein Spiel, d.h. als Schauspieler brauche ich zwar einen tiefen Zugang zu meiner Gefühlswelt, benötige aber genauso eine Flexibilität, um mit diesen Gefühlen umzugehen. Es hilft ja nichts, wenn ich mich als Schauspieler dermaßen in die Rolle fallenlasse, dass ich z.B. vor Rührung hemmungslos schluchze und mich nicht mehr einkriege oder, wie auch Hagen es beschreibt, meiner Mitspielerin den Arm quetsche, “weil ich das gerade so fühle”.
Und ich brauche ein drittes Auge, schon für die technischen Gegebenheiten: Meine Stimme muss im Theater zu hören sein, auch wenn ich “leise” spreche. Ich darf mich als Filmschauspieler nur im Kamera-Feld bewegen. Als Impro-Schauspieler kommen noch Elemente wie Wachheit für die Story hinzu. Das alles ist kein Entweder/Oder, sondern ein Sowohl-als-Auch.
Bediene dich also deiner emotionalen Palette, soweit du es kannst. Zeig uns deine innere Wahrheit. Die Grenze ist erst dort erreicht, wo du nicht mehr spielen kannst.

Briefwechsel mit Jens Abel über die Frage der Einfühlung des Spielers

Hallo Herr Richter,
ich bin über das Forum der Webseite www.impro-theater.de auf Ihre Person hingewiesen worden. Dort wurden Sie als guter Improvisationstheoretiker genannt, der mir bei meiner Fragestellung vielleicht weiterhelfen könnte.
Aktuell schreibe ich an meiner Magister-Abschlussarbeit im Fach Kommunikationswissenschaft zum Thema “Spielen bis die Tränen kommen? Zur Rekonstruktion von emotionalem Erleben in virtuellen Spielen.”. In diesem Zusammenhang versuche ich herauszuarbeiten, wieso Videospiele nicht (besonders gut) in der Lage sind, mitfühlende Emotionen, wie z. B. Mitleid beim Spieler zu wecken. Das dies empirisch der Fall ist, lässt sich anhand von Statistiken belegen.
Vom strukturellen Aufbau sind Videospiele meiner Meinung nach in gewissem Rahmen mit Improvisationstheater bzw. explizit deren Darstellern(!) zu vergleichen. Beide pendeln zwischen einem Darstellen für Andere (und sich selbst) und einem Rezipieren der Anderen (eventuell auch sich selbst?) hin und her. Beide agieren in einem gewissen vorgegebenen Rahmen (physikalische Grenzen des Aufführungsraums, Ziel der Aufführung), gemessen an ihren eigenen Fähigkeiten mit großer Freiheit. Beide wissen zu Beginn der Aufführung bzw. des Spiels nicht “wohin die Reise geht”. Was die Bühne für den Schauspieler, ist die virtuelle Welt für den Videospieler. Dieser Analogieschluss ließe sich noch weiter aufblähen.
Hier ergibt sich der Kern meiner Frage, den ich am besten in Form eines Beispiels skizzieren kann. Vorgabe ist notwendigerweise, dass es sich um eine traurige, tragische “Aufführung” handelt, deren Publikum entsprechend mitarbeitet – als reines Gedankenexperiment.
Angenommen, Sie spielen eine beliebige Nebenfigur, an Ihrer Seite eine Schauspielkollegin, in der Rolle einer jungen Mutter, durch Publikumseinwürfe kommt es zur Tragödie: Verkehrsunfall, der den Tod ihres Kindes zur Folge hat – und wieder durch Publikumseinwürfe nun in tiefer Trauer am Grab des jüngst verstorbenen Kindes zu stehen hat.
Was würden Sie sagen, fühlt Herr Richter in diesem Moment? Fühlt er keine sonderliche Veränderung seiner eigenen Gefühlslage als private Person? Lässt ihn die momentane, gespielte Situation seiner Schauspielkollegin “kalt”? Oder berührt ihn das gespielte Leid der Mutter auch als private Person über die Grenzen seiner Rolle hinaus? Nehmen wir an, seine Rolle würde nun vorsehen, Mitleid für die trauernde Mutter zu empfinden, schauspielert Herr Richter innerhalb seiner Rolle nun die Symptomatik des Mitleids (Gestik, Mimik, etc.) – mit dem Ziel eines klassischen Schauspielers, dem Zuschauer diese Emotion zu zeigen? Hat dabei aber stets im Hinterkopf, dass es sich um eine schauspielerische Situation handelt?
Die klassische Theaterlehre hat die Frage natürlich bereits zu genüge diskutiert, in wie fern ein Schauspieler sich die Gefühlslage seiner Rolle zu eigen macht oder nicht. Konsens scheint zu sein, dass er dies eben nicht tut. Vor dem Hintergrund Gemütslage A im Sekundenbruchteil gegen Gemütslage B zu tauschen. Besonders gut sichtbar bei monologisch-schizophrenen Charakteren, gespielt von einem geistig gesunden Schauspieler. Oder eben der Prämisse, dass ein Schauspieler einen Mörder glaubhaft verkörpern kann ohne selbst Mörder oder die Erfahrung des Mordens gemacht haben zu müssen.
Aber gerade im Improvisationstheater werden klassische Barriere durchbrochen. Der Improschauspieler arbeitet ohne Drehbuch, weiß also nichts von eventuellen, vom ihm geforderten Gemütslagen. Er steht im sprichwörtlichen Sinne nackt auf der Bühne, ohne einstudierte Handlungsvorgaben oder Ablaufpläne, ohne vorgegebenen und einstudierten Text. Er wird von den Veränderungen, Verbindungen und Emotionen die ihm selbst und seine Mitstreiter vom Publikum auferlegt werden, “kalt erwischt”. Es gibt ein überraschendes Moment, wie sonst nur in alltäglicher Kommunikation der Fall.
Genau genommen müsste man die Frage nach der Gefühlslage des Improvisationsschauspielers erweitern, denn was fühlt die Schauspielerin, die im obrigen Beispiel die junge Mutter spielt? Die zunächst auf positive und durch und durch erfreuliche, Glück-versprühende Weise die werdende und dann seiende Mutter spielt – die also als schauspielernde Person selbst rezipiert, wie sich ihre eigenen Rolle entwickelt. Das die plötzliche Katastrophe von ihrer Rolle tiefe Trauer als Reaktion verlangt (unterstelle ich hier, für den Erhalt des Beispiels) ist nachvollziehbar. Aber was fühlt die Schauspielerin? Konnte sie sich als junge Frau mit der von ihr verkörperten Rolle und dem sich im Spiel ergebenen Glück identifizieren? Ist sie also – zumindest für einen Bruchteil eines Moments – ebenso von der Katastrophe geschockt und empfindet Mitleid mit ihrer eigenen Rolle?!
Dies wäre im Grunde die Kernfrage: Kann ein Improvisationsschauspieler mit der eigenen Rolle Mitleid empfinden?

(Meine Antwort)
Hallo Jens Abel, vielen Dank für die Mail und die Überlegungen. In der Tat wurde diese Frage fürs Schauspiel schon oft besprochen. Sehr scharf und deutlich, wie ich finde, in der Abgrenzung von Brecht gegenüber Stanislawski. Ich sehe es so: Als Schauspieler brauchen wir eine Distanzierung, um überhaupt ins Spiel zu kommen, und zwar in dem Sinne, als dass wir ein spielerisches Verhältnis entwickeln können, was uns erlaubt, innerlich und äußerlich flexibel zu bleiben. Auf der anderen Seite müssen wir bereit sein, unser emotionales Gedächtnis zu aktivieren. Um das Mörder-Beispiel zu nehmen: Ich muss zwar noch keinen Menschen umgebracht haben. Aber es hilft der Rolle, wenn ich die Gefühlslage nachempfinden kann – Hass, Gier, Genuss oder was auch immer die Gefühlslage des Mörders ist. Das heißt aber auch, dass ich mit dieser Gefühlslage spielen kann, denn ich bin mir ja bewusst, dass ich auf der Bühne stehe. Und ich denke, dass wissen wir schon als Kinder, wenn wir Cowboy und Indianer spielen, dass wir unsere Mitspieler nicht wirklich erwürgen. Im Improtheater bezeichnen einige diese Distanzierung auch als “Drittes Auge”. Und hier brauchen wir die Distanzierung auch, da wir nicht nur improvisierende Schauspieler, sondern in der Regel auch gleichzeitig improvisierende Autoren des Stücks und improvisierende Regisseure sind (und noch auf einigen anderen Ebenen improvisieren). Die Schwierigkeit der meisten Improschauspieler besteht aber nicht in der Distanzierung, sondern in der Tiefe der charakterlichen Darstellung der Figur und diese auch durchzuhalten. Das durchzuhalten kann durchaus schwierig sein, da man, wie gesagt, ja auch noch mit ein paar anderen Impro-Bällen gleichzeitig jongliert oder aber, und jetzt kommen wir zu deiner Frage, weil man vom Angebot des Mitspielers stark überrascht wird. Das Aus-der-Rolle-Fallen äußert sich dann allerdings meistens als Lachen. Übrigens auch im Konventionellen Theater, wenn etwas außergewöhnliches passiert. Dass jemand auf der Bühne in Tränen ausbricht, weil er vom Drama überwältigt wird, habe ich so noch nicht erlebt, wenn wir erzwungene oder zugelassene Tränen, die “in der Rolle” sind, nicht mitrechnen. Wenn das geschähe, würde ich sagen, der Spieler hat sich zu sehr in die passive Zuschauerhaltung fallenlassen statt die Mitspielerin zu unterstützen, was im Improtheater hieße, das Unglück der Mutter zu verschärfen. Im Übrigen ist meine Erfahrung, dass solch seltene dramatische Momente im Improtheater eher entstehen, wenn die Spieler Zeit und Raum haben, selbst ihr Materal zu entwickeln, statt durch andauernde Publikumsvorschläge wieder rausgeholt zu werden. Dann ist nämlich die Entwicklung oft gar nicht mehr so spannend, überraschend und dramatisch. Ich habe, vor einiger Zeit über das Thema schon mal in meinem Blog was geschrieben: Ich denke, dass diese Prozesse noch nicht wirklich psychologisch erforscht sind. Wie weit fühlen wir Trauer, wenn wir sie spielen. Läuft die Distanzierung im Nachhinein ab oder nicht doch eher parallel? Insgesamt vermute ich, dass Improspieler, und vielleicht Schauspieler überhaupt, ein spielerischeres Verhältnis zu ihren Emotionen aufbauen – so wie etwa Zen-Buddhisten. Eine Emotion ist dann nicht mehr etwas statisches, unwillkürliches, was einen überfällt, sondern man kann sich ihr nähern, sie betrachten, sie stärker zulassen, abwandeln usw. Ob ein Spieler von virtuellen Spielen eine solche Distanzierung systematisch aufzubauen vermag, möchte ich allerdings bezweifeln. Eher vermute ich hier für die meisten Spiele den gegenteiligen Effekt: Eine Wirtschaftssimulation lässt einen eben zum ehrgeizigen Händler werden, ein Mafiaspiel zum selbstgerechten Killer, um es mal plakativ zu formulieren. So weit zumindest meine Erfahrungen mit Computerspielen. Obwohl ich die strukturellen Parallelen auch sehe, behaupte ich, dass das Mindset beim Improspielen ein anderes ist als bei Computerspielen, da man zwar auch konstruiert und reagiert, aber vor allem das Schauspiel-Element als auch das Auf-den-anderen-eingehen beim Computerspiel weitgehend fehlt.
Dan Richter

Anmerkung: Dieser Briefwechsel wurde natürlich mit Jens Abels Einverständnis veröffentlicht.

Komische Stimme – platte Figur?

Mike Short im Forum YesAnd:
“Eine Stimme ist nur ein Teil der Figur. Sie eignet sich gut, um loszulegen, aber man muss geschwind die Wahrheit dahinter finden. Eine Figur, die lediglich in ihrer comichaften Stimme verharrt, bleibt eine platte Figur. Also mach nicht nur die komische Stimme. Nutze die komische Stimme als Startrampe.”

(“A voice is only one part of a character. It is a fine place to start, but you must quickly find the truth behind it. A character that remains only a cartoonish voice remains a flat character. (…) don’t just make a silly voice. Use that silly voice as a place to start.”)

Mangelndes Vertrauen in die Improvisation

Wie ein Schauspiel-Professor Improvisation unterrichtet ohne jedes Vertrauen in die Improvisation:
“Es ist (…) reine Scharlatanerie und geht noch hinter den Normalfall des Alltags zurück, in der Ausbildung Spieleinfälle improvisieren zu lassen, die der Student ohne jede Vorgabe völlig aus sich heraus erspielt. Da kommt nichts weiter zustande als psychodramatische Nabelschau.” (Gerhard Ebert: “Schauspielen. Handbuch der Schauspieler-Ausbildung”)
Wer so schreibt, hat nie spannende, fließende Improvisation gesehen, sondern Selbstblockaden, die aus der Trockenheit des Schauspielunterrichts rühren.

Figuren von der Stimme her entwickeln

Die Stimme ist ein dankbarer Ausgangspunkt für die Entwicklung von Figuren. Es funktioniert bei den meisten Schauspielern – physische und geistige Haltung folgen.
“Bei der Entwicklung der Parodien gehe ich handwerklich vor. Am Anfang steht die Arbeit mit der Stimme: Ich nehme markante Passagen des Originals mit meinem Diktiergerät auf und übe sie immer und immer wieder. Da seziere ich regelrecht: Wo sind die Atempausen? Ist da ein Lispeln drin, ein Dialekteinschlag? Ich laufe durch meine Wohnung, mache Stimmen nach und werde bekloppt dabei. Danach kümmer ich mich um Mimik und Gestik. (…) Ich versuche nicht, die Charakterstrukturen meiner Vorbilder zu analysieren.” (Max Gierman in taz 22.9.2009)

Schauspielerische Präsenz

“Was die Garbo hatte, war ein Körper, der etwas mitteilen und empfangen konnte. Von ihrem Rückgrat hätte sie schwärmen sollen. Sie reagierte spontan mit Gefühl und Wärme, und was sie empfunden hat, fühlten auch die Zuschauer; doch der Ausdruck, den der Körper vermittelte, schien ihnen vom Gesicht zu kommen. Man kann einem großen Zuschauer in einem großen Theater zusehen. Sein Gesicht ist winzig klein und doch hat man die Illusion, jede kleinste Veränderun des Ausdrucks gesehen zu haben. Ein solcher Schauspieler kann eine hölzerne Maske zum Lächeln bringen.” (Keith Johnstone)

Bewegende Schauspiel-Impro

Rich Talarico: “Wir spielten in einer großartige Szene eine italienische Akrobatenfamilie. Als wir alle so taten, als stünden wir hoch oben auf dem Seil, hörte ich das Publikum nach Luft schnappen, als wir beinahe herunterfielen. Dieser Moment war überaus kraftvoll für mich, weil ein ganzer Zuschauerraum uns unser Spiel abnahm.”

Aus Charna Halpern: “Art By Committee. A Guide to Advanced Improvisation”

Schauspiel und Authentizität

Interview mit Christoph Waltz in der taz:
“Ich empfinde als Zuschauer dramatische Schauspielerei als Behinderung. Ich will mich nicht dafür schämen müssen, mein Hirn angeschaltet zu lassen, wenn ich ins Kino gehe. Als Zuschauer wird mir durch zu viel Schauspielerei oft der Blick verstellt. Ich will aber als Schauspieler den Blick des Zuschauers auf die Inhalte lieber frei machen. Im Grunde lässt sich mein Berufsverständnis auf einen Satz reduzieren: Geh aus dem Weg – und gib den Blick frei auf das, was wirklich wichtig ist!”
(…)
(zu “Der Untergang”) “Ich sehe nicht ein, wieso ein Staatsschauspieler, dem man ein Bärtchen aufgeklebt hat, mehr Anspruch auf Wahrheit haben sollte als irgendeine Kasperlpuppe.”

Intelligenz wirken lassen

Man lasse seine Intelligenz und sein Wissen in die Improvisation einfließen. Die Figur sollte das, was sie tut, gut beherrschen. Also statt den trottligen Zahnarzt, einen guten Zahnarzt usw. Trottligkeit ist eben auch ur für einen schnellen Lacher gut. Aber auch das eigene Wissen wirklich einbringen. Warum sollen z.B. nicht zwei Truckfahrer in eine moralphilosophische Diskussion abdriften? Viele Improspieler halten mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten hinterm Berg. Ein großartiger Spieler, den ich kannte, hielt sich lange Zeit für “zu ungebildet” (weil er der Jüngste war), bis ihm seine Teamkollegen vor Augen führten, das er am längsten von allen Theater spielte, sowohl ein abgeschlossenes Studium als auch ene Berufsausbildung hatte, einen Sportsverein leitete und diverse Instrumente spielte. Allmählich ließ er dann davon einiges in seine Bühnenfiguren einfließen, und er wurde brillant.
Als Zuschauer will man ja nicht nur oberflächlich spannendes (“Sie haben mit meiner Frau geschlafen, Herr Pfarrer”), sondern eben auch Interessantes. Man halte die Augen offen. Ein Improspieler muss eigentlich ein Hans Dampf in allen Gassen sein – kein Thema, was ihn nicht interessiert, egal ob Politik, Philoophie, Naturwissenschaft, Psychlogie usw. Man erkenne Pros und Contras und beziehe auf der Bühne Position – als Figur kann das natürlich eine andere Position sein als die eigene.

Auf der anderen Seite: Doofe Figuren zu spielen, wie Betrunkene, Kleinkinder, geistig Behinderte, demente Greise usw. ist oft auch eine Wahl der Angst. Den diese Figuren brauchen die Folgen ihres Handelns nicht zu tragen, sie sind sozusagen per se amoralisch, da sie nicht für die Folgen ihres Handelns verantwortlich sind. Das heißt wiederum nicht, dass man kein Kind und keinen Betrukenen spielen solle. Es gehört aber ein waches Auge dazu und ein Blick für die Fallstricke. Besoffene und Kinder sind in der Regel höchstens als Passenger gut.

Tiere

Tiere sind bekanntlich eine wunderbare Inspiration für Figuren.
Bei Anfängern sehe ich oft, dass sie Tiere eher cartoonhaft imitieren: Beinheben und dabei “wuff” sagen oder Rüssel andeuten und “Törö” sagen.
Zur Inspiration werden Tiere dann, wenn es uns gelingt, in ihre Haut zu schlüpfen und die Welt aus ihrer Perspektive zu betrachten. Jemand, der beispielsweise eine Katze als Inspirationsquelle nutzt, muss gar nicht auf allen Vieren rumrennen, sondern es kommt auf die innere Haltung an, die Spannung, die Eleganz, die Geschwindigkeit, der Blick auf die Welt

Spezifisch Objekte etablieren

Man lasse sich Ruhe beim pantomimischen Etablieren von Gegenständen und der Umgebung. Der pantomimische Effekt ist umso größer, je spezifischer wir sind. Und der Vorteil: Es ist auch noch leichter für uns selbst. Angenommen, ich improvisiere eine Figur, die an einem Schreibtisch sitzt, so ist es für mich selbst am leichtesten, ich imaginiere den eigenen Schreibtisch, den ich ja am besten kenne. Das wird mich davon abhalten, grob und plakativ zu werden. Und ich werde keine Details vergessen. Auch wenn ich hier im im Grunde Alltag reproduziere, ist das für den Zuschauer interessanterweise spannender als die Darstellung eines vorgestellten 08/15-Schreibtisches.
Dasselbe gilt auch für kuriose Orte, die nur wenige von uns aus eigener Anschauung kennen, sagen wir die Zentrale für Lebensmittelkontrolle oder ein AKW. Vieles auf der Welt funktioniert ähnlich und simpel. Ich imaginiere mir die Räume so konkret wie möglich vor. Natürlich hat man selten einen gesamten Raum mit allen Details sofort vor Augen, aber je bunter ich ihn mir ausmale, umso spezifischer kann ich spielen.
Für Handlungen gilt das sowieso: Wie oft habe ich gesehen, wie Improspieler einfach ihre Finger flattern ließen, wenn sie mimten, am Computer oder an der Schreibmaschine einen Text zu schreiben. (Dasselbe für Klavierspielen usw.) Schreib einen konkreten Text.

Berichten Sie Ihr traumatischstes Erlebnis

Um an “Wahrheiten” heranzukommen, werden Schauspielschüler aufgefordert, sich auf einen Stuhl zu setzen und ihr traumatischstes Erlebnis zu berichten.
John Wright berichtet in “Why is that so funny”, wie eine Schülerin ihm gestand, dass ihre Mitschüler ihr Komplimente für die emotional aufwühlende Geschichte vom Tod ihrer Mutter gaben. In Wirklichkeit aber lebt die Mutter bei bester Gesundheit.
John Wright meint nun, die Übung sei eigentlich sehr gut, nur werde sie durch die übermäßige Betonung von Wahrheit missbraucht. Als ob sich “Wahrheit” nur im Tragischen fände.
Die Aristotelische Trennung von Komödie und Tragödie lässt sich ja bis heute nachzeichnen, und zwar vor allem in der Geringschätzung der Komödie.
Die improvisierten Dialoge zu Beginn der Chaussee der Enthusiasten basieren eigentlich grundsätzlich auf Wahrem, auf Erlebtem. Und zwar ohne, dass wir uns mal darauf geeinigt hätten. Aber diese Dialoge haben natürlich grundsätzlich einen komischen Dreh. Es wäre völlig unpassend, wenn an der Stelle, einer von uns in Tränen ausbräche. Sicherlich – es geht hier weniger um Schauspiel, aber doch immerhin um eine Bühnenperformance.

Overcoaching

Es kommt nicht darauf an, den Schüler zurechtzustutzen, sondern seine besten Qualitäten zu fördern.
Q: “What about being overcoached? Then the true you, the true candidate may not come out, right?”
A: “Right. And I think that some of the criticism you’re finding circulating about Sarah Palin that she is too much a product of her media coaches. And I think a good successful media coach figures out what the basic style, language, voice and personality of the trainee is. And you enhance the best qualities of the trainee, not trying to make them somebody they’re not. You have to feel comfortable in your own skin. And a good coach will figure out how to do that.”
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Professionalismus

Gestern wieder einen Fernsehbeitrag über Improtheater bei 3sat gesehen, in dem sowohl Reporter als auch Spieler nicht müde wurden zu betonen, alle Auftretenden seien “professionelle Schauspieler”. Ich empfinde das fast als peinlich. So als vertrauten die Schauspieler dem Genre Improtheater nicht oder als würde es durch ihre 2-4 Jahre Schauspielschule geadelt. Man stelle sich das bei den Lesebühnen vor: Jemand betont im Interview, professioneller Schriftsteller zu sein…
Wenn Professionalität sich allein darüber definiert, ob der Künstler finanziell von seinem Schaffen leben kann, geht mir Professionalität am Arsch vorbei. Van Gogh hat kein Bild zu Lebzeiten verkauft. Kafka und Schiller hatten Jobs, die sie nur mühsam ernährten.
Gegen eine solide Ausbildung ist nicht nur nichts einzuwenden, sondern sie ist sicherlich hilfreich. Allerdings beweist sich die Qualität des Puddings beim Essen. Viele große Improspieler haben nie eine Schauspielschule von innen gesehen, sondern sich ihre Kunst durch Beobachtung und auf der Bühne erarbeitet: Randy Dixon, Del Close, die großartigen Crumbs kommen auch eher vom Schreiben. Das Hochschulzertifikat kannst du in die Tonne treten, wenn du nicht bereit bist, dich permanent mit deinem Schaffen auseinanderzusetzen.
Auch werden oft bestimmte Regeln mit Professionalität verbunden: Kleiderordnungen, wie eine korrekte Anmoderation auszusehen habe, in welcher Reihenfolge Games zu spielen sind, bis hin zu irgendwelchen Impro-Regeln, die in ihrer Starrheit absurd sind (“Keine Fragen stellen.”).
Wenn es überhaupt eine Facette von Professionalität gibt, dann die, dass man sich ernsthaft mit Improtheater beschäftigt, dass es mehr ist als ein putziger Zeitvertreib, dass man bereit ist sich und das Spiel zu entwickeln, dass man weder geistige noch körperliche Mühen scheut:

Einsatzfreude!

Abkupfern

Um ein Gefühl fürs Spielerische zu bekommen kann man auch ruhig mal Bühnengehabe nachmachen. Live auf der Bühne ist es hingegen eher unangenehm und auf Dauer tödlich. Das konventionelle Theater lebt von diesem Getue seit Jahrzehnten, das Improtheater nicht weniger. Natürlich kann es einem helfen, auch mal Effekte auszuprobieren, aber gerade im Schauspielerischen sollten wir eher von der Welt des realen Miteinanders ausgehen, als davon, wie andere Schauspieler darstellen. Stanislawski scheint unter dieser Mache besonders gelitten zu haben. Seine Kommentare zu diesem Thema füllen mehrere Kapitel seiner schwer lesbaren Bücher.

Lächeln

Artikel in der “Gehirn und Geist”
Dauerlächeln, z.B. im Dienstleistungsbereich, erzeugt Stress, wenn es als surface acting betrieben wird. Die Mimik steht dann im Widerspruch zum Empfundenen. Entscheidend ist dann das deep acting, das Schauspiel aus der Tiefe heraus, d.h. das Gefühl muss auch empfunden werden. Die Tricks dafür sind bekannt: Positives Verhältnis zum Gegnüber aufbauen, Situationen mit Humor nehmen usw.
Interessant für uns als Schauspieler ist, dass das Gegenüber genau merkt, ob man es mit oberflächlichem oder tiefem Spiel zu tun hat. Insofern muss der Schauspieler wirklich ins Gefühl eintauchen, ohne sich davon wegdriften zu lassen.
http://www.wissenschaft-online.de/artikel/951556

Klaus Kinski

KK bekommt im Theater des Kriegsgefangenen-Lagers die Frauenrollen
Er studiert für die Rolle eines Epileptikers Elektroschock-Therapien in einer Anstalt
1949 wird ein Stück verboten, weil er darin eine Frauenrolle spielt.
Als junger Mann hat er verblüffende Ähnlichkeit mit Brando.
Adorf über Kinski: “Der Wille zur Grenzüberschreitung war ganz wesentlich für ihn.”
Peter Berling: “Kinski wusste, wo die Kamera zu sein hatte, wie sie eingerichtet zu sein hatte. Er war ein Kino-Tier. “

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Randy Dixon

Nach den Kurzauftritten bei der Eröffnungsshow wurde noch mal deutlich, dass Randy Dixon nicht nur ein beachtlicher Lehrer, Impro-Theoretiker und Formate-Erfinder ist, sondern auch ein begnadeter Spieler. Dabei ist es durchaus nicht so, dass er die größten Lacher auf der Bühne erntet, er stellt sich vielmehr völlig in den Dienst der Szene. Er verfügt über die große Fähigkeit, den gröbsten Unfug zu veredeln. Sein Spiel wirkt zu keinem Zeitpunkt angestrengt, eher sogar ein wenig unterspannt, aber nie langsam. Gut, dass es ihn gibt.