427., 428., 429., 430. Nacht

427. Nacht

Mit dem bisschen Geld, dass die Gattin von einer Freundin leiht, begibt Ali sich auf Reisen, um einen Weg aus der Not zu finden. Von Bulak aus fährt er auf einem Schiff nach Damiette, wo ihn ein Kaufmann aus Mitleid aufnimmt. Dort bleibt er eine Weile;

aber schließlich sagte er sich: "Wie lange soll ich noch in fremder Leute Häuser wohnen?" Darum verließ er das Haus und suchte sich ein Schiff, das nach Syrien fuhr.

Für eine fiktive Geschichte macht diese Episode so gar keinen Sinn, da sie praktisch nur überbrückt. Es sei denn, der Erzähler will zeigen, dass er die Stationen einer Reise bis nach Bagdad kennt; oder dass Ali sich nun aktiv auf die Suche begibt.

Mit etwas Wegzehrung reist er nach Damaskus, wo er wieder von einem "gütigen Mann" aufgenommen wird. Eines Tages erblickt er eine Karawane auf dem Weg nach Bagdad, der er sich anschließt.
Kurz vor Bagdad wird diese von Wegelagerern überfallen. Ali flieht Richtung Bagdad und kommt gerade vor Sonnenuntergang am Haupttor an, wo er dem Torwächter vom Überfall erzählt, allerdings gespickt mit der Flunkerstory, er habe

Waren, Maultiere, mit Lasten, Sklaven und Diener.

Der Torwächter bietet ihm seine Hilfe an und macht ihn mit einem Kaufherren aus Bagdad bekannt, der ihn einkleidet und ihn ins Badehaus führt.

Die Erzählperspektive wechselt nun seltsamerweise bis zum Ende der 427. Nacht:

"Ich ging nun", so erzählte Ali aus Kairo, der Sohn des Kaufmannes Hasan, des Juweliers, "mit ihm ins Badehaus…"

Als sie wieder herauskommen, gibt er ihm einen Sklaven namens Mas’ud mit, er möge am anderen Ende der Stadt sich eines von zwei Häusern für die Unterkunft aussuchen. Allerdings steht ein großes drittes daneben, das der Sklave aber nicht aufschließen möchte:

"Weil es dort spukt. Jeder, der dort nächtigt, ist am andern Morgen tot. Wir öffnen auch nicht einmal die Tür, um den Toten hinauszuschaffen, sondern wir steigen auf das Dach eines der beiden anderen Häuser und holen ihn von dort aus herauf."

Kann ich mir nicht bildlich vorstellen.
Die Richtung der Geschichte scheint sich an dieser Stelle abrupt zu ändern. Von einer Moral-Geschichte in eine Spukgeschichte. Oder sollte beides noch verknüpft werden?
Als Grimm-Sozialisierter denkt man natürlich gleich an "Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen".

Ali besteht darauf, in dem großen Haus zu nächtigen.

Denn ich sagte mir in meinem Herzen: "Das ist es, was ich suche! Ich will dort nächtigen, und dann bin ich morgen früh tot und kann von all dieser Not, die ich leide, ausruhen."

***

428. Nacht

Der Kaufmann willigt nur unter der Bedingung ein:

"Stelle mir eine Urkunde aus, dass ich nicht für dich verantwortlich bin, wenn dir etwas zustößt." – "So sei es!", erwiderte Ali. Darauf ward ein Zeuge vom Gericht geholt, und Ali stellte dem Kaufmann die Urkunde aus; der nahm sie in Empfang und gab dem Ägypter den Schlüssel.

Ali befreit ihn sozusagen per Vertrag von der Haftpflicht. Was mit dem "Zeugen" gemeint ist, ist unklar. Vielleicht eine Art Notar?

Nach der zeremoniellen Waschung, den obliegenden Gebeten und dem Abendessen beschließt er "oben" zu schlafen.

Dort entdeckte er eine prächtige Halle, deren Decke vergoldet und deren Boden und Wände mit buntem Marmor bedeckt waren. Er breitete sein Lager aus und setzte sich nieder, indem er Sprüche aus dem hochherrlichen Koran sprach. Doch ehe er sich dessen versah, rief plötzlich ein Wesen die Worte: "O Ali, o Sohn des Hasan, soll ich dir das Gold hinabsenden?"

Das Gold fließt auf Ali herab, und der Geist erklärt,

"dies Gold ist ein Schatz, der von alters her auf deinen Namen verzaubert war."

Dies ist natürlich nur denkbar, wenn man prädestinativ denkt; denn der Schatz muss ja dort liegen, bevor an Alis Geburt überhaupt nur zu denken war.
Unklar: Ist der Geist, der hier den Schatz bewacht, ebenfalls "von alters her" hier? Ist der Schatz älter als das Haus?

Und deshalb wurden alle anderen Besucher getötet. Der Geist eröffnet ihm, es läge für ihn noch ein Schatz im Jemen, und bittet darum, freigelassen zu werden. Aber Ali verlangt von ihm, den jemenitischen Schatz herbeizuholen und ebenso Weib und Kind. Der Geist bejaht.

Dann nahm er Urlaub von ihm auf drei Tage, innerhalb deren all dies bei ihm sein sollte, und eilte fort.

"Urlaub"? Siehe dazu Grimms Wörterbuch

Am frühen Morgen sucht und findet Ali hinter einer Marmorplatte ein Versteck für den Schatz.
Dann setzt er sich auf die Bank und wartet auf den Sklaven des Hausherrn.

Allein wie der ihn dort ruhig sitzen sah, lief er eilends zu seinem Herrn zurück.

***

429. Nacht

Dem Kaufmann verrät Ali nichts vom Erlebten. Aber nun dreht sich seine Lüge gegenüber Kaufmann und Torwächter zur Wahrheit: Seine Güter treffen innerhalb von drei Tagen ein. Man erblickt eine Staubwolke am Horizont.

die tat sich aber auf, und es erschienen unter ihr Maultiere, Männer, Packleute, Zeltaufschläger und Fackelträger, die singend und tanzend daherkamen.

Ausgestorbene und gleichzeitig unklare Berufe: Zeltaufschläger.
Die Diener kommen singend und tanzend daher, da sie angesichts der Stadt das Ende der Reise (und ihrer Plackerei) feiern.

***

430. Nacht

Die Kaufleute der Stadt schicken ihm Geschenke.

Unklar: Warum tun sie das? Vielleicht, um ihn in ihrer Mitte willkommen zu heißen? Oder eigennützig gedacht: Um sich bei ihm einzuschmeicheln?

Der gastgebende Kaufmann bleibt noch bei Ali, und dieser beauftragt ihn, den Eunuchen und Sklaven mit den Mauleseln Gelegenheit zu geben, sich auszuruhen.

Sie konnten kaum warten, bis er ihnen die Erlaubnis dazu gab, und so nahmen sie alsbald Abschied von ihm, zogen zur Stadt hinaus und flogen durch die Luft zu ihren Stätten davon.

Also sind auch diese Geister?

Als sie allein sind, berichtet Alis Weib ihm, wie sie und ihr Sohn sanft durch die Luft geflogen wurden. Ali zu ihr:

"Das alles ward uns durch die Güte Allahs des Erhabenen zuteil."

Wer den Schatz verzaubert hat und ihn an den Geist gebunden hat, bleibt im Dunklen. Allah selber?

419., 420., 421. und 422. Nacht

419. Nacht

Schehrezâd fährt fort:

Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, dass el-Amîn, als er die Sklavin anschaute und sah, was auf dem Saume des Hemdes geschrieben stand, nicht mehr länger an sich hielt, sondern ihr nahte und sie küsste. Und er wies ihr ein eigenes Gemach in seinem Palaste an; ferner dankte er seinem Oheim für die Gabe und verlieh ihm die Statthalterschaft von Rai.

Heute heißt diese Stadt Shahr-e Ray und ist ein Vorort von Teheran. (Früher war Teheran ein Vorort von Rai.) Rai war außerdem die Hauptstadt des alten Persien, die Hauptstadt des persischen Teils von Irak und sie ist die Geburtsstadt von Harûn er-Raschîd.

***

Die Geschichte von dem Kalifen el-Mutawakkil und el-Fath ibn Chakân

Als der Kalif el-Mutawakkil krank wird, schickt ihm el-Fath ibn Chakân

eine jungfräuliche Sklavin mit schwellendem Busen, die zu den schönsten Mädchen ihrer Zeit gehörte, dazu ein Kristallgefäß von rotem Godle, auf dem in schwarzen Lettern diese Verse standen:

Wenn der Imam der Krankheit nun entrann
Und Heilung und Gesundheit sich gewann
So kann für ihn kein besser Heiltrank sein
Als hier in diesem Becher dieser Wein.
Wenn er das Siegel löst von meiner Gabe,
So ist das nach der Krankheit schönste Labe!

Der Arzt Juhanna zieht sich daraufhin zurück.

Nach meinen Informationen war Juhanna erst viel später Arzt, nämlich zur Zeit des Mustasim.

Der Kalif nahm den Rat des Arztes an und gebrauchte jene Arznei, ganz wie sie in den Versen vorgeschrieben war. Allah machte ihn gesund und heil.

***

Die Geschichte von dem Streit über die Vorzüge der Geschlechter

Eine weise Frau namens Saijidat el-Maschâjich kommt von Bagdad nach Hama, wo sie

den Leuten von einem Stuhle herunter heilsame Ermahnungen predigte.

Dies betrifft Fragen des Rechts, moralische Fragen, Fragen der Lebensführung usw.
Der Erzähler der Geschichte sucht sie mit einem Freund auf und legt eine Frage

von solcher Art vor, die sich auf den Unterschied zwischen den Rechtsschulen bezog

Sie befindet sich bei diesem Gespräch hinter einem Vorhang, durch den sie allerdings hindurchschmulen kann. Dabei sieht sie, wie der Begleiter das Gesicht ihres jungen Brufders betrachtet.

"Mir scheint, du bist einer von denen, die den Männern den Vorzug vor den Frauen geben." (…) "Weil Allah das Männliche höher gestellt hat als das Weibliche."

***

420. Nacht

Der Begleiter benennt nun Stellen aus dem Koran und den Überlieferungen des Propheten, die ebendiese Position belegen sollen. Die Weise antwortet ihm auf seine langen Ausführungen:

"Du hast gut gesprochen, werter Herr; doch, bei Allah, du hast meinen Beweis wider dich mit der eigenen Zunge kundgetan."

So folgt ein längerer Schlagabtausch zwischen den beiden.

***

421. Nacht

Der Begleiter rezitiert

"Sie ist dem Knaben gleich und wiegt sich in den Hüften
Wie sich der schwanke Reis im Zephirwinde wiegt.

Wenn der Jüngling nicht trefflicher wäre, so wäre doch die Jungfrau nicht mit ihm verglichen worden. Wisse auch – Allah der Erhabene beschütze dich! -, dass der Jüngling leicht gelenkt werden kann; denn er passt sich den Wünschen an; er hat schöne Eigenschaften, und mit ihm lässt sich trefflich leben; denn er ist eher geneigt, zu willfahren als zu widerstreben, zumal wenn der zarte Flaum auf seiner Wange sprießt, wenn seine Oberlippe sich dunkel färbt und wenn der rote Jugendglanz in seinem Antlitz leuchtet, so dass er dem Monde gleicht, der zur Fülle kam."

Nach weiteren Gedichten ist Saijidat el-Maschâjich wieder an der Reihe:

"Ich bitte dich, wie kann ein Jüngling je den Rang einer Jungfrau erreichen? Wer will das Böcklein mit der Kitze vergleichen? Die Jungfrau hat sanfter Rede Gewalt und eine wunderschöne Gestalt; sie gleichet einem Basilikumreis, und ihre Zähne sind wie die Kamille so weiß; sie hat Zöpfe, die wie Halftern hangen, wie Anemonen sind ihre Wangen; ihr Antlitz ist wie ein Äpfelein, und ihre Lippe ist süß wie Wein; ihre Brust ist dem Granatapfel gleich, und ihre Gestalt ist wie ein Zweig so weich. Sie hat einen Wuchs, in dem das Ebenmaß waltet, und ihr Leib ist wohlgestaltet; sie ist wie die Schneide des glitzernden Schwertes so schmal und fein, und ihre Stirn ist blütenrein; sie hat zusammengewachsene Augenbrauen, unter denen tiefschwarze Augen schauen…"

***

422. Nacht

Weiterhin argumentiert sie und zitiert Abu Nuwâs:

Die schlanke Maid, die einem Knaben gleicht,
Taugt für den Wüstling und den Einbrecher.

 

143. Nacht

Wenn es je eine Sphäre in meiner Wohnung gab, in der ich einigermaßen Ordnung gehalten habe, dann waren es meine Bücher.

  • Belletristik (alphabetisch sortiert)

  • Gedichte

  • Theaterstücke

  • Bücher von Kollegen

  • Comics

  • Kinderbücher

  • Bücher über Improvisation und Theater

  • Bücher über Musik

  • Bücher über Film

  • Wörterbücher und Lexika

  • Sprachlehrbücher

  • Reiseliteratur

  • Trash

  • Soziologie und Philosophie

  • Politische und juristische Literatur

  • Kinder- und Jugendliteratur

  • Naturwissenschaft

  • Gesammelte Werke

Die strikte alphabetische Ordnung in der Belletristik hatte allerdings zur Folge, dass ich einige Bücher überhaupt nicht mehr anrührte. Warum also nicht mal die Bücher nach Mädchen-Art sortieren, also nach Farbe?

Wie, so fragte ich mich heute früh, bin ich eigentlich zu meinen Büchern gekommen? Erinnere ich mich an sie? Welche habe ich nie angerührt und warum? Bei welchen bin ich über das erste Kapitel nie hinausgekommen?

Ich wähle aus den farblich sortierten Büchern das elfte jeweils von links und von rechts:

1. John Irving: "Eine Mittelgewichts-Ehe" (deutsche Übersetzung(

Erworben: ca. 2001, in der Mitnehme-Kiste unseres Hauses in der Libauer Str. 9.
Status: Ungelesen.
Erster Satz: "Meine Frau Utschka (deren Namen ich vor einiger Zeit zu Utsch verkürzt habe) könnte einer Zeitbombe Geduld beibringen."
Kommentar: Um John Irving mache ich instinktiv einen Bogen. Ich weiß nicht warum. Vielleicht fehlt mir ein Opinion-Leader, der mir sagt, was es mit John Irving auf sich hat. Seine Bücher geraten immer wieder in die Bestseller-Listen und werden in Kritiken gelobt, aber eben auch nicht so, dass ich mir eines kaufen würde. Seit 2001 besitze ich nun sechs John-Irving-Bücher, alle ungelesen. Eigentlich müssten sie mich alle überdurchschnittlich anziehen, denn die Cover haben die Ehre von meinem Lieblingszeichner Edward Gorey illustriert zu sein.

2. Ian McEwan: "Saturday"  (deutsche Übersetzung(

Erworben:2006, Vermutlich in meiner Lieblings-Buchhandlung Lesen und lesen lassen. Eventuell aber auch, ich wage es kaum zu schreiben, am Flughafen Schönefeld.
Status: Vollständig innerhalb von drei Tagen in Liverpool gelesen.
Erster Satz: "Henry Perowne, ein Neurochirurg, wacht einige Stunden vor Tagesanbruch auf, und merkt, dass er in Bewegung ist, dass er im Sitzen die Decke zurückschlägt und aufsteht."
Kommentar: Von den ca. zwölf Büchern, die ich bisher von McEwan gelesen habe, hat dieses mich am meisten gelangweilt. Was geschieht an einem Samstag in London – die Stadt in plakativer Aufregung über den Irakkrieg. Ein Flugzeugunfall. Kriminelle dringen in das Haus des Arztes ein. Ganz schön viel Action auf einmal, und doch hinterlässt es nur ein Achselzucken. Was McEwan sonst gelingt – den Leser in moralische Fallen tappen zu lassen – hier wirkt alles ein wenig aufgesetzt, selbst die Spannungs-Elemente konstruiert.

3. F. Scott Fitzgerald: "The Diamond as Big as the Ritz. And other Stories" (englisches Original)

Erworben:2001, in der Mitnehme-Kiste unseres Hauses in der Libauer Str. 9.
Status:Ungelesen.
Erster Satz: "There was a rough stone age and a smooth stone age and a bronze age, and many years afterward a cut-glass age."
Kommentar: Eines der Bücher, die sich gut anfassen, die beim Reinlesen einen guten Eindruck machen und man sollte sein Leben nicht beenden, ohne wenigstens eine Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald gelesen zu haben, wenn man sich schon nicht an den großen Gatsby wagt, ein Roman, der bereits durch seinen Titel ein wenig abschreckt. Ebenso abschreckend wie das angeschwulte Cover von "The Diamond as Big as the Ritz. And other Stories", weshalb ich das Buch wohl instinktiv immer in den Schrank zurückstelle, wenn es mir in die Hände fällt.

4. Jack London: "Feuer im Schnee"

Erworben: ca. 1990 in einem Berliner Antiquariat
Status: Gelesen irgendwann in den 90ern
Erster Satz: "Buck gehörte nicht zu denen, die täglich die Zeitung lesen, sonst hätte er gewusst, dass Unheil im Gange war, nicht nur für ihn selbst, sondern für jeden Hund."
Kommentar: Von keinem Autor habe ich so viel gelesen wie von Jack London. Dabei schreckten mich die Themen seiner Bücher als Jugendlichen ab. Wer lässt sich schon gern in die alaskische Kälte führen – keine sexy Umgebung. Erst der ZDF-Mehrteiler von Wolfgang-Staudte "Der Seewolf" ließ mich zu einem Buch von London greifen und seitdem lässt er mich nicht mehr los. Die hier vorliegende "Roman-Zeitung" – ein DDR-Produkt für 80 Pfennig Ladenpreis! – ist eine Sammlung von Alaska-Geschichten, die mit der Erzählung "Wenn die Natur ruft" ("Call of the wild") beginnt. London schrieb zwei Bücher aus der Sicht von Alaska-Hunden. Dieses Buch beschreibt den Weg eines Hundes mit einem Viertel Wolfsblut, der die menschlichen Zivilisation verlässt. "Wolfsblut", das in diesem Roman-Heft nicht enthaltende Gegenstück, zeigt eine Dreiviertel-Wölfin, die immer mehr von den Menschen fasziniert ist und am Ende in Kalifornien landet.

5. John Galsworthy: "Die Ersten und die Letzten" / "Ein Mann aus Devon"

Erworben:1992 aus dem Bücherkorb von Jutta Borostowski bei ihrem Auszug aus unserer Zweier-WG in der Libauer Str. 9
Status: Ungelesen
Erster Satz: "Um die sechste Abendstunde lag das Zimmer schon im Dunkel; nur eine Petroleumlampe mit grünem Schirm warf einen Lichtkegel auf den türkischen Teppich, auf die den Regalen entnommenen Bände, die Seiten eines aufgeschlagenen Buches, auf das kobaltblaue Kaffeegeschirr mit goldenem Rand, auf den antiken, mit orientalischer Stickerei bespannten Schemel."
Kommentar: Wahrscheinlich war es dieser erste Satz, der mich davon abhielt, das Buch auch nur anzufangen.

6. Robert Cormier: "Heroes" (deutsche Übersetzung)

Erworben:14.11.2002 von der Ebayerin maggiehexle
Status:Innerhalb von zwei Tagen im November 2002 gelesen.
Erster Satz: "Ich heiße Francis Joseph Cassavant und bin gerade nach Frenchtown zurückgekehrt, einem Stadtteil von Monument."
Kommentar: Auf Robert Cormier stieß ich im Sommer 1981 in einem Ferienlager in Brno. Jemand lieh mir das Buch "Der Schokoladenkrieg" – genau das richtige Buch für einen heranwachsenden Schüler – Sport, Masturbation, Schulgewalt, mafiöse Verhältnisse. Heroes hingegen ist eines seiner letzten Werke. Schlicht und in ergreifender Stille erzählt diese Novelle von Verrat und Vergebung. Ein würdiges Alterswerk.

7. Theodor Storm: "Erzählungen"

Erworben:12.12.2005 in einem Görlitzer Buchladen
Status: Einige der Novellen gelesen – Immensee, Der Schimmelreiter, Pole Popenspäler
Erster Satz: An einem Spätherbstnachmittage ging ein alter wohlgekleideter Mann langsam die Straße hinab.
Kommentar: Sprachlich wohlgestaltete, norddeutsch-trockne Protestantenliteratur, die mich aber wegen ihrer romantischen Beigaben immer wieder anzieht.

8. Claudia Rusch: "Meine freie deutsche Jugend"

Erworben: 2.12.2003 bei der Ebayerin bolmsoe
Status: Gelesen innerhalb von 1 Tag
Erster Satz: "Ich bin an der Ostsee groß geworden."
Kommentar: Ich lernte Claudia Rusch 1987 kennen, als mein Freund Ralf sie mit einem anspruchsvollen Kinobesuch verführen wollte, dafür aber mich als moralische Unterstützung brauchte. Das Babylon zeigte damals die  Reihe "Milieu- und Sittenfilme aus den 20er und 30er Jahren", was schon recht versaut klang. Das letzte, womit wir allerdings gerechnet hatten, war eine Rühmann-Komödie. Und nun, aus der zeitlichen Ferne – mein Freund Ralf ist schon 1992 gestorben, wirkt dieses Buch wie ein Gruß von einem andern Kontinent. Claudia Rusch – die Schriftstellerkollegin. Ralf wäre wohl heute auch Schriftsteller.

9. Anonymus: "Mit aller Macht" deutsche Übersetzung von "Primary Colors")

Erworben: 1998 als Geburtstagsgeschenk von Philipp Jäger
Status: 1999 innerhalb von ca. einer Woche gelesen
Erster Satz: "Er war kräftig gebaut, und auf den Straßen von Harlem, so mitten im Sommer, sah er verdammt bleich aus."
Kommentar: Eigentlich verbietet sich das Wort "verdammt" in einem ersten Satz, zumindest in einer deutschen Übersetzung. Dennoch ein gutes Buch, von dem ich glaube, dass es zur Standardlektüre von Politologie-Stundenten gehören sollte. Der Schlüsselsatz noch auf der ersten Seite: "Das Händeschütteln ist der Schwellenakt, der Beginn jeder Politik." Vielleicht ist das der Grund, warum Kurt Schumacher trotz seines Charismas erfolglos blieb.
Der Roman zeichnet bekanntlich, nur vage verschleiert, den Weg Clintons durch die Vorwahlen nach: Der Weg des guten Willens, der durch das Wissen, gute Ziele nur durch die Macht durchsetzen zu können, korrumpiert wird. Man kann nur hoffen, dass Barack Obama das gelesen hat. Bei Hillary kann man davon ausgehen, zumal schon hier von Bills Affären die Rede ist – lange Zeit vor Lewinsky.

10. Max Goldt: QQ

Erworben: Juli 2007 in einer Münchner Buchhandlung
Status: Innerhalb von einer Woche schön langsam gelesen
Erster Satz: "Wir schreiben das Jahr 900 nach Christi Geburt oder, wie es in der DDR hieß: nach unserer Zeitrechnung."
Kommentar: Von Max Goldt wusste ich lange Jahre nur, dass er die skurrile Band Foyer des Arts gegründet hatte und überall gelobt wurde für Kolumnen, die er in der Titanic schrieb. Aber ich las keine Titanic-Kolumnen. Erst mein Mitbewohner Timo Rehm lenkte meine Aufmerksamkeit auf den Autor Goldt. Rehm war sich nicht zu schade, mir nach dem Abendbrot komplette Geschichten aus "Ä" vorzulesen. Er beteuerte, seit seiner Max-Goldt-Lektüre sich gesünder zu ernähren. Wenn das keine schriftstellerische Leistung ist – durch Texte die Ernährungsgewohnheiten der Leser zu verändern.
Heut unterstreiche ich die völlig angemessene Lobhudelei Daniel Kehlmanns: "Max Goldt gehört gelesen, gerühmt und ausgezeichnet."

11. Ian McEwan: "On Chesil Beach" (englisches Original)

Erworben: Herbst 2007 in der Bahnhofsbuchhandlung des Ostbahnhof
Status: Innerhalb von drei Tagen gelesen.
Erster Satz: "They were young, educated, and both virgins on this, their wedding night, and they lived in a time when a conversation about sexual difficulties was plainly impossible."
Kommentar: Dies ist das einzige Buch, das mir nicht nur Tränen der Rührung in die Augen getrieben hat, sondern mich dazu brachte, schluchzend zu weinen.

12. Gottfried Keller: Hadlaub

Erworben: Ich habe dieses Buch noch nie gesehen, Euer Ehren.
Status: Ungelesen
Erster Satz: "Gleich unterhalb des aargauischen Städtchens Kaiserstuhl stehen die beiden Schlösser Schwarz- und Weiss-Wasserstelz, jenes mitten im Rhein, d. h. näher dem linken Ufer und jetzt noch von allerlei Leuten bewohnt, die es kaufen mögen, dieses zerfallen auf dem rechten Ufer."
Kommentar: Schöne Schrift, aber was soll ich sonst dazu sagen?

13. Rudyard Kipling: "Die schönste Geschichte der Welt" (Erzählungen)

Erworben: ca. 1989, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, in einem Antiquariat in Altenburg
Status: Die ersten 10 Seiten gelesen
Erster Satz: "Er hieß Charlie Mears; er war der einzige Sohn seiner Mutter, einer Witwe, und wohnte im Norden von London."
Kommentar: Eines jener Bücher, bei denen man denkt, man müsse mal etwas mehr von diesem bekannten Autor lesen als nur seinen Hit, und dann langweilt man sich doch.

 

14. Jack London: "Menschen des Abgrunds"

Erworben: ca. 1992 in irgendeinem Antiquariat in Berlin
Status:innerhalb von ca. 1 Woche gelesen
Erster Satz: "’Aber das können Sie nicht machen’, sagten Freunde, die ich um Unterstützung bei dem Vorhaben ersuchte, mich in das East End von London zu stürzen."
Kommentar: Lektüre zu der Zeit, als ich alles von Jack London verschlang, was ich in die Finger bekam. Eine Art Wallraff-Studie des beginnenden 20. Jahrhunderts.

 

15. Thomas Wolfe: "Der verlorene Knabe" (Erzählungen)

Erworben:1994 in einem Berliner Antiquariat
Status:ein paar Seiten in der Straßenbahn gelesen und wochenlang in meinem Rucksack mitgeschleppt.
Erster Satz: "Das Licht ging und kam wieder, die Rathausuhr dröhnte ihre mächtig-bronzenen Dreiuhr-Schläge über die Stadt hin, der Springbrunnen zerstob im leichten Aprilwind zu regenbogenfarbenen Tüchern und wurde wieder ein pulsierender Federbusch – da bog Grover zum Marktplatz ein.
Kommentar: Nachdem mir im Sommer meine amerikanische Freundin Jessica Lissy sein Buch "You can’t go home again" ("Es führt kein Weg zurück") empfohlen hatte und ich dieses mit Eifer und Faszination gelesen hatte, war ich eine Weile auf der Suche nach weiteren Wolfe-Schätzen, blieb aber in diesen Erzählungen hängen.

 

16. René Depestre: "Der Schlaraffenbaum"

Erworben:vermutlich 1992 aus dem Bücherkorb von Jutta Borostowski bei ihrem Auszug aus unserer Zweier-WG in der Libauer Str. 9
Status:ungelesen
Erster Satz: "Es war einmal ein tatkräftiger Mann, den der Staat gezwungen hatte, einen kleinen Handel zu betreiben, und zwar am nördlichen Eingang einer tropischen Stadt."
Kommentar: Ich kenne nicht einmal den Namen dieses Autors.

17. Salman Rushdie: "Des Mauren letzter Seufzer"

Erworben:1999, nachdem eine damals Angebetete, der ich meine 1996er Hardcover-Ausgabe, die mir meine Eltern zum Geburtstag geschenkt hatten, geliehen hatte, sich nicht mehr meldete
Status:ca. vier Mal gelesen. Erstmals im Juli 1997 in Ghana
Kommentar: Dieses Buch gehört auf jeden Fall in die Top Ten meiner Literatur-Highlights, man kann es immer und immer wieder lesen: Als Parabel auf die Einsamkeit, eine Geschichte über die ewige Suche nach Liebe, die Untiefen der Kunst, als Familien-Roman, als Indien-Panorama.

***

(Fortsetzung der Geschichte vom Haschischesser)

Der Verletzte nimmt also ein Bad und isst dabei ein Stück Haschisch, das ihm nun allerlei Halluzinationen eingibt, u.a. dass er von diversen Sklaven betreut würde:

Der Eunuch aber brachte ihm Stelzsandalen, und die zog er an.


Falls jemand nicht weiß, wie Stelzsandalen aussehen.

Und weiter sah er im Traume eine Jungfrau an seinem Busen; die küsste er und legte sie zwischen seine Schenkel; dann kniete er vor ihr, wie der Mann vor der Frau zu knien pflegt, nahm seine Rute in die Hand und zog und presste die Jungfrau an sich.

Es kommt, was kommen muss: Der Haschischesser wird geweckt von umstehenden Leuten:
"Schämst du dich nicht, Haschischesser, hier nackt mit aufrechter Rute zu schlafen?"

Ende.

Kân-mâ-kân fällt vor Lachen über diese Posse auf den Rücken, und die Alte Bakûn fährt fort, ihm Geschichten zu erzählen, bis er einschläft. Sie zückt nun den Dolch, um ihn zu ermorden.

Ist dies eigentlich eine Referenz auf die Macht von Schehrezâd, die sich selbst ja auch darüber klar sein müsste, dass sich eine solche Demonstration der Macht der nächtlichen Geschichtenerzählerinnen fatal für sie auswirken könnte?

Doch da tritt Kân-mâ-kâns Mutter ein, und Bakûn verlässt fluchtartig das Zimmer. Am nächsten Tag flieht Kân-mâ-kân aus der Stadt und vereinigt sich mit dem Wesir Dandân.

Nach seinem Fortgange aber ereigneten sich Dinge zwischen König Sasân und Nuzhat ez-Zamân, die auch sie zwangen, die Stadt zu verlassen.

Eine eher ungewöhnliche Sach-Komprimierung des Erzählens bei der sonst gerade in diesem Roman übliche Weitschweifigkeit. Aber es kommt noch schlimmer.

Sie unternehmen einen Rachefeldzug nach Kleinasien.

So brachen sie denn auf zum Kriege gegen die Romäer; aber die fielen in die Gefangenschaft des Königs Rumzân, des Herrschers von Kleinasien, nachdem sich noch manche andere Dinge zugetragen haben, wie aus dem folgenden hervorgeht.

Da hat man sich schon durch über 400 Seiten durch endlose Beschreibungen gekämpft, und dann werden einem die wichtigen Fakten erspart, weil dies "zu weit" führen würde! Mit Romäern sind anscheinend die orthodoxen Christen, die sich als Nachfolger der Römer verstehen, gemeint.

Rumzân hat einen seltsamen Traum, den er von Wesir Dandân dahingehend deuten lässt, dass ein naher Verwandter in der Nähe ist.
Doch Rumzân lässt den Henker holen, um den Gefangenen die Köpfe abzuschlagen, damit er seinen Feinden Angst einjagen könne, wenn man die Köpfe in Richtung der Feindesheere werfe.

Die Wikipedia vermerkt dazu: "Es wurden, wie mit anderen Wurfwaffen auch, oft auch zusätzlich Materialien wie z. B. Fäkalien oder Kadaver, Bienenstöcke oder lebende Gefangene in die feindlichen Festungen geschleudert, um den Gegner einzuschüchtern, Nahrungsvorräte belagerter Städte zu verunreinigen oder Krankheiten auf die belagerten Menschen zu übertragen."

Doch bevor Rumzân den Henker sein Werk vollenden lässt, schreitet Rumzâns Amme Mardschâna ein, die ihm erzählt, dass er der Sohn der Abrîza sei und somit der Onkel Kân-mâ-kâns und der Bruder Nuzhat ez-Zamâns. Man vergleicht die um den Hals hängenden Edelsteine und tatsächlich sind sie gleich.

Einer der seltenen Fälle dieses Romans, wo einmal ein früheres Motiv wieder eingebaut wird.

König ez-Ziblikân erhält die Vizekönigschaft von Damaskus.

Wer ist das denn eigentlich?

Rumzân und Kân-mâ-kân teilen sich auf Anraten des Wesirs Dandân die Regierung von Bagdad.

Fast wie im heutigen Bagdad

141. Nacht

Korrektur zur 140. Nacht: Der Pferdedieb stahl es nicht dem Anführer der Christen, sondern dem Anführer der muslimischen Kaufleute, der es wiederum den christlichen Eindringlingen abgenommen hatte. Die Christen unter Führung der alten, uns sattsam bekannten Dhât ed-Dawâhi wurden von dem Anführer der muslimischen Kaufleute Kahardâsch gefangengenommen, aber durch das Zureden der Alten ließ man sie wieder frei, und in diesem Moment schnappte der Pferdedieb zu, nicht ohne verletzt zu werden.
In der Hoffnung, es vielleicht doch noch in seine Heimat zu schaffen, versucht Kân-mâ-kân, ihn auf sein Pferd zu heben, doch er sagt einen letzten Reuevers, spricht das Glaubensbekenntnis und stirbt.
Inzwischen hat sich der Wesir Dandân gegen den ehemaligen Kammerherrn und jetzigen König Sasân empört und das halbe Heer an sich gerissen, mit diesem ist er

bis zu den Indischen Insel, bis zum Berberlande und bis in den Sudan gekommen.

Wieder einmal sehr schwer vorstellbar, wie man sich diese Wanderung vorzustellen habe. Das halbe Heer übers Meer zu irgendwelchen Inseln zu transportieren, erscheint äußerst unrealistisch und nur schwer vorstellbar. "Indische Inseln" zumal unklar. Als solche wären Sri Lanka oder Indonesien denkbar. Beides eigentlich unerreichbar für das Heer. Sudan hingegen zumindest denkbar (Syrien, Ägypten ist das "Berberland", da damals einige Berberstämme dort wohnten), wenn auch nicht in dem kurzen Zeitraum, von dem hier die Rede ist.

Sasân sieht, wie ihm die Felle davonschwimmen und er sendet Kân-mâ-kân, von dessen Ankunft er erfährt, Emire und Ehrengeleite entgegen. Tatsächlich kommt dieser wohlgesonnen und schenkt dem König den Hengst el-Katûl,

und er erkannte, dass es derselbe war, den er gesehen hatte, in dem und dem Jahr, damals, als er die Kreuzesverehrer belagerte, mit des Prinzen Vater Dau el-Makân und zur Zeit der Ermordung seines Oheims Scharkân.

So muss das Pferd wohl inzwischen 18 Jahre alt sein, wenn wir davon ausgehen, dass es damals mindestens sechs Jahre alt war und Kân-mâ-kân vier Jahre.

Kân-mâ-kân wird mit Geschenken und Ehren überhäuft, da Sasân

um den Ausgang der Unternehmung des Wesirs Dandân besorgt war.

Kân-mâ-kân besucht nun zunächst seine Mutter und dann eine Kupplerin, um sich die Liebe Kudijâ-Fakâns zu versichern.

72. Nacht

Der Einzige, den der Eunuch wach findet, ist der Heizer, von dem Dau el-Makân begleitet wird. Gefragt, ob er es gewesen sei, der die Verse rezitierte oder ob er den Rezitator sah, streitet er aus Angst ab. Nachdem sich der Eunuch verzogen hat, erwacht Dau el-Makân, und der Heizer ermahnt ihn, nun doch still zu sein:

"Mein Lieber, als du in Ohnmacht lagst, kam der Eunuch mit einem langen Stab aus Mandelholz in der Hand." 72

Dau el-Makân scheint nun besessen zu sein:

"Wer sollte mir verbieten, Verse zu sprechen? Ich tue es doch, komme, was da kommen will; denn ich bin dicht bei meiner Heimat und kümmere mich um niemand."

Selbst die Mahnung, dass alle anderen gerade ihre wohlverdiente Nachtruhe halten, kann unseren jungen Helden nicht abhalten:

Wir lebten dahin; uns waren die Tage Diener des Glückes,
Im schönsten Lande umfing uns innigste Einigkeit.
Wer kann das Haus meiner Lieb mir wiederbringen, darinnen
"Das Licht des Ortes" weilte und auch die "Wonne der Zeit". 72

Nach diesen Versen schrie er laut dreimal, dann fiel er ohnmächtig zu Boden.

Bei aller Liebe zu selbstverfasster Lyrik: Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass sich jemand derart an den eigenen Gedichten aufgeilt.

Und wieder schickt Nuzhat ez-Zamân den Obereunuchen in die Spur, den Sänger zu finden, diesmal mit der Drohung, den Eunuchen verprügeln zu lassen, wenn er ohne Sänger käme und mit einhundert Dinaren, die er dem etwaigen Sänger geben solle.

 

72 Warum der Eunuch ausgerechnet einen Stab aus Mandelholz bei sich führt, konnte ich nicht eruieren. Auf jeden Fall handelt es sich um wertvolles Hartholz, das sich als Material für Prügelwaffen ganz gut einsetzen lässt.

Die letzte Zeile des Gedichts muss als Anspielung auf die Namen des Geschwisterpaars Dau el-Makân und Nuzhat ez-Zamân verstanden werden.

71. Nacht

Die Karawane zieht weiter bis nach Dijâr-Bekr 71 .

Dort setzt sich Dau el-Makân des Nachts nieder und spricht, als alle anderen schlafen, die Verse:

Mein Lieb, wie lange soll ich in diesem Dulden verharren,
Kein Bote kommt zu mir mit Kunde von dir her.
Ach sieh, die Zeit des Nahseins war nur von kurzer Dauer;
Ach, dass die Zeit der Trennung doch auch so kurz nur wär!
Ergreife meine Hand, nimm ab das Kleid und schaue:
Verzehrt ist mir der Leib, und doch zeigt ich es nicht.
Sagt jemand, ich solle mich trösten in meiner Liebe, dem sag ich:
Bei Gott, ich kann mich nicht trösten bis zum Jüngsten Gericht.

Nach einem weiteren derartigen Gedicht, fällt Dau el-Makân in Ohmacht.

Man muss wohl davon ausgehen, dass diese Verse improvisiert sind. Könnte man sich vorstellen, dass er in Ohnmacht fällt, wenn er die Verse Stunden vorher komponiert hat oder wenn sie von jemand anderem stammen? Es muss die Ekstase des eigenen Schaffens sein.

Nuzhat ez-Zamân hingegen wird es leicht ums Herz, als sie diese Stimme hört. Der Eunuch, den sie ruft, will nichts gehört haben. Doch er soll ihr den Dichter bringen.

 

 

71 Dijaâr-Bekir heute als Djyarbakir bekannt. Die Karawane muss einen ziemlich Umweg genommen haben. Es wird nicht erklärt, warum. Vielleicht war die Straße sicherer – geographisch und politisch.

70. Nacht

Die Bitte des gemeinsamen Vaters Omar, ihm die gebildete Sklavin zu schicken, bringt die beiden in eine arge Bredouille. Nuzhat ez-Zamân macht den Vorschlag, tatsächlich nach Bagdad zu reisen, wo sie ihrem Vater alles erklären will.

Dieser Vorschlag überrascht vor allem, weil er so einfach und kommunikativ ist, wo doch die Protagonisten hier dazu tendieren, aus Scham, Eitelkeit oder Ehre zu Tricks zu greifen oder zu fliehen.

Die gemeinsame Tochter Kudijâ Fakân bleibt in Damaskus, während der Tribut bereitgestellt wird. Siehe da – Dau el-Makân und der Heizer beobachten das Beladen der Maultiere, Kamele und Trampeltiere und Dau el-Makân beschließt, sich der Karawane anzuschließen. Der treue Heizer zieht mit.
Die Karawane zieht los, und nach fünf Tagen erreichen sie die Stadt Hama , wo sie drei Tage verweilen.

Interessant wäre es, die Handlung zeitlich einzugrenzen: Da Hama 1401 zerstört wurde, muss die Handlung vorher spielen. Wahrscheinlich lassen sich ohnehin lauter Widersprüche finden, denn einen Herrscher Omar ibn en-Nu’mân hat es in Bagdad nie gegeben.