Hiro Onoda versus Pinocchio – 431., 432., 433., 434. Nacht

Onoda versus Pinocchio

Hiro Onoda ist tot. Der Japaner starb am 16. Januar 2014 im Alter von 91 Jahren. Angeblich an Herzversagen. Ich aber tippe auf Schlechtes Gewissen als Todesursache. Im Zweiten Weltkrieg war Onoda als Offizier des militärischen Geheimdienstes auf den Philippinen eingesetzt und kämpfte erbittert weiter. Selbst als die kaiserliche Regierung schon lange kapituliert hatte, fühlte er sich an seinen Eid weiter gebunden. Er war dem japanischen Kaiser treuer als dieser gegenüber seiner eigenen idiotischen Kokutai-Ideologie. Mit drei Kameraden hielt er im philippinischen Dschungel aus und wartete auf den Tag, an dem sich das Blatt wenden würde. Selbst als seine Kampfgefährten flohen oder starben, selbst als Flugblätter mit kopierten Briefen von der Regierung und von seiner Familie auf ihn herabregneten, hielt er durch, denn das konnte ja alles nur ein Trick sein. Eines Tages, so war er sich sicher, würden ihn die kaiserlichen Truppen raushauen, und dann würde man es den Amis so richtig zeigen. 30 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, die Amerikaner waren gerade dabei, gleich nebenan einen anderen Krieg zu verlieren, begegnete er einem japanischen Studenten, der auf der Suche nach Onoda, dem Panda und dem Yeti war. Und jetzt kamen ihm erste Zweifel. Aber erst ein unterzeichneter Befehl seines früheren Vorgesetzten Major Taniguchi konnte ihn dazu bewegen, mit dem Abbrennen philippinischer Reisfelder aufzuhören. Zu dieser Zeit trug er immer noch seine Uniform, sein Katana-Schwert, sein Gewehr sowie etwa 500 Schuss Munition und mehrere Handgranaten bei sich. Für Onoda war es die Demütigung seines Lebens: Vom Geheimdienst-Offizier zum Survival-Robinson, und sein Kaiser hatte ihn vergessen. Vor allem aber war er enttäuscht von sich selbst. Nach all den Jahren hatte er den Eid doch gebrochen.

So wie ich. Ich erinnere mich noch genau. Es war ein sonniger November-Tag im Jahre 1987, als ich bewaffnet und in Uniform schwor, der DDR „zu dienen, den Sozialismus gegen alle Feinde zu verteidigen und mein Leben zur Erringung des Sieges einzusetzen. (…)Sollte ich jemals diesen meinen feierlichen Fahneneid verletzen, so möge mich die harte Strafe des Gesetzes unserer Republik und die Verachtung des werktätigen Volkes treffen.“
Wenn ich heute einkaufen gehe oder S-Bahn fahre, sehe ich die Verachtung in den Augen der Werktätigen: „Ach!“, denkt die Edeka-Kassiererin, wenn sie bekümmert und lustlos meine westdeutschen Waren über den Scanner zieht und mürrisch „23,89“ sagt, „auch so einer, der seinen Eid damals brach und dem wir die ganze Scheiße hier zu verdanken haben.“
In meinen häufigen Alpträumen hält die gesamte DDR-Bevölkerung inne, alle drehen sich zu mir um und schütteln missbilligend die Köpfe. „Aber was hätte ich denn tun sollen!“, schreie ich sie schuldbewusst an. Dabei wird es doch am Beispiel des braven Soldaten Onoda sonnenklar: Harre aus in den Wäldern Ostdeutschlands! Das Volk der DDR ist nicht so geschichtsvergessen wie der abgehobene japanische Kaiser. Der Plänterwald zum Beispiel. Im Vergleich zum philippinischen Dschungel, das muss doch jeder zugeben, wäre es doch ein Kinderspiel, da zu überleben. Gemäßigtes Klima, keine gefährlichen Raubtiere. Und von Schlangen, Spinnen und Malaria-Mücken ausgehende Gefahr hält sich in Grenzen. Ernähren könnte ich mich von Blaubeeren, Pilzen und Eichhörnchen. Und um das Ganze ernährungsphysiologisch abzurunden könnte man sich von Zeit zu Zeit einen Abstecher zu Burger King leisten. Natürlich wäre im locker geforsteten Laubwald die Gefahr hoch, von Spaziergängern entdeckt zu werden. Aber auch dafür gäbe es eine Lösung. Ich könnte mich verkleiden als Jogger und mich unerkannt unter die Einheimischen mischen. Ohne dass sie wüssten, welche Pläne ich wirklich hege, könnte ich mir eine Wohnung in einer der nahegelegenen Straßen Treptows suchen und dort als Schläfer ausharren, bis der Wind sich dreht und die arbeitende Klasse mich ruft. Dann, Agenten des Imperialismus, geht’s euch an den Kragen.

Aber ach, welchen Wert hat denn heute noch ein Eid, ein Schwur, ein Versprechen? Im Februar 1990, kurz bevor das SED-Regime endgültig kollabierte, wurde mein Freund Willy zur NVA eingezogen. Warum er sich nicht einfach nach Westberlin verpisste, wo man dem Ruf zur Waffe bequem ausweichen konnte, ist mir bis heute unklar. Er schwor den zu jener Zeit bereits antiquiert wirkenden Eid, nur um kurz nach den Volkskammer-Wahlen im April erneut auf die DDR vereidigt zu werden, diesmal aber mit dem nach dem Minister benannten um alle sozialistischen Bezüge entschlackten Eppelmann-Eid. Der Anschluss an die alte BRD ließ nicht lange auf sich warten. Nachdem sich Willy von einem Bein-Durchschuss, den ihm ein zu drastischen Späßen aufgelegter Kamerad verpasst hatte, erholt hatte, schwor er: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“ Wäre er Soldat auf Zeit gewesen, hätte er den Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ anhängen müssen, ein Gott, den Willy für genausowenig existent hielt wie den Weihnachtsmann. Gesetzt den Fall, es gebe diesen Gott trotzdem, so könnte man fragen, ob er dem ungläubigen Willy dennoch hülfe. Aber die „ethisch-religiöse Bindungskräftigung“, wie es in den Kommentaren zum Soldatengesetz heißt, die wäre dahin.
Kritiker der Vereinigung bemerkten damals, dass die DDR sich lieber an Dänemark hätten anschließen sollen, da die dortige Mentalität eher mit der ostdeutschen kompatibel sei, was sich durch den Spruch des dänischen Film-Ganoven „Ich habe einen Plan“ und dem regelmäßigen Scheitern dieser Pläne belegen ließe. Willy, so vermute ich hätte seine Treue auch dem dänischen oder dem marokkanischen Volk geschworen.
Genaugenommen war er mit seinen drei Schwüren pro Jahr nicht einmal besonders produktiv, zumindest wenn man die heutige Schulholf-Schwörerei als Maßstab nimmt. „Chschwöre“, ist die andauernde Beteuerung des Halbstarken, dem man ohnehin kaum glaubt und der gerade deshalb seinen Gesprächspartnern immer wieder versichern muss, gerade dies Mal nun wirklich die Wahrheit zu sagen. Überhaupt scheint das der Schlüssel des Schwörens zu sein: Je größer die Anfälligkeit zum Abhauen und zur Illoyalität, umso eher muss geschworen werden. Wenn Gewehre und Kanonen auf dich gerichtet sind und die Lage aussichtslos scheint, musst du schon ordentlich mit Ehre oder Angst vollgepumpt sein, um nicht Reißaus zu nehmen. Vor Gericht wirkt sich Lügen fatal aus, was auch schon Moses wusste, als er das Lügen im Allgemeinen zwar zuließ, aber das falsch Zeugnis wider den Nächsten ablegen, verbot. Und so wird allenthalben geschworen, sobald vorne einer eine Robe anhat.
„Wo du hörest hohe Schwüre, steht die Lüge vor der Türe.“ Wo geschworen wird, herrschen Macht, Angst, Ungerechtigkeit, Unsicherheit.
Ob die Bundeskanzlerin manchmal, in diabolischen Momenten sich wünscht, sie dürfte den Nutzen vom deutschen Volke abwenden und den Schaden fürs deutsche Volk mehren? Doch dann erinnert sie sich wieder: „Ach ja, ich hab ja damals das Gegenteil geschworen. Dann wird ich wohl mal wieder ans unangenehme Tagwerk der Nutzenmehrung und Schadenabwendung gehen.“
Das in der bundesdeutschen Öffentlichkeit bekannteste Ehrenwort stammt ja bekanntlich vom Oberlügner, dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel. „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.“ Und man erkannte damals, noch während er sprach, diese betont schlaffe Unschulds-Mimik des schlimmsten Lügners der Schule, wenn er vom Direktor ertappt wurde und nach der Unschuldsbeteuerung schnell nach rechts unten schielte.
Aber Barschel war kein Hiro Onoda. Merkel ist kein Hiro Onoda. Ich bin kein Hiro Onoda. Im Vergleich zu Hiro Onoda sind wir alle nichts als kleine Pinocchios. Und das ist vielleicht gar nicht mal so schlimm.

 

***

431. Nacht

Umständlich wie üblich berichtet Ali seiner Frau, was ihm zugestoßen ist, und wir hören es auch noch mal.
Er lässt sich in Bagdad als Kaufmann nieder und wird der berühmteste unter ihnen, so dass auch der König von Bagdad von ihm erfährt.

Was "der König von Bagdad" sein soll, habe ich nicht herausfinden können. Offenbar wohl nicht der Kalif, sonst hätten sie ihn ja so genannt. Infrage käme dann nur die vor- oder nach-abassidische Ära.

Der König lässt ihn jedenfalls holen und lobt ihn:

"Kaufmann, du hast unser Land beglückt!"

Das ist nun eine bemerkenswerte Auffassung für einen König.

Ali schenkt dem König vier goldene Platten voller Edelsteine. Dieser wiederum ist so erfreut, dass er Ali gleich seine Tochter zur Ehe anbieten will.

***

432. Nacht

Die Berater halten die Hochzeit zwischen Ali und der Prinzessin für eine gute Idee, ebenso die Gemahlin des Königs.
Ali und der "Kadi des Diwans" werden geholt.

Der Diwan ist der Hofrat der Regierung. Das wiederum macht es wahrscheinlicher, dass die Geschichte zur Zeit des Osmanischen Reichs spielt, welches ab 1534 n.Chr. Bagdad beherrschte.

Ali wendet ein, er sei ja schon verheiratet und legt dem König nahe, seinen Sohn mit ihr zu vermählen.

"Ich gewähre dir nicht nur diese Gunst, sondern ich mache dich auch zum Wesir."

Wozu? Glaubt der König, ein reicher Mann könne ihm gute Ratschläge geben oder gut mitregieren? Wieder ein schöner Fall von vor-systemischer sozialer Differenzierung: Der Kaufmann wird ohne Umschweife ob seines Reichtums zum Wesir gemacht. Sein scheinbares kaufmännisches Talent soll sich in politisches Geschick übersetzen lassen?

Man feiert die Hochzeit.

Am Ende der dreißig Tage ging Hasan, der Sohn des Wesirs, zur Tochter des Königs ein und freute sich ihrer Schönheit und Lieblichkeit.

Außerdem werden neben dem königlichen Palast zwei weitere Schlösser errichtet – eines für Ali und eines für Hasan und seine Frau.

So blieben sie beieinander in einem Leben der Glückseligkeit.

***

433. Nacht

Der König wird krank, und nach Beratung mit seinen Ratgebern beschließt er, Hasan zu seinem Nachfolger zu ernennen.

"Denn wir wissen, dass er verständig und einsichtig und in allem vollkommen ist, und er kennt den Rang von hoch und gering."

Bisher haben wir von keiner bemerkenswerten Leistung Hasans erfahren außer der Entjungferung der Königstochter. Und selbst der "Kaufmann" und "Wesir" Ali ist nicht einmal durch kaufmännische Leistungen aufgefallen. Seinen Wohlstand verdankt er dem Dämon aus dem Spukhaus. Die Qualifikation, den "Rang von hoch und gering" zu kennen, führt uns auf die Fährte: Wir sind in einer streng stratifiziert differenzierten Gesellschaft. Das Oben und das Unten ist, was zählt. Und das scheint auch in anderen Erzählungen hier immer wieder durch – zum Beispiel wenn ein verarmter Adliger aufgrund seines Verhaltens als hochstehend erkannt wird.

***

434. Nacht

Der alte König stirbt.

Und König Hasan, der Sohn des Wesirs, führte die Herrschaft; die Untertanen freuten sich seiner, und alle seine Tage waren eitel Glück. (…) Das Land gedieh, und er blieb lange Zeit hindurch König von Bagdad; und durch die Tochter des alten Königs wurden ihm drei Söhne geschenkt, die nach ihm das Reich erbten und herrlich und in Freuden lebten, bis Der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt, und der die Freundesbande zerreißt. Preis sei ihm, der da bleibet in Ewigkeit, und der durch die Macht Trennung und Einigung verleiht.

Das Irritierende an dieser Geschichte ist wieder einmal, dass sie so ganz unserem Verständnis des Storytelling widerspricht, nach dem der Held sein Leiden als Prüfung zu verstehen habe. Es gibt hier aber keinerlei Katharsis – Ali verarmt und kommt durch pures Glück zu Geld. Dies aber war "seit alters her" so vorgesehen. Alis Vater hatte für seinen Sohn gebetet. Und so kann das Ganze auch als Geschichte zum Lobpreis Allahs verstanden werden.

***

Die Geschichte von dem Pilgersmann und seiner Frau

Ein Pilgerer verliert nachts den Anschluss an seine Karawane, verirrt sich, läuft weiter und entdeckt an einem Zelt eine alte Frau mit einem Hund.
Als er sie um Essen bittet, schickt sie ihn in ein benachbartes Tal, um dort Schlangen zu fangen, die man braten könne, was er widerwillig tut. Das Wasser, das sie ihm zum Trinken anbietet, ist von beißender Bitterkeit.

"Ich wundere mich über dich, o Greisin, und darüber, dass du an diesem Orte wohnst und an solcher Stätte verweilst."

Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann und hielt in der verstatteten Rede an.… Weiterlesen

382. – 386. Nacht

382. Nacht

Abu Nuwâs vergnügt sich mit den Knaben bei Wein und Gesang.

Als aber die Trunkenheit den Abu Nuwâs übermannte, und er den Unterschied zwischen Hand und Haupt nicht mehr kannte, drang er mit Kuss und Umarmung auf die Jünglinge ein, legte Bein auf Bein hatte für Sünde und Scham keine Sinn und sprach diese Verse vor sich hin:

Vollkommne Freude bringet nur ein Jüngling,
Der trinkt in schöner Zeitgenossen Kreis.
Der eine singt ein Lied, der andre grüßt ihn.
Wenn er ihn mit dem Becher zu erquicken weiß.
Und hat er dann nach einem Kuss Verlangen,
So reicht ihm jener seine Lippe dar.
Gott segne sie! Schön war mein Tag bei ihnen;
Ein Wunder ist’s, wie er so herrlich war!
Nun lasst uns trinken, ob gemischt, ob rein.
Und wer da schläft, soll unsre Beute sein.

Für einen im Trunkesrausch Delirierenden improvisiert er doch noch recht flotte Verse.

Plötzlich tritt jedoch Kalif Harûn er-Raschîd hinzu, der am nächsten Tag seinem Schwertträger Masrûr befiehlt,

er solle dem Abu Nuwâs die Kleider herunterreißen, ihm den Packsattel eines Esels auf den Rücken binden, einen Halfter um seinen Kopf und einen Schwanzriemen um sein Gesäß legen und ihn so umherführen in den Gemächern der Sklavinnen.

*

383. Nacht

Der Kalif befiehlt außerdem, Abu Nuwâs anschließend das Haupt abzuschlagen.

Abu Nuwâs aber machte überall Scherze, und jeder, der ihn sah, gab ihm etwas Geld, so dass er mit vollen Taschen zurückkehrte.

Als Dscha’far der Barmekide hinzutritt und ihn fragt, was das soll, entgegnet er:

"Ich habe nichts verbrochen; ich habe nur unserem Herrn und Kalifen meine schönsten Verse als Geschenk dargebracht, und da hat er mir sein schönstes Gewand geschenkt."

Der Kalif lacht, begnadigt ihn zahlt ihm zehntausend Dinar aus.

Klassische Narrenfreiheit. Dem Dichter und Narren wird nur deshalb vergeben, weil er diese Narrenfreiheit auch bis ans Äußerste ausnutzt. Täte er es nicht, wäre er tot.

***

Die Geschichte von Abdallâh ibn Ma’mar und dem Manne aus Basra mit seiner Sklavin

Ein Mann aus Basra kauft eine junge Sklavin, die er erziehen und unterrichten lässt.

Er hing an ihr in leidenschaftlicher Liebe.

Aber als ihn die Armut bedrückt, meint sie zu ihm:

"Mein Gebieter, verkauf mich!"

Der Emir von Basra Abdallâh ibn Ma’mar kauft sie für fünfhundert Dinare, doch als er die Sklavin seufzend dichten hört,

rief er aus: "Bei Allah, ich will nicht zu eurer Trennung behilflich sein; denn ich weiß nun, dass ihr einander lieb habt. So nimm das Geld und die Sklavin, o Mann, und Allah gesegne dir beides!"
(…)
Und sie sind immerdar beieinander geblieben, bis der Tod sie geschieden hat – Preis sei Ihm, dem der Tod nicht naht!

Anscheinend nur eine Anekdote, um den Emir zu preisen.

***

Die Geschichte der Liebenden aus dem Stamme der Udhra

Ein Mann aus dem Stamme der Udhra verliebt sich unsterblich in eine Frau aus seinem Stamme, die ihn aber spröd zurückweist.

*

384. Nacht

Er verweigert die Nahrung, bis er im Sterben liegt. Erst dann besucht sie ihn.

"Hätte ich das gewusst, so hätte ich mich deiner Not angenommen und wäre nach deinem Wunsche zu dir gekommen."

Er stirbt nach dem Rezitieren:

Sie nahte sich, als schon der Tod uns beide trennte,
Und sie versprach Erhörung, als es nutzlos war.

Sie weint, fällt in Ohnmacht und stirbt drei Tage später,

und wurde in seinem Grabe bestattet.

***

Die Geschichte des Wesirs von Jemen und seines jungen Bruders

Der Wesir von Jemen, Badr ed-Dîn, hat einen schönen Bruder, den er behütet, allerdings verliebt sich der Scheich, der ihn unterrichtet, in ihn.
Die beiden verabreden sich eines Nachts heimlich, und der Scheich trinkt, schmust und singt mit dem schönen Jüngling. Der Wesir spürt sie schließlich auf, und als der Scheich ihn erspäht, singt er ihm zu

Er gab mir den Wein seiner Lippen zu trinken;
Mit Zierde des Wangenflaums trank er mir zu.
Und Wange an Wange, in meiner Umarmung,
Ging heute der Schönste der Menschen zur Ruh.
Der leuchtende Vollmond schein auf uns hernieder;
Nun bittet ihn: Sag es dem Bruder nicht wieder.

Die Güte des Herrn Badr ed-Dîn aber zeigte sich dadurch, dass er, als er diese Verse vernahm, ausrief: "Bei Allah, ich will euch nicht verraten!", und fortging, indem er die beiden ihren Freuden überließ.

***

Die Geschichte von dem Liebespaar in der Schule

Ein freier Jüngling und eine junge Sklavin besuchten einst die gleiche Schule; und der Jüngling wurde von der Liebe zu dem Mädchen ergriffen.

*

385. Nacht

Er schreibt ihr diese Verse:

Was sagst du nur von dem, der übergroße Liebe
Zu dir so krank gemacht, dass er ganz ratlos ist?
Es klagt das Leiden nun, in Sehnsucht und in Schmerzen;
Er kann nicht mehr verbergen, was ihm das Herz zerfrisst.

Sie antwortet ihm auf der selben Tafel darunter:

Wenn wir den, der da liebt, in seinem schweren Leid
Der Liebe schaun, so sei ihm unsre Huld geweiht.
Er soll den Liebeswunsch bei uns erfüllet sehn;
Und was geschehen soll, das möge dann geschehn!

Sowohl der Lehrer als auch der Herr der Sklavin finden ermutigende Verse. So schreibt letzterer:

Euch trenne Allah nie in eurem Leben;
Und wer euch feind ist, soll im Elend untergehn!
Jedoch der Lehrer ist, bei Gott, der größte Kuppler,
den meine Augen je in dieser Welt gesehn.

Er lässt den Kadi die Eheurkunde für die beiden schreiben, und das war’s.

***

Die Geschichte von el-Mutalammis und seine Weibe Umaima

Der Dichter el-Mutalammis flieht eines Tages vor der Tyrannei des en-Nu’man ibn el-Mundhir und muss dabei seine Gattin Umaima zurücklassen.
Nach einer Weile verheiratet man sie gegen ihren Willen, gerade an dem Tag als el-Mutalammis wieder zurückkehrt. Als sie unterm Baldachin traurig Verse über ihren verlorengegangenen Gatten rezitiert, ruft dieser zurück:

Ganz nah bei dir ihm Hause, o Umaima, wisse:
An jedem Halteplatz dacht ich in Treuen dein.

Der Bräutigam lässt dem anderen den Vortritt, natürlich in Bezug auf dessen Verse reimend:

Ich war im Glück; doch jetzo hat es sich gewendet;
Ein gastlich Haus und Raum schließt nun euch beide ein.

So verließ er die beiden und ging davon.

***

Die Geschichte von dem Kalifen Harûn er-Raschîd und der Herrin Zubaida im Bade

Harûn er-Raschîd lässt seiner Gattin einen Lustgarten mit einem baumumwachsenen Teich anlegen.

*

386. Nacht

Eines Tages, badet sie sich darin.

Sie blieb im Wasser, das nicht tief genug war, um den, der in ihm stand, ganz zu bedecken, aufrecht stehen, schöpfte mit einer Kanne aus reinem Silber und goss es über ihren Leib.

Der Kalif, als er hört, dass sie ein Bad nimmt, begibt sich zum Teich, um sie zu beobachten. Sie bemerkt ihn.

Aber aus Scham vor ihm legte sie ihre Hände auf ihren Schoß; freilich konnte sie ihn nicht ganz bedecken, da er so rund und groß war.

Wie bitte? Schwierig, etwas über derartige Schönheits-Ideale bei Google zu finden, ohne auf einschlägigen Seiten zu landen.

Der Kalif beginnt zu dichten:

Mein Aug erblickte, was mich traurig macht;
Und durch die Trennung ward mein Leid erfacht…

Allerdings kommt er mit seiner Dichtung nicht weiter und bitte also den Dichter Abu Nuwâs, das Gedicht zu vollenden.

Der natürlich wieder einmal vor das Problem gestellt wird, etwas Ungesehenes zu beschreiben und das Vermutete nicht benennen zu dürfen.

Er fährt also fort:

… von der Gazelle, die mich ganz bestrickt,
Als ich im Lotusschatten sie erblickt.
Und Wasser floss auf ihren Schoß, so klar,
aus einer Kanne, die von Silber war.
Als sie mich sah, da hat sie ihn bedeckt;
Doch ihre Hand hat ihn nicht ganz versteckt.
O könnte ich doch glücklich bei ihr sein,
Ein Stündlein oder auch zwei Stündelein.

Da lächelte der Kalif über seine Worte und machte ihm ein Geschenk; der Dichter aber ging erfreut von dannen.

***

Die Geschichte von Harûn er-Raschîd und den drei Dichtern

Wir beginnen klassisch:

Eines Nachts ward der Beherrscher der Gläubigen Harûn er-Raschîd von großer Unruhe geplagt.
Er begegnet einer betrunkenen Sklavin, deren Kleidung sich löst.

Er bat sie um ihre Liebesgunst; aber sie erwiderte ihm: "Lass mir bis morgen abend Zeit, o Beherrscher der Gläubigen! Ich bin nicht auf dich vorbereitet."

Als er sie am nächsten Tag zu sich bittet, lässt sie ihm ausrichten:

"Der helle Tag verwischt das Wort der Nacht."

Das ist nun aber wirklich beeindruckend: Die Sklavin kann den Wunsch des Beherrschers der Gläubigen abschlagen?

Drei Dichtern befiehlt er, daraus etwas zu dichten: er-Rakâschi, Abu Mus’ab und Abu Nuwâs.

Hier finden wir den Spruch: Ein Fluch von Abu Nuwâs in der Hölle enthält mehr Poesie als ein Lobspruch von er-Rakâschi im Himmel.

Nachdem sie ihre Arbeit getan haben, befiehlt der Kalif, den ersten beiden ein Geschenk zu machen, aber Abu Nuwâs den Kopf abzuschlagen, da er vermutet, der sei am Abend davor dabei gewesen. Der verteidigt sich, er habe den Inhalt nur aus dem Gesagten des Kalifen zusammengesetzt.

"Allah der Erhabene, der von allen die lauterste Wahrheit spricht, hat gesagt: Und den Dichtern folgen die Irrenden nach. Siehst du nicht, wie sie in jedem Wadi verstört umherlaufen, und wie sie reden, was sie nicht tun?"

Koran, Sure 26

Abu en-Nuwâs

Daraufhin lässt Harûn er-Raschîd ihm zwanzigtausend Dirhems auszahlen.

Die Impulsivität des Kalifen lässt ihn einem richtig ans Herz wachsen.

***

Die Geschichte von Mus’ab ibn ez-Zubair und Aischa bint Talha

Mus’ab ibn ez-Zubair verliebt sich in Aischa bint Talha.

Mus’ab ibn ez-Zubair war Heerführer des Gegenkalifen Abdallah ibn az-Zubair

Azza in Medina berichtet ihm:

"Ihr Antlitz ist schöner als die Gesundheit; sie hat große Augen und darunter eine Adlernase, glatte und runde Wangen und einen Mund gleich einer Blüte des Granatapfels. Ihr Hals gleicht einer silbernen Kanne, und darunter ist der Busen mit zwei Brüstlein, die wie ein Paar von Granatäpfeln sind; und weiter darunter hat sie einen schlanken Leib mit einem Nabel, der einem Elfenbeinbüchslein gleicht; Hüften hat sie wie zwei Sandhügel, und ihre Waden gleichen zwei Säulen aus Alabaster; doch ich sah, dass ihre Füße groß sind. Du wirst bei ihr die Zeit der Not vergessen." Nachdem Azza ihm Aischa mit solchen Worten beschrieben hatte, nahm Mus’ab sie zur Frau und ging zu ihr ein.

379. – 381. Nacht

379. Nacht

Die beiden Wesire der Könige Schâmich und Dirbâs ziehen nun gemeinsam los, um Uns el-Wudschûd zu suchen. Als sie die Insel Dschebel eth-Thekla erreichen, erklärt ihm Ibrahim, hier habe sich dereinst eine Dämonin niedergelassen, um mit ihrem menschlichen Liebhaber in Ruhe leben zu können. Wenn Seefahrer vorbeiführen, hörten sie das Wehklagen der Kinder. Der Eunuch öffnet dem Wesir das Schloss, und dieser erkundigt sich nach dem geistesentrückten Derwischmann im Hof, der natürlich kein geringerer ist als der gesuchte Uns el-Wudschûd. Wesir Ibrahim macht sich auf die Suche nach seiner Tochter, findet sie aber nicht und weint.

Wie er sich nun umwandte, sah er dort zwei Vögel, einen Raben und eine Eule; und da er ein böses Vorzeichen erkannte, begann er, in Seufzer auszubrechen.

Die Wesire geben nun die Suche auf, und in Erwartung seiner Entlassung zieht der Wesir des Königs Dirbâs  zurück und nimmt den mutmaßlichen entrückten Derwisch als Glücksbringer mit.

*

380. Nacht

Uns el-Wudschûd erwacht auf dem Maultierrücken, ohne zu wissen, wo er ist. Der Wesir lässt ihn mit Zuckerscherbett und Rosenwasser aufpäppeln.
Als sie sich der Stadt nähern, wagt der Wesir nicht, sie zu betreten; doch Uns el-Wudschûd antwortet ihm:

"Fürchte dich nicht! Geh zum König und nimm mich mit dir; ich bürge dafür, dass Uns el-Wudschûd kommt."

Als er vor den König geführt wird und dieser ihn fragt, wo Uns el-Wudschûd weilt:

"An einer Stätte, die sehr nah ist."

Uns el-Wudschûd bleibt geheimnisvoll und lässt sich gut einkleiden, erst dann gibt er sich per Gedicht zu erkennen. Die beiden heiraten, und König Schâmich wird darüber informiert und antwortet:

"Dieweil die Eheurkunde bei dir vollzogen ist, geziemt es sich, dass die Hochzeit und Brautnacht bei mir gefeiert werden."

Die Karawane zieht nach Ispahan und

dann ging Uns el-Wudschûd zu El-Ward fil-Akmâm ein und umarmte sie.

Sie rezitieren und weinen,

umarmten sich von neuem, und so blieben sie eng umschlungen, bis sie ohnmächtig niedersanken.

*

381. Nacht

Es wird sieben Tage lang gefeiert. Und am siebenten Tag verteilten sie

Gaben an das Volk, Geld und Kleider, und machten reiche Geschenke. Darauf gab El-Ward fil-Akmâm den Befehl, ihr Bad zu räumen, und sie sprach zu Uns el-Wudschûd: "Du mein Augentrost, es verlangt mich, dich im Bade zu sehen; und wir wollen dort ganz allein sein.

Du der seit alter Zeit mein Herz gewann –
Das Alte geht im Neuen nicht verloren.
O du, der mein Alles in der Welt,
Ich habe keine Freund als dich erkoren.
Komm mit ins Bad, o du mein Augenlicht;
Lass uns den Himmel in der Hölle sehen!
Wir lassen Aloe und Nadd erglühen,
Bis uns die Düfte überall umwehen.
Verziehen sei dem Schicksal alle Huld!
Ich rufe dann, seh ich dich dort vor mir:
Glückauf, mein Lieb, und Segen sei mit dir!

Die Hölle steht als Bild fürs Feuer unterm Bad. Nadd ist eine Mischung aus Ambra, Moschus und Aloe. Wenn jemand aus dem Bad kommt, segnet man ihn.

***

Die Geschichte von Abu Nuwâs mit den drei Knaben und dem Kalifen

Abu Nuwâs allein daheim rüstet zu einem Gastmahl und lädt sich drei Knaben ein, die er zufällig auf der Straße trifft,

noch frei von Bärten, so schön, als wären sie Knaben aus den Paradiesesgärten; ihre Farben waren von verschiedener Art, doch ihre Reize waren gleichmäßig zart. An ihren biegsamen Gestalten wurden Hoffnungen entzündet, so wie ein Dichter von ihnen kündet.

Abu Nuwâs lockt sie mit Versen:

Kommt her zu mir, und geht zu keinem andern!
Mein Haus ist voll von feinstem Proviant.
Ich habe alten Wein von klarer Farbe,
Gekeltert von des Klostermönches Hand.
Auch hab ich feines Fleisch vom jungen Lamme
Und vielerlei Geflügel, das da fleugt.
So esst davon und trinket von dem Weine,
Dem alten, der die Sorgen uns verscheucht!
Vergnüget euch dann einer an dem andern,
Und lasst auch mich in eurem Kreise wandern!

Weil nun die Jünglinge von seinen Versen bezaubert waren, so entschlossen sie sich, seinem Wunsch zu willfahren.

376.-378. Nacht

376. Nacht
Uns el-Wurdschûd entdeckt die Käfige mit den Vögeln, die
darin sangen und priesen den Herrn.
Vor dem Käfig der Turteltaube, der Ringeltaube, der Spottdrossel, der Nachtigall und der wilden Taube beginnt er zu weinen, als er ihre Äußerungen vernimmt. Er rezitiert auf die Schnelle ein paar Verse und fällt hier und da in Ohnmacht.
*
377. Nacht
Aber die Waldtaube gurrt,
bis schließlich ihr Gurren wie menschliche Rede erklang:
O du, der Liebe Knecht, du hast mich jetzt erinnert
An jene Zeit, da mir die Kraft der Jugend schwand,
Und den geliebten Freund; von Wuchse war er herrlich,
Und seine Schönheit verwirrte den Verstand.
Ach, wenn er in den Zweigen dort auf dem Hügel gurrte,
Dann galt die traute Stimme mir mehr als die Schalmei.
Allein der Vogler stellte ein Netz, und der Gefangne
Hub an und klagte laut: O, ließ er mich doch frei!
Ich hoffte wohl, er sei ein Mann der milden Sinnes
Beim Anblick meiner Liebe mit mir Erbarmen kennt.
Doch möge Gott den Mann erschlagen, da er grausam
Von dem geliebten Wesen auf ewig mich getrennt!
Nun wird in mir die Sehnsucht nach ihm noch immer größer.
Mich hat der Trennungsschmerz mit Feuersglut durchwühlt.
O Gott, behüte jeden, der fest in seiner Treue
Mit seiner Liebe ringt und meinen Kummer fühlt!
Und sieht er mich gefangen hier in dem Käfig mein,
So mög er für den Freund aus Mitleid mich befrein!
Der Eunuch verrät, dass der Wesir das Schloss für seine Tochter hat bauen lassen.
“Nur einmal im Jahr öffnen wir die Burg, wenn Vorräte für uns kommen.” Da sprach Uns el-Wurdschûd in seiner Seele: “Jetzt habe ich mein Ziel erreicht; doch ich muss noch lange warten.”
In ihrer Trauer verweigert indessen El-Ward fil-Akmâm Nahrung und Trank. Stattdessen dichtet sie. Und schließlich, bis sie den Erdboden erreichte; sie trug aber die prächtigsten Gewänder, die sie besaß, und um ihren Hals lag eine Kette aus Edelsteinen.
stieg sie zur Dachterrasse des Schlosses hinauf, nahm einige Kleider aus Baalbeker-Stoffen, band sich damit fest und ließ sich hinab.
Gemeint ist wohl: reißfestes Leinen.
Dann wandert sie durch die Einöde, bis sie ans Meer kommt, wo sie einen Fischer trifft, den sie bittet, sie mit fortzunehmen. Auf gut Glück vertrauen sie sich dem Meer an. Und nach drei Tagen gelangten sie
zu einer Stadt am Meeresufer.
*
378. Nacht
Von seinem Fenster aus entdeckt der König der Stadt, Dirbâs, die im Boot schlafende El-Ward fil-Akmâm,
die so schön war wie der Vollmond am Himmelsrande; an ihren Ohren hingen Geschmeide aus kostbaren Ballasrubinen, während um ihren Hals Juwelenketten herrlich schienen. (…)
“Ich bin die Tochter Ibrahims, des Wesirs von König Schâmich.”
So erfahren wir nun auch den Namen des Königs, der bisher immer nur “Soundso” genannt wird.
Dirbâs schickt nun seinen Wesir mit einem ungeheuren Schatz zu König Schâmich, um ihn zu bitten, den Untertan Uns el-Wurdschûd zu senden, damit sich El-Ward fil-Akmâm vor Ort vermählen könne. Den Inhalt des Briefes, in welchem Dirbâs behauptet, es ginge um die Vermählung der eigenen Tochter, kennt der Wesir nicht. Der König droht dem Wesir, ihn seines Amtes zu entheben, wenn er ohne Uns el-Wurdschûd zurückkehre.
Schâmich weint beim Lesen des Briefs und lässt nach Uns el-Wurdschûd suchen, von dem man nun feststellt, dass er seit einem Jahr verschwunden ist.
Das ist seltsam, da es doch hieß, dass Schâmich “große Zuneigung” zu Uns el-Wurdschûd spüre.
Schließlich schickt Schâmich seinen eigenen Wesir mit auf die Suche.

269. Nacht g)

Das Problem unter uns freiwurschtelnden Künstlern immer wieder: Wie hältst du’s mit der Disziplin? Sie scheint uns zunächst wie eine Einschränkung der Freiheit, aber wenn wir ziellos durch die Tage mäandern, gehalten von den Verpflichtungen, die man irgendwann eingegangen ist, dann werden die als konservativ abgetanen Rituale ersetzt durch dumme Angewohnheiten. Niemand sagt mir, wann ich zu Bett gehen muss, niemand zwingt mich, den Wecker zu stellen. Und wenn ich dann um 3 Uhr schlafen gehe und um 10 Uhr gerädert aufstehe, weiß ich, dass der Tag nicht so abgelaufen ist, wie er es sollte. Schlimmer noch, wenn man Tätigkeiten als Arbeit verbucht, die eigentlich nur Privat-Entertainment sind, was ohnehin schon verschwimmt, wenn man im künstlerischen Sektor arbeitet und das auch noch mit einem Arbeitsmittel, das zugleich Inspiration beflügeln, Information besorgen, Unterhaltung bereitstellen, Verwaltung und Kommunikation erleichtern und beim Schreiben helfen soll.

*

Für den Sultan ist die Annullierung der Ehe ein dicker Brocken, denn

er hatte schon vor Freuden die zehn Heiligen angerufen, weil ihm ein solches Glück widerfahren war.

Das wäre natürlich mal interessant zu erfahren, von welchen Heiligen hier eigentlich die Rede ist. Im Islam gibt es sie jedenfalls nicht.

Inzwischen sind die drei Monate verstrichen und Alâ ed-Dîns Mutter kommt wieder zum Sultan, um die Vermählung mit ihrem Sohn einzufordern. Der Sultan grämt sich, da

"sie arme Leute sind und nicht zu den Vornehmen gehören."

Der Wesir rät, vierzig Schüsseln aus reinem Waschgold zu verlangen, ferner vierzig Sklavinnen, die die Schüsseln tragen, und vierzig Sklaven.

Soll der Wesir wirklich Waschgold (statt Berggold) gefordert haben? Die Sklavinnen müssten dann aber auch ordentlich durchtrainiert sein, wenn sie die Schüsseln schleppen sollen.

Der Lampengeist sorgt erwartungsgemäß für die Erfüllung des Auftrags. Die Sklavinnen (nebst Eunuchen) marschieren durch die Stadt,

von denen eine jede sogar einem Gottesmanne den Verstand hätte rauben können.

Doch der Wesir ist immer noch von Neid zerfressen:

"Hoher Herr, alle Schätze der Welt sind nicht so viel wert wie ein Nagel von der Hand deiner Tochter."

Diesmal jedoch lässt sich der Sultan nicht abbringen und lässt nach Alâ ed-Dîn schicken. Dieser lässt sich vom Mârid noch ein Bad bescheren, Scherbett und ein Königsgewand. Weiterhin: 48 Mamluken mit Rössern, Rüstungen und Waffen, einen Hengst, wie ihn die Perserkönige reiten, achtunvierzigtausend Dinare und zwölf Sklavinnen. Auf seinem Weg zum Palast wird er vom Volk, dem er Geld zuwirft, bejubelt. Der Sultan ist entsprechend überrascht.

Die Frage liegt nahe, warum dann Alâ ed-Dîn seine Mutter andauernd in Lumpen herumlaufen lässt.

Dann bedachte er auch die reine und feine Redeweise Alâ ed-Dîns.

Wo Alâ ed-Dîn die so schnell gelernt hat, erfahren wir allerdings nicht. Es sprengte vielleicht auch die Macht der Geister, Wünsche nach geistigen Gütern zu erfüllen:

Der Sultan begann, sich mit Alâ ed-Dîn zu unterhalten und mit ihm zu plaudern, während dieser ihm mit aller Höflichkeit und Feinheit der Rede antwortete, als ob er in den Palästen der Könige erzogen wäre.

"Joanne K. Rowling: "Während ich am ersten Band arbeitete, habe ich zahllose Notizen gemacht, wie Zauberei funktioniert, und – ganz, ganz, ganz wichtig – wo ihre Grenzen sind."

Alâ ed-Dîn will aber noch mehr, nämlich für die Prinzessin ein Schloss bauen:

"Ich kann nicht eher zu ihr eingehen, als bis das geschehen ist."

Süße Tugend. Ich hab nicht mal eine Eigentumswohnung.

Und natürlich erledigt der Geist auch diese Aufgabe, ohne groß rumzunörgeln. Seitenweise Beschreibungen des Interieurs. Aber dann

"Ich wünsche mir von dir eins, das noch fehlt und das ich dir zu sagen vergessen habe (…) einen großen Teppich aus Brokat (…), der, wenn er ausgebreitet ist, sich von meinem Schlosse bis zum Sultanspalast erstreckt."

Man muss wohl annehmen, dass hier nicht Alâ ed-Dîn etwas vergessen hat, sondern Galland, der zu faul war, sein Geschreibsel neu zu ordnen. Sloppy writing in den Zeiten vor Copy&Paste.

Das Ehebündnis wird vor den Kadis geschlossen.

269. Nacht f)

Nun also endlich weiter an den 1001 Nächten. Nach über einem Jahr Pause. Die Lektüre führt, so muss ich mir eingestehen, schnell zu Übersättigung. Nur weil ich weiß, dass es weiter hinten noch ein paar hübsche Perlen gibt, lese ich weiter. Aber der Rhythmus ewiger Wiederholungen, redundanter Beschreibungen und flacher Charaktere ermüdet schnell. Hätte man sich nicht doch etwas wie Luhmanns "… der Gesellschaft"-Werke oder Shakespeares Dramen herauspicken können? Aber die Orient-Faszination lässt mich nicht los, selbst wenn es der Galland-gefälschte Orient ist. Als Kind haben mich diese Pluderhosen-und-Turban-Träger aus den Digedag-Comics schon mehr fasziniert als beispielsweise Indianer. Hauff, der mit den 1001-Nacht-Elementen sowieso viel erzählerischer spielt, hatte es mir dann schon angetan, sobald ich lesen konnte. Mein Vater hatte Gott sei Dank ein großes Vertrauen in meine psychische Stabilität. Wer gibt sonst seinem sechsjährigen Kind eine Story wie "Die abgehauene Hand" zu lesen? Meine erster Horror-Erzählung, die ja eigentlich in Florenz spielt, aber aus Sicht eines Griechen berichtet wird, und zwar in einem Zelt einer Karawane.

Ungeordnet ein paar Ereignisse seit meiner letzten Lektüre der 1001 Nächte

– Schmidt-liest-Proust-Lektüre
– Impro-Reisen nach Halle/Saale und Chicago
– Auszug mit der Chaussee erst aus dem Ambulatorium, dann aus der Stenzerhalle
– Umzug von Foxy Freestyle aus dem Edelweiss in die Alte Kantine
– Geburt von Kirstens Kind
– Ich wurde 40.
– Facebookmitgliedschaft
– Silvester in Matzes Theater
– Obama wird Präsident
– Westerwelle wird wohl Außenminister
– Das Görlitzer Kantinenlesen etabliert sich
– Pinguin-Impro-Show im Zebrano
– sieben Workshop-Serien unterrichtet, an einem einzigen teilgenommen
– Juror bei der deutschen Theatersport-Meisterschaft
– 2 Mal in Buckow
– 152 Artikel bei Ebay verkauft
– Keinen Baum gepflanzt
– Kein Kind gezeugt
– Kein Haus gebaut.
– Kein Buch geschrieben
– In Amerika ein wirkungsvolles Mittel gegen Laktose-Intoleranz gefunden.

***

Als Alâ ed-Dîns Mutter ihm die Edelsteine überreicht, sagt der König:

Wahrlich, wer mir solche Juwelen schenkt, der verdient es, der Gemahl meiner Tochter zu werden; denn soweit ich sehe, ist keiner würdiger als er."

Aber wie auch schon in der Erzählung von Nûr ed-Dîn ‘Alî und Enîs el-Dschelîs ist es ein neidischer Wesir, der hier die Pläne zu vereiteln sucht,

weil der König ihm versprochen hatte, er wolle seine Tochter mit seinem Sohne vermählen.

Der entscheidungsunfreudige Sultan gewährt drei Monate Aufschub. Alâ ed-Dîn wartet zwei Monate ab, bevor seine Mutter wieder auf den Basar begibt, wo er erkennt, dass die Stadt zu einer Feier geschmückt ist – der Hochzeit zwischen Sultanstochter und Wesirssohn.

"Mein Sohn, ich will dir eine Kunde melden; aber der Kummer, den sie dir bereitet, wird schwer auf mir lasten."

Hoffentlich nicht so schwer, wie der Kummer des Dorfpfarrers in "Das weiße Band", den dieser erleidet, als er sich gezwungen sieht, seine Kinder mit der Rute zu züchtigen.

Wie Alâ ed-Dîn das hören musste, erfasste ihn ein Fieberanfall vor Kummer; aber gleich darauf dachte er an die Lampe, und erfreut sprach er zu seiner Mutter "Bei deinem Leben, liebe Mutter, ich glaube, der Sohn des Wesirs wird sich ihrer nicht so erfreuen, wie du denkst. Doch lass uns jetzt davon schweigen! Setze das Abendessen vor, auf dass wir speisen."

Die unmittelbare Wirkung psychosomathischer Phänomene ist erstaunlich. Andererseits aber auch, dass niemand auf die Idee zu kommen scheint, dies bewusst zu nutzen. Zumindest bis hier wird nicht einmal dem Gebet eine solche Wirkung zugesprochen Dabei denke ich Inzwischen, dass das islamische Gebet gesundheitlich außerordentlich wirkungsvoll sein muss:
– Die Waschung zuvor ist ja nicht nur rituell, sondern auch ein tatsächliches Waschen.
– Um gültig zu sein, muss das Gebet in völliger Demut erfolgen. Und so erleichtert es das innere Loslassen von Sorgen, Problemen usw. erleichtert psychisch.
– Die Positionen erinnern teilweise an den Sonnengruß im Yoga. Die geöffneten Hände öffnen sich aufs neue der Welt, statt sie dominieren zu wollen.
– Und schließlich ist der Ablauf eine gute Dehnung der Bänder und Muskeln, der Ablauf kann sogar als Gymnastik empfunden werden.

In der Hochzeitsnacht lässt Alâ ed-Dîn den Wesirssohn von seinem Lampengeist auf den Abort schaffen und legt sich selbst neben die Prinzessin,

Geklautes Motiv aus der Geschichte von den drei Äpfeln

legte ein Schwert zwischen sich und sie und ruhte an ihrer Seite auf demselben Lager, ohne etwas Schmähliches zu tun.

Das Motiv, das Schwert als Trennlinie zwischen zwei züchtig Ruhenden zu verwenden, ist weit bekannt und verbreitet, etwa Ring des Nibelungen oder auch im Grimms-Märchen "Die zwei Brüder". Galland hat sich also ordentlich bedienen können. Fragt sich nur: Woher hat der arme Alâ ed-Dîn auf einmal ein Schwert?

Die Verstörung der Prinzessin erklärt die Königin dem Sultan am nächsten Morgen:

"… das ist so bei Neuvermählten; am Tage nach der Hochzeitsnacht schämen sie sich und zieren sich ein wenig."

Die Hochzeitsfeiern gehen weiter und Alâ ed-Dîn wiederholt das Spiel in der folgenden Nacht. Prinzessin und Wesirssohn berichten das Vorgefallene ihren Eltern und annullieren die Ehe.

233. Nacht – Andersen

Vitrine Gesamtausgaben

Zweite Reihe, elftes Buch von rechts

Hans Christian Andersen Märchen. Zweiter Band

Erworben: ca. 1997
Status: Einiges gelesen.
Erster Satz "Seht!" (Erster Satz von "Die Schneekönigin!"
Kommentar: Andersen ist schon ein großer Romantiker. Und vieles von ihm liebe ich wirklich, besonders die Geschichte vom großen und dem kleinen Klaus, aber die Elendsstorys wie die vom einbeinigen Zinnsoldaten oder dem Mädchen mit den Schwefelhölzchen schrecken mich doch ab, eine Verklärung der Not. Mir fehlt der Zugang dazu, auch nervt das bisweilen onkelhafte Erzähler-Ich Andersens. Aber all das nehme ich ihm nicht krumm. Die Schneekönigin haut alles raus.

**

El-Amdschad wundert sich, dass der Hausherr Bahâdur nicht wiederkommt und geht in die Stadt, wo dieser gerade hingerichtet werden soll, und so gesteht er den Mord an der Dame. Er wird vor den König geführt, dem er seine Geschichte erzählt und der ihn zum Wesir ernennt.

Minister werden durch Geschichtenerzählen!

Der König lässt nun in der ganzen Stadt el-As’ad ausrufen. Ohne Erfolg

Dabei könnte man doch meinen, dass in einer "Magierstadt" auch der König ein solcher ist.

El-As’ad ward indessen von den Magiern Tag und Nacht, früh und spät gefoltert, bis das Magierfest herannahte.

Möglich, dass es sich hier um das Neujahrsfest zur Tag-und-Nacht-Gleiche am Frühlingsbeginn handelt.

196. Nacht

Marzuwân kommt zu sich, der Wesir erklärt ihm die Situation mit dem Prinzen und schärft Marzuwân ein, nicht den Prinzen anzustarren, wenn sie beim König eintreten. Logischerweise tut Marzuwân genau dies, denn er erkennt, dass es sich beim Prinzen um den Geliebten seiner Milchschwester handeln muss.

195. Nacht

Die Wogen treiben Marzuwân nun zufälligerweise genau unter den Palast des Prinzen, wo

ein Eunuch ihm die Fliegen verscheuchte.

König, Wesir und Würdenträger sind ebenfalls anwesend. Und der Wesir entdeckt durchs Fenster den Gestrandeten. Er bittet, diesen retten zu dürfen:

"… vielleicht wird Allah dessentwillen deinen Sohn aus seiner Not befreien."

Der König bleibt misstrauisch und fürchtet, der Halbertrunkene könne sich über ihn und seinen Sohn lustig machen. Wenn dies geschähe, würde er den Wesir köpfen,

"… denn du, Wesir, bis die Ursache all dessen, was uns widerfahren ist, von Anfang bis zu Ende."

Welch ein Horror, solch einem Vorgesetzten dienen zu müssen.

Tatsächlich rettet er Marzuwân, dessen Leib voller Wasser ist und dessen Augen bereits hervorquellen:

"Wisse, ich bin die Ursache deiner Errettung vor dem Ertrinken gewesen, sei du nun nicht die Ursache deines und meines Todes."

191. Nacht

In Amsterdam stehen die Behörden vor einem Dilemma: Einerseits wird auch hier das Rauchverbot in Kneipen und Cafés eingeführt, andererseits will man die inzwischen "traditionellen" Coffeeshops nicht schließen. Die Lösung: Kiffer dürfen nur noch reines Haschisch rauchen.

***

Fortsetzung der Reihe "Elfte Bücher aus meinen Regalen"

dritte Regalreihe von oben – Theaterliteratur

Elftes Buch von links

Viola Spolin: "Improvisation for the Theater"

Erworben: ca. 2002
Status: Abschnittsweise immer wieder nach Bedarf gelesen.
Erster Satz: "Everyone can act." (Das ist doch mal ein Hammersatz.)
Kommentar: Ausgehend von diesem ersten Satz (und der offenbaren aber unausgesprochenen Tatsache, dass diese Fähigkeit zum Schauspielen abhanden kommt) entwickelte Spolin den Grundstock an wertvollen Theaterübungen. Ihr kürzlich verstorbener Sohn Paul Sills trug die spielerischen Ideen mit nach Chicago, wo er mit "Compass" den Grundstock für die wahrscheinlich weltweit lebendigste Improtheaterszene schuf. Spolins direkter und indirekter Einfluss auf das moderne Improtheater ist enorm: Johnstone, Close, Dixon, Second City, Zaporah.

*

Kamar ez-Zamân zeigt nun als letzten Beweis den Ring an seinem Finger, den er der neben ihm liegenden Prinzessin nahm. Der König lässt sich überzeugen. Nicht ohne nochmals zu betonen:

"Ursache dieser ganzen Verwirrung ist nur der Wesir."

Wie nervig es ist, mit Menschen zu tun zu haben, deren erste Sorge bei Problemen es ist, einen Schuldigen zu finden (der natürlich nie sie selber sind), einen solchen Narren dann zum König und direkten Vorgesetzten zu haben, hat bestimmt psychische Störungen zur Folge, vor allem, wenn ständig mit dem Henker gedroht wird.

 

*

190. Nacht

Kamar spielt nun seinen letzten Trumpf aus und demonstriert seinem Vater den Siegelring, den er der Prinzessin abgenommen hatte. Der König vertraut un wieder seinem Sohne und beschließt, das Geheimnis zu lösen, nicht ohne dem Minister noch eins reinzuwürgen:

"Ursache dieser ganzen Verwirrung ist nur der Wesir!"

189. NAcht

Kamar ez-Zamân traut alledem immer noch nicht. Er lässt seinen Vater schwören

"bei Allah, dem Schöpfer, dem Allwissenden, der die stolzen Tyrannen richtet und die Perserkönige vernichtet, dass du nichts von der Jungfrau noch von der Stätte, da sie sich aufhält, weißt"

Neue Info: Allah war es, der die Perserkönige vernichtete.
Außerdem lässt diese Bemerkung es fraglich scheinen, ob wir uns überhaupt in Persien befinden, wie die Namen nahelegen. Vielleicht wurde aber diese Islamisierung im Nachhinein von arabischen Erzählern eingefügt.

188. Nacht

Der Wesir zum König:

"Mein König, ich bringe dir eine frohe Botschaft (…) Wisse, dein Sohn, Kamar ez-Zamân hat den Verstand verloren."

Offenbar ist Verstandesverlust eher beim Wesir die korrekte Diagnose, wieso nennt er das eine "frohe Botschaft"?

König Schehrimân, nicht unschlagfertig:

"Freue dich, o Wesir! Für die frohe Botschaft von dem Wahnsinn meines Sohnes teile ich dir die Freudennachricht mit, dass ich dir den Kopf abschlagen und dir meine Gunst entziehen werde, du elendster der Wesire, du schändlichster der Emire!"

Bemerkenswert hier das Wörtchen "und": Nicht nur verliert der Wesir seinen Kopf, sondern obendrein die Gunst des Königs!

"lasse ich dich an die Hochwand meines Palastes nageln und gebe dir Trübsal zu kosten."

Wo wird man je wieder einen solchen Satz hören?

Der König eilt nun selbst zu seinem Sohn und prüft dessen Verstand, indem er ihn die Wochentage und Monate abfragt. Dieser beantwortet alle Fragen korrekt.

Darüber freute sich der König sehr, und er spie dem Wesir ins Gesicht.

Doch auch der König hört nun von Kamar ez-Zamâns scheinbaren Wahnvorstellungen, neben einer Jungfrau geschlafen zu haben.

187. NAcht

Der Sklave meint nun, er würde Kamar ez-Zamân die
Wahrheit berichten, müsse aber erst seine zerrissenen Kleider ordnen. Direkten
Wegs läuft er zum König, der mit dem Wesir im Gespräch ist und berichtet ihm,
sein Sohn sei wahnsinnig geworden. König Schehrimân erzürnt und befiehlt seinem
Minister, die Sache aufzuklären. Der Wesir geht zu Kamar und dieser flippt
wieder aus.

174. Nacht

Man sperrt Kamar ez-Zamân in einen Saal im Turm, wo er sein Schicksal verflucht. Unwirsch befragt nun der König seinen Wesir:

"Wisse, Wesir, du bist die Ursache von alledem, was zwischen mir und meinem Sohne vorgefallen ist, denn du hast mir damals den Rat gegeben. Was rätst du mir aber jetzt zu tun?"

Vierzehn Tage warten.

170. Nacht

Die Geschichte von Kamar ez-Zamân

Wieder haben wir es mit einem König – namens Schehrimân – zu tun, der in hohem Alter noch keinen Sohn hat und ob dieses Problems seinen Minister befragt.

Jener Wesir antwortete ihm: "Vielleicht wird Gott doch etwas geschehen lassen. Drum vertraue auf Allah, o König, und bete zu ihm inständigst!"

Was sonst sollte der Wesir auch raten. Vielleicht ist das inständige Beten übrigens tatsächlich auf eine Art hilfreich. Immerwährendes Beten erschöpft, so wie das ständige Sprechen eines Wortes, es verliert den Wortsinn für den Sprecher. So kommt man in einen Zustand des inneren Loslassens. Vielleicht nicht unwichtig für einen alternden König mit Erektionsproblemen.

Er hält sich an des Wesirs Anweisung und tatsächlich empfängt die Gemahlin und gebiert ihm einen schönen Knaben, den sie wegen seiner Schönheit Kamar ez-Zamân nennen.

Ich vermute, die Geschichte spielt in Persien.

Als der Sohn alt genug ist, will der König ihn vermählen, doch dieser sträubt sich.

Wen ihr mich nach Frauen fragt, so wisset:
Ich kenn die Art der Frauen alleweil.
Ergraut des Mannes Haupt und schmilzt sein Geld,
Hat er an ihrer Liebe keinen Teil.

Es fragt sich, ob hier Misogynie, Homosexualität oder Angst vor dem Erwachsenwerden der Hauptgrund dieses immer wiederkehrenden Motivs ist.

107. Nacht

Der Wesir Dandân beginnt mit der

Erzählung von Tâdsch el-Mulûk und der Prinzessin Dunja:
Dem Liebenden und der Geliebten

Wir erfahren vom König Sulaimân Schâh in der Grünen Stadt in den Bergen von Ispahan 107, der es zu Ruhm und Ehre gebracht hat, aber bisher weder Weib noch Kind hat. Er fragt seinen weisen Wesir.

Erste Selbstreferenz der Geschichte in der Geschichte. Der Wesir Dandân wäre töricht, wenn er hier die Figur eines durchtriebenen Wesirs einführte.

Der Rat, sich einfach eine Sklavin zu kaufen, wird abgelehnt, da man nicht wisse, was das für Nachkommen würden.

"Eine solche Frau ist wohl einem trockenen Salzsee zu vergleichen, der da, obgleich gute Saat auf ihm gesät wird, doch nur wertloses Wachstum treibt, das nicht dauernd bleibt."

Unklar, ob er das wegen der sozialen oder der biologischen Herkunft glaubt.

Nun rät der Wesir, die Tochter des Königs Zahr Schâh zu freien:

"… So wird dir durch ihr schönes Antlitz Freude beschieden, und der Herr der Herrlichkeit ist mit dir zufrieden; denn es wird berichtet, dass der Prophet – Allah segne ihn und gebe ihm Heil! – sagte: Im Islam gibt es keine Möncherei."

Unklar: Wie ordnen sich hier die Derwische ein? Und wie soll im Islam die Polygamie gehandhabt werden, wenn der Männerüberschuss nicht durch "Möncherei" abgefangen werden kann? Krieg? Sklaverei?

Der Wesir wird mit einer Karawane voller Geschenke als Brautwerber losgeschickt und nach tagelanger vom König Zahr Schâh freundlich empfangen.

 

 

107 Gemeint ist natürlich Isfahan اصفهان

78. Nacht

Der Kammerherr weist die Zeltdiener an, ein königliches Zelt zu errichten, was sie sofort tun.

Was ist ein königliches Zelt? Wenn es ein Zelt mit bestimmten Zeichen, aus bestimmtem Stoff usw. ist, so muss es uns erstaunen, dass die Karawane ein derartiges Zelt mit sich führt. Oder aber, es ist einfach größer – mehrere Zeltbahnen werden miteinander zu einem größeren verknüpft.

Kaum sind sie mit dem Zeltbau fertig und Dau el-Makân

die königlichen Kleider angelegt und sich mit dem Prunkschwert gegürtet

das man ja auch erst mal dabei haben muss

kommt eine Staubwolke heran – die "gewaltige" Streitmacht aus Bagdad und Chorasân mit dem Wesir Dandân an der Spitze.
Die Gruppen warten in der Vorhalle des Zeltes.

Wie soll man sich nun das Hauptzelt vorstellen, in dessen "Vorhalle" schon eine "gewaltige Streitmacht" passt.

Die Truppen treten zu zehnt ein

Entweder, um keine zu große Gefahr darzustellen bzw. um sie handhabbar zu machen. Oder das Hauptzelt ist tatsächlich wesentlich kleiner als die Vorhalle.

Sie schwören ihrem neuen Herrn die Treue. Am Ende betritt Dandân das Zelt. Den Truppen wird befohlen, zehn Tage zu rasten. Nuzhat ez-Zamân kommt ebenfalls ins Zelt. nicht ohne dass ein Vorhang zwischen sie und den Wesir gezogen wird. Und Dandân beginnt mit der Geschichte, darüber, wie Omar ibn en-Nu’mân starb. Er fasst zunächst zusammen, was wir schon wissen – seine Betrübnis nach dem Verschwinden seiner Kinder und die Ankunft der hochbrüstigen Jungfrauen.

77. Nacht

Der Kammerherr berichtet dem Wesir Dandân von den Geschehnissen, der sie wiederum den Wesiren, Emiren und Großen des Reiches berichtet.

Danach gingen sie alle gemeinsam zu dem Kammerherrn, stellten sich huldigend vor ihm auf und küssten den Boden vor ihm.

Fragen über Fragen: Weshalb machen sich die Emire, Wesire und Großen des Reiches mit auf die Reise? Wie stellt man sich huldigend auf? Steht der Kammerdiener in der Hierarchie höher als ein Minister?

Man berät und kommt überein, doch nicht weiter zu Scharkân zu reisen, sondern Dau el-Makân zum Sultan zu machen. Die Würdenträger überreichen dem Kammerherrn Geschenke:

"Vielleicht sprichst du zu dem Sultan Dau el-Makân von uns, damit er uns in unserer Würde belasse."

Zu jenen Zeiten muss es ein absoluter sozialer Abstieg gewesen sein, diese Posten, und damit nicht nur Macht, sondern auch Einkommen zu verlieren. Heute kratzt es lediglich den Stolz der Ministerialbeamten , wenn sie ausgewechselt werden. Berühmte Herrscher – Atatürk, Elisabeth I., Peter der Große, Harun er-Raschîd – haben oft erst mal mit den Ministern, Würdenträgern, religiösen Führern usw. aufgeräumt.

Neulich wurde ich von jemandem gefragt, ob er mich duzen dürfe. Ist es möglich, diese Frage zu verneinen, ohne unhöflich zu wirken? Ich denke nun schon seit Tagen darüber nach und komme auf keine gute Lösung. Kirsten Fuchs schlug vor, man könne, wie nebenbei "Och nö" sagen. Diese oder andere Optionen gegeneinander sorgfältig abzuwägen, hat man, wenn einem so die Pistole auf die Brust gesetzt wird, kaum die Zeit, und so erlaubte ich es dem Frager. Das Resultat ist das berüchtigte IKEA-Duzen , bei dem in jedem Satz ein Du, Dir, Dich oder wenigstens ein Dein eingeschoben wird.

Der Kammerherr kehrt zurück zum Lager der Karawane und berichtet Dau el-Makân über den Tod seines Vaters und die ihm zugedachte Königswürde. Nach kurzem Bedenken willigt er ein.

51. Nacht

Die Mädchen legen nun die fränkische Kleidung ab und ziehen

die Kleidung der Töchter Griechenlands

an. Scharkân sendet einen Voraustrupp, der ihr Kommen ankündigt, und so werden sie in Bagdad von tausend Reitern und dem Wesir Dandân empfangen. Scharkân geht in den Palast zu seinem Vater und berichtet ihm von den wahren Hintergründen der Geschichte mit den Edelsteinen und der Sophia und lobt Prinzessin Abrîza.
Der König lässt Abrîza zu sich führen, ist von ihr geblendet und lässt sich von ihr die drei Juwelen schenken.

Doch als sie davonging, nahm sie sein Herz mit sich.

Der König schenkt Scharkân ein Juwel:

"… eins will ich deinem Bruder Dau el-Makân geben und das andere deiner Schwester Nuzhat et-Zamân."

So erfährt Scharkân erstmals davon, dass er noch einen Bruder hat, der inzwischen sechs Jahre alt ist.

Das kam Scharkân hart an; doch er bewahrte seine innersten Gedanken.

In seiner Sorge geht er zu Abrîza, der vom König ein eigener Palast gewährt worden ist.

Die Lässigkeit, mit der die Bagdader Herrscher Paläste verschenken, lässt entweder auf eine unglaubliche Palastdichte in dieser Stadt oder auf eine hohe Fluktuation der Besitzer schließen.

Abrîza ist verärgert, dass der König die Juwelen nicht in seine Schatzkammer gelegt, sondern sie seinen Kindern geschenkt hat, sie erbittet von Scharkân die Rückgabe des Juwels, das in seinem Besitz ist. Sie beruhigt ihn, dass sie sich trotz der unübersehbaren Avancen des Königs diesem niemals hingeben wird, hat aber auch Sorge, dass ihr Vater, wenn er erfährt, dass sie in Bagdad ist, einen Krieg vom Zaun brechen könnte. Scharkân meint, sie dann zu beschützen. Sie essen gemeinsam.

Doch bald ging er voll Sorgen und Gram in sein eigenes Haus.

Der König Omar ibn en-Nu’mân indessen geht zu seiner Nebenfrau Sophia und schenkt deren Kinder die beiden Juwelen. Aber er fragt sie auch, warum sie ihm nie gesagt habe, die Tochter des Königs Afridûn zu sein.

"O König, was sollte ich mir denn Größeres oder Höheres wünschen, als diesen Rang, den ich bei dir einnehme?" (…) Ihre Antwort gefiel dem König, und als er sie verlassen hatte, da bestimmte er für sie und ihre Kinder einen wundeschönen Palast. Auch ernannte er Eunuchen und Diener für sie, und Rechtsgelehrte, Philosophen, Astrologen, Ärzte und Chirurgen, deren Obhut er sie anvertraute.

Ein eigener Chirurg – wer wünscht sich das nicht!

Doch den König zieht es zu Abrîza, die er in den nächsten Tagen immer wieder aufsucht, die aber höflich seine Avancen aufgibt. Der listige Wesir Dandân, bei dem sich König Omar ibn en-Nu’mân Rat holt, rät ihm, ihr vorm Schlafengehen ein Stück Bendsch in den Wein zu werfen.

"Dann gehe du ihr nach und bleibe bei ihr und stille dein Verlangen an ihr!"

Nachdem der Wesir schon den Rat zum Krieg gegeben hat, wird er jetzt von Nacht zu Nacht unsympathischer.

Omar ibn en-Nu’mân befolgt den Rat.

Wie der König sie so daliegen sah und zu ihren Häuptern eine brennende Kerze fand und zu ihren Füßen eine zweite, die da beleuchtete, was ihre Lenden umschlossen, da verließ ihn sein Verstand, Satan führte ihn in Versuchung, und er konnte sich nicht mehr beherrschen; sondern er zog das Kleid aus, fiel über sie her und nahm ihr die Mädchenschaft. Dann stand er auf, ging zu einer ihrer Frauen, Mardschâna mit Namen, und sagte: "Geh zu deiner Herrin, sie lässt dich rufen!" Die Sklavin lief hinein und fand ihre Herrin bewusstlos auf dem Rücken liegend, während ihr das Blut von den Beinen herabrann.

Als die Nacht verstrichen ist, niest Abrîza das Stück Bendsch wieder aus. (s. auch 40. Nacht )Sie sieht, was der König ihr angetan hat und zieht sich nun in ihre Gemächer zurück, wo sie in den nächsten Monaten einsam lebt, während des Königs Verlangen nach ihr erstirbt.
Sie ist aber schwanger geworden, und als sie fast so weit ist auszutragen, überkommt sie die Reue.

So sprach sie zu ihrer Dienerin Mardschâna: "Wisse nicht die Welt hat unrecht an mir gehandelt, sondern ich habe mich gegen die Welt versündigt, weil ich meinen Vater, meine Mutter und mein Land verlassen habe."

Was sagt da die moderne Psychologie dazu, wenn das Trauma in einen Schuldkomplex internalisiert wird?

"Gibt es Trost für den, der kein Land und keine Heimatstatt,
Keinen Freund und keinen Becher, ja auch kein Dach mehr hat?"

Dann machte Abrîza alles bereit, bewahrte ihr Geheimnis und wartete ei paar Tage, bis der König auf die Jagd auszog und sein Sohn Scharkân sich zu den Burgen begab.

Abgesehen davon, dass man sich fragt, warum Scharkân Abrîza in den letzten Monaten offenbar vernachlässigt hat: Von was für Burgen ist hier die Rede?

Mardschâna sucht einen Diener, der bestochen wird, um mitzukommen und die beiden Frauen auf der Reise zu beschützen –

einen schwarzen Sklaven namens el-Ghadbân.

Dieser willigt ein, aber spricht zu sich selbst:

"Ich werde schon meinen Willen an ihnen durchsetzen; und wenn sie mir nicht zu Willen sind, dann töte ich sie beide und nehme ihnen ihr Geld."

Es wäre ja auch zu schön, wenn einmal etwas Gutes von einem "Negersklaven" käme!

Die drei reiten los, aber schon nach drei Tagen wird Abrîza von den Schmerzen der Wehen überwältigt, dass sie absteigen und sich niederlegen muss.

Als aber el-Ghadbân sie auf dem Boden sah, da drang Satan in ihn ein, und er zog sein Schwert vor ihrem Antlitz und sagte: "O Herrin, gewähre mir deine Gunst." Doch als sie seine Worte hörte, da sah sie ihn an und sagte: "Es bliebe nur noch übrig, dass ich mich Negersklaven hingäbe, nachdem ich mich Königen und Helden verweigert habe!"

Wenn man mich fragt, wird die Story nun schon fast so komplex wie die Ilias – entführte Prinzessinnen (Sophia – die sogar Griechin ist!), ein eifersüchtiger Prinz (Scharkân), ein einfältiger, sich gehenlassender König (Omar), unheilstiftende Berater (Wesir Dandân und die alte Dhât ed-Dawâhi). Es riecht förmlich nach Schlacht.

37. Nacht

Scheich Ibrahim trinkt nun also mit dem Pärchen, und als ihnen der Alkohol schon völlig zu Kopf gestiegen ist, beginnen sie auch noch, sämtliche Lampen und Kerzen des Palastes anzuzünden.

Nun hatte Allah, der mächtig ist über alle Dinge, und der für jede Ursache eine Wirkung festsetzt, es so gefügt, dass der Kalif sich in ebendiesem Augenblick das Mondeslicht anschaute und durch eines der Fenster blickte, die nach der Seite des Tigris lagen.

Als er das Schloss hell erleuchtet erblickt, ruft er nach seinem Wesir Dscha’far, den er zusammenstaucht:

"Du Hund von einem Wesir, willst du mir diese Stadt Baghdad wegnehmen, ohne mir ein Wort davon zu sagen?" "Was mögen diese Worte bedeuten?", fragte Dscha’far; und der Kalif erwiderte: Wenn mir die Stadt Baghdad nicht genommen wäre, so wäre das Schloss der Bilder nicht erleuchtet…"

Ein Minister, der keine Ahnung hat, was in seinem Verantwortungsbereich geschieht, ist heutzutage bald ein Ex-Minister. Zu Haruns Zeiten bald ein toter Minister.

Und so legt er sich eine Ausrede zu: Der Scheich feiere das Beschneidungsfest seiner Söhne im Gartenpalast. Vor so viel Frömmigkeit hat auch der Kalif Ehrfurcht, und er beschließt, dem Scheich Gesellschaft zu leisten.
Dem Wesir Dscha’far geht nun die Muffe in der Frequenz des Mauseherzschlags, denn er und Masrûr der Eunuch müssen ihn – natürlich verkleidet – begleiten.
Vor dem Palast steht ein Walnussbaum, auf den der Kalif klettert, um das Fest zu beobachten, und er kommt gerade rechtzeitig, um den Scheich rezitieren zu hören:

Lass ihn kreisen, den Wein, in großen und kleinen Bechern,
Und nimm ihn aus der Hand des strahlenden Mondes, des Schenken!
Und trinke nie, ohne dass gesungen wird; denn ich schaute,
Wie selbst die Knechte pfeifen, wen sie ihre Pferde tränken.

Dass der Kalif, eine Beschneidungsfeier erwartend, ob des Trinkgelages irritiert ist, war zu erwarten. Aber er ist andererseits auch gebannt von der Schönheit des jungen Paares. Dscha’far schöpft ob dieses Vergnügens des Kalifen wieder Hoffnung für sein Leben, die der Kalif wieder zunichte macht, als das Mädchen zur Laute greift:

"Bei Allah", sagte der Kalif, "wenn dieses Mädchen schlecht singt, so lasse ich euch alle kreuzigen; doch wenn sie gut singt, werde ich ihnen verzeihen, und nur dich ans Kreuz schlagen lassen." Da rief Dscha’far: "Oh Allah, lass sie schlecht singen!" Der Kalif fragte: "Weshalb?" Und er antwortete: "Wenn du uns alle kreuzigen lässt, so leisten wir einander Gesellschaft." Da lachte der Kalif über seine Worte.

Kreuzigungen unter Harûn er-Raschîd?
Ich finde keinen Hinweis, der die bestätigt. Obwohl die Tötungsart im alten Persien entstanden und der Koran indirekt auf die Kreuzigung Jesu verweist, scheint es zur Zeit des Kalifats keine Kreuzigungen gegeben zu haben.

Dscha’far hat Glück: den Kalifen versöhnt der Galgenhumor des Ministers und der schöne Gesang des Mädchens. Währenddessen kommt ein Fischer des Wegs, der – obwohl es verboten ist – an dieser Stelle fischen will.

Da stand mit einem Male der Kalif allein dicht vor ihm. Jener erkannte ihn und rief: "He, Karîm!"

Eine höchst unwahrscheinliches Detail: Der historische Harûn er-Raschîd hat kaum je seinen Palast verlassen. Kaum vorstellbar, dass er einen solchen Fischer, dessen

Kittel aus grober Wolle, der an hunderten Stellen geflickt war und von geschwänzten Läusen wimmelte, und einen Turban, den er seit Jahren nicht mehr aufgewickelt,

persönlich kennt, und dann auch noch, um die Tarnung zu perfektionieren, seine Kleidung (von Seide ausAlexandrien und Baalbek) mit ihm tauscht.

Als Fischer verkleidet geht er nun ans Tor seines eigenen Palastes und bietet den Zechern Fische an. Nûr ed-Dîn bemängelt, dass sie noch nicht gebraten sind, und so geht der Kalif in die Hütte eines Gärtners und brät sie eigenhändig.
Dafür verwendete Zutaten: Salz, Safran, Thymian, Bananenblatt, Limonen, Fallobst, Zitronen.
Nûr ed-Dîn belohnt den verkleideten Kalifen mit drei Goldstücken, doch dieser bittet, Enîs el-Dschelîs noch einmal singen hören zu dürfen. Diese Bitte wird ihm gewährt. Der Kalif ist erfreut und Nûr ed-Dîn bietet ihm Enîs el-Dschelîs an:

"Sie ist ein Geschenk an dich."

Völlig unklar! Weshalb sollte Nûr ed-Dîn sie verschenken? Und sei es auch nur für eine Nacht! Und dann auch noch an einen verlausten Fischer!

Enîs el-Dschelîs singt abermals und diesmal ist von Trennungsschmerz im Lied die Rede. Der Kalif horcht auf und besteht darauf die ganze Story zu hören.

"O Fischer," fragte Nûr ed-Dîn, "willst du unsere Geschichte in Prosa hören oder in Versen?" Der Kalif antwortete darauf: "Prosa sind Worte nur, doch Verse sind eine Perlenschnur."

Nûr ed-Dîn das bisher längste Gedicht (32 Verse), das die bisherigen Geschehnisse zusammenfasst. Beispielvers:

Wie der Rufer auf dem Markte zum Verkaufe sie hielt feil,
Sieh, da bot ein alter Graukopf, der war schlecht und geil.

Etwas aus seiner Rolle als Fischer fallend bietet der Kalif Nûr ed-Dîn an:

"Wenn ich dir ein Schreiben an den Sultan Mohammed ibn Sulaimân ez-Zaini mitgebe, und wenn er es liest, so wird er dir keinerlei Leid antun."

34. Nacht

Das Aussehen des Barbiers verwundert nicht nur den König, sondern auch den Leser:

Er war ein uralter Mann von über neunzig Jahren, mit dunklem Gesicht, weißem Bart und weißen Brauen, mit kleinen Ohren und langer Nase und einem Gesicht von albernem und eingebildetem Ausdruck.

Der Barbier nimmt legt den Kopf des getöteten Buckligen in seinen Schoß und lacht:

"O größter König unserer Zeit, bei deiner Huld, in dem buckligen Flunkerer ist noch Leben."

Mit einer eisernen Zange entfernt er eine Fischgräte aus des Buckligen Hals und dieser erwacht schneewittchenmäßig.

Dann lachte der König von China bis er auf den Rücken fiel, und ebenso taten es die anderen alle.

Ansteckende Ohnmacht?

An alle Beteiligten werden Ehrengewänder verliehen, der Bucklige und der Barbier werden zu Tischgenossen des Königs gemacht.

Und sie lebten das schönste und fröhlichste Leben, bis der Vernichter der Freuden und Trenner der Freunde zu ihnen kam.

Ende der gesamten Geschichte

 

Die Geschichte von Nûr ed-Dîn ‘Alî und Enîs el-Dschelîs

In Basra lebt ein König namens Mohammed ibn Sulaimân ez-Zaini, der zwei Wesire hat:

  • den guten el-Fadl ibn Chakân

  • den bösen el-Mu’in ibn Sâwa

Der gute Wesir wird beauftragt, für 10.000 Dinare dem Sultan die schönste Sklavin zu kaufen. Und tatsächlich findet er auf dem Sklavenmarkt eine solche Maid:

die war von edlem Wuchs und von schwellender Brust; ihr Blick von dunkler Gewalt, rund ihrer Wange Gestalt; ihr Leib war schmal, schwer die Hüften zumal; sie trug ihr schönstes Gewand, und süßer als Honigwasser war ihrer Lippen Rand; ihre Gestalt war ebenmäßiger als die sich neigenden Zweige und ihre Rede zarter als der Zephir des Morgens.

Außerdem ist sie bewandert in

  • Kalligraphie

  • Grammatik

  • Semantik

  • Auslegung des Korans

  • Jura

  • Theologie

  • Medizin

  • Zeitrechnung

  • Spielen der Musikinstrumente

Unklare Wissenschaft: Zeitrechnung (Vielleicht ist ja Astronomie gemeint?)

Die 10.000 Dinare decken nicht einmal die Kosten für ihre Ernährung (bestehend hauptsächlich aus Küken und Wein) und die Ehrengewänder ihrer Lehrer. Aber der

Perser, von dem nur noch wenig übrig war, den die Zeit aufbewahrt und abgenutzt hatte so manches Jahr,

überlässt sie dem Wesir trotzdem für den genannten Preis.
Damit sich die Sklavin von der Reise erholt, bevor sie zum Sultan gebracht wird, gibt man ihr ein paar Tage Zeit im Palast des guten Wesirs. Dieser warnt die Sklavin aber vor seinem umtriebigen Sohn

"Der lässt keine Jungfrau im Stadtviertel ungeschoren."

Das Wort "Ungeschoren" hat in diesem Zusammenhang einen seltsamen Klang…

Doch kaum ist der Wesir aus dem Haus, entdeckt sein Sohn Nûr ed-Dîn ‘Alî die Sklavin Enîs el-Dschelîs, scheucht die kleinen Aufpasserinnen fort,

nahm ihre Beine und legte sie sich um den Leib, und sie wand ihre Arme um seinen Hals und empfing ihn mit Küssen und Seufzern und dem Spiel der Liebe. Und er sog an ihrer Zunge, und sie an seiner, und schließlich raubte er ihr die Mädchenschaft.

Natürlich tut sie das nur in dem Glauben, Nûr ed-Dîn ‘Alî sei derjenige, für den sie gekauft wurde. Der Wesir und seine Gattin sind bei er Nachricht aus dem Häuschen und der Wesir fürchtet um seinen Hals, da der Feind el-Mu’inibnSâwa  gewiss schon auf seine Chance lauert.

21. Nacht

Nur ed-Dîn erhob sich darauf und ging ein zu seinem Weibe, der Tochter des Wesirs.
Lassen wir nun den Nûr ed-Dîn und wenden uns seinem Bruder zu!

Unvermittelte erzählerische Ellipse: Schems ed-Dîn ist traurig über das Fortgehen seines Bruders. Aber auch er heiratet, nämlich die Tochter eines Kairoer Kaufmanns. Es kommt, wie es kommen muss (weil durch de Wette angekündigt): Gleiche Hochzeitsnacht, beide Frauen gebären in derselben Nacht, Schems bekommt einen Sohn, Nûr (nur, haha) eine Tochter.
Beide sind über die Maßen schön. Der alte Wesir von Basra stirbt, und Nûr ed-Dîn wird Wesir,

und übernahm die Pflichten seines Amtes und untersuchte die Angelegenheiten und Streitsachen der Untertanen, wie es die Gewohnheit der Wesire ist.

Ist damit angedeutet, dass der Minister auch Richter (Kadi) ist? Oder deutet "untersuchen" eher auf die Funktion eines Staatsanwalts oder eines Mediators?
Sein Amt bringt ihm auch Reichtum: Schiffe, schwarze und auch weiße Sklaven.
Sein Sohn Hasan wird gelehrt und man geht mit ihm diverse Mal den Koran durch. Aber auch seine Schönheit wächst. Wenn er zum Palast des Sultans geht, wartet das Volk auf der Straße, um seine Schönheit bei seiner Rückkehr zu erneut zu bewundern.
Auf seinem zu frühen Sterbebett eröffnet Nûr ed-Din (ja, ich war auch überrascht über sein frühzeitiges Abschmurgeln aus dieser Geschichte) seinem Sohn die eigene Herkunft per Urkunde, die dieser in einen Tarbusch steckt, der unter einem Turban verborgen bleibt. Zum Schluss gibt er ihm fünf Weisungen auf den Weg:

  1. Schließ dich niemandem zu eng an, so wirst du sicher sein vor seiner Arglist.

  2. Sei gegen niemanden hart, auf dass das Schicksal nicht hart gegen dich sei.

  3. Übe Schweigen und kümmere dich um deine eigenen Fehler eher als um die Fehler der anderen Menschen!

  4. Ich warne dich, Wein zu trinken!

  5. Erhalte deinen Besitz, und er wird dich erhalten! (…)
    Spare die Piaster,
    so hast du Pflaster!

Pflaster???
Ich muss gestehen, dass ich mich an keines dieser Gebote halte, und nur gegen das erste as Überzeugung verstoße.

Da Hasan die Trauerzeit für seinen Vater auf ungebührliche Weise überschreitet, will der Sultan ihn töten lassen. Doch ein ihm wohlgesonnener Mamluk warnt ihn, und Hasan flieht auf einen Friedhof, wo er einen Juden trifft,

der aussah, wie ein Geldwechsler.

Dieser kauf ihm die Waren eines noch erwarteten Schiffes ab.
Hasan legt sich schlafen, und hört über sich zwei rechtgläubige Dämonen seine Schönheit bestaunen. Er erfährt außerdem, dass seine Base, da sein Onkel sie dem Sultan nicht zur Frau geben wollte, mit einem buckligen Stallknecht vermählt werden soll.

 

20. Nacht

Die Voraussetzung für die Hinrichtung des Sklaven ist freilich, dass man ihn findet. Wird er nicht gefunden, muss der Wesir dran glauben. Die Lebensumstände von Ministern scheinen nicht immer beneidenswert gewesen zu sein. Andererseits dürfte es auch heutzutage nicht für jeden erträglich sein, auf der obersten Etage die Karten mitzumischen.
Der Wesir nimmt Abschied von seinen Kindern, am Ende von seiner jüngsten Tochter, die einen Apfel verspeist, von dem sich herausstellt, dass sie ihn vom Sklaven Raihân habe. Er gesteht, genau jener Sklave gewesen zu sein. Und der Wesir muss nicht lange überlegen, was zu tun ist, den ihm fällt noch das Gedicht ein, das ihm rät:

Wenn ein Unheil kommt durch einen Sklaven,
bringe ihn statt deiner ins Gericht.
Denn du wirst noch viele Diener finden,
Doch ein zweites Leben findst du nicht.

Als ich dieses Gedicht vor 20 Jahren das erste Mal in einem Auszug der 1001 Nächte las, verschlug es mir den Atem. Ich kann es seitdem auswendig, auch wenn ich die es einbettende Geschichte vergessen habe.

Der Kalif befiehlt, den Sklaven töten zu lassen, doch der Wesir Dscha’far erbittet, ihm das Leben zu schenken, wenn die Geschichte, die er gleich erzählen würde, noch wunderbarer sei als die soeben erlebte. Der Kalif willigt ein. Und so erfahren wir

Die Geschichte der Wesire Nûr ed-Dîn und Schems ed-Dîn

Der Wesir des Kairoer Sultans stirbt, und so werden seine überaus schönen Söhne – der junge Nûr ed-Dîn und der ältere Schems ed-Dîn – zu gleichen Teilen Wesir. Kurz vor der Abreise des Sultans mit dem älteren beginnen die beiden einen hypothetischen Streit: Wenn, so die Hypothese des Älteren Schems, beide gleichzeitig heiraten sollten und gleichzeitig Kinder bekämen – nämlich Schems eine Tochter und Nûr einen Sohn – dann mögen sie heiraten. Aber wie hoch wäre die Morgengabe, fragt Nûr, die Schems von seinem Sohn in diesem Falle verlange.

Dreitausend Dinare und drei Gärten und drei Ackergüter.

Wer wäre nicht erbost über ein solches Ansinnen. Die beiden trennen sich im Streit, und während Schems mit dem Sultan reist, verlässt Nûr ed-Dîn Kairo mit den Satteltaschen voller Geld auf einer Maultierstute.

Sie war ein stahlgraues Tier, ihren Rücken sah man, einer hohen Kuppel vergleichbar, sich emporrecken; ihr Sattel war aus Gold, ihre Steigbügel waren aus Indien gebracht, auf ihr lag eine Schabracke von persischer Pracht, und sie glich einer Braut geschmückt für die Hochzeitsnacht.

Letzteres erweist sich bestimmt als sinnvoll, denn die Nächte der Steppe sind oft einsam und lang.
Innerhalb von sieben Tagen erreicht er Basra (1.000 km!) , wo ein Wesir auf die Stute aufmerksam wird, mit Nûr ed-Dîn ins Gespräch kommt, ihn zu seinem Nachfolger erklärt und ihn mit seiner Tochter vermählt.