237. Nacht

Der Sultan lässt den Magier kommen und befiehlt ihm den Kopf abzuschlagen. Dieser bittet um einen kleinen Moment,

Dann senkte er das Haupt zu Boden, und als er es wieder erhob, sprach er das Glaubensbekenntnis und wurde Muslim als Schutzbefohlener des Sultans.

Sehr schwer verständlich. Der Rechtsbruch wird dadurch ungültig? Oder sind all die Verbrechen nur dem falschen Glauben zuzuschreiben? Was wird el-As’ad nun denken, der ja die ganze Zeit gefoltert wurde? War es tatsächlich Rechtspraxis, dass ein Verbrecher einfach sich durch das Glaubensbekenntnis der Vollstreckung entgehen konnte? Was bedeutete dann "Glauben" überhaupt?

Bahrâm bietet den Brüdern sogar an, sie auf ihrer Rückreise zu begleiten.

Man würde sicherlich Arges vermuten, aber Bahrâm ist ohne List. Das Glaubensbekenntnis wirkt offenbar Wunder.

"Ihr werdet doch schließlich mit den Euren vereinigt werden, wie auch Ni’ma und Nu’m vereinigt wurden."

Und so hören wir endlich mal wieder eine Geschichte in der Geschichte.

Die Geschichte von Ni’ma ibn er-Rabî und seiner Sklavin Nu’m

Ein Vornehmer in Kufa hat einen Sohn namens Ni’mat Allâh. Eines Tages kauft er eine Sklavin, die eine wunderschöne Tochter auf dem Arm trägt. Und diese Tochter nennen sie Nu’m. 237
Die beiden wachsen auf wie Bruder und Schwester und nennen einander auch so. Erst als die beiden zehn Jahre alt sind, klärt der Vater Ni’ma auf, Nu’m sei Ni’mas Sklavin. Da begehrt er, sie zu heiraten, was ihm gewährt wird.

Mit zehn Jahren!

Nu’ms Schönheit wird bekannt, und sie lernt Wissenschaften, Musikinstrumente und den Koran.
Der Statthalter in Kufa El-Haddschâdsch befiehlt einer alten Aufwärterin, Nu’m zu entführen, damit er sie dem Kalifen Abd el-Malik ibn Marwân als Geschenk schicken könne. 237a
Die Alte verkleidet sich als fromme Pilgerin und zieht los.

 

237 Ni’ma = Huld (Allahs), Nu’m – gleicher Wortstamm – Bedeutung = ??

237a Die beiden lebten um 700. In diese Zeit können wir also die Geschichte verorten.

236. Nacht – Lenin

Vitrine Gesamtausgaben

Dritte Reihe, elftes Buch von rechts

Lenin: Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück. Über die Krise in unserer Partei.

Erworben: 1990. Als ich mich im Jahr 1990 in Moskau aufhielt, war der Kurs des Rubels stark gefallen, und außerdem war in Deutschland Währungsreform. Die Lenin-Taschenbücher im Buchladen für Deutsche Literatur kosteten um die 80 Kopeken – ca. 5 Pfennig. Was hätte Lenin dazu gesagt?
Status: Zwangs- und auszugsweise bereits 1986 gelesen.
Erster Satz “Ist ein langwieriger, hartnäckiger, heißer Kampf im Gange, so kristallisieren sich nach Ablauf einer gewissen Zeit gewöhnlich die zentralen, grundlegenden Streitfragen heraus, von deren Lösung der endgültige Ausgang des Feldzugs abhängt und im Vergleich mit denen all die kleinen und geringfügigen Kampfmethoden in den Hintergrund treten.”
Kommentar: Lenin versuchte hier (1904) die Partei auf Linie zu bringen, d.h. streng zu hierarchisieren. Die üblichen Methoden: Abkanzeln, für doof verkaufen, Wahrheit pachten, drohen.

**

Nun traf es sich durch die Vorbestimmung des Schicksals, dass diese Stadt dieselbe war, in der er gefangen gewesen und sein Bruder el-Amdschad Wesir des Königs war.

Das Stadttor ist verschlossen, und so übernachtet er in einer Gruft auf dem Friedhof.
Inzwischen ist es Bahrâm gelungen, das Geschwader von Mardschâna

durch List und Zauberei

zu schlagen.

Die armen Kapitäne und Seeleute. Mardschâna hatte ihnen bekanntlich für diesen Fall den Tod angedroht.

Bahrâm geht auf demselben Friedhof spazieren, schaut in das betreffende Grab und findet natürlich el-As’ad, den er abermals entführt, in ein unterirdisches Verlies,

das zur Folterung der Muslime bestimmt war.

Seine Tochter Bustân soll ihn bis zum Abend zu Tode foltern. Aber sie verliebt sich in ihn, und er bekehrt sie ruckzuck zum Islam.

Der Feuerdienst aber sei schädlich und fromme nichts.

Sie pflegt ihn und bereitet ihm Hühnerbrühe.

Hühnerbrühe tauchte schon des öfteren hier als Heilmittel auf.

Bustân geht auf die Straße und hört dort einen Ausrufer des Ministers, der immer noch nach el-As’ad sucht. Sie berichtet diesem davon und er begibt sich zu el-Amdschad.
Sie umarmen sich und fallen in Ohnmacht.
Der Sultan lässt das Haus von Bahrâm plündern.

233. Nacht – Andersen

Vitrine Gesamtausgaben

Zweite Reihe, elftes Buch von rechts

Hans Christian Andersen Märchen. Zweiter Band

Erworben: ca. 1997
Status: Einiges gelesen.
Erster Satz "Seht!" (Erster Satz von "Die Schneekönigin!"
Kommentar: Andersen ist schon ein großer Romantiker. Und vieles von ihm liebe ich wirklich, besonders die Geschichte vom großen und dem kleinen Klaus, aber die Elendsstorys wie die vom einbeinigen Zinnsoldaten oder dem Mädchen mit den Schwefelhölzchen schrecken mich doch ab, eine Verklärung der Not. Mir fehlt der Zugang dazu, auch nervt das bisweilen onkelhafte Erzähler-Ich Andersens. Aber all das nehme ich ihm nicht krumm. Die Schneekönigin haut alles raus.

**

El-Amdschad wundert sich, dass der Hausherr Bahâdur nicht wiederkommt und geht in die Stadt, wo dieser gerade hingerichtet werden soll, und so gesteht er den Mord an der Dame. Er wird vor den König geführt, dem er seine Geschichte erzählt und der ihn zum Wesir ernennt.

Minister werden durch Geschichtenerzählen!

Der König lässt nun in der ganzen Stadt el-As’ad ausrufen. Ohne Erfolg

Dabei könnte man doch meinen, dass in einer "Magierstadt" auch der König ein solcher ist.

El-As’ad ward indessen von den Magiern Tag und Nacht, früh und spät gefoltert, bis das Magierfest herannahte.

Möglich, dass es sich hier um das Neujahrsfest zur Tag-und-Nacht-Gleiche am Frühlingsbeginn handelt.

230. Nacht

El-Amdschad erfährt, dass er sich in der Stadt der Magier befindet:

"Ihre Bewohner beten zum Feuer anstatt zum allmächtigen König."

Unklar, wer diese Auskunft erteilt, wenn doch alle Bewohner Magier sind. Erinnert an die lügenden Kreter.
Auch unklar: Ob es dieselbe Magier-Stadt ist, in der Kamar ez-Zamân als Gärtner arbeitete

Der Weg zur Ebenholzstadt, so erfährt er, ist

zu Land eine Reise von eine Jahr, zur See aber eine Fahrt von sechs Monaten.

Wieder diese seltsame Zeitverschiebung. Die Brüder waren doch lediglich ein paar Tage unterwegs.

El-Amdschad trifft auf einen muslimischen Schneider, der ihm anbietet, bei ihm zu wohnen.

Nun blieb der Prinz eine Reihe von Tagen bei ihm, während dieser ihn tröstete, ihm Mut zusprach und ihn im Schneiderhandwerk unterrichtete, bis er es gelernt hatte.

Dauert in Deutschland derzeit drei Jahre!

Eines Tages trifft er nach dem Bade

eine Frau von großer Schönheit und Zierlichkeit,

die ihn durch Verse anlockt. Er lockt sie zurück. Ebenfalls durch Verse, bis er schließlich zur Sache kommt:

"Willst du zu mir kommen, oder soll ich zu dir kommen?"

Diese Worte hörte ich 1992 zum ersten Mal.

Sie darauf:

"Die Männer haben den Vorrang vor den Frauen um dessen willen, was Allah den einen vor den anderen vorausgegeben hat."

228. Nacht

Es gibt doch eine schöne Übersetzung fürs englische "Wellness" – WOHLIGKEIT. Mein Wort des Jahres.

**

Auch in den folgenden Tagen wir El-As’ad im Keller der Zoroastrier gefoltert. Wanzen fallen über ihn her. Er lebt von Brot und Salzwasser. Bemerkenswert eines der Gedichte, die er rezitiert:

Mit deinen Sorgen quäle dich nie;
Vertrau dem Schicksal alle Müh!
Manch Ding schaut sich betrüblich an;
doch später hast du Freude dran.
Oft wird zur Weite, was bedrängt;
Oft wird die Weite eingeengt.
Denn Allah tut, was er nur will;
Und seinem Willen füg dich still!
Freu dich an Gutem, das du hast;
Vergiss dadurch vergangne Last.

Sorge ich nicht, lebe!-Haltung im Folterkeller. Hut ab!

227. Nacht – Schulen, Freddie Mercury

Billig scheint es, sich darüber zu echauffieren, was in Schulen unterrichtet wird. Müssen Schulen immer 100 Jahre hinterherhinken? Der Fokus auf die Naturwissenschaften (die mir selber immer viel Freude bereitet haben) scheint mir übertrieben im Vergleich zu den völlig unterbelichteten Wissenschaften des 20. Jahrhunderts. Wo lernen die Schüler Grundsätzliches über Recht, Wirtschaft, Psychologie, Soziologie. Dagegen bietet sich der Geschichtsunterricht immer schön für ideologische Streitereien an. Angeblich halten viele Schüler Willy Brandt für einen DDR-Politiker, also mehr Unterricht über jüngere deutsche Geschichte. Nationalsozialismus muss, so die Bildungspolitiker nach Nazi-Anschlägen, auch gelehrt werden. Aber wo lernen die Schüler, wie man einen Kredit aufnimmt oder ein kleines Unternehmen aufbaut? Wo lernen sie juristisches Denken, das über das Grundgesetz hinausgeht? Freilich sind die Wissenslücken, die in den Tests zutage treten erstaunlich, aber haben diese Lücken nicht mit der Unfähigkeit der Kinder, sich selbst Wissen zu erschließen zu tun?

**

Der Alte ist sehr freundlich und lädt el-As’ad zu einer Feier ein. Nach kurzem Zögern – sein Bruder wartet schließlich im Gebirge – willigt dieser ein. Der Alte führt ihn durch die Gassen der Stadt, in ein geräumiges Haus.

Darin befand sich eine Halle, in deren Mitte vierzig alte hochbetagte Männer saßen, im Kreise um ein brennendes Feuer aufgereiht; rings um das Feuer saßen sie auf den Knien, beteten es an und warfen sich vor ihm nieder. Wie el-As’ad das sah, erschrak er über sie.

Die armen Zoroastrier! Diese Religion, die von vielen durchaus als Vorläufer der großen monotheistischen Religionen angesehen wird, litt im frühislamischen Persien unter großen Vorbehalten. Natürlich wird nicht das Feuer "angebetet", es ist eher ein Symbol und wird als solches verehrt, so wie ja auch im Christentum nicht das Kreuz als solches angebetet wird. Heute ist die Religionsgruppe – vor allem durch ihre strikten endogamen Heiratsvorschriften vom Aussterben bedroht. Bekanntester Zoroastrier der letzten Jahre: Freddie Mercury.

Die schlimmsten Ängste gegenüber der fremden Religion werden war. El-As’ad wird von einem schwarzen Sklaven namens Ghadbân gefesselt.

Sein Ansehen war voll Graus, und seine Nase sah wie flachgedrückt aus.

Einen folternden schwarzen Sklaven dieses Namens haben wir bereits in der Geschichte von Omar ibn en’Nu’man erlebt.

In einem Keller wird er einer weiteren Sklavin übergeben, die ihn in der Nacht foltert.

Erinnert an Hinkebein aus Pulp Fiction.

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208. Nacht

Kamar ez-Zamân durchschreitet die Stadt vom Landtor bis zum Meerestor, ohne einem Bewohner zu begegnen. Schließlich gelangt er zu einem Garten, dessen Wächter ihn grüßt und eilig hereinbittet, damit er von den Bewohnern der Stadt keinen Schaden nehme, denn

"die Einwohner der Stadt sind alle Magier."

Kamar ez-Zamân berichtet dem Gärtner, was ihm geschehen ist. Und dieser antwortet:

"Wisse, mein Sohn, das Land der Muslime ist weit von hier entfernt. Zwischen ihm und uns liegt eine Reise von vier Monaten zur See, zu Lande aber dauert sie ein ganzes Jahr. Wir haben ein Schiff, das jedes Jahr in See sticht und mit Waren nach dem ersten muslimischen Lande fährt; von hier fährt es in das Meer der Ebenholzinseln und von dort nach den Chalidân-Inseln, über die der König Schehrimân herrscht."

Kamar ez-Zamân wird sich freuen, den Namen seines Vaters zu hören, allerdings deuten die extremen Zeitverschiebungen auf eine außerordentliche Phantasie des Gärtners oder hübsche Fähigkeiten der die Stadt bewohnenden Magiere 208.

Der Wächter des Gartens hat Mitleid mit dem Prinzen und gibt ihm einen Job als Gärtner,

und er [Kamar ez-Zamân] begann Lieder über seine Geliebte zu singen.

Elf Tage ist er gelaufen, bis er in diese Stadt kam, warum nicht elf Tage zurück? Ahnt er, dass Magie im Spiel ist? Allerdings können zehn straffe Märsche hintereinander gern zu 250 km ausarten, da verliert man leicht die Orientierung.

Prinzessin Budûr hingegen entdeckt den Verlust von Gatten und Stein:

"Wo ist mein Gemahl? Es ist, als hätte er den Stein genommen und wäre fortgegangen; aber er kennt doch das Geheimnis nicht, das er birgt."

Da nun der Vogel mit dem Stein auch verschwunden ist und wir bereits die mangelnde Bereitschaft der Tausendundeine-Nacht-Erzähler zum Wiedereinführen von Story-Elementen kennen, ist es fraglich, ob wir das Stein-Geheimnis je erfahren.

Budûr befürchtet, von den Dienern vergewaltigt zu werden, falls sie das Verschwinden ihres Gatten bekanntgibt,

"…darum muss ich eine List anwenden."

Ihre Ähnlichkeit mit ihrem Gatten ausnutzend verkleidet sie sich als Kamar ez-Zamân und kommandiert nun in dessen Rolle die Karawane. Sie gelangen bis vor die Tore einer Stadt, wo sie lagern. Man bringt in Erfahrung:

"Dies ist die Ebenholzstadt. Über sie herrscht König Armanûs, und er hat eine Tochter des Namens Hajât en-Nufûs".

Bedenkend, dass das Schiff der Magierstadt sowohl diese Ebenholzstadt als auch Chalidân anfährt, können wir gedanklich den Storyverlauf ein wenig vorwegnehmen.

 

208 Wir können davon ausgehen, dass hier persische zoroastrische Priester gemeint sind, deren Rituale den muslimischen Arabern als Zauberei galten.

17. Nacht

Die Geschichte der ältesten Dame

Die älteste Dame beginnt ihre Story mit der erstaunlichen Offenbarung

"Diese beiden schwarzen Hündinnen sind meine Schwestern."

Man beachte die Analogie zur Geschichte des zweiten Scheichs (2. Nacht). Auch ihre Schwestern zogen fort; allerdings waren es hier die Ehegatten, die die Dinare verprassten. Sie kehren verarmt zurück, werden von der Schwester gepflegt, und auch sie begehen diesen Fehler ein zweites Mal.
(Erstaunlich, dass Schehrezâd es wagt, schon nach zwei Wochen auf altes Storymaterial zurückzugreifen. Bei der Chaussee der Enthusiasten beträgt der zeitliche Anstandsabstand für die Widerholung alter Geschichten 12 Monate.)
Das Schiff gerät in Seenot,

da der Kapitän nicht auf den Weg geachtet hatte.

Man gelangt doch noch ans Festland – eine Stadt, die keiner kennt.

Und als ich zum Stadttor kam, sah ich dort Menschen mit Stöcken in den Händen. Wie ich aber näher hinzutrat, zeigte sich, dass sie durch Gottes Zorn zu Stein verwandelt waren. Auf den Basaren und im Palast – überall sind die Menschen zu Stein verwandelt. Eine dornröscheneske Starre.
Auf der Suche gerät die Dame in einen Raum, in dem Kerzen brennen, welche, so die Schlussfolgerung der Dame, ja jemand entzündet haben musste. Tatsächlich findet sie in einem Raum einen ins Gebet vertieften Knaben, der ihr alsbald seine Geschichte verrät: Sein Vater und seine Mutter (König und Königin) sowie

alles Volk dieser Stadt waren Magier, und sie beteten das Feuer an statt des Königs, dem alles untertan.

("Magier" steht hier nur für Perser, die den Lehren Zarathustras folgen. Also keine Zauberer, sondern Zoroastrier, die aber von den Moslems als Ungläubige verachtet wurden.)

Der Königssohn wird von einer Gouvernante heimlich im muslimischen Glauben aufgezogen. Allah verwandelt kurz nach dem Tod der Gouvernante alle Gottlosen zu Stein.
Unsere Dame tröstet ihn mit den merkwürdigen Worten:

"Wisse, dass die Dienerin, die vor dir steht, eine Herrin ihres Volkes ist und über Mannen, Eunuchen und Diener gebietet."

Davon, dass sie eine Herrin ihres Volkes ist, erfährt man hier zum ersten Mal. Oder genügt es, als Kaufmännin mit einem Schiff zu reisen, um als Herrin zu gelten?

Exkurs: Natürlich ist die korrekte weibliche Form von Kaufmann Kaufmännin. Dasselbe gilt für weitere Berufs- und Funktionsbezeichnungen, die mit "-mann" enden, wie auch in Seemann, Zimmermann, Hauptmann. Denn hier fungiert "mann" nicht geschlechtsbestimmend. Die Pluralform ist ja auch entsprechend: Kaufleute, Seeleute, Zimmmerleute und Hauptleute, und eben nicht Kaufmänner usw.

Die Dame überredet den Jungen, mit ihnen die Reise fortzusetzen.

7. Nacht – Nachtrag

Nachtrag zur siebten Nacht: Der aus der Wand tretende schwarze Sklave gleicht einem riesigen Felsen oder einem Überrest aus dem Stamme ‘Âd. Auf die Leibesgröße dieses altarabischen Stammes spielt die Sure 7,67 an.

Die 8. Nacht

In seiner Hast vernachlässigt der eifersüchtige Prinz die Schlagkraft des Schwertes und durchschneidet ihm nicht die beiden Schlagadern,

sondern nur die Haut und das Fleisch.

und reitet eilig zurück in den Palast. Seine Base kommt ebenfalls zurück und legt drei Trauerjahre ein, weil, so ihre nach dem Motto "je mehr je besser" vierfache Lüge, ihr die Mutter entschlafen, der Vater im Dschihad gefallen, der eine Bruder am Schlangenbiss gestorben, der zweite unglücklich hingefallen seien.
Seltsamerweise gestattet der Prinz nicht nur die Trauerzeit, sondern auch den Bau eines Mausoleums, in dem sie den um seine Luftröhre beraubten Sklaven mit Wein und Brühe pflegt und bejammert:

Besäß ich auch alle Güter der Welt und dazu der Perserkönige Reich:
Und könnte dein Antlitz nicht schaun – sie wären dem Flügel der Mücke mir gleich.

Nach Ablauf des dritten Jahres outet sich schließlich der Prinz als Verursacher des Luftröhrenschadens:

"Oh, du allergemeinste Dirne, du allerschmutzigste Buhlerin, Geliebte eines Negersklaven, die du dich weggeworfen hast! Jawohl, ich habe es getan!"

Kein Wunder, dass sie daraufhin ihre Hexenkräfte einsetzt, um a) seinen Unterleib zu versteinern und b) die Einwohner der Stadt in Fische zu verwandeln, wobei die Farben die "Zünfte" (= Religionen) repräsentieren: Muslime, Christen, Juden, Feueranbeter*. Seitdem peitscht die Hexe jeden Morgen ihren Cousin, um ihm anschließend ein härenes Gewand anzuziehen.
Der die Geschichte hörende König weiß Rat. Er tötet den Sklaven, wirft ihn in den Brunnen, zieht seine Kleider an und legt sich an seine Stelle. Als nun die Hexe ankommt,

dämpfte [er] die Stimme und verrenkte die Zunge und sprach in der Art der Neger.

Man stelle sich diesen geballten Rassismus in einer aktuellen Geschichten-Anthologie, etwa der Lesebühnen, vor.
In dieser Verstellung gelingt es ihm, sie zu überreden die Verwandlungen rückgängig zu machen.

*****

*Gemeint sind die Zoroastrier, die bis zur Invasion der Araber in Perien dominierende Religion. Die Bezeichnung "Feueranbeter" ist zumindest eine Vereinfachung, wenn nicht eine Herabwürdigung. Feuer ist – gemeinsam mit Erde, Wasser und Sonne(!) – eines der vier heiligen Elemente.