Der entsetzliche Barbier zwingt den nichtsahnenden Kadi, sein Haus zu öffnen und zu beweisen, dass er den Jüngling nicht geschlagen habe, und bringt ihn erst so in die Lage, sich verstecken zu müssen. Die Wahl fällt auf eine Kiste.

Als Kind ließ ich mich – quasi als Mutprobe – manchmal ins Klappbett meiner Eltern einsperren. Später tat ich das auch alleine, um zu testen, wie weit ich meine Klaustrophobie in Schach halten kann, und ich stellte mir vor, dass das Klappbett ein äußerst cleveres Versteck wäre, wenn mal die Einbrecher kämen (die in meiner Phantasie natürlich immer auch Mörder waren.

Der Schneider findet die Kiste,

hob sie sich auf den Kopf, da verlor ich fast die Besinnung. Dann rannte er spornstreichs davon. Weil ich nun wusste, dass er nicht von mir lassen würde, fasste ich mir ein Herz und sprang hinaus auf die Erde. Dabei brach ich mir ein Bein.

Um das Volk abzulenken wirft er Gold unters Volk, dass er für alle Fälle immer im Ärmel trägt. Dann versteckt er sich, macht sein Testament und flieht aus der Stadt. Nun trifft er seinen Unglücksbringer wieder.

***

Der Barbier verteidigt sich vor den Anwesenden, nur seine Schweigsamkeit habe dem Jüngling das Leben gerettet. Er beginnt

Die Geschichte des Barbiers

Ich lebte in Baghdad zur Zeit des damaligen Kalifen al-Mustansir-billah, des Sohnes von al-Mustadî-billâh.31

Dieser Kalif machte Jagd auf Wegelagerer, der Präfekt fängt die Bande und bringt sie auf ein Boot. Der Barbier hält das Ganze für eine lustige Ausflugsgesellschaft und wird gleich mit in Ketten gelegt. Da er jedoch Schweigen für eine Tugend hält, sagt er nichts dazu. Selbst als man den Räubern einen nach dem anderen den Kopf von den Schultern trennt, hält er den Mund, und es ist nur dem Henker zu verdanken, der die Räuber durchgezählt hat, dass er beim Köpfen des Barbiers zögert. Als er sich vor dem Kalifen für sein Schweigen rechtfertigt, amüsiert das den Beherrscher der Gläubigen und er lässt sich vom Barbier die Geschichten seiner Brüder erzählen.

Des Barbiers Erzählung von seinem ersten Bruder

Zur Orientierung

Schehrezâd
    –> Die Geschichte des Buckligen
                  –> Die Geschichte des Schneiders
                             –> Die Geschichte des Barbiers
                                          –> Des Barbiers Erzählung von seinem ersten Bruder

Der erste Bruder des Barbiers – ein Buckliger – ist ein Schneider. Eines Tages kommt eine schöne Dame an seinem Laden vorbei und lässt ihn ein Hemd schneidern. In den folgenden Tagen flirtet sie weiter mit ihm und lässt ihn auch Hosen schneidern. Als er das Gewünschte zum Gatten der Dame bringt, wirft sie ihm Blicke zu, kein Geld anzunehmen. Das Ganze ist aber eine zwischen Herrn und Dame abgekartete Sache, man hält den Schneider zum Besten, lässt ihn für umsonst Kleider nähen, immer in der Hoffnung auf ein Stelldichein mit der Dame. Ohne Geld verkommt er allerdings immer mehr. Um die Sache noch zu verschärfen, vermählt man ihn, der schon nichts mehr merkt, mit einer Sklavin. Während er auf die Vereinigung mit seiner neuen Frau in einer Mühle wartet, spannt ihn der Müller statt des Ochsen an. Zerschunden tritt er wieder vor das heimtückische Paar, die ihn verspotten:

"Allah gewähre dir ein langes Leben! Dein Antlitz sagt mir, du hast die Nacht vom Abend bis zum Morgen in Wonne und Scherzen und Kosen verbracht."

Der Schneider müsste nun, so meint man belehrt sein, doch gelingt es der Dame noch einmal, ihn zu betören. Sie bittet ihn es Nachts zu ihn, doch der Gatte "überrascht" den Schneider,

führte ihn vor den Präfekten, der ihn peitschen und auf ein Kamel setzen ließ, auf dem er durch die ganze Straße geführt wurde, während die Leute ausriefen: "Dies ist die Strafe für den, der in den Harem ehrenwerter Männer eindringt!"

***

Der Kalif will den Schweiger für diese Geschichte beschenken:

"Ich will nichts von dir nehmen, es sei denn dass ich dir zuvor erzähle, was meinen Brüdern widerfahren ist; doch glaube nicht, ich sei ein Mann vieler Worte!"

 

Des Barbiers Erzählung von seinem zweiten Bruder

Der zweite Bruder heißt Plapperer und ist gelähmt. Eines Tages spricht ihn ein altes Weib auf der Straße an, das ihm anbietet, ihn in einen Garten mit Früchten, Wasser und Mädchen zu führen. Er willigt ein, und so geschieht es auch, dass er sich einer Dame, die von Sklavinnen umringt ist, gegenüber wiederfindet. Die Mädchen lachen ausgelassen, und der Bruder bemerkt nicht, dass er es ist, über den gelacht wird. Nachdem sie ihn so eine Weile geneckt haben, ist er mit der Dame allein, die ihn bittet, sich die Augenbrauen zu färben, den Schnurrbart auszuzupfen, den Bart glatt zu rasieren und die Wangen rot zu bemalen.

Wenn man in bestimmte sexuelle Praktiken nicht eingeweiht ist, nimmt man ja erst mal so einiges ohne zu fragen hin, wenn der Lohn schon zu riechen ist.

Sie beginnt eine neckische Kissenschlacht. Und die Alte, die merkwürdigerweise immer noch da ist, muntert ihn auf:

"Sie pflegt sich im Rausche erst dann einem Manne zu ergeben, wenn sie ihre Kleider und Hosen abgelegt hat und splitternackt ist; sie wird dir befehlen, dass auch du deine Kleider ablegst und laufest, während sie vor dir herläuft, als ob sie vor dir fliehen wolle; du aber folge ihr von Ort zu Ort, bis deine Rute steht; dann wird sie sich dir ergeben."

 

 

31 Ein doppelter Widerspruch:
1. Dieser Kalif war nicht der Sohn, sondern der Urenkel von al-Mustadî-billâh.
2. Widerspruch zur Geschichte des Verwalters, die zur Zeit des Kalifen Harun er-Raschîd (768-809) spielt, während al-Mustansir-billâh 1036-1094 regierte.

31. Nacht
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