Deliberately bad

In order to play improvisational theater, we need the courage to portray scenes and characters with rough strokes. The sometimes subliminal, sometimes explicit promise “we play everything” puts the bar enormously high. We play the security adviser of an American president, we improvise a Palestrina-like madrigal or a satire on gender relations, we create a two-hour four-act situated in Poland in the 1920s, we tell Kyrgyz tales and dance improvising in the style of Pina Bausch. These presumptions can be met only with courage and assertion. Of course we will fail again and again, but the audience loves our courage to accept this failure.
It becomes problematic if we take the laughter of the audience as a yardstick for our game. The audience laughs equally about the courage of the failing as well as about the successful comedy of the scene. The laugh about failure is faster to achieve, simply by playing cheap. The courage to accept the rough strokes, the unfinished character is then transformed into farce, into deliberately bad acting.
We deliberately play badly when we
– choose deliberately stupid characters,
– overact emotions and reactions,
– consciously sing or dance badly,
– sacrifice stories and scenes for a gag,
– serve the cliché instead of exploring the specific.
The courage to accept your own limitations and still improvise does not mean that we have to hide our physical, intellectual and artistic abilities in order to be good improvisers.
Improvisers who take the path of deliberately bad play are not particularly brave, but choose the path of the quick laughter for fear of actually daring and then actually being confronted with the limits of their own ability and true failure. They deliberately play badly because they shy away from the unknown because they are afraid of improvisation.

Absichtlich schlecht spielen

Wir brauchen, um Improtheater zu spielen, den Mut, Szenen und Charaktere mit teilweise groben Strichen darzustellen. Das manchmal unterschwellige, manchmal aber auch explizite Versprechen „Wir spielen alles“ legt die Latte enorm hoch:. Wir spielen den Sicherheitsberater eines amerikanischen Präsidenten, wir improvisieren ein Palestrina-artiges Madrigal oder eine Satire auf Geschlechterbeziehungen, wir erschaffen einen zweistündigen Vierakter, der im Polen der 1920er Jahre spielt, wir erzählen kirgisische Märchen und tanzen improvisierend im Stil von Pina Bausch. Diese Anmaßungen lassen sich nur mit Mut und Behauptung einigermaßen erfüllen. Natürlich werden wir auch immer wieder mal scheitern, aber das Publikum liebt unseren Mut, dieses Scheitern in Kauf zu nehmen.
Problematisch wird es dann, wenn wir das Lachen des Publikums als Messlatte für unser Spiel nehmen. Das Publikum lacht gleichermaßen über den Mut des Scheiternden als auch über die gelungene Komik der Szene. Das Lachen übers Scheitern ist aber schneller zu erzielen, nämlich einfach indem wir billig spielen. Der Mut, auch das Grobe, Unfertige hinzunehmen, wird dann umgewandelt ins klamottenhafte Gagging, ins absichtlich schlechte Spielen.
Wir spielen absichtlich schlecht, wenn wir

  • Figuren bewusst dumm anlegen,
  • Emotionen und Reaktionen überzeichnen,
  • bewusst schlecht singen oder tanzen,
  • Storys und Szenen für einen Gag opfern,
  • das Klischee bedienen, statt das Spezifische zu erkunden

Der Mut, die eigenen Beschränkungen zu akzeptieren und dennoch zu improvisieren, bedeutet nicht, dass wir unsere körperlichen, intellektuellen und künstlerischen Fähigkeiten verbergen müssen, um gute Improvisierer zu sein.
Improvisierer, die den Weg des absichtlich schlechten Spiels gehen, sind nicht etwa besonders mutig, sondern sie wählen den Weg des schnellsten Lachers aus Angst davor, tatsächlich etwas zu wagen und dann womöglich tatsächlich mit den Grenzen der eigenen Fähigkeit und dem echten Scheitern konfrontiert zu werden. Sie spielen bewusst schlecht, weil sie das Unbekannte scheuen, weil sie Angst vorm Improvisieren haben.

th.akt.il – Ilka Puschke & Thorsten Less

Zwei Impro-Spieler betreten die Bühne, freundlich, fast unterspannt. Kurz stellen sie sich vor und kündigen an, nichts vorbereitet oder verabredet zu haben, sondern nur sich gegenseitig überraschen zu wollen. Was folgt, ist eine der besten Impro-Shows, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Ich spreche nicht von TJ & Dave. Ich spreche von Ilka & Thorsten, die sich als Duo „th.akt.il“ aus der Berliner Senkrechtstarter-Gruppe „Raketos“ für ein paar Show zusammengetan haben.
Was bei diesen beiden so ungeheuer beeindruckt, ist die Liebe zu jeder Szene und das absolute Vertrauen ineinander. Am 26. März 2018 spielten sie ungefähr neun Szenen unterschiedlicher Länge und bedienten dabei (absichtlich? unabsichtlich? intuitiv?) alle Emotionen und die volle Bandbreite theatraler Ausdruckskraft. Wir sahen berührende Momente zwischen einem alten Paar, schreiend ulkige Körperkomik, geniale Pantomime, eine ins Trashige lappende Parodie. Und niemals wurde auch nur ein Moment geopfert für die Anbiederung ans Publikum oder für den schnellen Gag.
Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so viel in einer Impro-Show gelacht habe. Die beiden haben neben allem schauspielerischen, erzählerischen und improvisatorischen Talent auch ein untrügliches Gespür fürs Komische: Charakterkomik, Slapstick, Impro-Komik, witzige Situationen, physische Narrheit.
Neue Impro-Gruppen suchen oft nach neuen Formaten, neuen Genres usw. Sie sollten nach neuen Möglichkeiten der Freiheit suchen, so wie Ilka Puschke und Thorsten Less.

Künstlerische Kompromisse

Zu künstlerischen Kompromissen gibt es eine einfache Faustregel: Macht keine!
Das gilt nicht nur für die „hohe Kunst“, sondern genauso für einfache Comedy. Ein Game wird erst interessant, wenn es voll ausgereizt wird, unabhängig davon, ob wir es mit einem klassischen Impro-Game zu tun haben oder ob es ein Game ist, das inhaltlich ausgereizt wird.
Wenn wir zum Beispiel ein Impro-Spiel aufführen, das seine Komik aus wechselnden Emotionen zieht (etwa Schizo-Games oder Emotions-Felder), dann ist das Spiel nur halb gespielt, wenn wir die Emotionen nur andeuten oder sie vermischen. Hier gilt es, alles, was man hat, in die Waagschale zu werfen. Bei „gefundenen“ Games, die sich eher auf den Inhalt beziehen, ist es das Gleiche:

Gute Beispiele dafür finden sich beim Comedy-Duo Key und Peele, die immer wieder absurde Phänomene aus dem Alltag aufgreifen und dies in aller Konsequenz fortsetzen. So nahmen sie etwa das seltsame Phänomen auf, dass es in den 10er Jahren plötzlich modern wurde, die Etikettenaufkleber auf den Basecaps kleben zu lassen. Es beginnt ein Überbietungsspiel: Bei der zweiten Begegnung trägt einer gleich die Einkaufstüte mit auf dem Kopf. Und beim nächsten Mal hat einer den Verkaufsständer unterm Kinn festgeschnallt, nicht damit rechnend, dass sein Kontrahent eine Produktionsbank mit Näherin und Nähmaschine mit sich herumschleppt.

Die Kompromisslosigkeit betrifft nicht nur die Form, sondern auch den Inhalt selbst. Wenn ihr euch zum Beispiel einem politischen Thema nähert, weicht nicht davor zurück, es zu Ende zu denken, nur weil ihr befürchtet, jemanden damit vor den Kopf zu stoßen.

Im Moment mit Jacob Banigan

In der Solo-Improvisation zeigt sich, wie sehr du wirklich im Moment der Szene bist. Da man alle Figuren selber spielt, kann man sich nur dann selber überraschen, wenn man nicht nur nicht vorausdenkt, sondern das Vorausdenken auch abzuschalten vermag. Wer schon mal selber gegen sich Schach gespielt hat, weiß, wovon ich rede.
Ich kann zwar nicht in Jacob Banigans Kopf schauen, aber ich denke, dass ihm dieses absolute Im-Moment-Sein in seinem Solo-Impro-Format “Game of Death” auf beeindruckende Weise gelingt. Jeder Spielzug steht für sich und ist auf seine Weise gut. Nichts wird überstürzt, nichts ist lahm. Alles hat seinen Ort und seine Zeit. Die Übergänge von einer zur anderen Figur wirken geschmeidig, jede Figur ist von den anderen abgegrenzt.
Es gelingt ihm, die Figuren untereinander Gespräche führen zu lassen und sich von dem, was sie sagen, selbst überraschen zu lassen.

Diese geniale Impro-Szene entstand 2013 beim Berliner Impro-Festival. 

Komik vs. Gagging

Ein weitverbreitetes Missverständnis zum Thema Gagging besteht darin, dass Improspieler glauben, Gagging bezeichne überhaupt jede Art von Komik im Improtheater und das Gebot, Gagging in der Szene zu unterlassen, beträfe gewissermaßen eine übermäßige Häufung an Comedy.
Gemeint ist aber etwas völlig anderes: Gagging bezeichnet den schnellen Gag auf Kosten der Szene. Eine urkomische Szene kann also durch einen Gag ruiniert werden. Das mag zunächst paradox erscheinen. Aber das Ganze erklärt sich, wenn wir uns anschauen, was eine Szene komisch (oder auch berührend, tragisch usw.) macht: Es ist das Game der Szene. Nehmen wir den Film „Der verrückte Klaviertransport“ mit Stan Laurel und Oliver Hardy. Für sich genommen könnte man den Film als eine Aneinanderreihung von Slapstick-Gags betrachten. Aber im Grunde ist diese Komödie ein einziges sehr organisches Game. Die Komik entsteht aus der konsequenten Entwicklung der Prämisse: Ein hoch empfindliches und teures Klavier wird von den zwei Typen angeliefert, die man nie auch nur in der Nähe des Instruments sehen möchte – Laurel und Hardy. Jede komische Handlung, jeder Gag hat seinen Ursprung in dieser Ausgangssituation und ist dramatisch eingebaut in die jeweilige Situation. Jedes kleine Missgeschick entfaltet seine Wirkung später umso mehr. Jede Katastrophe entfaltet sich in Dutzende kleinere Mini-Malheure. Von Charlie Chaplin weiß man, dass er ungeheuer komische Sequenzen aus seinen Filmen herausschnitt, weil sie am Ende nicht zum Gesamtrhythmus passten.
Gagging ist im Grunde ein egoistisches Verhalten: Man platziert einen Gag, um einen Lacher zu bekommen, aber der Gag hat nichts mit dem bereits Etablierten zu tun; vielmehr raubt er der Szene den Schwung. Im erwähnten Laurel-und-Hardy-Film verlieren wir nie unser Interesse daran, ob es den beiden nicht doch noch gelingt, das Klavier unversehrt auszuliefern.
Gagging-Gags wirken oft ausgedacht. Der Lacher hat nichts mit der Ausgangssituation oder dem Verhalten des Characters zu tun. Gagging ist insofern eng verwandt mit „Originell sein“. Wenn wir im Game der Szene und in der Logik der Charaktere bleiben, dann müssen wir uns keine Gedanken darüber machen, ob die Szene lustig genug ist, wir brauchen keine Witze „einzubauen“. Denn nachhaltige Komik entsteht nicht aus der Aneinanderreihung von Scherzen, sondern aus der ins Extreme getriebenen konsequenten Entfaltung einer Ausgangssitutaion.

Ricky Gervais on Comedy

“The least funny thing is someone desperately trying to be funny. Is there anything less funny than a clown?”(12:50)
“Comedy is about empathy. (…) It’s about relationship, and it’s about being precarious. And I think you’ve got to like someone to laugh at them. And Laurel and Hardy nailed that.”(12:00)
“I don’t try to please critics. I don’t even try to please broad audiences. I do things for me and likeminded people.”

Karl Valentin und Status-Relativierung

Ein schönes Beispiel für Status-Relativierung gibt Karl Valentin in seinem (stummen) Langfilm “Der Sonderling“. Valentin spielt einen arbeitslosen Schneider, der sich in einer der ersten Szenen des Film, bei der Post bewirbt. Ein überaus dicker, herrischer, Hochstatus Postdirektor tritt an ihn heran und führt mit ihm im Stehen eine Art Bewerbungsgespräch. Valentin als klassischer Tiefstatus senkt den Blick, verneint oder bejaht mit hektischen Gesten und sendet Kontrollblicke Richtung Direktor. Dabei fällt ihm dessen schiefe Weste ins Auge. Da er diesen Anblick als Schneider nicht ertragen kann, greift er flugs zu und zerrt sie dem Direktor gerade, nur um nach dieser Übergriffigkeit sofort wieder in unterwürfigen Tiefstatus zu fallen und die Empörung des Direktors über sich ergehen zu lassen. Jedoch: Dessen Weste verrutscht wieder, und Valentins Schneiderseele ist so gequält, dass er erneut zugreift, wie ein hungriges Hündchen sich trotz Zurechtweisung wieder einen Happen stehlen muss. Den anderen derart zu berühren, ist natürlich eine Hochstatus-Geste, die sämtliche zuvor etablierten Tiefstatus-Gesten relativiert, aber erst sie machen die Szene komisch und menschlich.

Ricky Gervais – Jokes, taboos and the right not to be offended. (Witze, Tabus und Beleidigt sein)

“No-one has the right not to be offended. And don’t forget, just because you’re offended, it doesn’t mean you’re in the right. (…) There’s nothing you shouldn’t joke about. It depends what the joke is. Comedy comes from a good or a bad place. (…) When you see my stand-up, on the face of it I’m looking at taboo subjects. But they’re to get me into a position. They’re to get the audience to a place they haven’t been before. I think a comedian’s job isn’t just to make people laugh. I think, it’s to make people think.”

“Niemand hat das Recht, nicht beleidigt zu werden. Und Sie dürfen nicht vergessen: Nur weil man beleidigt ist, heißt das nicht, dass man Recht hat. (…) Es gibt nichts, worüber man keine Witze machen darf. Es kommt darauf an, was es für ein Witz ist. Comedy kommt aus einer guten oder einer schlechten Ecke. Meine kommt aus einer guten Ecke. Oberflächlich gesehen betrachte ich in meinen Stand-Ups Tabu-Themen. Aber die sind nur dafür da, um mich in eine bestimmte Position zu bringen. Sie sind dafür da, um das Publikum dorthin zu bringen, wo es noch nie war. Ich glaube, die Aufgabe eines Komikers besteht nicht nur darin, die Leute zum Lachen zu bringen, sondern sie zum Denken zu bringen.”

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Laurel, Hardy und meine Kollegen

Gab es eigentlich schon mal Improspieler, die systematisch den Stil von Laurel und Hardy zu erfassen versucht haben?
Am letzten Freitag ist mir das spontan gelungen. Aus einer lang angelegten Story, die eigentlich voller Szenenwechsel sein sollte, entstand eine 20minütige Slowburn-Szene mit meinem genialen Kollegen Paul Moragiannis.
Applaus verdient aber auch Janine Tuma, die die Szenen mit kleinen Nebenfiguren unterstützte, uns sozusagen Futter gab, und nicht etwa die “Story vorantrieb”.

Lach-Forschung: Groteseke, Pointen, Helge Schneider, Monty Python und Mario Barth

Rainer Stollmann im Interview bei Radio Eins:
“Mittermeier ist ja eine Pointenkanone. Und Helge Schneider verwendet keine einzige Pointe, d.h. er macht überhaupt keine Witze, sondern Helge Schneider ist grotesk. (…) Und im Grunde ist das Groteske das Lachen des Mittelalters. (…) Da gibt’s allerdings mehrere, also Monty Python wären da zu nennen, die auch sehr grotesk sind (…) Es gibt ein Nord-Südgefälle des Temperaments, insofern gibt es ein Gefälle des Lachens. Aber bei den Engländern ist es eine Frage der Geschichte. Den Engländern ist es gelungen, den städtischen Witz und die bäuerliche Groteske zu verbinden, das sieht man an Monty Python. Die Verbindung des Gentleman-Humors mit dem Bäuerlichen.”
(“Was ist denn die lustigste Nation der Welt?”)
“Die Ägypter gelten als die Engländer im arabischen Raum. Wenn ich das wirklich ernstnehmen müsste, würde ich aber sagen: Wahrscheinlich sind’s die Afrikaner. (…) Eine Frau stampft zwei Stunden das Essen mit dem Stampfer, das Ding fällt um, es kommt ein Hund und trägt es weg; die Frau lacht. Das ist ein anderes Verhältnis zur Arbeit und zum Leben. (…) [Als Lachforscher] glaube ich zu bemerken, dass ich die Kritikfähigkeit am Lachen verliere, merkwürdigerweise. Schauen Sie mal, der Mario Barth zum Beispiel, der ja mit seinem Humor Arenen füllt, aber von der Intelligenzija kritisiert wird, mir gelingt’s inzwischen, auch über den zu lachen. (…) Man kann an ihm Sachen entdecken, die doch interessant sind. Er steht zum Beispiel auf der Bühne und guckt immer so hinter sich, als ob er Nackenschläge kriegt. Das ist eigentlich eine merkwürdige Geste, die passt eigentlich zu seinem Publikum, die müssen auch immer aufpassen in ihrem Leben, dass sie mit ihren Nackenschlägen fertigwerden, und insofern hat der Humor ne Funktion.”
Download des Interviews

Hitchcock 5

Aus Truffaut: “Wie haben Sie das gemacht, Mr. Hitchcock”
H: (Über “The Secret Agent): Der Held soll einen Menschen töten, und er will das nicht. Das ist ein negatives Ziel, und das Ergebnis ist ein Abenteuerfilm, der nicht vorankommt, der leerläuft.
(…) In gewissen Fällen ist ein Happy End nicht notwendig. Wenn Sie das Publikum gut in der Hand haben, folgt es Ihrer Argumentation und akzeptiert auch einen unglücklichen Schluss. Vorausgesetzt, es hat im Verlauf des Films genug befriedigende Elemente gegeben.

(…)
H: Man muss versuchen alle lokalen Gegebenheiten in das Drama einzubauen. Die Seen müssen dasein, damit Leute darin ertränkt werden, und die Alpen, damit sie in Schluchten stürzen.
T: Das ist etwas, das ich sehr mag in Ihren Filmen. Auch der Beruf der Leute ist von dramaturgischer Bedeutung. In The Man Who Knew Too Much ist James Stewart Arzt, und den ganzen Film hindurch verhält er sich auch als Arzt.

(…)
T: Man könnte sich fragen, ob nicht die Begriffe Kino und England eigentlich unvereinbar sind. Das ist sicher übertrieben, aber ich denke an nationale Eigenheiten, die mir als filmfeindlich erscheinen, zum Beispiel das friedliche englische Leben, die solide Routine, die englische Landschaft und sogar das englische Klima. Der berühmte englische Humor, der soviele charmante Mordkomödien hervorgebracht hat, verhindert oft die wirkliche Emotion.
(…)
H: Die in England vorherrschende Haltung ist eine Inselhaltung. Sobald man England verlässt, findet man eine viel universellere Vorstellung von der Welt. (…)
Der englische Humor ist sehr oberflächlich und hat enge Grenzen (!!!).

Chris Bliss: Comedy is translation

  • Gute Comedy gründet sich auf die Wirklichkeit und gibt uns eine neue Perspektive.
  • Bestes Beispiel für wirklichkeitsbasierte Comedy ist Tina Feys Parodie von Sarah Palin, bei der sie nichts tat, als deren Sätze zu wiederholen.
  • Zuschauer der Daily Show von John Stewart sind besser informiert als Zuschauer aller Nachrichtenkanäle.
  • Comedy, die funktioniert, ist im Grunde ein verbaler Trick, der uns auf die eine Seite lenkt und uns woanders herauskommen lässt.
  • Der physische Effekt sind Lachen und Ausschüttung von Endorphinen, das wiederum unsere Verteidigungsmauern einreißt (im Gegensatz zu Adrenalin, das bei Angst, Wut, Panik ausgeschüttet wird). Dadurch wiederum sind wir offen für neue Sichtweisen auf die Wirklichkeit.

Hitchcock 3

Aus Truffaut: “Wie haben Sie das gemacht, Mr. Hitchcock”
H: Man redet oft über die Regisseure in Hollywood, die literarische Meisterwerke verunstalten. Ich habe nicht die Absicht, je so etwas zu tun. Ich lese eine Geschichte nur einmal. Wenn mir die Grundidee zusagt, übernehme ich sie. Ich vergesse das Buch vollkommen und mache Kino. Ich wäre völlig außerstande, Ihnen die Geschichte von The Birds von Daphne du Maurier zu erzählen. (…) Was ich nicht verstehe, ist, dass jemand sich eines Werkes total bemächtigt, eines guten Romans, an dem ein Autor drei oder vier Jahre geschrieben hat und in dem sein ganzes Leben steckt. Man fummelt daran herum, verschreibt sich ein paar erstklassige Techniker und schon ist man Kandidat für einen Oscar.
(…)
H: Die Zeit zusammenzuziehen oder zu dehnen, ist das nicht die Aufgabe jedes Regisseurs?
(…)
Über den Unterschied zwischen Suspense und Surprise.
H: Wir reden miteinander, vielleicht ist eine Bombe unter dem Tisch (…) und plötzlich, bumm, eine Explosion. Das Publikum ist überrascht, aber die Szene davor war ganz gewöhnlich, ganz uninteressant.
Schauen wir uns jetzt den Suspense an. Die Bombe ist unterm Tisch und das Publikum weiß es. (…) Dieselbe unverfängliche Unterhaltung wird plötzlich interessant, weil das Publikum an der Szene teilnimmt. Es möchte den Leuten auf der Leinwand zurufen: Reden Sie nicht über so banale Dinge, unter den Tisch ist eine Bombe. (…)
(Eigentlich der älteste Theatertrick der Welt. Kasperle legt sich schlafen und bittet die Kinder, ihn zu wecken, wenn das Krokodil kommt. Folgerichtig schreien sich die Kinder die Lungen aus dem Hals…)

(über Improvisation!!)
H: Was den Direktton betrifft, habe ich da einige Erfahrungen mit dem Improvisieren gemacht. Ich habe den Schauspielern den Inhalt der Szene erklärt und ihnen vorgeschlagen, den Dialog selbst zu erfinden. Das Resultat war nicht gut. Zu viele Pausen. Sie hingen zu sehr an dem, was sie sagen sollten. Die Spontaneität, auf die ich gehofft hatte, stellte sich nicht ein. Das Timing stimmte nicht mehr. Das Ganze hatte keinen Rhythmus.

T: Ich finde, dass die europäischen Regisseure dem amerikanischen Kino etwas gegeben haben, das nicht von Hollywoodregisseuren kommen konnte, einen kritischen Blick auf Amerika. Das macht ihre Arbeit doppelt interessant. Es sind Details, die man bei Howard Hawks oder Leo McCarey vergeblich suchen würde, die man aber häufig findet bei Lubitsch, Billy Wilder und Fritz Lang und auch in Ihren Filmen. (…)
H: Das stimmt vor allem im Bereich des Humors. The Trouble with Harry zum Beispiel ist ein rein britisches Genre, der makabre Humor.
(…)
H: Ich möchte Ihnen etwas sagen. Was immer Ihnen auch im Verlauf Ihrer Karriere zustößt, Ihr Talent ist immer da.

Tunten

Als ich am letzten Freitag in einer Nebenrolle einen Club-Manager spielen musste, legte ich ihn stark tuntig an – einfach als Kontrast zu den bereits etablierten Macho-Typen. Der Jubel war erwartbar stark.
Hinterher fragte ich mich: Wie oft habe ich in den letzten 10 Jahren auf der Impro-Bühne eine Tunte gespielt? Man kann’s wahrscheinlich an einer Hand abzählen. Die Schnelligkeit und Billigkeit des Lachers will ich eigentlich nicht haben. Andererseits ist’s auch wieder OK, wenn man so etwas sparsam einsetzt, nicht um des Effekts willen und die Story nicht aus dem Auge verliert.

Keine Kunst – selber schuld?

Improvisierte Performances, improvisierte Musik, improvisierter Tanz – all das hat seinen Platz in der Rezensions-Presse.
Vom Improvisations-Theater bleibt unterm Strich lediglich übrig: “Und es war alles wirklich improvisiert und spontan!”
Das hat natürlich einerseits mit der Unterbewertung komischer Genres zu tun. Und komischen Tanz als Kunst ist wohl eher die Ausnahme.
Andererseits ist es auch die Schuld der Improvisationstheater selber, die von genau dieser Selbstdarstellung nicht wegkommen.
Und das Fernsehen hat uns mit seinen Trash-Formaten einen Bärendienst erwiesen.
Allerdings muss man auch sagen: Die Sasha Waltzes und Miles Davisse des Improtheaters sind rar.

Komik der Fehler

Fehler sind im Improtheater auf eine gute Art komisch, wenn sie aus dem Wagnis und dem Engagement heraus entstehen. Vorsätzlich schlecht zu spielen, schlecht zu singen usw. erzeugt ebenfalls Lacher – allerdings der billigen Sorte. Wenn wir damit erst anfangen, werden wir die Geister, die wir riefen, nicht mehr los und trainieren uns schlechtes Spiel an.

Die zehn Comedy-Regeln

Aus Scott Sedita: “The Eight Characters of Comedy”

  1. Wähle eine spezifische Figur mit spezifischen Merkmalen.
  2. Häng dich voll in deine Figur rein.
  3. Gute Comedy hat ihre Wurzeln in Schmerz und Konflikt.
  4. Füge kein Wort hinzu, ändere nichts, lass nichts weg; und folge der Interpunktion.
  5. In der Comedy wird nicht geflüstert. Sprich laut und deutlich.
  6. Halte das Tempo.
  7. Finde den Witz.
  8. Halte fürs (Zuschauer-)Lachen inne.
  9. Wenn ein Witz fällt, unterlasse körperliche Bewegung.
  10. Hab Spaß.

Man denke nach und übernehme, was passt. Erläuterung zu Punkt 9: Physische Bewegung ist immer auffällig und bindet Aufmerksamkeit, sie verwässert also den Gag.

Unwichtigkeit von Plots

Ricky Gervais erklärt, dass sie schon auf eigene Faust eine 20-Minuten-Folge von “The Office” vorproduizert hatten: “Wenn wir ihnen das Skript gegeben hätten, läge das jetzt in einer Schublade. Und zwar verständlicherweise; denn es gab keine Witze. Ich denke, es 20 % gingen nur um Schweigen. Es gab keine berühmten Leute, keine Plots. Aber als sie [die Leute von der BBC] es sahen, wussten sie, was wir meinten.”

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