Zu den Fragen, die mir immer wieder begegnen, seit der Zeit als ich anfing, Improtheater zu spielen, gehört auch diese: Wie können wir überhaupt im Moment sein und gleichzeitig eine gute Story improvisieren? Gibt es da nicht einen Widerspruch? Muss ich nicht doch ein bisschen planen, wenn ich einen guten „Bogen“ spannen will? Oder bleibt das Im-Moment-Sein doch die Regel Nummer Eins, und das Ergebnis mehr oder weniger Glückssache?
1. Storytelling-Mechanismen müssen zu Gewohnheiten verinnerlicht werden.
Da Storytelling, so wie andere Impro-Kompetenzen dem einen mehr, dem anderen weniger liegen, muss Storytelling auch trainiert werden. Das fängt von den einfachsten Impro-Tugenden an, z.B. nicht mit Nörgelei beginnen. Fast jeder, der ein Jahr lang improvisiert, hat diese Tugend mehr oder weniger verinnerlicht. Später wird man lernen, wie man mit dem Helden umzugehen hat, wie man Enden baut, wie man eine Story in einem bestimmten Stil oder Genre baut. Im Prozess des Erlernens dieser Fähigkeiten kann es durchaus mal passieren, dass man am Bühnenrand steht und ins Nachdenken kommt: „Wie lasse ich den Helden noch mehr erstrahlen?“ Das ist OK, aber es sollte uns klar sein, dass das Nachdenken nicht überhand nehmen darf, nicht mehr als ein, zwei Gedanken, vor allem aber dürfen wir nicht verpassen, was gerade stattfindet und nicht vergessen, was schon geschah.
2. Natürlich passiert es, dass uns Ideen zum Fortgang der Story in den Kopf schießen. Das ist nicht nur „OK“, sondern das ist auch gut. Entscheidend aber ist, wie wir mit diesen Ideen umgehen. Sie dürfen 1. nicht unsere Aufmerksamkeit für den Moment blockieren, 2. sollten wir uns nicht an sie klammern; denn dann verlieren wir den Zugang für die Optionen der Mitspieler, und 3. sollten wir sie nicht forcieren.
Ich betrachte Ideen in der Improvisation (das habe ich hier, glaube ich, schon mal beschrieben) wie Elemente, die durch den Bewusstseinsstrom fließen – spontane Assoziationen. Es ist gut, diesen Strom lebendig zu halten und ab und zu zuzugreifen. Aber lasse ihn nicht ins Stocken kommen.