21. Nacht

Nur ed-Dîn erhob sich darauf und ging ein zu seinem Weibe, der Tochter des Wesirs.
Lassen wir nun den Nûr ed-Dîn und wenden uns seinem Bruder zu!

Unvermittelte erzählerische Ellipse: Schems ed-Dîn ist traurig über das Fortgehen seines Bruders. Aber auch er heiratet, nämlich die Tochter eines Kairoer Kaufmanns. Es kommt, wie es kommen muss (weil durch de Wette angekündigt): Gleiche Hochzeitsnacht, beide Frauen gebären in derselben Nacht, Schems bekommt einen Sohn, Nûr (nur, haha) eine Tochter.
Beide sind über die Maßen schön. Der alte Wesir von Basra stirbt, und Nûr ed-Dîn wird Wesir,

und übernahm die Pflichten seines Amtes und untersuchte die Angelegenheiten und Streitsachen der Untertanen, wie es die Gewohnheit der Wesire ist.

Ist damit angedeutet, dass der Minister auch Richter (Kadi) ist? Oder deutet "untersuchen" eher auf die Funktion eines Staatsanwalts oder eines Mediators?
Sein Amt bringt ihm auch Reichtum: Schiffe, schwarze und auch weiße Sklaven.
Sein Sohn Hasan wird gelehrt und man geht mit ihm diverse Mal den Koran durch. Aber auch seine Schönheit wächst. Wenn er zum Palast des Sultans geht, wartet das Volk auf der Straße, um seine Schönheit bei seiner Rückkehr zu erneut zu bewundern.
Auf seinem zu frühen Sterbebett eröffnet Nûr ed-Din (ja, ich war auch überrascht über sein frühzeitiges Abschmurgeln aus dieser Geschichte) seinem Sohn die eigene Herkunft per Urkunde, die dieser in einen Tarbusch steckt, der unter einem Turban verborgen bleibt. Zum Schluss gibt er ihm fünf Weisungen auf den Weg:

  1. Schließ dich niemandem zu eng an, so wirst du sicher sein vor seiner Arglist.

  2. Sei gegen niemanden hart, auf dass das Schicksal nicht hart gegen dich sei.

  3. Übe Schweigen und kümmere dich um deine eigenen Fehler eher als um die Fehler der anderen Menschen!

  4. Ich warne dich, Wein zu trinken!

  5. Erhalte deinen Besitz, und er wird dich erhalten! (…)
    Spare die Piaster,
    so hast du Pflaster!

Pflaster???
Ich muss gestehen, dass ich mich an keines dieser Gebote halte, und nur gegen das erste as Überzeugung verstoße.

Da Hasan die Trauerzeit für seinen Vater auf ungebührliche Weise überschreitet, will der Sultan ihn töten lassen. Doch ein ihm wohlgesonnener Mamluk warnt ihn, und Hasan flieht auf einen Friedhof, wo er einen Juden trifft,

der aussah, wie ein Geldwechsler.

Dieser kauf ihm die Waren eines noch erwarteten Schiffes ab.
Hasan legt sich schlafen, und hört über sich zwei rechtgläubige Dämonen seine Schönheit bestaunen. Er erfährt außerdem, dass seine Base, da sein Onkel sie dem Sultan nicht zur Frau geben wollte, mit einem buckligen Stallknecht vermählt werden soll.

 

20. Nacht

Die Voraussetzung für die Hinrichtung des Sklaven ist freilich, dass man ihn findet. Wird er nicht gefunden, muss der Wesir dran glauben. Die Lebensumstände von Ministern scheinen nicht immer beneidenswert gewesen zu sein. Andererseits dürfte es auch heutzutage nicht für jeden erträglich sein, auf der obersten Etage die Karten mitzumischen.
Der Wesir nimmt Abschied von seinen Kindern, am Ende von seiner jüngsten Tochter, die einen Apfel verspeist, von dem sich herausstellt, dass sie ihn vom Sklaven Raihân habe. Er gesteht, genau jener Sklave gewesen zu sein. Und der Wesir muss nicht lange überlegen, was zu tun ist, den ihm fällt noch das Gedicht ein, das ihm rät:

Wenn ein Unheil kommt durch einen Sklaven,
bringe ihn statt deiner ins Gericht.
Denn du wirst noch viele Diener finden,
Doch ein zweites Leben findst du nicht.

Als ich dieses Gedicht vor 20 Jahren das erste Mal in einem Auszug der 1001 Nächte las, verschlug es mir den Atem. Ich kann es seitdem auswendig, auch wenn ich die es einbettende Geschichte vergessen habe.

Der Kalif befiehlt, den Sklaven töten zu lassen, doch der Wesir Dscha’far erbittet, ihm das Leben zu schenken, wenn die Geschichte, die er gleich erzählen würde, noch wunderbarer sei als die soeben erlebte. Der Kalif willigt ein. Und so erfahren wir

Die Geschichte der Wesire Nûr ed-Dîn und Schems ed-Dîn

Der Wesir des Kairoer Sultans stirbt, und so werden seine überaus schönen Söhne – der junge Nûr ed-Dîn und der ältere Schems ed-Dîn – zu gleichen Teilen Wesir. Kurz vor der Abreise des Sultans mit dem älteren beginnen die beiden einen hypothetischen Streit: Wenn, so die Hypothese des Älteren Schems, beide gleichzeitig heiraten sollten und gleichzeitig Kinder bekämen – nämlich Schems eine Tochter und Nûr einen Sohn – dann mögen sie heiraten. Aber wie hoch wäre die Morgengabe, fragt Nûr, die Schems von seinem Sohn in diesem Falle verlange.

Dreitausend Dinare und drei Gärten und drei Ackergüter.

Wer wäre nicht erbost über ein solches Ansinnen. Die beiden trennen sich im Streit, und während Schems mit dem Sultan reist, verlässt Nûr ed-Dîn Kairo mit den Satteltaschen voller Geld auf einer Maultierstute.

Sie war ein stahlgraues Tier, ihren Rücken sah man, einer hohen Kuppel vergleichbar, sich emporrecken; ihr Sattel war aus Gold, ihre Steigbügel waren aus Indien gebracht, auf ihr lag eine Schabracke von persischer Pracht, und sie glich einer Braut geschmückt für die Hochzeitsnacht.

Letzteres erweist sich bestimmt als sinnvoll, denn die Nächte der Steppe sind oft einsam und lang.
Innerhalb von sieben Tagen erreicht er Basra (1.000 km!) , wo ein Wesir auf die Stute aufmerksam wird, mit Nûr ed-Dîn ins Gespräch kommt, ihn zu seinem Nachfolger erklärt und ihn mit seiner Tochter vermählt.

19. Nacht

Der Kalif Harun er-Raschîd lässt die Geschichte in den Chroniken aufzeichnen. Und durch Verbrennen einer Haarlocke wird die Dämonin, die die Schwestern in Hündinnen verzauberte, herbeigerufen, und der Kalif befiehlt ihr, die Verzauberung rückgängig zu machen.

Eine zwischen politischer und religiöser Herrschaft oszillierende Figur wie den Kalifen finden wir in Europa eigentlich auch nur so lange, bis Heinrich den Gang nach Canossa antritt und beim Papst auf religiöse Herrschaft verzichtet. Die Ausdifferenzierung des politischen vom religiösen System beginnt in Europa zu jenem Zeitpunkt. Im muslimischen Gebiet etwa mit dem Ende des Kalifats, aber sie ist im Grunde bis heute nur teilweise vollzogen: So gelten angebliche Abkömmlinge Mohammeds oft als befähigt für Politik. Im krassesten Fall äußerte es sich in der Periode der Taliban-Herrschaft in Afghanistan, die einerseits als Terrorherrschaft beschrieben werden kann, aus systemtheoretischer Sicht aber auch als größtmögliche Entdifferenzierung sozialer Funktionssysteme: Politik, Wirtschaft, Recht, Religion, Erziehung, selbst Gesundheitssystem, Intimbeziehrungen und Kunst – alles wird als geschlossen und zusammenhängend betrachtet; es gibt kein Entrinnen. Die Personen geraten in einer funktional ausdifferenzierten Welt in ein Exklusionsloch, d.h. es wird ihnen unmöglich, überhaupt noch in einem Funktionssystem zu kommunizieren: Ob man ein Haus kaufen kann, ist keine wirtschaftliche, sondern eine politische. Ob man sein Kind in eine Schule schicken darf, ist eine religiöse Frage usw. Im krassesten Fall, wird man in den Exkusionslöchern auf den eigenen Körper zurückgeworfen: Kampf um kappe Güter wird zur Überlebensfrage, eine Frau zu sein, entscheidet darüber, ob ich das Gesundheitssystem beanspruchen darf, in Gerichtsverfahren wird rasch mit physisch drastischen Maßnahmen auf Abweichung reagiert usw.

Die Dämonin befreit nicht nur die Schwestern,

murmelte Worte, die ich nicht verstand.

(Wieso "ich"? Erzählerin ist doch hier Schehrezâd) sie enthüllt auch die Identität des schlagenden Ex-Gatten:

Dein Sohn el-Amîn, der Bruder von el-Ma’mûn. Er hatte von ihrer Schönheit und Anmut gehört, und er brauchte eine List gegen sie.

Der Kalif daraufhin:

Jetzt will ich, bei Allah, eine Tat tun, die man nach meinem Tode aufzeichnen wird.

Und tatsächlich: Er verknüpft die losen Enden der Geschichte. Allerdings dürfte sich die Freude einiger der davon Betroffenen in Grenzen halten:
Die drei Schwestern (d.h. zwei Ex-Hündinnen) werden mit den drei Bettelmönchen verheiratet. Will man mit einer Frau verheiratet sein, die versucht hat, ihre Schwester zu ertränken?

Das Mädchen mit den Narben gab er seinem Sohne el-Amin zurück.

Sie wird sich freuen, ihren Peiniger wieder umarmen zu dürfen.

Er selber jedoch nahm zur Gemahlin die Wirtschafterin und schlief in selbiger Nacht mit ihr. (…) Das Volk staunte ob der Großmut des Kalifen, seiner natürlichen Wohltätigkeit und seiner Weisheit; der Kalif aber wiederholte den Befehl, man solle alle diese Geschichten in seine Annalen eintragen.

(Da scheint ja jemand eine gewisse Panik vor der eigenen Unsterblichkeit gehabt zu haben.)
Ende. Fragt sich, was aus dem Lastträger geworden ist, nach dem  die Geschichte ja ihren Namen hat.

***

Dinazâd bittet um eine weitere Geschichte. Und Schehrezâd beginnt

Die Geschichte von den drei Äpfeln

Der Kalif Harûn er-Raschîd begibt sich mit seinem Wesir Dscha’far und mit seinem Schwertträger Masrûr in die Stadt Baghdad, um zu erfahren, was die Leute von den Amtsträgern halten. Als sie einen armen Fischer treffen, bietet der Kalif ihm an, das, was er beim nächsten Fang aus dem Meer zieht, für einhundert Goldstücke zu kaufen. Es ist eine Kiste. Leider nicht, wie man vermuten könnte, mit einem eingesperrten Dämon, sondern die zerstückelte Leiche einer jungen in einen Teppich eingewickelten Frau. Der Kalif daraufhin zu seinem Wesir:

"Du Hund von einem Wesir! (…) Wenn du uns den nicht bringst, der sie ermordet hat, damit ich sie an ihm rächen kann, so werde ich dich am Tore meines Palastes aufhängen, dich und vierzig deiner Vettern."

Gut, wenn man in einem solchen Falle über mehr als vierzig Vettern verfügt, damit man unter ihnen auswählen kann. Ich habe leider keinen einzigen.

Tatsächlich bereitet man am dritten Tage schon die Hinrichtung des Wesirs vor, doch da bekennt sich ein Jüngling dazu, die Frau umgebracht zu haben. Dann drängelt sich ein Alter dazwischen und meint, nicht der Jüngling, sondern er selbst sei es gewesen.
Sie werden vor den Kalifen gebracht, der sich darüber wundert, dass sie den Mord

ohne Bastonade gestehen.

Doch der Jüngling erklärt: Die Frau war seine Base und sein Weib. Als sie krank war, bat sie um Äpfel, die ihr Gatte extra aus Basra besorgt. Doch als er zurückkehrt, mag sie sie nicht mehr. Der Mann geht in den Garten und sieht einen schwarzen Sklaven vorbeigehen, der einen der Äpfel isst, und als Erklärung angibt, sie von seiner Geliebten bekommen zu haben. Der Jüngling flippt daraufhin aus und schneidet seiner Frau ohne zu zögern die Kehle durch und versenkt sie im Tigris. Kurz darauf stellt sich heraus, dass die Frau den Apfel ihrem Sohn gegeben hatte, der ihn sich vom Sklaven stehlen ließ. Der Alte ist der Vater der Frau und bestätigt die Geschichte. Der Kalif beschließt, weder den Alten noch den Jüngling hinrichten zu lassen, sondern den Sklaven.

Bei Allah!

Viel Spaß beim Sklavensuchen.

18. Nacht

Nach kurzem Zögern setzt der Jüngling die Reise mit der Dame fort. Doch auf hoher See werfen ihre Schwestern die beiden ins Meer. Der Prinz kann nicht schwimmen und

Allah nahm ihn auf unter den Glaubenszeugen

Die Dame hingegen kann sich auf eine Insel retten, wo sie eine Schlange beobachtet, die von einem Drachen attackiert wird. Sie erfasst Mitleid mit der Schlange und tötet den Drachen. Warum nicht umgekehrt? Sollte dahinter die biblische ewige Koalition Schlange-Frau stehen?) Die Dame schläft ein und erwacht davon, dass ein Mädchen (= Die Schlange) ihr die Füße massiert. Sie schämt sich zunächst.

Seltsame Scham: Für einige Frauen sind Füße mehr scham-besetzt als jeder andere Körperteil. X behielt sogar dann im Bett die Socken an, wenn sie ansonsten völlig nackt war. Einige Männer hingegen können es nicht ertragen, beim Rasieren beobachtet zu werden. Für mich ist das nicht intimer als etwa Händewaschen oder Kämmen, wobei ich mich das letzte Mal vielleicht vor sechs Jahren gekämmt habe. Ein seltsames Gefühl, als ich vor ein paar Monaten beim Friseur war und dieser – aus Höflichkeit, wie ich vermute – seinen Kamm über meinen Kopf zieht.

Zum Dank verwandelt die Schlange die Schwestern in Hündinnen mit der Auflage, dass die Dame ihre Schwestern täglich 300 Schläge erteilen möge, sonst wird sie auch in eine Hündin verwandelt. Schöner Dank.

***

Auch die zweite Dame muss dem Kalifen ihre Geschichte berichten, denn sie trägt Narben auf dem Rücken.

Die Geschichte der Pförtnerin

Die zweite Dame erbt von ihrem Vater und später von ihrem verstorbenen Mann ein großes Vermögen und wird auf diese Weise zu einer guten Partie. Eines Tages wird sie von einer Alten aufgesucht, die sie in einen Palast lockt, wo ein schöner Jüngling auf sie wartet, mit dem sie ruckzuck – der Kadi  wartet schon im Nebenzimmer – vermählt wird, denn

Sein Antlitz ist dem des Neumondes gleich;
Wie die Perle an strahlender Schönheit reich.

Nicht zum ersten Mal habe ich hier das Gefühl, dass sich der Übersetzer bei den Versen vertut. Von der Banalität der Reime abgesehen – ist das Antlitz des Neumondes nicht unsichtbar?
Sie schwört ihm bei der Hochzeit unabdingbare Treue, was, wie wir ahnen, eine storytechnische Bedeutung hat, sonst würde diese Selbstverständlichkeit ja wohl nicht erwähnt. Tatsächlich geht sie einen Monat später zum Basar, um Stoffe zu kaufen, und der Händler will sie ihr zum Preis von einem Kuss überlassen. Sie zögert, doch die schon erwähnte Alte, rät ihr zu.

Nun legte er unter dem Schleier seinen Mund an meine Wange; aber als er mich küsste, biss er mich so scharf, dass er mir ein Stück Fleisch aus der Wange riss. Wie erklärt man das dem Ehemann?

Als ich 1993 in London auf dem Zeltplatz Tent City arbeitete, versuchte mein ungarischer Freund Zsolt Lukacs seine Ex wiederzugewinnen, ließ sich jedoch an einem Abend dazu hinreißen, mit einer jungen Polin zu tändeln, die ihm einen ordentlichen zu rechtfertigenden Knutschfleck verpasste. Meinen Rat, einfach ein Pflaster drüberzukleben und auf Nachfrage zu behaupten, sich beim Rasieren geschnitten zu haben, lehnte er ab. Er bat mich stattdessen, zu seinem Komplizen zu werden: Er würde seiner Ex erzählen, ich habe ihn in einer wütenden Auseinandersetzung in den Hals gebissen, was bei meinem Temperament die so ziemlich unglaubwürdigste unter allen möglichen Ausreden war.

Die Erklärungen der Dame:

  • Bin von einem Brennholz-Kamel gebissen worden – Er will alle Brennholzhändler der Stadt töten lassen.

  • Bin von einem Esel gebissen worden – Er will die Eseltreiber töten lassen.

  • Ich bin geküsst worden – Er will sie töten lassen.

Sie "argumentieren" in Versen. Doch erst die Alte kann den Jüngling davon abbringen, die Dame zu töten. So belässt er es beim Auspeitschen mit Quittenzweigen. Als sie einen Monat später wieder nach Hause kehrt, findet sie ihr Haus in einen Schutthaufen verwandelt.

Wie das geschehen war, konnte ich nicht erfahren.

Und auch wir werden es nie erfahren, denn da endet die Geschichte der Pförtnerin.

***

17. Nacht

Die Geschichte der ältesten Dame

Die älteste Dame beginnt ihre Story mit der erstaunlichen Offenbarung

"Diese beiden schwarzen Hündinnen sind meine Schwestern."

Man beachte die Analogie zur Geschichte des zweiten Scheichs (2. Nacht). Auch ihre Schwestern zogen fort; allerdings waren es hier die Ehegatten, die die Dinare verprassten. Sie kehren verarmt zurück, werden von der Schwester gepflegt, und auch sie begehen diesen Fehler ein zweites Mal.
(Erstaunlich, dass Schehrezâd es wagt, schon nach zwei Wochen auf altes Storymaterial zurückzugreifen. Bei der Chaussee der Enthusiasten beträgt der zeitliche Anstandsabstand für die Widerholung alter Geschichten 12 Monate.)
Das Schiff gerät in Seenot,

da der Kapitän nicht auf den Weg geachtet hatte.

Man gelangt doch noch ans Festland – eine Stadt, die keiner kennt.

Und als ich zum Stadttor kam, sah ich dort Menschen mit Stöcken in den Händen. Wie ich aber näher hinzutrat, zeigte sich, dass sie durch Gottes Zorn zu Stein verwandelt waren. Auf den Basaren und im Palast – überall sind die Menschen zu Stein verwandelt. Eine dornröscheneske Starre.
Auf der Suche gerät die Dame in einen Raum, in dem Kerzen brennen, welche, so die Schlussfolgerung der Dame, ja jemand entzündet haben musste. Tatsächlich findet sie in einem Raum einen ins Gebet vertieften Knaben, der ihr alsbald seine Geschichte verrät: Sein Vater und seine Mutter (König und Königin) sowie

alles Volk dieser Stadt waren Magier, und sie beteten das Feuer an statt des Königs, dem alles untertan.

("Magier" steht hier nur für Perser, die den Lehren Zarathustras folgen. Also keine Zauberer, sondern Zoroastrier, die aber von den Moslems als Ungläubige verachtet wurden.)

Der Königssohn wird von einer Gouvernante heimlich im muslimischen Glauben aufgezogen. Allah verwandelt kurz nach dem Tod der Gouvernante alle Gottlosen zu Stein.
Unsere Dame tröstet ihn mit den merkwürdigen Worten:

"Wisse, dass die Dienerin, die vor dir steht, eine Herrin ihres Volkes ist und über Mannen, Eunuchen und Diener gebietet."

Davon, dass sie eine Herrin ihres Volkes ist, erfährt man hier zum ersten Mal. Oder genügt es, als Kaufmännin mit einem Schiff zu reisen, um als Herrin zu gelten?

Exkurs: Natürlich ist die korrekte weibliche Form von Kaufmann Kaufmännin. Dasselbe gilt für weitere Berufs- und Funktionsbezeichnungen, die mit "-mann" enden, wie auch in Seemann, Zimmermann, Hauptmann. Denn hier fungiert "mann" nicht geschlechtsbestimmend. Die Pluralform ist ja auch entsprechend: Kaufleute, Seeleute, Zimmmerleute und Hauptleute, und eben nicht Kaufmänner usw.

Die Dame überredet den Jungen, mit ihnen die Reise fortzusetzen.

16. Nacht

Kurz nachdem Adschîb den Prinzen mit des Zufalls und eines Messers Hilfe in Allahs Reich befördert hat, kommt prompt das Schiff wieder angesegelt, und der Alte beweint versreich seinen toten Sohn, den sie mit einem seidenen Leichentuch bedecken. (Haben sie es schon sicherheitshalber mitgebracht?) Das Schiff fährt wieder weg, und Adschîb lebt einen Monat auf der Insel. Danach trocknet die Westseite des Meeres aus, und er watet hindurch, bis er ans Festland kommt, wo er einen leuchtenden Palast sieht.

„Kaum hatte ich mich gesetzt, da traten zehn Jünglinge auf mich zu, in kostbare Gewänder gekleidet, und bei ihnen war ein uralter Greis; doch die zehn Jünglinge waren alle auf dem linken Auge blind.“

Blindheit als Leitmotiv bei der letzten Chaussee der Enthusiasten. Sieht man wirklich nur mit dem Herzen gut? Chirurgische Tests, bei denen man versuchte, die funktionsfähige Herzen von Hirntoten in die leeren Augenhöhlen Blinder einzusetzen, schlugen leider fehl.
Wie weit können wir eigentlich gehen mit unseren Scherzen über Behinderung, die wir uns herauszunehmen wagen, mit der Begründung, dass wir die höchste Behindertenquote unter den Berliner Lesebühnen haben. Scherze über Behinderungen gelten merkwürdigerweise als anstößig, während sich niemand daran reibt, wenn sie als literarisches Mittel des Schreckens eingesetzt wird.

Wir wissen ja schon, dass Adschîb am Ende das Schicksal dieser zehn Jünglinge teilen wird – fragt sich nur, wie es dann dazu kommt.
Sie bieten ihm Aufenthalt unter der Bedingung, dass er sie nicht über ihre Handlungen und ihre Gebräuche befragen soll (Wiederaufnahme des Motivs der Rahmenhandlung der Geschichte vom Lastträger und den drei Damen). Doch er kann nicht an sich halten, aber wer würde nicht nachhaken, wenn sich der Gastgeber plötzlich das Gesicht rußig färbt.

Sie sagen ihm, er möge sich von ihnen in ein Fell nähen lassen, das hernach vom Vogel Roch auf einen Berg getragen würde (Motiv bekannt aus dem russischen „Edelsteinberg“). Auf dem Berg stünde ein Palast, dort erführe er, warum sie einäugig seien und sich die Gesichter schwärzten.
Eine für 1001 Nächte seltsame Begründung:

Wollten wir dir jetzt unsere Geschichte erzählen, so würde es zu lange dauern.

Dabei lieben doch gerade die Protagonisten von 1001 Nacht nichts so sehr wie lange Geschichten. Es ist umso erstaunlicher, als das folgende Abenteuer von Adschîb länger als ein Jahr dauert, so lang hätte die Einäugigen wohl nicht gebraucht.
Adschîb tut, wie ihm geheißen, und er entdeckt vierzig Mädchen im Palast:

„Wir sind deine Dienerinnen und dir untertan; also befiehl uns nach Gutdünken!“

Machoherz, was willst du mehr!
Er verbringt die erste Nacht mit der Schönsten unter ihnen. Die zweite Nacht mit einer, die noch schöner ist, usw.

Ich sah auf ihrer Brust zwei Schreine, die waren versiegelt
Mit Moschus, auf dass der Verliebte sie nicht berührt und verletzt.
Sie behütet die beiden mit Pfeilen aus ihren Blicken;
Sie trifft mit ihrem Pfeile den, der sich ihr widersetzt.

Doch nach einem glücklich miteinander verbrachten Jahr (warum wird hier eigentlich nie jemand schwanger?) müssen die vierzig fort zu ihren Vätern, die Könige sind:

„Hüte dich, die vierzigste Tür zu öffnen, sonst musst du uns verlassen.“

Ob dieses Motiv universal ist? Vielleicht gibt es das schon so lange wie Türen? Schließlich: Wer kennt nicht die Versuchung zu stöbern, wenn man vom Nachbarn den Schlüssel zum Wellensittichfüttern bekommt! Fragt sich nur, warum sie ihm überhaupt den Schlüssel zum letzten Raum geben.

Dann flogen sie davon.

Hä? „Flogen“?

Jeden Tag probiert er ein Zimmer aus. Die ersten vier werden beschrieben:

  1. Blumen, Bächlein, Bäume, Rehlein, Quitten, Aprikosen

  2. Palmen, Bächlein, Rosen, Jasmin, Majoran, Eglantinen, Narzissen, Levkojen

  3. Sandel- und Aloeholz, Singvögel in Käfigen (Wer füttert die eigentlich?)

  4. Perlen, Saphire, Topase, Smaragde

Im vierzigsten Zimmer schließlich wird er vom Geruch betäubt und steigt auf ein schwarzes Pferd, dass mit ihm zum Himmel emporfliegt.

Nach einer Weile jedoch ließe es sich mit mir auf einer Dachterrasse nieder, warf mich vom Rücken, peitschte mich mit dem Schweif ins Gesicht und schlug mir das linke Auge aus, so dass es mir über die Wange rollte, und flog weg von mir.

Hallihallo – die Dachterrasse gehört zum Palast der zehn Jünglinge. Man könnte nun annehmen, jetzt wäre er einer von ihnen, aber sie jagen ihn davon, und er reist nach Baghdad.
Ende der Geschichte des dritten Bettelmönches
Für meinen Geschmack die aufregendste, aber hat er sich nicht auch am tollpatschigsten angestellt?
Die Dame schenkt sowohl ihm das Leben als auch dem Kalifen und seinen zwei Begleitern, nachdem sie ihre Lügengeschichte wiederholen. Alle dürfen gehen. Am nächsten Tag jedoch befiehlt der Kalif alle vor seinen Thron:

„Jetzt aber möchte ich euch zu wissen tun, dass ihr steht vor dem fünften der Nachkommen des Abbâs, vor Harûn er-Raschîd, dem Bruder des Kalifen Musâ er-Hâdi, dem Sohne des Muhammed el-Mahdi, des Sohnes des Abu Dscha’far el-Mansûr, des Sohnes Muhammeds, des Bruders von es-Saffâh ibn Muhammed.“

Gehen wir gnädig über den Umstand hinweg, dass der historische Kalif seinen Bruder – den erwähnten Kalifen Musâ er-Hâdi – umbringen ließ, um auf den Thron zu gelangen.
Die erste Dame tritt hervor und berichtet ihre Geschichte

***

15. Nacht

Allah dankend kraxelt unser dritter Bettelmönch in spe den Berg hinauf bis zur Kuppel, wo er die religiöse Waschung vollzieht, und sich niederlegt und schläft.

Auf Reisen in fremde Länder schickt es sich ja oft, nicht gleich zu fragen, sondern das Merkwürdige erst mal zu beobachten und zur Kenntnis zu nehmen. Und so nahm ich es 1996 eher mit neugieriger Verwunderung zur Kenntnis, als sich bei meiner Reise durch den Iran die einheimischen Männer auf den öffentlichen Toiletten nicht nur die Hände, sondern auch die besockten Füße wuschen. Natürlich wusste ich von der rituellen Waschung, konnte aber dieses Wissen nicht mit der aktuellen Beobachtung verknüpfen.

Im Traum hört er eine Stimme, die ihm komplizierte Anweisungen gibt, die sich so zusammenfassen lassen:

  1. Schieß den Bronzereiter auf der Kuppel mit einem von dir noch auszugrabenden Bogen ab!

  2. Setze dich in das Boot, mit dem gleich darauf ein weiterer Bronzetyp angerudert kommt, da das Meer steigt!

  3. Lass dich von diesem fortrudern und verschweige den Namen Allahs!

Das Gebot etwas nicht zu tun, wirkt natürlich mindestens so stark wie das Gebot, etwas zu tun. Beispiel: Schließen Sie die Augen und denken Sie nicht an einen grünen Gorilla. Wenn Sie sich auf diese Aufgabe konzentrieren, werden Sie selbstverständlich an den Gorilla denken. Vermeiden kann man das, einfach, indem man an etwas völlig anderes denkt, beispielsweise an die Funktionsweise eines Kohlekraftwerks. Ebenso unfruchtbar ist es, Kinder vor etwas zu trösten, vor dem sie Angst haben könnten (was die Angst verstärkt) oder sie negativ zu korrigieren: "Andreas, du Pottsau, lass die Tante in Ruh!" Besser: "Andreas, jetzt kannst du auch mal auf den Onkel hopsen!"
Was ich damit sagen will: In Märchen können wir darauf wetten, dass ein ausgesprochenes Verbot gebrochen wird. Welche narrative Funktion hätte es sonst? Vielleicht sollte mal jemand so ein Kindermärchen schreiben: in dem alle sich an die von den Erwachsenen ausgesprochenen Ge- und Verbote halten. Andererseits traue ich es Schehrezâd zu, dass sie auch noch so einen Joker für uns bereithält. Darüberhinaus scheint ja das (dreimalige!) Verbot, Allahs Namen zu rufen, auf eine teuflische Macht hinzudeuten.

Tatsächlich wird unser Prinz gerettet, wie man es ihm vorhergesagt hat. Aber leider funktionieren seine muslimischen Reflexe zu gut. Er dankt Allah bei seiner Errettung, und das Schiff geht unter. Mit letzter Kraft rettet er sich auf eine Insel. Als sich ein Schiff nähert, klettert er auf einen Baum.
Warum, so fragt man sich, bittet er nicht darum, mitgenommen zu werden.
Zehn schwarze Sklaven öffnen eine Platte im Erdboden und geleiten einen Jungen, Schönen und einen Alten hinein.

Der war zu dem geworden, was von ihm noch übrig war…

Man lässt den Jungen zurück, und als das Schiff fort ist, betritt der Prinz das Gewölbe und freundet sich mit dem Jungen an, dem geweissagt wurde, er würde 40 Tage, nachdem die kupferne Reiterstatue von einem gewissen Adschîb, Sohn des Chadîb herabgeschossen, von ebendiesem Adschîb getötet. Leider handelt es sich bei unserem Prinzen um Adschîb, der seine Identität zwar verschweigt und sich als Diener des Jungen anbietet, ihn aber genau am Stichtag (!) mit einem Melonenmesser aus Versehen umbringt.l

Unklares Entspannungsmittel: Rauchbad aus Weihrauch

14. Nacht

Die Prinzessin, die den Prinzen im Affen erkennt, beschwört den Dämon mit viel Getue und Material, u.a. mit einem Messer,

darauf hebräische Namen standen.

Dämon und Prinzessin bekämpfen einander

Dämon als Mädchen als
Löwe Haar als Schwert
Skorpion Schlange
Adler Geier
schwarzer Kater scheckiger Wolfshund
Granatapfelkerne Hahn
Fisch Fisch
Fackel Kohle

Sowohl Mädchen als auch Dämon geben am Ende die Löffel ab, doch kurz vorher kann das Mädchen den Affen noch zurückverwandeln, der jedoch durch die Feuersbrunst ein Auge eingebüßt hat, was im Vergleich zum König, der das halbe Gesicht, den Unterkiefer und seinen Eunuchen verlor, ja noch erträglich ist.

Voll Zorn vertreibt der König den Prinzen von seinem Hofe, da er ja nur durch diesen seine

"…Tochter verlor, die mir hundert Männer wert war."

Sinnend, weinend und Verse die Geduld betreffend rezitierend richtet er seine Schritte gen Baghdad, wo er den Beherrscher der Gläubigen zu treffen hofft.

***

Die Dame ist auch mit dieser Geschichte zufrieden, schenkt dem Bettelmönch das Leben und so erfahren wir

Die Geschichte des dritten Bettelmönches

Dieser ist eigentlich, wir konnten es inzwischen erraten, ein König und Sohn eines Königs, der mit einem Lustfahrtschiff eine Reise unternimmt, aber nach einem Sturm Schiffbruch erleidet und auf die Insel mit dem Magnetberg, der den Schiffen die Nägel aus dem Rumpf zieht, gelangt.

unklares Inventar: Hände wie Worfschaufeln

 

***

13. Nacht

Es kommt, wie’s kommen muss: Der Depp haut die Nische um, der Dämon erscheint und foltert die Prinzessin, woraufhin der Prinz nachvollziehbarerweise flieht, jedoch Axt und Schuh zurücklässt.

Altmodische Beschimpfung, die es wert wäre, wiederbelebt zu werden: „Du lügst, Buhldirne!“

Langsam gewöhnen wir uns ja daran, dass die Protagonisten, wenn ihnen schlimmes Leid widerfährt, zu dichten und/oder zu rezitieren beginnen, ähnlich wie im Musical, wo, wenn es ganz gefühlig wird, von irgendwo Musik erklingt und alle zu tanzen beginnen. Allerdings wirken die hier performten Verse angesichts des soeben erfahrenen Leids schon fast lakonisch:

Wenn das Geschick dir eines Tages Unheil bringt,
Bedenk, ein Tag bringt Freude dir, der andre Leid.

Kaum ist er wieder beim Schneider angelangt, da taucht auch schon ein persischer Greis auf, der Axt und Schuh bei sich hat, und siehe da – es ist der Dämon himself, der den Prinzen mit sich nimmt und in seinem Palast der Prinzessin gegenüberstellt. Dass das Paar sich nicht gegenseitig umbringen will, ist für den Dämon Beweis genug, dass die beiden ein Paar sind:

„Ich warf das Schwert aus der Hand und sagte: ,O du mächtiger Dämon, o du Recke und Heldensohn, wenn eine Frau, die wenig Verstand und Religion besitzt, es schon für unrecht hält, mir den Hals durchzuschlagen, wie sollte es da für mich recht sein, ihr den Hals durchzuschlagen, da ich sie doch nie in meinem Leben gesehen habe?“ Und er traf sie so, dass ihr der Kopf davonflog.

Aktuell: Kopf davonfliegen.

Der Prinz bittet den Dämon um Gnade:

„Verzeih mir, wie der Beneidete dem Neider verzieh.“ Er fragte: „Wie war denn das?“ Da begann ich

Die Geschichte vom Neider und vom Beneideten

Zur Orientierung:
Schehrezâd
—> Die Geschichte des Lastträgers und der drei Damen
—-> Die Geschichte des zweiten Bettelmönches
—> Die Geschichte vom Neider und vom Beneideten

Zwei Nachbarn, der Erfolglose beneidet den Erfolgreichen.

Bei den Künstlern, mit denen ich zu tun habe, kann man vor allem zwei Arten von Neid beobachten: 1. Neid auf Erfolg, 2. Neid auf Talent. Und ich habe kaum jemanden kennengelernt, der völlig frei davon wäre. Der Neid auf Erfolg spielte z.B. bei den Lesebühnen solange keine Rolle, wie außergewöhnlicher Erfolg tatsächlich die Ausnahme war. Bis zum Jahr 2000 etwa hatten die Lesebühnen gleich viele Zuschauer, und es gab noch keine relevanten Buchveröffentlichungen. Erfolg wird vor allem dann beneidet, wenn er als ungerechtfertigt erscheint. Neid auf Talent quält auf andere Art: Während sich der Erfolglose immerhin noch mit der Illusion beschwichtigen kann, durch Fleiß und etwas Glück doch noch anschließen zu können, kann der Untalentierte sich mühen, aber er wird nie die künstlerische Achtung seiner Kollegen haben. (Ähnlich wohl auch der Neid um Schönheit.) Da kann Britney Spears noch so zappeln – kein bedeutender Künstler wird sie je als Vorbild nennen, im Gegensatz zu Velvet Underground, die während ihres Bestehens kaum Platten verkauft haben.
Aber wieviel Selbstbeherrschung, Selbstachtung und Gelassenheit kann man denn aufbringen, um aufkommenden Neid zu bekämpfen. Der erste Mord im Bibel-Mythos geschieht ja nicht aus Habsucht oder sexueller Eifersucht, sondern weil Kain seinem Bruder die Gunst Gottes neidet, wobei sich ja schließlich herausstellt, dass dieser ihn ja so unknorke auch nicht gefunden haben kann, denn er macht ja ein Zeichen an seine Stirn, dass niemand ihn töte, wer ihn fände, was andererseits auch etwas albern erscheint, da ja zu dem Zeitpunkt außer Adam und Eva niemand sonst da ist.

Der Beneidete zieht sich, als er den Neid des Neiders bemerkt, in ein Kloster zurück und wird dort zu einem angesehenen Weisen. Davon erfährt der Beneidete, der ihn besucht und heuchelnd um Rat bittet.

Der Beneidete nun nahm den Neider bei der Hand, und sie gingen hinein in das innerste des Klosters; aber der Neider sagte: „Sage deinen Fakiren, dass sie sich in ihre Zellen zurückziehen.“

Man beachte das Possessivpronomen: Seine Fakire!
Im Hof stößt der Neider den Beneideten in einen Brunnen. Ein typischer Märchenmordversuch (s.a. Grimms Goldmarie und Blaues Licht). Ich habe jedenfalls noch nie davon gehört, dass jemand erfolgreich in einem Brunnen ertränkt wurde, weder in der Realität noch im Märchen.
Und so landet auch hier der Beneidete weich und erfährt von guten Geistern, dass er am nächsten Tag vom König besucht würde, der Rat wegen seiner kranken Tochter suche. Diese könne man retten, so die Geister, indem man den sie bewohnenden Dämon durch Katzenhaarverbrennung austreibe.
Vielleicht ein etwas ungeschickt gewählter Schachzug, einen Dämon mit einer Geschichte, in der eine Dämonsaustreibung vorkommt überzeugen zu wollen (wir werden sehen).
Tatsächlich heilt der nunmehr Scheich Titulierte die Königstochter, bekommt diese zur Frau und setzt seinen Erfolgsweg fort: Wesir, dann selber König.

Verlorengegangene Bezeichnung für Schwiegersohn:Eidam

Als König überreicht er dem Neider 20.000 Goldstücke und lässt ihn ziehen.

***

Zurück zur Geschichte des zweiten Bettelmönches. Der Dämon lässt sich nur halb erweichen – er verwandelt den Prinzen in einen Affen, der durch eine Wüste zieht, an ein Meer kommt, ein Schiff besteigt und sich dort zum Günstling des Kapitäns hocharbeitet. Als sie an den Hof eines Königs kommen, erweisen sich die kalligraphischen Fähigkeiten (s. 12. Nacht) als Rettung. Er schreibt Verse in Kursivschrift, in Schlankschrift, in Steilschrift, in runder Monumentalschrift, in großer Dokumentenschrift und in großer Zierschrift, wodurch er sich die Gunst des Königs erwirbt und mit ihm an einer Tafel essen darf, wobei die Speisen von einem Eunuchen und einem weißen Sklaven aufgetragen werden.
Sowohl die Funktion des Eunuchen, als auch ein weißer Sklave werden hier erstmals erwähnt. Unklar, ob ein weißer Sklave mehr wert ist als ein schwarzer.
Wie schon in der Geschichte vom Kaufmann und dem Dämon (2. Nacht) ist es die Prinzessin, die den Verzauberten im Tier erkennt, denn sie ist selber eine Zauberin.

***

Sonntagspersisch Lektion 7

Diesmal scheint es ja zu klappen, nur den Punkt am Satzende kriege ich noch nicht eingebaut.
Personalpronomina, Präsens von "sein", Kopula
Altmodische Übungen, aus einer Zeit, in der es von Bedeutung war, die Vokabeln Füllhalter, Schreibfeder und Federhalter auseinanderhalten zu können. Aber extra für Tastaturbelegung, Windows, Cursor kaufe ich mir kein neues Lehrbuch.

خانه کجاست؟
ما اینجااتیم
این چیست؟
او کیست؟
این خانه
ایشان جوانند
گفتن آسان است نوشتن دشوار است
آنها به سینما رفتند
پدر جوهر داشت
چه نوشتند؟
دوات کجاست؟
دوات ، کاغذ ، خط کش و قلم در اطاقند
من درزدم
این نامه از برلن است ،نه از تهران

 

12. Nacht

Der Oheim des jetzt als einäugiger Bettelmönch umherziehenden Prinzen schlägt die verkohlte Leiche seines Sohnes obendrein mit dem Schuh. Seine widersprüchlichen Reaktionen erklären sich dadurch, dass er ihn einerseits liebte, andererseits wusste er, dass sein Sohn in körperlicher Liebe zu seiner Schwester entbrannt war. Er hatte ihn noch gewarnt:

"Hüte dich vor so sündhaften Taten, die vor dir noch keiner beging und keiner nach dir begehen wird; sonst wird dein Name unter den Fürsten mit Schmach und Schande bedeckt sein bis ans Ende der Zeiten, und die Kunde von uns wird durch die Karawanen überall ruchbar werden."

Wie mag es sich in Zeiten gelebt haben, als Karawanen mit ihren trottenden Kamelen das flotteste Verbreitungsmedium waren!

Offenbar hatten der Prinz und seine Schwester in der Höhle Zuflucht gesucht und waren darin umgekommen. Der König nimmt nun den Vetter an Sohnes statt, doch als sie wieder nach oben kommen, hat der bösartige, augenauspieksende Wesir auch die Herrschaft über diesen Ort erlangt. Der Oheim wird getötet, und der Prinz kann sich nur retten, indem er sich den Bart schert. Er flieht nach Baghdad, um dort Schutz beim Herrscher der Gläubigen, Harûn er-Raschid zu finden, wo er aber zunächst nur die anderen beiden traf.
Die Dame ist zufrieden mit der Geschichte, und es beginnt

Die Geschichte des zweiten Bettelmönches

Dieser war ebenfalls Sohn eines Königs und kundig in:

  • Lesen des Korans in nach Traditionen

  • Vortragen gelehrter Bücher

  • Sternenkunde

  • Dichtung

  • Kalligraphie

Als er an den Hof des indischen Königs geladen wird, schifft er sich mitsamt Pferden ein, belädt Kamele auf dem Festland und wird in der Wüste von Beduinen überfallen, die die Karawane ausrauben. Der Prinz aber kann fliehen. In einer Stadt, deren König der Erzfeind seines Vaters ist, verdingt er sich bei einem Schneider als Holzhacker, denn seine Künste bringen ihm hier nichts ein:

"In unserer Stadt ist niemand, der etwas weiß von den Wissenschaften oder auch nur vom Schreiben, außer dem Geldverdienen."

Dazu Luhmann: "Bis in die Neuzeit wird Schrift primär als Gedächtnisstütze und als Transportmittel aufgefasst, und es gibt folglich keinen Begriff von Kommunikation der mündliche (Rede) und schriftliche Ausführung übergreift." (Gesellschaft der Gesellschaft, Kap. 4 / XIII)

Im Wald findet er eines Tages eine Luke, die, als er sie anhebt, ihn in eine Höhle führt.

Reimprosa: "Darinnen fand ich eine Maid, gleich einer kostbaren Perle; die erlöste mir das Herz von Kummer, Gram und Leid; ihre Stimme heile alles Bangen und nahm den Klugen und Weisen gefangen; ihr Wuchs war von zierlicher Art; fest standen die Brüste gepaart, ihre Wangen waren zart, von Farben glänzend rein und Haut so wunderbar fein; ihr Antlitz erstrahlte durch der Locken Nacht, und über den herrlichen Schulter glitzerte ihrer Zähne Pracht."

Sie wurde vor 25 Jahren vor ihrer Hochzeitsnacht von einem Dämon, der der Vetter des Satan persönlich ist, hierher verschleppt. Man fragt sich natürlich, a) wie sie ihre Schönheit in einer Höhle erhalten konnte und b) wie alt den die "Maid" heute ist, wenn sie 25 Jahre gefangen ist plus im heiratsfähigen Alter war. Selbst wenn man ein Heiratsalter von zwölf Jahren ansetzt und auch noch das arabische Mondjahr in Betracht zieht, müsste sie doch wenigstens 34 sein.

Nichtsdestotrotz baden sie miteinander, kneten einander die Füße – eine auch zu damaligen Zeiten heikle Angelegenheit, den wir können davon ausgehen, dass der Dämon nicht weniger sensibel auf solche Vorgänge reagiert als beispielsweise Marsellus Wallace.

Wein, dessen Konsum anscheinend häufiger das Nahen einer Katastrophe andeutet, macht unseren Bettelmönch in spe betrunken und er zertritt die Nische, deren Berührung schon den Dämon herbeiruft.

11. Nacht

Man gestattet den Gefangenen, ihre Geschichte zu erzählen, um sich auf diese Weise freizukaufen. (Zweite Wiederholung des Schehrezâd-Motivs Geschichte gegen Leben).
Der Kalif will seinen Wesir vorschicken, nun zu sagen, wer sie seien, doch der Wesir spielt den Eigeschnappten.
Der Lastenträger berichtet in zwei Sätzen, was sowohl wir als auch natürlich die Damen wissen.

"Das ist meine Geschichte, und damit basta!" Da lachte die Dame und sprach zu ihm: "Heb deine Hand zur Stirn und geh fort."

Hand zur Stirne heben? Ein Abschiedsgruß vielleicht?

Eine Geste, die mich im Iran zunächst verunsicherte: Den Kopf in den Nacken werfen und dabei leicht schnalzen. Ich interpretierte das erst als arrogantes "Wie bitte?" und wiederholte meine Frage an den Taxifahrer: "Fahren Sie zum Bahnhof?" bis ich erfuhr, dass die Geste schlicht "Nein" bedeutet.

Doch der Lastenträger bleibt, um die Geschichten der anderen zu erfahren.

Die Geschichte des ersten Bettelmönches

Der erste Bettelmönch ist der Sohn eines Königs. Als er seinen Vetter besucht, betrinken sie sich und der Vetter lässt sich mit einer Dame vom Königssohn in eine Gruft einbuddeln. Am nächsten Morgen hält er alles für einen Traum, ist aber beunruhigt über das Verschwinden seines Vetters. Bei der Rückkehr in seine Heimatstadt wird er verhaftet. Es stellt sich heraus, dass der Wesir geputscht hat und sich nun am Sohn rächen will, der ihm als Knabe auf der Vogeljagd mit der Armbrust ein Auge ausschoss.

"Wenn du es aus Versehen getan hast, so will ich es mit Absicht tun." (…) und er stieß mir den Finger ins linke Auge und drückte es aus.

Man sollte sich genau überlegen, ob man seine Söhne auf Vogeljagd schickt, wenn die Gegenwart von Ministern nicht zu vermeiden ist.

Der Schwertträger, der ihn hinrichten soll, läst ihn, ähnlich wie der Jäger in "Schneewittchen" laufen, nur dass er dem Wesir keine gebratenen Innereien als Beleg servieren muss.
Der Königssohn flieht in die Stadt des Oheims, der über den Verlust seines Sohnes trauert, und offenbart ihm die Geschichte. Sie gehen zum Totenacker und öffnen die Grabkammer, wo sie in einem Saal voller Getreide einen Thronhimmel finden, auf dessen Lager die verkohlten Leichen des Vetters und seiner Dame liegen.
Bemerkenswerte Reaktion des Vaters, der ja eben noch um den verlorenen Sohn trauerte:

spie er seinem Sohn ins Gesicht und rief: "Das verdienst du, du Ekel!"

Ich hoffe, dass der Kummer, den ich meinen Eltern von Zeit zu Zeit bereite, nicht so weit geht, dass sie sich eines Tages zu solchen Ausbrüchen hinreißen lasse.

10. Nacht

Die 10. Nacht

Das Geschlechtsteil des Trägers heißt also weder zubb noch air und auch nicht chazûk. Doch der Träger verrät es den Damen nach einigem Kosen, Necken und Schlagen*.

"Dies ist das Maultier, das die Krauseminze des Kühnen als Weide winkt, das den enthülsten Sesam als Nahrung verschlingt und in der Herberge des Abu Mansûr die Nacht verbringt."

Am nächsten Morgen soll er zunächst gehen:

"Zieh ab und zeige uns die Breite deiner Schultern."

Eine derb-freundliche Art, einem Mann zu sagen, dass man ihn lieber von hinten sehen will. Doch der Träger überredet sie bleiben zu dürfen und so verbringt er weitere nette Stunden mit ihnen, bis es an der Tür klopft: drei einäugige, persische Bettelmönche,

deren Bärte und Schnurrbärte abrasiert sind,

begehren Einlass, da sie von der Nacht überrascht worden seien. Er wird ihnen gewährt, ebenfalls mit der Warnung:

"Wer da redet von dem, was ihn nichts angeht, wird hören, was ihm nicht angenehm ist."

Nun trinken und tändeln sie zu siebt. Ein dramaturgisch eigenwilliger Moment, eine Figur einzuführen, die uns wohl noch oft in den 1001 Nächten begegnen wird: Kalif Harûn er-Raschid**, der (wie immer verkleidet) gemeinsam mit seinem Wesir Dscha’far und Marûr, dem Träger des Schwertes seiner Rache, des Nachts prüft, ob seine Untertanen in Baghdad auch brav sind. Er klopft – gegen den Rat des Wesirs (schließlich wird dort Wein getrunken) – an die Pforte, ihm wird geöffnet und er begehrt Einlass, der ihm unter derselben Bedingung gewährt wird.
Nun geschieht etwas Merkwürdiges: Zwei schwarze Kettenhunde werden herausgelassen. Die Wirtschafterin peitscht sie aus, nur um gleich anschließend in Tränen auszubrechen, und die Biester zu streicheln und zu trösten. Die älteste Dame singt ein Klagelied. Und die Pförtnerin fällt ständig in Ohnmacht, indem sie sich die Kleider zerreißt und somit Geißelnarben auf ihrem Rücken sichtbar werden.
Wie standhaft wäre man da, nicht doch nachzuhaken? Den Kalifen jedenfalls übermannt die Neugier. Er lässt den Lastenträger fragen, woraufhin die Damen erzürnen:

"Kommt schnell herbei!" Und siehe, eine Kammertür tat sich auf, und heraus traten sieben Negersklaven mit gezücktem Schwert in der Hand; und sie sagte zu ihnen: "Fesselt diese Schwätzer und bindet sie Rücken an Rücken!"

Die Sklaven können es kaum erwarten, ihren Opfern die Köpfe abzuschlagen, doch die Dame gibt ihnen noch eine Stunde Zeit.

* Wie weit diese Schläge gehen, wird nicht gesagt, aber man kann getrost davon ausgehen, dass hier eine sanfte S/M-Variante angedeutet wird.

** In Wirklichkeit war Harûn er-Raschid überhaupt nicht am Schicksal seiner Untertanen interessiert, sondern hockte die ganze Zeit – abgeschirmt durch Wesire und Berater in seinem Palast. Seine politischen Fähigkeiten hielten sich – im Gegensatz zu seiner Eitelkeit – in Grenzen. Er förderte aber die Kunst, vor allem aber die Literatur. Die Autoren dankten es ihm, indem sie ihn in ihren Geschichten zu einem großartigen, weisen Herrscher zurechtfabulierten.

9. Nacht

Ein wenig umständlich und vorhersagbar trudelt die Geschichte aus: Der König tötet die Hexe mit dem Schwert und reist mit dem vormals versteinerten Prinzen und einem Begleittrupp von fünfzig Mamluken zurück in sein Land, das sich nun, nachdem der Spuk vorbei ist, eine Jahresreise entfernt vom Orte des Geschehens befindet. Der Fischer wird mit einer Palette Ehrenkleider belohnt, und damit die Geschichte auch sexualpolitisch aufgeht, stellt sich nun heraus, dass er zwei Töchter hat, die mit den Königen vermählt werden können. Sein Sohn wird Schatzmeister, was, so vermute ich, auch der Grund dafür ist, dass

Der Fischer aber der reichste Mann seiner Zeit wurde.

Die Position des reichsten Mannes unserer Zeit machen sich ja nun seit einigen Jahren abwechselnd die Gründer von Microsoft und IKEA gegenseitig streitig. Beiden Firmen stehe ich doch etwas ambivalent gegenüber. An IKEA kommt man kaum vorbei, wenn man für ein halbwegs ansehnliches Bücherregal kein Vermögen ausgeben will und Gott einen nicht mit Handwerkerfingern gesegnet hat. Und so werde ich wohl am kommenden Sabbat wohl wieder zur Reichtumsvermehrung jenes Herren beitragen. Ich weiß allerdings schon jetzt, dass ich mir das Angeduze nicht gefallen lassen werde. In den Katalogtexten scheinen die Texter ja schon einen internen Wettbewerb auszutragen: Wer bringt die meisten deklinierten Formen von "Du" unter.
Die Produkte von Microsoft waren mir eigentlich schon immer etwas sympathischer als die des Konkurrenten mit dem angebissenen Obst, die einem immer ein wenig schnickischnacki vorkommen. Nur die Hardware ist so unrobust. Während ich dese Zeilen tippe, flackert mein weißseinsollender Bildschirmhintergrund hellblau-orange.
In Deutschland sind die reichsten Leute diejenigen, die einem am erfolgreichsten ihren Billigscheiß aufschwatzen: Die Aldi-Brüder und Schlecker. Liegt das an diesen Cleverles oder an den auf Ramschkauf bedachten Deutschen?
Die Geschichte vom Fischer und dem Dämon ist nicht wunderbarer als

Die Geschichte des Lastträgers und der drei Damen

Ein unverheirateter Lastträger in Baghdad wird von einer wunderschönen Dame gebeten, einen Korb für sie zu tragen. Bei einem Christen kauft sie eine grüne Flasche. (Wir können uns schon denken, was die Christen den Moslems so in Flaschen verkaufen.) Aber dies ist erst der Anfang. Es geht weiter zu verschiedenen Händlern. Ich nenne hier jeden fünften Artikel:

  • Wasserlilien aus Syrien

  • Tamarinden

  • weiße Heckenrosen

  • in ein Bananenblatt gewickeltes Fleisch

  • Törtchen mit Moschus zubereitet

  • Kämme der Zainab, aus Zuckerguss zubereitet

  • Weidenblütenwasser

  • alexandrinische Kerzen

Es stellt sich heraus, dass die Dame mit ihren beiden Schwestern wohnt. Alle drei gar anmutig. Die zweite z.B.:

Es war eine Dame von stattlichem Wuchs, etwa fünf Fuß hoch, mit schwellendem Busen, von Schönheit und Anmut, vollkommenem Liebreiz und ebenmäßiger Gestalt. Ihre Stirn war blütenweiß, ihre Wangen helrot wie die Anemone, ihre Augen wie die einer wilden Färse oder der Gazelle, und ihre Brauen wie der Neumond des gesegneten Fastenmonats; ihr Mund war wie der Ring Salomos, ihre Lippen korallenrot und ihre Zähne wie eine Schnur von Perlen oder wie Blätter der Chrysanthemumblüte. Ihr Hals glich der einer Antilope, ihr Busen einem Marmorbecken, und ihre Brüste glichen zwei Granatäpfeln; ihr Leib war weich wie Samt, und die Höhle ihre Nabels hätte eine Unze Benzoesalbe gefasst.

Erstaunlich, dass die Tiefe des Nabels als erwähnenswertes Schönheitsmerkmal gilt.
Aber nicht nur die Damen, auch das Haus der Schwestern ist von großer Schönheit. Man beachte nur das

Lager aus Wacholderholz, mit Edelsteinen besetzt, über dem ein Baldachin schwebte aus rotem Atlas, der mit Perlen aufgesteckt war, so groß wie Haselnüsse und größer noch.

Ich vermute, nach sowas werde ich bei IKEA lange suchen können. Und wenn es das gäbe, würde mich sein IKEA-Name Wachöldö abschrecken.
Nachdem er abgeladen hat, belohnen die Schwestern ihn mit zwei Dinar, und schicken ihn heim, aber zu Recht giert er nach mehr:

"Ihr wisst doch, dass der Turm der Moschee nur auf vier Grundmauern stehen kann; aber euch fehlt der vierte!"

Gut gesprochen, sie laden ihn ein, an ihren Lustbarkeiten teilzunehmen, unter der Bedingung, Schweigen darüber zu wahren.

Nach 8 Tagen 1001-Nacht-Schulung vermutet man hinter diesen Damen sicherlich Dämonen oder Metzen, noch aber zeigt sich nichts dergleichen: Die vier betrinken sich, wie es sich eigentlich nicht gehört, und vor lauter Begeisterung improvisiert der Lastenträger die folgenden Zeilen:

Der Becher wird nur getrunken mit dem vertrauten Freund,
Dem Manne von edler Abkunft und altem Geschlechte vereint.
Der Wein ist wie der Wind: wenn er über Düfte weht,
So duftet er; doch er stinkt, wenn er über Leichen geht.

Die letzte Zeile würde mich ja eher abtörnen, aber die vier gehen nun zur Sache: Sie tändeln, küssen, beißen, streicheln

und er war bei ihnen in höchster Wonne, wie wenn er im Paradiese bei den schwarzäugigen Jungfrauen säße.

Die drei Damen steigen ins Bassin und er soll die Namen ihrer Geschlechtsteile raten. Falsch liegt er mit

rahim, fardsch, kuss, zumbûr, mudûl

Richtig dagegen:

  1. Krauseminze des Kühnen,

  2. Der enthülste Sesam,

  3. Die Herberge des Abu Mansûr.

Als sie hingegen den Namen seines Gliedes erraten sollen,

bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann, und sie hielt in ihrer verstatteten Rede an.

7. Nacht – Nachtrag

Nachtrag zur siebten Nacht: Der aus der Wand tretende schwarze Sklave gleicht einem riesigen Felsen oder einem Überrest aus dem Stamme ‚Âd. Auf die Leibesgröße dieses altarabischen Stammes spielt die Sure 7,67 an.

Die 8. Nacht

In seiner Hast vernachlässigt der eifersüchtige Prinz die Schlagkraft des Schwertes und durchschneidet ihm nicht die beiden Schlagadern,

sondern nur die Haut und das Fleisch.

und reitet eilig zurück in den Palast. Seine Base kommt ebenfalls zurück und legt drei Trauerjahre ein, weil, so ihre nach dem Motto "je mehr je besser" vierfache Lüge, ihr die Mutter entschlafen, der Vater im Dschihad gefallen, der eine Bruder am Schlangenbiss gestorben, der zweite unglücklich hingefallen seien.
Seltsamerweise gestattet der Prinz nicht nur die Trauerzeit, sondern auch den Bau eines Mausoleums, in dem sie den um seine Luftröhre beraubten Sklaven mit Wein und Brühe pflegt und bejammert:

Besäß ich auch alle Güter der Welt und dazu der Perserkönige Reich:
Und könnte dein Antlitz nicht schaun – sie wären dem Flügel der Mücke mir gleich.

Nach Ablauf des dritten Jahres outet sich schließlich der Prinz als Verursacher des Luftröhrenschadens:

"Oh, du allergemeinste Dirne, du allerschmutzigste Buhlerin, Geliebte eines Negersklaven, die du dich weggeworfen hast! Jawohl, ich habe es getan!"

Kein Wunder, dass sie daraufhin ihre Hexenkräfte einsetzt, um a) seinen Unterleib zu versteinern und b) die Einwohner der Stadt in Fische zu verwandeln, wobei die Farben die "Zünfte" (= Religionen) repräsentieren: Muslime, Christen, Juden, Feueranbeter*. Seitdem peitscht die Hexe jeden Morgen ihren Cousin, um ihm anschließend ein härenes Gewand anzuziehen.
Der die Geschichte hörende König weiß Rat. Er tötet den Sklaven, wirft ihn in den Brunnen, zieht seine Kleider an und legt sich an seine Stelle. Als nun die Hexe ankommt,

dämpfte [er] die Stimme und verrenkte die Zunge und sprach in der Art der Neger.

Man stelle sich diesen geballten Rassismus in einer aktuellen Geschichten-Anthologie, etwa der Lesebühnen, vor.
In dieser Verstellung gelingt es ihm, sie zu überreden die Verwandlungen rückgängig zu machen.

*****

*Gemeint sind die Zoroastrier, die bis zur Invasion der Araber in Perien dominierende Religion. Die Bezeichnung "Feueranbeter" ist zumindest eine Vereinfachung, wenn nicht eine Herabwürdigung. Feuer ist – gemeinsam mit Erde, Wasser und Sonne(!) – eines der vier heiligen Elemente.

7. Nacht

Zur Orientierung:

Schehrezâd
—————-> Fischer und Dämon (= nunmehr Fische und König)

Nach dem Wesir schaut sich nun auch der König das
Schauspiel an, welches die farbigen Fische liefern, wenn sie gebraten werden,
nur das diesmal ein schwarzer Sklave aus dem Mauervorsprung heraustritt.

Stellt sich natürlich die Frage, woran man erkennt, dass es ein Sklave
ist, aber vermutlich, hatte man als Dunkelhäutiger zu jener Zeit in jener Gegend
keine große Auswahl in Bezug auf die gesellschaftliche Schicht.

Den bescheuerten an Knusperknäuschen gemahnende Vers, den die Fische aufsagen,
muss ich hier wohl doch wiedergeben, da er vermutlich noch eine Rolle spielen
wird.

Kehrst du um, so kehren wir um, und bist du treu, so bleiben wir treu.

Sagst du aber dich los, so sind wir des Versprechens frei.

Der König ruft seine Truppen zusammen und lässt
sich von dem Fischer den See und die Wüste zeigen, die keine halbe Stunde vom
Palast entfernt liegen, die er aber noch nie gesehen hat. Ob das glaubwürdig
ist? Hellersdorf liegt ja auch nur eine knappe halbe Autostunde von Mitte
entfernt, aber ob ein Regierender Bürgermeister diese Betonwüste je zu Gesicht
bekam?

Seltsamerweise bleibt er jedoch nicht am See, sondern reitet verkleidet weiter
durch die Wüste, wo er nach zwei Tagen einen verlassenen Palast findet, in
welchem ein bis zur Hüfte versteinerter Prinz hockt, der in Prosareim
beschrieben wird:

Es war ein Jüngling wunderschön, von Gestalt lieblich anzusehn, mit einer Stimme glockenrein, einer Stirne zart und fein, einer Wange von rotem Schein, und einem Male mitten auf seiner Wange, wie ein Ambrakügelchen klein.

Dieser berichtet dem König von seinem Schicksal:

Die Geschichte des versteinerten Prinzen

Der Prinz, Herrscher der Schwarzen Inseln, war mit
seiner lieblichen Base verheiratet. Inzwischen kann man den Braten schon
riechen: Wenn die Ehe als glücklich geschildert wird, ist die Gattin am Ende
doch eine Metze.

Und tatsächlich, als er einmal den von ihr als Abendtrunk servierten Wein nicht
austrinkt, wird er Zeuge, wie sie sich aus dem Palast stiehlt und sich von einem
(wie könnte es anders sein) schwarzen Sklaven demütigen lässt,

dessen eine Lippe wie ein Topfdeckel und dessen andere Lippe wie eine Schuhsohle war; ja seine Lippe war so lang, dass er mit ihr den Sand vom Kiesflur der Hütte hätte auflesen können. Er war aussätzig und lag auf einer Streu vom Abfall des Zuckerrohrs, gehüllt in ein altes Laken und in Lumpen und Fetzen.

Da sie zu spät kommt, herrscht er sie an:

„Nun schwöre ich einen Eid bei der Ehre der Mohren – und glaube nicht, unser Ehrgefühl sei so gering wie das Ehrgefühl der Weißen! -, wenn du von heute an noch einmal bis zu dieser Zeit ausbleibst, so will ich nicht mehr mit dir Gesellschaft pflegen, noch will ich meinen Leib an dich kleben, du Verfluchte!“

Es scheint, je widerwärtiger der Nebenbuhler beschrieben wird, umso größer die Schmach des Betrogenen. Und natürlich wird
sich auch der Prinz die gute alte Frage gestellt haben: „Was hat er, was ich
nicht habe?“ Oder – schlimmer noch – die quälende Frage jedes aufgeklärten
Mannes, der der Emanzipation der Frau wohlwollend gegenübersteht: „Will meine
Frau gedemütigt werden, und ich war zu nett zu ihr?“

Naheliegenderweise will der Prinz ein frühes Ableben der beiden herbeiprovozieren, wozu ihm das Schwert seiner Frau ein willkommenes Werkzeug zu sein scheint:

„Zuerst führte ich einen Hieb nach dem Nacken
des Sklaven und glaubte, dass es um ihn geschehen sei!“

Da bemerkte Schehrezâd, das Mainzelmännchen unter den Geschichtenerzählern, dass der Morgen begann und sie hielt in der verstatteten Rede an.

*****

Unappetitliches Gericht: Knochen von gekochten Mäusen mit Bierresten.

Sonntagspersisch.
Lektion 6: Präteritum, Syntax.

Alles noch leicht, keine Fehler. Einzige zu rekapitulierende Vokabel: Lehrer = Mo’allem.
Muss eine bessere Persisch-Tastatur finden. Ständig werden die Wörter vertauscht.
Übung:
Und nun, nachdem ich mir solche Mühe allein mit dem Tippen gemacht habe, erkennt Blogger die Zeichen nicht bzw. verstümmelt alles.

6. Nacht

Die 6. Nacht

Zur Orientierung:
Schehrezâd
——Fischer und Dämon

Der Fischer ist drauf und dran, die Dämonflasche nun endgültig ins Meer zu werfen, doch der Dämon bittet ihn:

  • „Tue mir nicht, wie Umâma dem ‚Âtika tat.“

Auf die Frage, was denn mit dem geschehen sei, gibt er die treffende Antwort:

  • „Dies ist nicht die Zeit zum Erzählen, während ich in diesem Gefängnis sitze.“

Also werden wir auch um die Geschichte von Umâma und ‚Âtika geprellt.
Doch schließlich lässt sich der Fischer vom Dämon bezirzen: Er nimmt ihm den Schwur ab, ihm nur Gutes zu tun. Aber Schwüre haben nur begrenzten Einfluss auf körperliche Instinkte – als der Dämon die Flache verlässt,

  • glaubte er an den sicheren Tod; sein Wasser träufelte in sein Kleid.

Doch der Dämon führt den Fischer zu einem See mit weißen, roten, blauen und gelben Fischen, die er dem König verkaufen möge.

  • „Fische jedoch in diesem See nur einmal am Tage!“

Was wie eine eindringliche Warnung klingt, wäre in einem Grimm-Märchen die 100%ige Garantie dafür, dass sich der Fischer nicht daran hält. Hier jedoch könnte es nur typisches Dämonengeschwafel sein.
Die Fische werden für 400 Dinare verkauft, und die neue Küchensklavin, ein Geschenk aus Griechenland, wird ausprobiert, indem man sie mit der Zubereitung der Fische beauftragt:

  • „Wir erproben dich, o meine Träne, nur in der Zeit, unserer Not.“

Die Fußnote meint dazu:

  • Man erprobt etwas nur in der Zeit, in der man es braucht.

Als ob das irgendetwas erklären würde.
Mir hat übrigens noch kein Grieche etwas geschenkt.

  • Soviel von dem Fischer!

Ob er noch einmal auftaucht, ist zweifelhaft.
Als die Sklavin nun die Fische zubereitet, spaltet sich die Küchenwand und heraustritt ein Mädchen. Es folgt, die erste ausführliche Mädchenbeschreibung, hier noch recht züchtig und nüchtern:

  • schön von Gestalt, mit runden Wangen, von vollendeter Anmut, mit tiefschwarz gefärbten Augenlidern. Sie trug ein seidenes Kopftuch mit blauen Fransen; an ihren Ohren Ringe; die Handgelenke umschloss ein Paar Spangen, und Ringe mit unschätzbaren Edelsteinen waren auf ihren Fingern; in der Hand aber hielt sie eine Rute aus Bambusrohr.

Das Mädchen beginnt mit den Fischen zu sprechen, und die Sklavin fällt naheliegenderweise in Ohnmacht, aus der sie erst wieder erwacht, als die Fische schwarzgebrannt sind.
Schöner Schreckensausruf:

  • „Im ersten Waffentanze zerbrach schon seine Lanze.“

Sie ist so verstört, dass sie

  • nicht mehr imstande war, den Sabbat vom Donnerstag zu unterscheiden.

Ende der 6. Nacht… Weiterlesen

5. Nacht

König Junân erzählt seinem Wesir
Die Geschichte von König Sindibâd

Zur Orientierung:

Schehrezâd
——Fischer und Dämon
————-Wesir des Königs Junân
——————–König Sindibâd

Dieser König hat einen treuen Falken. Bei einer Jagd geraten die
beiden in die Wüste, und der Falke stößt, als sie endlich unter einem Baum
Wasser finden, den gefüllten Trinknapf um, woraufhin ihm der König die Flügel
abschneidet. Dieser deutet sterbend auf den Baum, und jetzt erkennt der König,
dass es sich nicht um Wasser, sondern um Gift handelt, das vom Baum tropft.
(Ende)
Der Wesir erwidert dem König mit der

Geschichte vom treulosen Wesir

Schehrezâd
——Fischer und Dämon
———–Wesir des Königs Junân
——————Treuloser Wesir

Seltsam eigentlich, dass ein treuloser Wesir seine bösen
Absichten mit einer Geschichte von einem treulosen Wesir zu kaschieren versucht.
Ein König stellt seinem der Jagd verfallenen Sohn einen Wesir
zur Seite, der immer auf ihn aufpassen soll. Einmal jedoch entwischt der
Königsohn und gerät in die Fänge einer sich als traurige Maid verstellende Ghûla,
die ihn an ihre Kinder verfüttern will. Nur ein Gebet kann ihn erretten. Als er
nach Hause kommt, wird der Wesir zur Strafe für seine Unachtsamkeit
hingerichtet.

Zeiten, in denen der Ministerberuf Babysitter für erwachsene
Kinder einschloss – ein sich als gefährlich entpuppender Job. Wenigstens konnte
der Wesir davon ausgehen, dass keiner der Henker ein Handy mit Kamerafunktion
dabei hatte.
***
Zurück zu Junân. Der Wesir überredet den König, Dubân köpfen zu
lassen:

„Verrate du ihn, ehe er dich verrät.“

Dubân warnt den König:

„Dieser Lohn, den du mir zuteil werden lässest, ist der
Lohn des Krokodils.“ Da fragte der König: „Was ist das für eine Geschichte mit
dem Krokodil?“

Und natürlich erwarten wir eine weitere Abschweifung.

Doch der Weise sprach: „Es ist mir unmöglich, sie dir in
diesem Zustand zu erzählen.“

Wir atmen auf. Und doch bleibt der Stachel: Wir werden nie
erfahren, was es mit dem Krokodil auf sich hat, denn Dubân wird getötet, nicht
ohne dem König ein Orakel zum Geschenk zu machen: Sein abgeschlagener Kopf wird
nach seinem Tode sprechen, wenn der König ein Buch aus dem Hause des Arztes
holen geht. Die aneinanderhängenden Seiten blättert der König um, indem er seine
Finger mit Speichel benetzt, und so erfahren wir, aus welcher Quelle sich
Umberto Eco beim „Namen der Rose“ hat inspirieren lassen. Ein Toter
mehr.… Weiterlesen

4. Nacht

Doch als die Vierte Nacht anbrach, sagte ihre Schwester zu
ihr: „Erzähle uns doch deine Geschichte zu Ende, wenn du nicht schläfrig bist!“
und so fuhr sie fort.

Die Übergänge zwischen den Nächte werden also immer straffer.
Das Einverständnis des Königs ist ihr schon gewiss.

Wie zu erwarten, fällt der Dämon (auch ‚Ifrît genannt) auf den
Trick herein, verkleinert sich und verschwindet in der Flasche, aus der er nicht
herauskann,

denn das Siegel Salomos hinderte ihn.

Der Dämon bittet den Fischer, doch dieser entgegnet:

Ich und du, wir stehen wie der Wesir des Königs Junân und der weise Dubân.

In einer Flasche eingesperrt, und die Aussicht nun bis an den
Tag des Gerichts darin hocken zu müssen, reduziert natürlich das akute Interesse
an Gleichnissen und Märchen, aber es wäre töricht, vom Dämon, den Fischer nun
mit Ungeduld zu reizen. Und so beginnt der Fischer

Die Erzählung von dem Wesir des Königs Junân

Junân, König von Fârs, im Lande Rumân (??) ist vom Aussatz befallen,
und kein Arzt weiß ihm zu helfen. Aber glücklicherweise erfährt der weise Dubân,
der sich mit Linguistik, Philosophie, Astrologie, Pflanzenkunde, Medizin
auskennt, von des Königs Unglück. Er blieb

eine ganze Nacht in tiefen Gedanken sitzen.

Diese Nachdenklichkeit wünschte ich mir auch von meiner Ärztin,
die, wenn ich ihn ihrem Behandlungszimmer sitze, eher mit ihrem Computer zu
sprechen scheint als mit mir. Im Gegensatz zu anderen Doktoren spricht sie mit
mir auch nicht in der ersten Person Plural, sondern in der dritten Person
Singular: „Raucht er noch?“

Dubân will Junân ohne Arznei oder Salbe heilen:

Er stellte einen Schlegel her; den höhlte er aus und machte
einen Griff daran, und dazu machte er einen Ball mit großer Kunst.

Dem König rät er:

„Nimm diesen Schlegel und fasse ihn mit diesem Griffe an;
so! Jetzt reite auf den Platz und lehne dich gut übers Pferd und schlage den
Ball so lange, bis Hand und Körper dir feucht werden: dann wird die Arznei durch
deine Handfläche dringen und deinen ganzen Leib durchziehen.“

Wer würde sich heute an so einen Rat halten?
Dann soll der König flugs ins Bad gehen.
Mir kommt allerdings der Verdacht, dass die Krankheit des Königs allein durch
Unreinheit verursacht ist. Da man aber einem König schlecht sagen kann: „Du
stinkst. Wasch dich!“, brauchte der Arzt eine ganze Nacht, um sich eine elegante
Lösung auszudenken, damit man den König endlich mal wieder ins Bad kriegt.

Der König gesundet tatsächlich, und der Dubân wird mit
Geschenken überhäuft. Aber es gibt, wie der Geschichtentitel schon andeutet
einen neidischen Wesir, denn:

Neid lauert in jedem Leib.

Der Wesir versucht, beim König Hass zu säen, doch dieser
durchschaut ihn und sagt:

„Ich muss wohl glauben, du sprichst nur aus Neid, wie man
mir vom König Sindibâd berichtet.“

Die Antwort des Wesirs ist gewiss nicht schwer zu erraten, doch
Schehrezâd, die Queen of Cliffhanger bricht hier ab.

3. Nacht

Schehrezâd beendet die Geschichte vom Kaufmann und dem Dämon
knapp: Der Dämon lässt den Kaufmann am Leben, der Kaufmann dankt den Scheichen
und alle gehen nach Hause. Man fragt sich, warum denn die Scheiche mit ihren
Viechern hierher nach dem Lande Hind gekommen sind – war da nicht eine Erlösung
der Tiere angedeutet? Aber solche Strippen, die da am Ende der Geschichte rausbammeln (zit.V. Strübing) kümmern Schehrezâd nicht, denn

dies ist alles nicht wunderbarer als die Geschichte des
Fischers. Da fragte der König: Was ist das für eine Geschichte?“ So erzählte sie
denn

Die Geschichte vom Fischer und dem Dämon

An die Anwesenheit von Dämonen werden wir uns wohl gewöhnen
müssen.

Ein armer Fischer wirft viermal täglich seine Netze aus, und an
besagtem Tag findet er in seinem Netz

  1. einen toten Esel

  2. einen Krug voll Sand und Schlamm

  3. Scherben, Glas und Knochen

  4. eine langhalsige Messingflasche mit dem Siegel unseres Herrn
    Salomo, es Sohnes David.

Nicht schwer zu raten, aus welchem dieser Gegenstände beim
Öffnen ein Dämon entweicht.
Erstaunlich allerdings, dass der Fischer nach jedem misslungenen
Versuch weinend Verse rezitiert. Es gelingt mir nicht, mir heute einen Fischer
auf einem Nordseetrawler vorzustellen, dem bei einem Misserfolg die Tränen
kommen und der obendrein noch folgende Verse nicht nur zu memorieren, sondern
auch zu rezitieren in der Lage ist:

O der du tauchest ins Dunkel der Nacht und ins Verderben,
Kürz deine Müh, denn durch Arbeit wirst du kein Brot erwerben 1.
Du siehst das Meer, und du siehst den Fischer ums Brot sich mühn,
Wenn die Gestirne der Nacht in flimmerndem Lichte erglühn.
Jetzt taucht er mitten hinein, und die Wogen umpeitschen ihn wild;
Doch er blickt stetig aufs Netz, wie es auf und nieder schwillt.
Und saß er dann einmal des Nachts froh über den Fang
Eines Fisches, dem der Haken des Wehs in den Gaumen drang –
Dann kauft ihn jemand ihm ab, der seine ganze Nacht
Geschützt vor der Kälte behaglich in schönstem Wohlsein verbracht.
Preis sei Ihm, dem Herrn, der geben und nehmen kann:
Der Eine erjagt den Fisch, der Andre verspeiset ihn dann.

Der Dämon will ihn wegen zu später Errettung den Fischer töten,
denn er gehört zu den frevelnden Dämonen, die Salomo einschloss und im Meer
versenkte.
Wie lange könnte man es in einer solchen Flasche aushalten, ohne vor Langeweile
wahnsinnig zu werden? Jack London, Alexandre Dumas und Stefan Zweig berichten
von Gefangenen, die sich die Zeit damit vertreiben, gegen sich selbst Schach zu
spielen. Ich fürchte, ich würde mich selber beschummeln. Aber irgendwann fockt
dit ooch nich mehr. Man könnte wie Diogenes in der Tonne über die Welt oder wie
Hamlet, dem nach eigener Auskunft eine Nussschale genügt hätte, über sich selber
zu grübeln anfangen. Aber mit welchem Ziel? Ich kann den Groll des Dämons
verstehen.

Der Fischer wendet jedoch jenen bekannten Trick Siebzehn an und
fragt den Dämon, wie er denn bei seiner Größe in der Flasche gewesen sein könne.

Schehrezâd endet hier, aber das Motiv ist so bekannt – selbst
bei den Brüdern Grimm taucht es noch in verstümmelter Form beim „Geist in der
Flasche“ auf.
Unklares Inventar: Worfschaufeln
**********************

Zur Unverhältnismäßigkeit der Verknüpfung von Arbeit und Broterwerb, siehe auch die Kampagnen des Thüringer Ministerpräsidenten und der Liga für Kampf
und Freizeit
.

2. Nacht

Wie wir hofften, bittet der König Schehrezâd in der darauffolgenden Nacht, ihre Geschichte weiterzuerzählen. Anderenfalls wäre wohl „1001 Nacht“ ein Misserfolg geblieben. Denn soviel Postmodernität, dass man die Heldin des Epos gleich auf den ersten Seiten killen lässt, kann man hier wohl nicht erwarten.

Der Scheich lässt nun das Kalb seinen Sohn nicht schlachten. Die Tochter des Hirten erkennt die wahre Gestalt und fragt:

  • „Väterchen, ist meine Ehre dir so billig geworden, dass du fremde Männer zu mir hereinführst?“

Der Scheich wird herbeigeholt, der Zauber aufgedeckt, das Mädchen ehelicht das Kalb den Sohn und verwandelt die böse Gattin des Scheichs in eine Gazelle. Jahre später stirbt das Mädchen, und der Sohn zog aus

  • nach dem Lande Hind, und das ist das Land dieses Mannes, von dem dir widerfuhr, was geschehen ist.

Hind = Indien?

Der Dämon schenkt dem Scheich ein Drittel des Kaufmannslebens. Und folgerichtig beginnt unter derselben Bedingung

Die Geschichte des zweiten Scheichs

der gleich offenbart,

  • dass diese Hunde meine Brüder sind.

Die Geschichte beginnt wie ein Gleichnis von faulen und fleißigen Kaufmannssöhnen. Die beiden Älteren gehen auf Reisen und kommen verarmt weder. Der Jüngere hilft ihnen aus der Not.

Auf meinen bisherigen Reisen bin ich glücklicherweise nie verarmt. Wobei ich oft eine all zu preiswerte Variante gesucht und gefunden habe. Eine Pauschalreise in den Iran hätte ich mir z.B. 1996 überhaupt nicht leisten können, dafür aber einen Flug für 140 Mark nach Istanbul und von dort eine 55stündige Busreise für 60 Dollar nach Teheran. Zu unserem Glück wurde zu der Zeit gerade die Verordnung aufgehoben, dass Westtouristen immer in First Class Hotels absteigen müssen, und so logierten wir in jenen freundlichen Mehmân-Chânehâ – den angenehmen Herbergen.
In Bâm hatte ich das Glück, in einer der schönsten Gasthäuser einzukehren. Dem Betreiber hatte das Schicksal verwehrt, seinen Traum wahrzumachen, als Weltreisender auszuziehen, und wo lud er die Welt zu sich ein, wie er sagte. Ein großer Garten mit Dattelpalmen spendete Schatten, und in einem großzügig angelegten Bassin schwammen Goldfische. Im Gästebuch der Herberge konnte man erfahren, welche Fahrradroute sich am ehesten eignete, um von der Schweiz nach Nepal zu gelangen und wo man in Aserbaidschan sachkundige Passfälscher fände. Der Betreiber glaubte, dass Allah nichts dagegen haben könne, wenn ich und meine Begleiterin uns das Hotelzimmer teilen. Wenn es denn wider Erwarten doch einen Allah geben sollte, so hoffe ich, dass er diese schöne Herberge und ihren Betreiber bei dem großen Erdbeben in Bâm von 2003 verschonte.

Sechs Jahre später überreden die Brüder den Jüngeren, ebenfalls zu verreisen. Er kommt zu Reichtum und heiratet ein armes Mädchen, das die beiden Brüder, nachdem diese versucht hatten, das Paar zu ertränken, in Hunde verwandelt, denn

  • „Wisse, ich bin ein Dämonenkind; als ich dich sah, liebte dich mein Herz nach dem Willen Allahs, denn ich glaube an Allah und seinen Propheten – Gott segne ihn und gebe ihm Heil.“

Fast scheint es, als wollte sich der Erzähler gegen allzu fromme Hörer absichern, indem er aus der Dämonin eine Muslimin macht.
Die Brüder können auch nur in diesem Lande (Hind) erlöst werden.

Die Geschichte des dritten Scheichs

  • O Sultan und Oberhaupt der Dämonen, diese Mauleselin war meine Frau.

Diese Nachtigall hatten wir denn schon trapsen gehört, aber dass ausgerechnet ein Dämon mit diesem Verwandlungshokuspokus zu beeindrucken ist, erstaunt schon.
Bei einem anderen Zuhörer jedoch, nämlich König Schehrijâr, dürfte nun wegen eines gewissen Wiedererkennungswerts der Blutdruck steigen, denn als der Scheich von einer Reise zurückkam, sah er

  • einen schwarzen Sklaven bei ihr auf dem Bette liegen; und sie plauderten und tändelten und küssten sich und spielten das Liebesspiel.

Beachtlich, wie lange der Scheich zugeschaut haben muss, um die beiden 1. plaudern, 2. tändeln, 3. küssen, 4. spielen zu sehen. Hoffen wir für ihn, er konnte sich ein paar Tricks vom abermals Sexualneid auf sich ziehenden schwarzen Sklaven abgucken.
Das Weib verwandelt den Scheich in einen Hund, der von der Tochter des Schlächters als Mensch erkannt wird. Sie verwandelt ihn zurück. Das war die Geschichte.
Der Dämon schenkt dem Kaufmann das Leben. Winkt Schehrezâd hier mit dem Zaunpfahl? Jedenfalls bricht sie hier mit der auch am Vorabend verwendeten Floskel ab. … Weiterlesen

Die 1. Nacht

Schehrezâd erzählt in der ersten Nacht

Die Geschichte vom Kaufmann und dem Dämon

  • „Es wird berichtet“

so beginnt Schehrezâd distanziert sich wieder vornehm vom Erzählten. Eine Habitus, der bei unseren Lesungen gar nicht funktionieren würde. Umgekehrt ist anzunehmen, dass Schehrezâd, wenn sie sich gegenüber dem König erdreistete, eine putzige Loser-Geschichte aus ihrem Leben zu erzählen, am nächsten Morgen geköpft würde.

Ein Kaufmann wirft, nachdem er eine Dattel verspeist hat, ihren Stein fort. Da erscheint ein Dämon mit gezücktem Schwert und will ihn töten, denn er habe mit dem Dattelstein seinen Sohn umgebracht.
Man fragt sich, was das für Dämonen sind, die einerseits durch Dattelsteinwürfe zu töten sind, andererseits mit Schwertern hantieren.
Der Kaufmann legt sein Leben in die Hand Gottes und rezitiert ein sechzehnversiges Gedicht, das im Deutschen in Hexametern wiedergegeben wird. Seine Message: Es gibt schöne und weniger schöne Tage, daran kann man nichts ändern. Eigenwilliges Verspaar:

  • Und siehst du nicht, wie im Meere die Leichen nach oben treiben,
    Die kostbaren Perlen aber tief im Grunde bleiben?

Da muss ich passen: Weder das eine noch das andere habe ich je mit eigenen Augen gesehen. Allerdings: Als ich im Jahr 2004 in Sharm el-Sheik die Gelegenheit hatte zu schnorcheltauchen, erspähte ich, kurz bevor mir die Luft knapp wurde, eine im Durchmesser 30 Zentimeter große Muschel. Neugierig, ob sie vielleicht eine Perle barg, tippte ich sie an, und sie schnappte sofort zu. Wäre meine Reaktion etwas langsamer gewesen, hätte ich den Rest meines Lebens auf die oberen zwei Glieder meines Zeigefingers verzichten müssen oder hätte die Perle am Grunde lassen müssen und wäre Jahre später als Leiche nach oben getrieben.

  • Als nun der Kaufmann diese Verse gesprochen hatte, sagte der Dämon zu ihm: „Kürze deine Worte“

Das lag mir gerade auf der Zunge.

  • „bei Allah, ich muss dich töten.“

Doch der Kaufmann erbittet sich, ähnlich wie Damon (!) in Schillers „Bürgschaft“ ein paar Tage Zeit, um seine Angelegenheiten zu ordnen.

  • „Allah ist Bürge für das, was ich sage“

„Ihn magst du, entrinn ich, erwürgen“, sagt der Freund bei Schiller. Allah hingegen wird wohl auch für einen Dämon nicht so leicht zu erwürgen sein.
Er klärt nun also seine Angelegenheit und kehrt mit einem Leichentuch (!) in den Garten zurück.

  • Und jener Tag war der Beginn des neuen Jahres.

sic!

Ein alter Scheich mit einer gefesselten Gazelle kommt des Wegs, dem der Kaufmann seine Geschichte berichtet.

  • „eine gar seltsame Geschichte, würde sie mit Sticheln in die Augenwinkel gestichelt, so wäre sie eine Warnung für jedermann, der sich warnen ließe.“

Dieses Bild taucht hier zum ersten Mal auf. Es ist zu bescheuert, als dass man es sich vorstellen kann. Ich tippe auf einen Reim im Arabischen.
Dazu kommen ein Scheich mit zwei schwarzen Windhunden und einer mit einer hellbraunen Mauleselin.
Allen wird des Kaufmanns Geschichte berichtet.

  • doch doppelt erklärt, das ist nichts wert, die ihr dies hört!

Auch gut.
Der erste Scheich versucht, sich ein Drittel des Blutes des Kaufmanns zu erkaufen, falls dem Dämon, der gerade auftaucht, die zu berichtende Geschichte gefällt. Dieser willigt ein.
Quasi eine offene Wiederholung des Motivs der Rahmenhandlung: Geschichte gegen Leben.

Die Geschichte des ersten Scheichs

  • „Die Gazelle ist meine Base.“

So so. Und seine Ehefrau obendrein. Aber auch gleichzeitig eine Hexe, die die Nebenfrau und deren Sohn in Rinder verzaubert. Die Färse wird geschlachtet. Und nun ist der Sohn – das laut schreiende Kalb dran.

  • „Da trat ich zu dem Kalb, das Messer in der Hand.“ – –
    Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann und sie hielt in der verstatteten Rede an.

Guter Cliffhanger. Auf Dinazâds Lob hin, deutet sie noch an:

  • „Was ist all dies gegen das, was ich euch in der nächsten Nacht erzählen könnte, wenn der König mein Leben zu schonen geruhte.

Unschön klingendes Wort für den unschönen Job Nebenfrau: Kebse.… Weiterlesen