Randy Dixon on audiences, attitudes and variety

“The limitations in improvisation are the improvisers, not the audience. The work that we choose to do or we choose to focus on, that holds us back. Every-one talks about wanting to do long-form, storytelling and all that stuff, but some of the groups don’t. Or they’re so tied into the games. To me there are so many groups, they are not necessarily improvisers, they’re game players. They play games by rules, and without the games they can’t create anything. We need more people to love the art of improv for the art of improv and not as a process to get to something else.”
“The groups need to go deeper in the group work. I think in theatersports we have something that I call personality improv. You are like Oh, that’s the funny guy! And that’s why that person is doing improv. It’s because they get the adulation /admiration of the audience, rather than thinking of what’s the group dynamic, where’s the group going. And I think that in the group work we’re getting deeper and deeper. It’s not really short or long form, it’s an attitude.”
“My development in terms of thinking about this is, I start each project by thinking, what do I want the audience to experience.”
“Our style is pretty low key, pretty mellow. (…) We’re going to start slow, and take our time, and it seems to be successful for us in terms of training that audience.”
“My main philosophy in improvisation is variety.”
“One thing about the audience in our shows: We try to make them storytellers as well.”
“We don’t need to recreate the story of an audience member. We’re translating it into the language of theater.”
“I’m not in improvisation so much for what we do, although that’s great, but I still see so many possibilities in terms of what we can do or could be doing or should be doing. And so I’ve never really had a moment of like ‘Oh, well, this is it.'”
(Alle Zitate von Randy Dixon auf der Podiumsdiskussion des Internationalen Improtheater-Festivals am 20.3.2011 in Berlin)

Keine Kunst – selber schuld?

Improvisierte Performances, improvisierte Musik, improvisierter Tanz – all das hat seinen Platz in der Rezensions-Presse.
Vom Improvisations-Theater bleibt unterm Strich lediglich übrig: “Und es war alles wirklich improvisiert und spontan!”
Das hat natürlich einerseits mit der Unterbewertung komischer Genres zu tun. Und komischen Tanz als Kunst ist wohl eher die Ausnahme.
Andererseits ist es auch die Schuld der Improvisationstheater selber, die von genau dieser Selbstdarstellung nicht wegkommen.
Und das Fernsehen hat uns mit seinen Trash-Formaten einen Bärendienst erwiesen.
Allerdings muss man auch sagen: Die Sasha Waltzes und Miles Davisse des Improtheaters sind rar.

323. Nacht

Raschîd ed-Dîn ergeht es wie den drei Schurken zuvor: Er setzt sich auf den falschen Platz, wird von Zumurrud erkannt und von den Wächtern geschunden, seine Haut mit Werg ausgestopft und aufgehängt. Als sie nach der Volks-Speisung wieder in ihre Kammer geht, spricht sie:

"Allah sei gepriesen, dass er meinem Herzen Ruhe geschaffen hat vor denen, die mir Übles taten. (…) Allah, der mir Gewalt gab über meinen Feind wird mich auch gnädiug wieder vereinen mit meinem Freund!"

Alles eine Frage der Zeit und nicht der Heldenentwicklung?

Zuhören

Spreche mit Per Gottfredson aus Stockholm über Impro-Auftritte bei Unternehmen (Corporate Gigs). Ich sage, dass ich kein großer Freund dieser Shows bin, da oft etwas ganz bestimmtes erwartet wird und Spieler oft auch die Tendenz haben auf Nummer sicher zu spielen.
Per erzählt die Geschichte, wie seine Gruppe zu einer Veranstaltung bei einem Fair Trade Unternehmen eingeladen war. Dem Publikum wurde vor dem Auftritt ein Film über ein Mädchen in den Slums gezeigt. Und danach sollte das Improtheater spielen. Zwei Spieler gingen auf die Bühne und hielten abwechselnd Monologe, einer in der Rolle eines englischen und einer in der Rolle eines brasilianischen Jungen, die beide ohne es zu wissen, die Liebe zum Fußball eint. Das Publikum war zu Tränen gerührt. Auch das kann Improtheater.
Höre auf das, was bereits da ist.

322. Nacht

Dem Kurden Dschawân wird das gleiche Schicksal zuteil: Häuten und Aufhängen. Einen Monat später wieder Volksküche.

Und man fragt sich, wie wohl dem Volk dabei ist, wenn jedes Mal ein Fremder gemeuchelt wird.

Inzwischen sind vor der Schüssel schon vier Plätze frei. Und tatsächlich setzt sich wieder ein Fremder hin. Diesmal der dritte Widersacher Zumurruds – der Christ Raschîd ed-Dîn.

Szenenbeginn: Ihr kennt euch

Typische Anfänger-Workshop-Situation: Zwei Spieler beginnen eine Szene. Um das Impro-Risiko zu minimieren, spielen sie Fremde. (Fremde haben nichts zu verlieren.) Der Workshop-Lehrer sidecoacht: “Ihr kennt euch!”
Darauf in 90% der Fälle Spieler A zu Spieler B: “Kennen wir uns nicht von irgendwo?”
Als Antwort in 99,99% der Fälle: “Ja, aus der Schule!”

Sprachlicher Stil

Es gibt keinen genauen Kompass, welche Sprache in welcher Situation angemessen ist. Auch der Realist Thomas Mann musste schummeln und baute bei den Buddenbrooks nur hier und da mal eine kleine Mundart-Sequenz ein.
Wir wissen nicht, wie am königlichen Hofe im 18. Jahrhundert gesprochen wurde. Aber definitiv ist ein “Okay, wird erledigt” unpassend.
Entwickle ein Sprachgefühl!

Komik der Fehler

Fehler sind im Improtheater auf eine gute Art komisch, wenn sie aus dem Wagnis und dem Engagement heraus entstehen. Vorsätzlich schlecht zu spielen, schlecht zu singen usw. erzeugt ebenfalls Lacher – allerdings der billigen Sorte. Wenn wir damit erst anfangen, werden wir die Geister, die wir riefen, nicht mehr los und trainieren uns schlechtes Spiel an.

321. Nacht.

Die Entlarvung des Christen erhöht Zumurruds Ansehen beim Volk:

"Dieser König ist ein Seher, der in der Welt nicht seinesgleichen hat." Darauf gab die Königin den Befehl, der Nazarener solle geschunden werden, seine Haut solle mit Häcksel ausgestopft und über dem Tor zu dem Platze aufgehängt werden; ferner solle man eine Grube draußen vor der Stadt graben und darin sein Fleisch und seine Knochen verbrennen, und dann solle man Schmutz und Unrat auf ihn werfen. "Wir hören und gehorchen!", sprachen ihre Mannen, und sie taten mit dem Christen alles, was sie ihnen befohlen hatte.

Auch diese Lektion aus dem Politikerhandbuch scheint sie gelernt zu haben: Irgendwann dem Volk zeigen, dass man in der Lage ist, hart durchzugreifen und das Exempel am besten an einem Außenseiter statuieren.

Als sie zum dritten Mal die Tafel richtet, erkennt sie in der Menge den Kurden Dschawân, der sich genau an den von allen gemiedenen Platz des Christen setzt und obendrein auch die Hand nach der Schüssel süßen Reis ausstreckt.

Der Haschischkerl, von dem wir auch schon erzählt haben, saß neben ihm; und als er sah, dass der Kurde die Schüssel an sich heranzog, lief er von seinem Platze fort, der Haschischrauch entwich aus seinem Kopfe, und er setzte sich weit weg, indem er rief: "Nach dieser Schüssel gelüstet mich nicht mehr!" Doch der Kurde Dschawân streckte die Hand nach der Schüssel aus in Gestalt einer Rabenklaue, schöpfte mit ihr und zog sie geballt zurück, so dass sie einem Kamelshufe glich.

320. Nacht

Zumurrud beschließt, die Volksküchentradition beizubehalten, und beim nächsten Neumond hält sie wieder eine Massenbeköstigung ab und erkennt dabei in der Menge Barsûm, den Christen, der sie damals raubte:

"Dies ist das erste Vorzeichen des Trostes und der Erfüllung meiner Wünsche!"

Barsûm greift nach einer etwas entfernt von ihm stehenden Schüssel mit süßem Reis, wofür man ihn tadelt:

"Wie kannst du deine Hände nach etwas ausstrecken, das fern von dir steht!"

Ausgerechnet ein Haschischesser nimmt ihn in Schutz. Es kommt zum Handgemenge, und die Zumurrud lässt ihn vor sich führen:

"Du da, Blauauge, wie heißt du? Und weshalb kommst du in unser Land?"

Sie betreibt etwas Schmu mit einer geomantischen Tafel und spricht:

"O du Hund, wie kannst du es wagen, Könige zu belügen? Bist du nicht ein Christ? Heißt du nicht Barsûm? Bist du nicht gekommen, um etwas zu suchen?"

Barsûm gesteht.

319. Nacht

Neulich vor der Lesung: Wir drehen wegen eines Soundchecks die Hintergrundmusik runter. Als wir fertig sind, gehen wir an die Bar. Die bedienenden Mädchen: "Diese Stille ist so unheimlich." Tatsächlich kann man sich das gar nicht mehr vorstellen, wie dieselbe Situation vor 40 Jahren ausgesehen hätte. Vielleicht hätte da irgendwo ein Radio gedudelt. Ohne Band keine Beschallung. Hier und da eine Jukebox, ein Plattenspieler mit lächerlicher Verstärkung.
Warum hieß Ilja Richters Show eigentlich "disco", wo doch die Bands live auftraten?

*

 

In allen Ehren auf den Thron geführt, lässt Zumurrud die Schatzkammern öffnen und verteilt Geschenke an die Krieger.

Alter politischer Trick der neu zur Macht Gekommenen: Sich die Gunst derer sichern, die man braucht, um einen zu stürzen. Zufriedene Krieger putschen nicht. Oder wie Samuel Huntington sagte: "Give them toys." Und er fügte hinzu, dass man sich um die Marine weniger Sorgen zu machen brauche. Admirale putschen nicht.

Aber auch das Volk macht sie sich gewogen:

denn sie hob Steuern auf und ließ den Gefangenen freien Lauf, und sie schaffte die Bedrückungen ab, so dass alles Volk sie liebgewann.

Aber sie hat ihren Mann, Alî Schâr, nicht vergessen

Dir gilt, trotz all der Zeit, mein Sehnen stets aufs neue;
Des wunden Auges Tränen werden immer mehr.
Und weine ich, so wein ich um Liebesleides willen;
Denn ach, die Trennung wird dem Herzen schwer.

Angesichts der möglichen Entdeckung ihrer Weiblichkeit schickt sie Sklavinnen und Nebenfrauen in getrennte Räume:

sie wolle für sich allein leben, ganz der Frömmigkeit ergeben.

Nach einem Jahr lässt sie Bauherren und Zimmerleute einen Platz von der Länge und Breite einer Parasange (ca. 6 km) herrichten. Nachdem das geschehen ist, lädt sie das gesamte Volk ein, am Tisch des Königs zu speisen.

Und wer nicht gehorche, der solle über der Tür seines Hauses aufgehängt werden.

Daraus spricht wohl die Angst, bei der Party allein zu bleiben. Man kennt ja die Ausreden: Ich habe gerade einen Auftritt in Karlsruhe, meine Tochter hat Halsschmerzen, mein Onkel ist zu Besuch. Gut, wenn einem dann solches Drohpotential zur Verfügung steht.

Bei der Feier essen alle bis auf Zumurrud, die sich auf den Thron setzt.

Und jeder, der am Tische saß, sagte sich: "Der König sieht mich allein an."

Kleine und große Szenen-Fehler

Rechtfertigen nervt und ist im Grunde oft Gagging. Mach nicht so ein Bohei um die szenischen Fehler. Wenn Steffi die gemimte Tür nach innen öffnet und Matze nach außen – was soll’s. Das sind Kleinigkeiten, die in jedem Film auftauchen und keinen interessieren. Da müssen wir nicht extra noch betonen, dass das die Tür ist, die sich sowohl nach innen als auch nach außen öffnet.
Einer der häufigsten Fehler ist wohl das Vergessen oder doppelte Vergeben von Namen. Anstatt nun das immergleiche Spiel zu spielen: “Martin? Ich dachte sie heißen Georg?” “Ja Martin-Georg”, kann man doch auch mal kurz aus der Szene heraustreten und kurz fragen. Dasselbe natürlich auch bei richtig großen Schnitzern oder Missverständnissen: Natürlich können wir Johnstones “Zwei Welten” bis zum Umfallen spielen, aber davon wird die Szene auch nicht schöner. Bevor man sich völlig verrennt, kann man doch anhalten und sich verständigen: “Sind wir jetzt in der Rückblende oder wieder in der Gegenwart?”

Das soll natürlich nicht zu Fehlersuche beim Spiel verleiten. Nimm Stolpler als Inspiration.

318. Nacht

In der Höhle mit des Räubers Mutter allein gelassen, greift Zumurrud zu einer List:

"Soll ich denn warten, bis jene vierzig Kerle kommen und mich abwechselnd schänden und mich einem Schiffe gleich machen, das im Meere untergeht?" Darauf wandte sie sich zu der Alten, der Mutter des Kurden Dschawân, und sprach zu ihr: "Liebe Muhme, willst du nicht mit mir aus der Höhle hinausgehen, damit ich dich lausen kann."

Während sie die Alte laust, schläft diese vor Wohlbehagen ein.

Sofort sprang Zumurrud auf, zog die Kleider des Kriegers an, den der Kurde Dschawân ermordet hatte, gürtete sich sein Schwert um die Hüften und band sich seinen Turban ums Haupt, so dass sie wie ein Mann aussah. Dann bestieg sie das Ross, nachdem sie die Satteltaschen mit Gold aufgeladen hatte.

Warum sie nicht in Frauenkleidern zurückreitet und Alî Schâr sucht, bleibt unklar. Ist sie als Frau leichte Beute?

Um nicht den Männern des getöteten Kriegers zu begegnen, wendet sie sich von der Stadt ab und reitet durch die Steppe und ernährt sich zehn Tage von Kräutern. Als sie eine Stadt erblickt, reitet sie darauf zu und wird von den Bewohnern freudig begrüßt:

"Allah gebe dir Heil und Sieg, o unser Herr und Sultan!"

Auf ihre Irritation hin, erklärt ihr der Kammerherr den seltsamen Brauch,

"dass die Krieger, wenn ein König stirbt, ohne einen Sohn zu hinterlassen, vor die Stadt ausziehen und dort drei Tage lagern. Und wer immer auf dem Wege naht, auf dem du gekommen bist, den machen sie zum Sultan über sich."

Was geschieht, wenn die drei Tage um sind und keiner vorbeigekommen ist, sagt der Kammerherr nicht.

Zumurrud erkennt schnell die Lage:

"Glaubet nicht, ich sei vom gemeinen Volk der Türken! Nein, ich bin einer von den Söhnen der Vornehmen."

Und von dem Gold der Satteltaschen spendiert sie Almosen.

Suzanne Shepherd teaching

“Ich sage Schauspielern immer: Es gibt einen großen Unterschied zwischen Logik und Wahrheit. Als Schauspieler hast du nur mit emotionaler Wahrheit zu tun. Da gibt es keine Logik. Tu nie etwas, das Menschen nicht tun. Das mag begrenzend klingen, vielleicht denken Sie jetzt, das zwingt sie dazu, fantasielos oder gewöhnlich zu sein. Nein. Sie tun, was die Umstände Ihnen diktieren. Daran ist nichts gewöhnliches.”
“Manche Menschen denken: Wenn ich schauspiele, ist das eine Pause von meinem Leben. Aber es ist keine Pause. Das ist dein Leben! Es ist mehr von deinem Leben als dein alltägliches Leben.” “Schauspiel ist nicht So-tun-als-ob. Schauspiel ist Glaube. Glaube daran, dass das, was du tust, ein Leben verändert – das Leben deines Characters.”

317. Nacht

Während ich dies schreibe, wurschteln die Müllmänner auf dem Hof herum. Heute sind die Papier-Container dran. Bekommen die Papier-Müllmänner weniger Lohn, weil ihnen die Geruchsbelästigungszulage nicht zusteht? Und bekommen die Bio-Müllmänner einen Extra-Bonus für ihre besonders eklige Tätigkeit? Gibt es eine Hierarchie unter den Müllmännern, die sich nach Stinkigkeit richtet – wer lange genug dabei war, darf sich hochdienen: Vom Bio-Müll über Hausmüll, Glasmüll und Grüner-Punkt-Müll bis zum Papiermüll? Oder ist die Hierarchie genau umgekehrt – wer am meisten stinkt, hat am meisten zu sagen? Schließlich haben sie sich diesen Beruf ja ausgesucht, die Jungs, die früher immer schon mit Pampe gespielt, alte Milchtüten untersucht und dem Vergammlungsprozess von Gurken zugeschaut haben. Jene Teenager, bei deren Betreten des Büros die Berufsberaterin schon das Formular zur Anmeldung in den Städtischen Müllwerken zückte, da sie ihre Pappenheimer am Geruch erkannte.

*

Alî Schâr schläft weiter, und ein Räuber nähert sich dem Haus, der Alîs Turban stiehlt, um einzubrechen. Zumurrud hält ihn für Alî, pfeift ihn zu sich und lässt sich selbst mit einer Satteltasche Gold an einem Strick herab. Der Räuber wirft sie sich über die Schulter und eilt fort. Verwundert über die plötzliche Kraft spricht Zumurrud den vermeintlichen Geliebten an.

Als er ihr keine Antwort gab, tastete sie nach seinem Gesicht und fühlte  seinen Bart den Palmbesen gleich, den man im Badehause benutzt, als wäre er ein Schwein, das Federn verschluckt hat, deren Enden ihm wieder zum Halse herausgekommen sind. Erschrocken rief sie aus: "Was bist du denn?" "Du Metze", antwortete er, "ich bin der Kurde Dschawân 317, der Schelm, von der Bande des Ahmed el-Danaf! Wir sind vierzig Räuber, und alle werden heute nacht Freude an dir haben, vom Abend bis zum Morgen!"

Wieder vierzig Räuber! Ob nicht vierzig auch einfach ein Synonym für "viel" gewesen sein mag?

Es wird kurz die Hintergrundgeschichte des Räubers erzählt, der für die Bande die Höhle vor der Stadt ausfindig gemacht hat, dort zunächst seine Mutter untergebracht hat, dann einen schlafenden Krieger vor der Höhle erschlagen und sich dessen Kleider bemächtigt hat.

317 Dschawân = Jüngling

Vorfahren des modernen Improtheaters – nicht nur Commedia dell’arte

Man möge nur irgendein Buch, irgendeinen Artikel über die Geschichte des Improvisationstheaters lesen – als Vorläufer des modernen Improvisationstheaters wird fast ausschließlich die Commedia dell’arte erwähnt. Ich vermute, dass es daran liegt, dass diese über ein derart markantes und gleichzeitig universelles Figurenensemble verfügte, dass gerade darüber besonders viel geschrieben wurde und sie in Mittel- und Westeuropa einige Ableger hatte.
Sicherlich haben wir es mit einem Quellenproblem zu tun. Was können wir schon wissen von den Theaterspielern, die fahrend durchs Land ziehen? Wir wissen von ihren Lebensbedingungen, teilweise vielleicht von einigen Inhalten – wenn sie skandalös genug waren. Aber von deren improvisatorischen Kenntnissen und Fähigkeiten haben wir keine Ahnung. Ich denke, so ähnlich wie die improvisierte Musik im 19. Jahrhundert in Europa fast verstummt ist, ging es auch dem improvisierten Theater. Die Stückeschreiber setzten sich durch.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie im Mittelalter nach einer vergeigten Vorstellung die Schauspieler zusammensaßen und einander rieten, mehr auf die Angebote des jeweils anderen einzugehen.
Und im 20. Jahrhundert musste das Rad neu erfunden werden.

http://www.youtube.com/watch?v=gooZ7HO42Xo
Ab 0:50
“I think improvisation in the culture has always been important. (…) The written theater has hardly ever existed. 83 years in Greece, 150 years in the Renaissance (…). In the last 2,500 years we’ve had two or three hundred years when people have been writing plays that they have endured, where you had a living theater. But meanwhile you had the improvisers. In Greece, commedia dell arte in Italy, Circus, Burlesque, all of that is another substream of comedy. You had the improvised comedy which went unbroken for 2,500 years. So, when you’re improvising today, you are representing a tradition that’s 2,500 years old and you better remember it.” (Bernie Sahlins)

Kinder darstellen

Kinder-Charaktere im Improtheater sind oft so widerwärtig, dass ich schon als Faustregel ausgegeben hatte: “Lieber keine Kinder spielen.”
Meist brüllen sie rum, sind dumm, haben keinerlei moralische Standards.
Einfache Lösung: Kluge Kinder spielen. Und das liegt ja auch irgendwie auf der Hand, denn im Grunde sind ja die mieisten Kinder klug. Es ist nur eine ignorante Sicht, Kinder immer dann wahrzunehmen, wenn sie laut, dumm und amoralisch sind.

Akzeptieren als Spieler vs. Akzeptieren als Figur

Was bei Johnstone unbeleuchtet bleibt: Es gibt einen Unterschied zwischen dem Akzeptieren des Angebots eines Mitspielers und dem Angebot der Figur.
Wenn A zum Beispiel sagt: “Komm mit!”, dann sollte man natürlich im Zweifel “Ja” sagen und eben mitgehen. Nun kann es aber auch im Sinne der Szene sein, Widerstand zu leisten, etwa wenn der Sohn gegen den tyrannischen Vater endlich aufbegehrt. Entscheidend ist, dass beide Spieler sich über das Spiel einig sein sollten, d.h. man sollte nicht als Spieler streiten.
Das Akzeptieren eines Angebots einer Figur treibt die Handlung (oft auch im physischen Sinne) voran. Das ist besonders wichtig, wenn wir Plattformen bauen. Irgendwann brauchen wir Widerstand, und dann ist das Nein die akzeptierende Antwort.

Das Problem der Improspieler besteht aber oft darin, dass sie allzu schlau ihre andauernden Neins mit der Logik ihrer Figur begründen. Es ist wohl im Improtheater noch nie eine Szene mit zu vielen Jas gespielt worden.

Freeze Tag

Wie ich hier vor ein paar Jahren beschrieben habe, wird gerade eines der populärsten Spiele, nämlich Freeze Tag (Tag Out, Einfrieren) von Johnstone und Spolin kritisiert. Von Spolin, weil die Einfrier-Haltung einen körperlich und geistig lähmt. Von Johnstone, weil letztlich andauernd Ideen zerstört werden.
Ich denke aber, dass man das Spiel trotzdem gut spielen kann.
– Man friere nicht starr ein, sondern bleibe innerlich locker und beweglich.
– Das Spiel kann als Training für die Wahrnehmung von Beats genutzt werden: Wann ist die minimale Sinn-Einheit vorbei.
– Als Warm-Up finde ich es auch sinnvoll, wenn wir einfach Ideen am laufenden Band produzieren, quasi ein szenisches Äquivalent zum freien Assoziieren. Dabei ist es nicht einmal nötig, die Haltung des Ausgeklatschten zu übernehmen, sondern man assoziiert auf die Haltung dessen, der in der Szene bleibt.
– Ich denke auch, dass es, wenn es gut gemacht ist, auch aufführbar ist. Voraussetzung hier: Die Spieler schaffen es wirklich, mit fünf-sechs Sätzen eine kleine sinnvolle Szene darzustellen.