Langweilige/Spannende Geschichten

Die langweiligsten Geschichten auf der Bühne entstehen meistens von Spielern, die sagen, dass sie sich beim Improtheater “für die Geschichten” interessieren. Warum ist das so? Ich vermute, dass viele dieser Spieler sich mit Story-Strukturen usw. beschäftigt haben und diese dann hübsch brav ausführen. Somit aber werden die Geschichten auch erwartbar, vorhersagbar, langweilig. Es bedarf meines Erachtens eine gewisse Radikalität der Entscheidungen, die auch den Improspieler selber überraschen. Ansonsten rutscht man in ein Abarbeiten der Szenen. Dann sieht man hinterher grübelnde Spieler an der Bar, die sich fragen, warum das alles so öde war. (“Na du hättest doch an der einen Stelle, wo ich reingekommen bin, nicht sagen dürfen, dass du den Ring hast…” – “Nein. Du hast doch in der zweiten Szene…”)

Sich aufs Drahtseil zu begeben, auch wenn man Storytechnik beherrschen will, das ist der Witz bei Impro.

Protagonist/Held sein

In Johnstones Buch gibt es das seltsame Kapitel “Wie man kein Held ist”. Auch sonst lässt er zur Heldenfrage hier und da einen Gedanken fallen: Die Heldin muss gemartert werden usw.
Abhängig von der Länge der Szenen ergibt sich auch, wie schnell “die Heldin gemartert” werden muss, wieviel Zeit wir uns für eine positive Plattform lassen usw.
Eine hübsch einfache Faustregel, um nicht in eine Vertauschung der Helden zu rutschen: Der Held sagt “Ich”, alle anderen sagen “Du”. (Mit anderen Worten: Es geht immer um den Helden.)

Selbstfesselungen

Sobald er außerhalb der Szene ist, quetscht sich der Spieler an den äußersten Bühnenrand oder verdrückt sich hinter den Vorhang. Auch bei einer kleinen Bühne kann man “off” sein, ohne abzugehen: Man lockere den Gesamt-Tonus und lasse die Figur von sich fallen.
Die Aktionshand oder der Aktionsarm wird gefesselt: Samy Molcho hat darauf hingewiesen, dass man seine Impulse unterdrückt, wenn man die Aktionshand umgreift. Dasselbe gilt natürlich auch fürs Verschränken der Arme vor der Brust usw. Öffne dich physisch für deine Mitspieler. Ein offener Körper bewirkt einen offenen Geist.
Um zu signalisieren, wie schwer irgendeine Handlung, ein Lied, oder eine Übung ist, verziehen viele Spieler ihr Gesicht. Ebenso, um Wichtigkeit oder “Ernsthaftigkeit” zu markieren. Sei freundlich.
Der Spieler fesselt den Geist durch “Nein”-Sagen. Man öffnet den Geist (und auch die sich ergebenden Möglichkeiten) durch Ja-Sagen.
Der Spieler stoppt den Geist durch “Aber”-Sagen. Der Spieler treibt voran durch “Und”-Sagen.
Weiterlesen

Format-Abwandlungen

Ich habe nie verstanden, warum Johnstone sich so geärgert hat, dass Improspieler an verschiedenen Orten sein Theatersport-Konzept abwandeln: Die bescheuerten Strafkörbe weglassen, den ganzen Jury/Richter/Moderator/Regisseur-Hokuspokus modifizieren.
Im Gegenteil glaube ich, dass jede Gruppe und jeder Spieler herausfinden muss, was sie inspiriert, was die Freiheit des Spiels fördert. Ganz offensichtlich ist das ja bei der Collage-Form “Harold”. Inzwischen spielt kaum mehr jemand diese Form so, wie es in Del Close’ “Truth in Comedy” beschrieben wurde. Je nach Ensemble-Typus orientiert man sich auf Storys, auf abstrahierende Elemente oder auf locker verbundene Games.
Allerdings glaube ich auch, dass gerade bei den kurzen Impro-Spielen viel Abwandlungs-Schindluder getrieben wird: z.B. die Unsitte, mehrere Game-Features in ein Spiel zu stopfen. Oder sich die Hürden so niedrig zu setzen, dass man es “leichter” spielen kann (d.h. weniger improvisieren muss).

Ansonsten kann man Abwandlungen nur begrüßen. Aus ihnen entstehen nicht selten neue Formate.

91. Nacht

In meinem Hof steht ein Dreirad. Angeschlossen. Ich weiß nicht, wie lange es dort noch stehen wird. Es hat Michael Stein gehört. Michael Stein, der am Mittwoch, dem 24. Oktober 2007 gestorben ist.
Das erste Mal habe ich Michael Stein 1997 bei der Reformbühne Heim und Welt gesehen. Im Gegensatz zu seinen Kollegen las er nicht vor, sondern hielt Reden. Er improvisierte Predigten auf Grundlage von Zeitungsschnipseln, Wissenschaftsmeldungen, deren Sinn er radikal zuende dachte. “Gott hat mir eine Stimme gegeben, damit ich zu euch spreche”, mit diesen Worten leitete er lange Zeit das legendäre Gebet gegen die Arbeit ein: Arbeit, Geißel der Menschheit
Für ihn war Arbeit tatsächlich eine Geißel. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, seine Lebenszeit damit zu verschwenden, sinnlose Produkte auf Befehl zu produzieren. Wenn Michael Stein auf der Bühne sprach, wurde man als Zuhörer recht schnell aus den Denkgewohnheiten geworfen. Als die NPD 1998 im Wahlkampf die Parole “Arbeit zuerst für Deutsche” plakatierte, rief Stein dazu auf, die NPD “rechts zu überholen”, da er als Deutscher von solch einer Forderung ja betroffen sei, und Arbeit das letzte sei, was man von ihm fordern könne. Und auch von den Lesebühnen verschwand auch der Bühnenarbeiter Stein immer wieder für einige Monate, und nur wenige im Publikum ahnten, dass die vorgetragenen Entschuldigungen seiner Kollegen: “Er hat gerade keine Lust, hier zu arbeiten”, “Er hat sich beim Vom-Gerüst-Fallen die Lunge verletzt”, “Er ist im Gefängnis” völlig der Wahrheit entsprachen.
War Provokation sein Medium oder war sie sein Zweck? Er bemühte sich um eine Kolumne in der Jungen Freiheit, nur um seine Freunde, die es sich so behaglich in ihrem linksradikalen Knusperhäuschen eingerichtet hatten, zu nerven. Er nannte seine Kollegin Ebony Browne “Neger”. Er hielt sich Luftschlangenrollen an die Schläfen, und erst als er sie sich bis auf den Boden entrollen ließ, erkannte man, dass er einen Juden mit Schläfenlocken mimte. Wenn er gegen BVG-Kontrolleure in Wut ausbrach, war er kaum zu stoppen. Ob das Gerücht stimmt, dass er bei einer Veranstaltung sein Glied entblößte, lässt sich aus den damals anwesenden Mitgliedern nicht herausquetschen. Stein wurde wegen Besitzes einer Luftdruckwaffe verhaftet und schlug einen früheren Freund krankenhausreif. Mir schien, dass er seinen Provokations- und Gewaltimpuls erkannte und ihn für die Bühne nutzbar machte, er war sein Instrument. Und gleichzeitig sah er auch die Gefahr, die dieser Impuls für sein Leben darstellte. Er belegte ein Anti-Gewalt-Training und wandte sich dem Buddhismus zu. Viele der Zuschauer hielten die Vorträge darüber für einen Gag, so wie sie das “Nazis rechts überholen” für einen Gag hielten, und so wie sie es auch für einen Gag hielten, als er auf der Bühne seine Krebs-Diagnose verkündete. Ärzte stammen von Friseuren ab, sie wollen nur abschneiden, entgegnete er allen, die ihn davon zu überzeugen versuchten, sich operieren zu lassen. Litt Stein an Witzelsucht? Hatte er sich in seiner Radikalität, sich von niemandem vorschreiben zu lassen, was er zu tun habe, verrannt? Oder war es ihm womöglich klar, dass er bald sterben würde und dass er die Zeit, die er hatte nicht mit solchem quälenden Schnickschnack wie Operation an der Lunge verschwenden solle? Ich fürchte, Stein hat sich überhaupt nicht entschieden.
Stein konnte überaus komisch sein und wäre ein großartiger Schauspieler geworden. Er parodierte lebensnah Max Schreck, Andreas Gläser, Eberhardt Cohrs.
Stein war auf eine seltsame Weise freundlich. Ich habe ihn fast nur lächelnd erlebt. Den Buddhismus haben wir gleichzeitig entdeckt, distanziert, so wie man eine neue, faszinierende Musik entdeckt. Er empfahl mir Thich Nhat Hanh (“Das erste Ziel ist Froschlosigkeit”), ich schenkte ihm meine Übersetzung von Stephen Nachmanovitchs “Free Play” (“Das Tao der Kreativität”). Gestern stand seine Freundin vor der Tür, sie gab mir etwas, “das Stein von dir immer aufgehoben hat”: Eine Zigarette. Langsam erinnerte ich mich wieder – Stein hatte mich vor vielleicht sechs oder sieben Jahren um eine Zigarette gebeten, ich gab ihm eine, nicht ohne sie zu beschriften: “Für meinen alten Kumpel Michael Stein. Dan”, was zu diesem Zeitpunkt von mir beinahe anmaßend war – ich kannte Stein nur von wenigen Gesprächen und acht bis zehn gemeinsamen Auftritten. Es war aber nicht nur eine Anmaßung, es war ein Freundschaftsangebot. Dass er diese Zigarette nicht geraucht, sondern aufgehoben hat, verstehe ich jetzt als Annahme des Angebots.
Ich hatte Stein Anfang Oktober dabei geholfen, das Dreirad in den Hof zu schieben. Er war schon zu schwach. Herbstlaub sammelt sich jetzt im Korb des Fahrrads. Ich sehe es jeden Tag, wenn ich aus dem Fenster schaue.

***

Die entrüsteten Christen reiten gegen Scharkân an.

Ein Beispiel für die seltsamen Prosareime (bzw. ihre seltsame Übertragung ins Deutsche):

Da vereinigten sich alle wider Scharkân und zeigten ihm Schwert und Lanze, und sie stürmten zum Streite und blutigen Tanze. Heer stieß auf Heer in Kampfeslust, und Huf trat auf Brust. Lanzen und Schwerter hatten zu schaffen, Arme und Hände fingen an zu erschlaffen, und die Rosse sahen aus, als seien sie ohne Beine erschaffen; und der Kampfesherold rief immerdar, bis jede Hand ermattet war und der Tag zur Rüste ging und die Nacht alles mit Dunkel umfing. Da aber trennten die Heere sich; und es war, als ob jeder Held einem Trunkenen glich, ermattet von Schwerthieb und Lanzenstich. Der Boden war übersät mit Leichen, und furchtbar waren die Wunden; doch keiner, der fiel, wusste, durch wen er den Tod gefunden.

Lyrik war wohl nicht die Stärke von Enno Littmann.

Scharkân heckt nun einen Plan aus: Dau el-Makân und der Wesir Dandân sollen sich mit 20.000 Reitern in einen Hinterhalt legen, und Scharkâns Truppen werden eine Flucht vortäuschen.

Vergeigt

Gestern improvisierte Geschichte bei der Chaussee der Enthusiasten. Noch nie so uninspiriert. Gerade mal halbwegs über die Bühne gebracht. Die als Inspiration vom Publikum beschrifteten Zettel etwas übermäßig mit den üblichen Verdächtigen (haufenweise Lebensmittel, und das jedes mal in irgendeiner Abwandlung auftauchende Wort “Donaudampfschiffahrtskapitänswitwenversicherungspolice”). Und tatsächlich stieg in mir eine Art Widerwillen gegen diese Art der Improvisation auf, und sogar gegen die Zuschauer.
Das alles hat natürlich mehr mit mir selber zu tun: Wäre ich offen und freundlich genug gewesen, hätte mich das eher inspiriert als abgestoßen.

Fragte mich zwischendurch: Soll ich jetzt einfach abbrechen? Immerhin hat es genügend Zuschauern auch gefallen? Was sich auf jeden Fall noch mal zeigt: Wenn man schon uninspiriert auf die Bühne geht, ohne den nötigen Drive, dann kann man das Improvisieren höchstens effektiv “abarbeiten”. Man versetze sich also selbst in die notwendige Bühnengeilheit.

Impro Crossover Foxy Freestyle

Mittwoch, 24.10.2007: Impro-Crossover Foxy Freestyle und Nina Wehnert.
1. Hälfte: Bewegungsorientierte Impro-Games von Foxy Freestyle. Solo-Tanz-Improvisation von Nina Wehnert. Wage mich einmal auch aus der Deckung und steigen in eines der Soli von Nina mit ein.
2. Hälfte: Melanie/Albert-orientierter Harold. Nina als “Engel”, die die Bewegungselemente abstrakt verknüpft.

Einigermaßen gelungen, aber beide Seiten noch zu vorsichtig miteinander. Wir müssten ihr deutlicher Raum geben, sie müsste ihn sich nehmen. Stärkeres Geben/Nehmen wichtig.
Missverständnis: Weil das Publikum in unseren Szenen viel lacht, glaubt Nina, auch komisch sein zu müssen. Dabei ergibt sich die Komik aus der Ernsthaftigkeit.
Man kann dem Publikum ruhig einiges an Abstraktheit zumuten. Jedes regelmäßig spielende Ensemble erzieht sich das Publikum bis zu einem gewissen Grade selbst und hat somit das Publikum, das es verdient.

Michael Stein ist tot

Der großartige Improvisierer und radikale Künstler Michael Stein ist in der vergangenen Nacht gestorben.

Arbeit!

Geißel der Menschheit!
Verflucht seist du bis ans Ende aller Tage
Du, die du uns Elend bringst und Not
Uns zu Krüppeln machst und zu Idioten
Uns schlechte Laune schaffst und unnütz Zwietracht säst
Uns den Tag raubst und die Nacht
Verflucht seist du
Verflucht
In Ewigkeit
Amen
Weiterlesen

Publikumsbeschimpfungen eines großen Improvisierers

Keith Jarrett in Frankfurt. Dreimal geht er von der Bühne und beschimpft sein Publikum: Ob es denn nichts gelernt habe. Typischer Künstler-Hochmut: Das Publikum wird als Masse betrachtet, das es eigentlich gar nicht verdient habe, dem Meister zuzuhören. Medien und Zuschauer hätten sich gegen ihn verschworen. Die eigene Unfähigkeit, auf die Welt mit Liebe zu reagieren, projiziert der Künstler auf alle anderen da draußen.
Auch wenn er sich der Begrenztheit seines Daseins und des Daseins der Welt bewusst ist und ihm deshalb jeder Moment so teuer ist, so kann man ihm dennoch getrost das Recht zu Beleidigung absprechen. Schade, wenn man sein Werk im Alter so schmälert.

Türen

Ein Zeichen für Angst vorm Akzeptieren ist es, wenn szenisch übermäßig Türen “eingebaut” sind. Wenn ich eine Tür oder eine Wand etabliere, rechtfertige ich es gewissermaßen, von meinem Mitspieler getrennt zu sein.
Es geht hier natürlich nicht darum, dass man keine Türen etablieren oder verwenden soll. Aber wenn in drei aufeinanderfolgenden Szenen die Charaktere gefesselt, eingesperrt oder ausgesperrt sind, der Laden “schon geschlossen” ist, kann es sich lohnen, den Fokus auf physische Bewegung und aufs Ja-Sagen zu verlegen, statt die Existenz von Fesseln und verlorenen Schlüsseln zu rechtfertigen.

Begründungen

Wenn in Szenen viel begründet wird, ist es ein Zeichen dafür, dass die Gruppe nicht im Moment ist und die Einzelspieler versuchen, auf kompliziert-clevere Weise die Elemente miteinander kausal oder zeitlich zu verknüpfen. Symptome sind übermäßig oft auftretende Wörter wie “weil”, “denn”, “damals” usw. Nicht nur in Ein-Wort-Geschichten, sondern auch im szenischen Spiel erlebt man das oft. Das Spiel wirkt dann oft angestrengt, kopfig und unelegant. Es sieht nach angestrengter Arbeit aus. Nach der Show fragen sich die Spieler dann, was sie wohl falsch gemacht haben und schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.
Diese angestrengten Begründungen und Rechtfertigungen benötigen wir gar nicht, wenn wir radikal akzeptieren, wenn wir die etablierten Sachverhalte als gegeben hinnehmen, die nicht abgewehrt werden und deren Existenz szenisch nicht gerechtfertigt werden muss.

Oper als Impro-Format

Wenn ein Ensemble einigermaßen singen kann und über einen in klassischer Musik bewanderten Pianisten verfügt, sollte es sich nicht scheuen, eine improvisierte Oper aufzuführen oder zumindest mit dieser Form zu proben. Sie ist nämlich nicht nur für den Zuschauer beeindruckend, sondern auch lehrreich in ihrer Form: Seltsamerweise gehen die Storys von Opern fast immer auf, selbst bei Gruppen, die mit dem Storytelling hadern. Wenn die Oper gut aufgeführt wird, können wir einem einfachen Schema folgen: Handlung im Rezitativ, gesteigerte Emotion in der Arie, immer hübsch im Wechsel. Man kommt gar nicht dazu, sich um den Verlauf der Story Gedanken zu machen oder vorauszuplanen. Man ist immer schön im Moment.

90. Nacht

Die Story nimmt immer mehr Elemente von Ilias an – der Schlacht um Troja: Detaillierte Beschreibung der Kämpfe, Übergang zu versartiger Erzählung, die Story selbst: Es geht um die Entführung einer Jungfrau und die sich daran anschließenden politischen und familiären Verstrickungen. Nur die Anzahl der Helden ist überschaubar geworden. Die der Gottheiten sowieso. Spielten diese in der Ilias ja die entscheidende Rolle, sind sie hier quasi zum ideologischen Bezugsrahmen zusammengeschmurgelt. In der Schlacht um Troja agieren die Menschen eher als Schachfiguren der Götter. Hier erkennen sie ja eigentlich an, dass sie zum selben Gott beten, nur halten sie die Art der Verehrung des jeweils anderen für pervertiert und nennen einander absurderweise "ungläubig".

Lukas, der Christenheld,

den sie auch "Das Schwert des Messias" nannten,

tritt nun gegen Scharkân an, nicht ohne zuvor den Gaumen mit Mist bestrichen zu bekommen. Er schleudert seinen Speer auf Scharkân, der ihn im Flug auffängt, zurückwirft und seinen eigenen hinterherschickt,

und der traf ihn mitten auf das Zeichen des Kreuzes, das auf seiner Stirn war, worauf Gott seine Seele in das Höllenfeuer stieß.

Anscheinend waren diese Art von Zweikämpfen, die stellvertretend für das gesamte Heer stattfanden, im Altertum nicht unüblich. Im Gegensatz zu David & Goliath oder auch der Episode aus Troja, wird in unserer Geschichte der Krieg weitergeführt:

 


Zweikampf-Szene aus Hollywoods Troy: "Is there no-one else?… Weiterlesen

89. Nacht

Auf Radio Eins haben sie die unsäglichen Traumdeutungen des Psychoanalytikers Dr. Claus Braun wieder ins Programm genommen, dessen Deutungen jedem seriösen Analytiker die Haare zu Berge stehen lassen. Ich glaube, für so etwas ist mal der Begriff "Küchenpsychologie" geschaffen worden: Ohne die Hintergründe oder gar den Alltag zu kennen, bastelt er – gewieften Astrologen gleich – die narrativen Elemente des Traums neu zusammen. Die Frage ist ja, ob man Träume überhaupt "deuten" kann, nur weil das schon immer so gemacht wurde. Es gibt bisher wenig Evidenz dafür, dass Träume im Freudschen Sinne uns Botschaften über das Unbewusste geben oder gar (so C.G. Jung) ein Weg zu unserem wahren Ich seien. Die bisher einzige empirisch halbwegs belegbare Funktions-Hypothese ist, dass Träume ihren Anteil zur Entstehung unseres Gedächtnisses haben (z.B. höherer REM-Anteil bei Kleinkindern). Ansonsten scheinen die Träume nur wenig zu bedeuten, zumal sich Trauminhalte erst beim Aufwachen ergeben, sozusagen in das emotionale Erleben hineingedeutet werden: Z.B. Ich bekomme im Schlaf aus physiologischen Gründen einen Wadenkrampf, was mir Angst verschafft – ich generiere den passenden Trauminhalt: Ein übles Monster sticht mir in die Wade. Dass natürlich Sachverhalte, die uns gedanklich an jenem Tag sehr beschäftigen oder die überhaupt eine große Rolle in unserem Leben spielen, zu Trauminhalten werden, ist klar, aber die Pathologisierung der Träume, wie es die Analytiker tun, scheint mir zu sehr ihrem professionellen Bedürfnis zu entspringen. Aber nur wenige Menschen können diese Art "Sinnlosigkeit" ertragen: "Es muss doch etwas bedeuten!" Tatsächlich kann es uns regelrecht quälen, wenn wir erkennen müssen, dass Ereignisse sinnlos sind, nicht-kausal usw.

***

Der hinterlistigen Dhât ed-Dawâhi ist es nun zu verdanken, dass 50.000 Mann übers Meer fahren, sich am "Berg des Rauchs" 89 verstecken und von dort den kämpfenden Muslimen in den Rücken fallen.
Die Schlacht geht los, von Dau el-Makân und Scharkân angeführt mit ca. 120.000 Mann,

während die Ungläubigen sechzehnhunderttausend zählten.

Was soll das für eine Streitmacht gewesen sein?

Scharkân wird seinem Ruf als Kriegsheld gerecht:

Er tobte unter den Tausenden und stritt, so furchtbar anzuschauen, dass Säuglingen davon die Haare ergrauen.

In dieser ersten Schlacht siegen die Muslime, und König Afridûn verspricht, nun den ruhmreichen Lukas, Sohn des Schamlût, einzusetzen und alle Emire

mit dem heiligen Weihrauch zu weihen. Der Weihrauch aber, den er meinte, bestand aus den Exkrementen des Großpatriarchen, des Lügners und Leugners. […] Die Patriarchen vermengten ihn mit ihren eigenen Exkrementen, da die des Großpatriarchen für zehn Provinzen nicht genügten. […] Und die mächtigsten Könige taten ein wenig davon in die Augensalbe und heilten damit Krankheit und Kolik.

Das eigentlich Erstaunliche ist hier nicht die groteske Beleidigung des Großpatriarchen, sondern dass sie seinem Kot tatsächlich heilende Wirkung zugestehen.

 

89 Ich glaube nicht, dass damit der Djebel Dukhan gemeint ist, da dieser im Bahrain liegt, während hier wohl eher das Mittelmeer gemeint ist. Aber welcher Vulkan?

Mut/Angst

Angst kann einen regelrecht lähmen zu improvisieren. Mut hingegen beflügeln. Deutlich spürbar ist das in musikalischer Improvisation, vor allem beim Gesang. Wenn ich aufgefordert werde, z.B. eine zweite Stimme als Background zu improvisieren, dann habe ich damit in der Regel kein Problem. Wenn man mir aber sagt, ich dürfe dabei keinen Fehler machen oder ich müsse stets genau die Terz-Abstände einhalten, sonst sei das alles großer Mist, dann habe ich schon vorher die Garantie, dass ich scheitern werde. Wenn ich hingegen völlig frei bin, weiß ich aus Erfahrung, dass ich sehr genau sein werde.

Moderation

Die Begrüßung des Publikums sollte recht flott geschehen. Impro ist eine Kunst, die einen gewissen Witz aus ihrem Tempo zieht. Man sage, was man zu sagen hat und lasse den Smalltalk bleiben. Als Zuschauer, vor allem als neuer Zuschauer will man Sicherheit vermittelt bekommen, aus der Bahn geworfen zu werden ist erst danach aufregend.

Positivität

Vor lauter Geschichtenerzählen und Problematisieren vergisst man manchmal, genügend Positivität beizubehalten. Selbst ein Killer sollte noch soviel Positivität in sich tragen, dass sein Verhalten nachvollziehbar bleibt und nicht nur abstoßend wirkt.
Manchmal geschieht es, dass man einem Abend eine ganze Reihe von spannenden Storys gesehen hat, aber unerklärlicherweise wollte keine rechte Freude aufkommen. Man möge sich dann fragen, ob genügend positive Charaktere auf der Bühne zu sehen waren.

Impro auf größerer Bühne

Eine große Bühne muss auch gefüllt werden:

  • Bewegung durch den Raum
  • Licht (möglichst dynamisch)
  • Gegenstände: Requisiten, Bühnenbild

Die Bühne im Ambulatorium des RAW-Tempel ist für uns, die wir nun jahrelang eher kleine Bühnen genutzt haben, eine gewisse Herausforderung. Die Beleuchtungsmöglichkeiten sind eher begrenzt. Ein schöner Versuch, der bisher sehr inspirierend wirkt, der das Spiel belebt und die Zuschauer auf charmante Weise einbezieht: Wir benutzen Fotos als Bühnenbilder. Die Digital-Fotos werden per Beamer an die Leinwand hinter der Bühne projiziert. Die Technikerin oder der DJ wechselt nach eigenem Belieben zwischen den Bühnenbildern hin und her.
Relativ ungewohnt ist für uns auch, mit echten Tischen, Sofas usw. zu spielen, statt sie wie bisher nur anzudeuten.

89. Nacht

Am Montag wache ich reuevoll erst um 11.30 Uhr auf. Um mal ein bisschen sozial zu sein, habe ich mich am Vorabend auf eine Spielerunde eingelassen, die dann bis 2.30 Uhr austrullerte. Hätte ich nur daran gedacht, dass ich mich am nächsten Tag mit den Enthusiasten treffe. Volker, hat einen besseren Vietnam-Imbiss vorgeschlagen, bei dem man bis auf einen Tisch eigentlich nur essen und schnell wieder gehen will – Feng-Shui-Logik von Imbiss-Restaurants. Gutes Essen, aber kaum einer richtig entspannt. Jochen mit halbem Ohr ständig telefonkonferierend, Volker leidet an Hexenschuss. Immerhin mal wieder nettes Beisammensein.


Bohni


Dan Richter


Robert Naumann


Stephan Zeisig


Jochen Schmidt

 


Volker Strübing

 

 

Den Rest des Tages verbringe ich damit, die berühmte Restaurant-Szene aus "The Godfather" zu untertiteln. Die Figuren Michael Corleone und Virgil Sollozzo sprechen sizilianisch, und bisher war man auf Vermutungen angewiesen.

 

 

***

Um seinen Bruder zu testen, erkundigt sich Scharkân bei ihm nach dem Heizer. Dau el-Makân antwortet, er würde ihn nach der Schlacht gegen die Christen für seine Taten belohnen.

Dafür dass er so viele Leiden ertragen hat, lassen sie den armen Heizer ganz schön lang auf seine Belohnung warten.

Man rüstet sich zum Kampf, und Dau el-Makân verabschiedet sich von seiner im fünften Monat schwangeren Frau.

So schnell kann’s gehen. Anscheinend leidet hier ein wenig das Erzähl-Timing der Geschichte.

Der Wesir Dandân übernimmt das syrische Heer, Rustem die Dailamiten 88 , Bahrâm die Türken.

Von Rustem und Bahrâm ist vorher noch keine Rede gewesen.

Das Heer zieht los, und als man die Grenze zu Griechenland erricht, flieht das arme Volk nach Konstantinopel.

Wir können also von argen Plünderungen ausgehen.

Auf Anraten der alten Dhât ed-Dawâhi reist König Hardûb mit ihr zu König Afridûn nach Konstantinopel, um diesem seine Tochter Sophia zurückzubringen. Nun rüstet er selbst zum Kampf und erhält Unterstützung von seinen christlich-europäischen Kollegen:

Zu ihnen stießen die Franken aus allen Ländern: Franzosen, Deutsche, Ragusaner, Zaranesen 88b, Venezianer, Genuesen und all die Heerscharen der Bleichgesichter 88a.

Die erste Schlacht führt der Wesir Dandân mit den syrischen Truppen.

Nun erhoben die Christen ihr Feldgeschrei: "O Jesus, o Maria o Kreuz!" – das verdammet sei – und stürmten gegen den Wesir Dandân und seine syrischen Heere an.

Klingt als Schlachtruf ziemlich seltsam. In Kreuzzügen des 11. Jahrhunderts benutzten die Christen "Deus vult!"

 

88 Mit den Dailamiten sind wahrscheinlich die Perser gemeint. Genau gesagt ist Dailam eine Gebirgsregion im Iran. Ich vermute, es könnte auch sein, dass mit "Dailamiten" auch eine Art persische Elitetruppe bezeichnet wird.

88a  Bleichgesichter? Man fragt sich, ob hier der Übersetzer bei Karl May abgeguckt hat.

88b Evtl. sind hier die Sardinier gemeint. Auffällig, dass ja vor allem italienische Städte genannt werden, die mit den Arabern im 9. Jahrhundert (also zu der Zeit, da unsere Geschichte wahrscheinlich spielt) im Krieg lagen.

87. Nacht

Eigentlich ist es erstaunlich, wieviele Presse-Erzeugnisse ich noch konsumiere, da ich doch die gleichen Informationen aus dem Internet beziehen könnte. Aber so bezahle ich einen gigantischen Apparat von Organisationen, Personen und Logistik, die dafr sorgen, dass Informationen, die mich tendenziell interessieren, thematisch gebündelt werden, dass ich mir bestimmte Meinungen anhöre (d.h. auf der anderen Seite: bestimmte Meinungen blende ich aus), und dass mir diese Informationen pünktlich auf Papier gedruckt serviert werden. Derzeit habe ich abonniert:

Die Zeitschrift meiner Krankenkasse und das ai-journal bekomme ich zugeschickt, ohne etwas dafür tun oder zahlen zu müssen. Aber der Papierverbrauch! Wer räumt das alles wieder auf? Wer pflanzt die Bäumchen neu? Wer lohnt es mir, dass ich mir seit März 1990 (also noch vor der Währungsunion) die zitty kaufe? Die Antwort, Ladies und Gentlemen lautet auf all diese Fragen: Niemand.

Dau el-Makân schüttet nun also den gesamten Tribut von Damaskus unter den Truppen aus.

"Niemals sahen wir einen König solche Gaben austeilen."

Natürlich will der neue Herrscher auf diese Weise Loyalität begründen, fragt sich nur, ob diese Art von Großzügigkeit ein probates Mittel ist, en Dankbarkeit ist von kurzer Dauer. "Wer klug ist, sieht lieber die Leute seiner bedürftig als ihm dankbar verbunden. […] Wer seinen Durst gelöscht hat, kehrt der Quelle den Rücken, und die ausgequetschte Apfelsine fällt von der goldenen Schüssel in den Kot.", schreibt Baltasar Gracián im "Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit" (Kap. Abhängigkeit begründen). Mit anderen Worten, der König müsste vor allem darauf achten, dass seine Truppen dauerhaft einen angemessenen Sold erhalten.

Als sie vier Tage später in Bagdad eintreffen und er den Thron bestiegen hat, unternimmt Dau el-Makân gegenüber seinem Bruder einen klugen Schachzug: In einem Brief, den er dem Wesir Dandân mitgibt, bittet er ihn, mit seinen Truppen zu ihm dazuzustoßen, um gegen die griechischen Christen zu kämpfen, vor allem aber bietet er ihm die Krone an und deutet an, sich mit dem Posten des Vizekönigs von Damaskus zu begnügen.

Dau el-Makân reitet auf die Jagd,

(Unklar)

und bei seiner Rückkehr schenkt ihm ein Emir Sklaven und Sklavinnen.

Wurde der Emir damit beauftragt?

Mit einer der Sklavinnen schläft er in derselben Nacht

und sie empfing durch ihn zur selben Stunde.

Bald darauf trifft Scharkân in Bagdad ein, die Brüder begegnen sich in Freundschaft, und berichten einander von dem, was vorgefallen ist.

Nach dem bisher Berichteten wäre aber anzunehmen, dass Scharkân entweder etwas im Schilde führt oder dass sein Groll bei der nächstbesten Gelegenheit wieder aufflammt.

Komik des Improvisierens

Steffi Winny beschrieb die Komik des alten Improspiels “Rein/Raus” so, dass die Spieler zu “Regie-Opfern” werden. (Zumindest wenn es gut gespielt wird, d.h. schnell und ohne lange Rechtfertigungen, ist das der Fall.)
Im Grunde aber funktioniert ein Großteil der gesamten Impro-Komik auf diesem Prinzip: Der Improspieler macht sich bewusst zum Opfer seiner Mitspieler, zum Opfer der Regeln eines Spiels oder auch – wenn er schnell und transparent genug ist – zum Opfer dessen, was sein Unbewusstes an Inhalten ausspuckt.
An dieser Stelle umfasst Improvisation einen großen Teil des Komikaspekts, den Henri Bergson in “Das Lachen” (“Le rire”) beschrieben hat.

86. Nacht

Tatsächlich übergibt der König der Alten seine Nebenfrau Sophia. Die Alte übergibt ihm nun einen versiegelten Becher, den er am dreißigsten Tag austrinken soll.

Aha, die Süßspeisen und das Wasser im Krug waren also völlig harmlos. Offenbar ging es der alten Dhât ed-Dawâhi damit nur darum, den König auszutesten und ihn unvorsichtig werden zu lassen. Er hätte ja auch jemand anderen die Süßspeise oder das Wasser vorkosten lassen können. Erst als sie ihn völlig auf ihrer Seite hat, gibt sie ihm das Gift im Becher.

Der Wesir Dandân berichtet weiter, dass er und die Bediensteten zunächst vermuteten, der König schliefe, dann hoben sie die Tür aus den Angeln, fanden die Leiche und im Deckel des Bechers die Nachricht der alten Dhât ed-Dawâhi, die es nicht bei der Begründung für diese arge Rache belässt, sondern obendrein Krieg ankündigt:

"… vernichtet sollt ihr werden bis auf den letzten Mann, keine Menschenseele bleibt von euch übrig dann, keiner, der ein Feuer anblasen kann, es sei denn er bete das Kreuz und den Gürtel 86 an."

So beendet der Wesir Dandân seinen Bericht. Dau el-Makân verleiht dem Wesir und den Emiren Ehrengewänder und belässt sie in ihren Ämtern. Den Tribut aus Damaskus schüttet er unter den Truppen aus.

Natürlich, um sich die Loyalität dieser Männer zu sichern. Stellt sich nur die Frage, wo er an dieser Stelle die Ehrengewänder aufgetrieben hat.

 

86 Offenbar bezieht sich diese Anspielung darauf, dass Christen in der Zeit seit Kalif Al-Muttawakil gezwungen wurden, Umhänge und Gürtel zu tragen. Aus den Schutzbefohlenen Dhimmi wurden somit sichtbar Ausgegrenzte. Die Vorstellung, Christen würden den Gürtel anbeten und dies von anderen verlangen, ist natürlich absurd, aber die Vorstellung, sie würden das tun, eine interessante Folge dieses Diskrimierungsgebots.

Auffassungen von Improvisation

Die meisten Improvisationsspieler scheinen der Auffassung zu sein, man müsse genügend Techniken, Schemata und Formeln lernen oder sich Listen zulegen, um immer besser spielen zu können. Man habe dann einen großen Sack an Erfahrungen und Möglichkeiten, aus dem man sich bedienen könne.
Ich sehe das anders: Natürlich benötigt man Techniken, das sind in unserem Falle vor allem Schauspiel- und Bühnentechniken. Improvisation hingegen ist kein Regelset: Es geht vielmehr darum, die inneren Schranken und Blockierungen zu überwinden und den Geist des freien Spiels freizusetzen. Das bedarf einer offenen und subtilen Geisteshaltung. Die in der Improvisation gelehrten “Regeln” (Akzeptieren, Zuhören, Beteiligung usw.) sind eher Hilfestellungen, um diese Freiheit zu erreichen.
Um diese These zu prüfen möge man sich an talentierte Anfänger erinnern, die zwar stellenweise etwas grobschlächtig oder ungelenk spielen, die aber eine Freiheit ausstrahlen, die einen einfach mitreißt.

85. Nacht

Tatsächlich fastet der König zehn Tage lang und trinkt danach aus dem Krug.

Man muss nicht das  Pro und Contra des Fastens  unter medizinischen Gesichtspunkten beurteilen. Interessant ist eigentlich eher der religiöse Aspekt : Warum taucht das Fasten in allen größeren Religionen in irgendeiner Form auf? (Am wenigsten vielleicht bei den reformierten Kirchen des Christentums.) Neuere psychologische Untersuchungen gehen davon aus, dass strenge Askese, Selbstkasteiung usw. das Zusammengehörigkeitsgefühl in Gruppen stärkt und kurioserweise auch ihre Attraktivität: Wenn man sich solchem Leid aussetzt, dann muss wohl was dran sein.
Und auch in dieser Geschichte lockt die Alte ja den König mit übertriebener Frömmigkeit in die Falle.

Während der zweiten zehn Tage des Monats aber kam die Alte zurück mit Süßigkeiten, die in grüne Blätter, ungleich anderen Baumblättern, gehüllt waren. (…) "Oh König, die unsichtbaren Geister grüßen dich; denn ich habe ihnen von dir erzählt, und sie freuen sich deiner und schicken durch mich diese süße Speise, die von den Süßigkeiten des Jenseits stammt."

Diese Dreistigkeit erinnert schon an die Streiche Eulenspiegels.

Um das Fass noch voll zu machen: Die Alte schlägt vor, die Jungfrauen am 27. Tag zu den Geistern mitzuführen, ebenso jemanden aus dem Palast, den er König mag. Der König überlässt ihr Sophia (die Mutter Dau el-Makâns und Nuzhat ez-Zamâns).

Impro-Elemente im Verabredungstheater

Zuschauen bei den Proben von Dynamoland mit Andreas Gläser. Gudrun Herrbold ist nicht nur offen für Improvisationen, sondern lässt auch Unvollkommenes stehen – vor allem, um der Authentizität eine Chance zu geben. Nicht ohne Selbst-Ironie nennt sie die steife Form des Aufsagens “Verabredungstheater”, glaubt aber, sich aber als erstes von Impro distanzieren zu müssen: “Das ist ja was anderes”, womit sie ja recht hat, aber wenn ich nur gesagt hätte, dass ich von der Lesebühne Chaussee der Enthusiasten bin, hätte dieser Distanzierungsreflex nicht zugeschlagen.
Entspanntes Miteinander zwischen Darstellern und Regisseurin, die ihre Schützlinge angenehm zu leiten weiß. Ohne Berührungsangst, ohne inhaltliche Besserwisserei – an Freude und Dramaturgie orientiert. Lobenswert.

Technik und Freiheit

Improvisationstheater zu lehren bedeutet ja meist zweierlei: Improvisation lehren und theatrale Techniken lehren.
Wichtig ist in jedem Fall, dass die technischen Aspekte nicht überhand nehmen – auf Kosten der Freiheit, was oft bei Fortgeschrittenen geschieht. Umgekehrt brauchen wir eine ständige Erweiterung und Verfeinerung von Technik, um nicht künstlerisch stehenzubleiben.
Im Idealfall geht beides zusammen – man entdeckt freudig ein Stück Freiheit und schluckt die neue Technik wie nebenbei.