Professionalismus

Gestern wieder einen Fernsehbeitrag über Improtheater bei 3sat gesehen, in dem sowohl Reporter als auch Spieler nicht müde wurden zu betonen, alle Auftretenden seien “professionelle Schauspieler”. Ich empfinde das fast als peinlich. So als vertrauten die Schauspieler dem Genre Improtheater nicht oder als würde es durch ihre 2-4 Jahre Schauspielschule geadelt. Man stelle sich das bei den Lesebühnen vor: Jemand betont im Interview, professioneller Schriftsteller zu sein…
Wenn Professionalität sich allein darüber definiert, ob der Künstler finanziell von seinem Schaffen leben kann, geht mir Professionalität am Arsch vorbei. Van Gogh hat kein Bild zu Lebzeiten verkauft. Kafka und Schiller hatten Jobs, die sie nur mühsam ernährten.
Gegen eine solide Ausbildung ist nicht nur nichts einzuwenden, sondern sie ist sicherlich hilfreich. Allerdings beweist sich die Qualität des Puddings beim Essen. Viele große Improspieler haben nie eine Schauspielschule von innen gesehen, sondern sich ihre Kunst durch Beobachtung und auf der Bühne erarbeitet: Randy Dixon, Del Close, die großartigen Crumbs kommen auch eher vom Schreiben. Das Hochschulzertifikat kannst du in die Tonne treten, wenn du nicht bereit bist, dich permanent mit deinem Schaffen auseinanderzusetzen.
Auch werden oft bestimmte Regeln mit Professionalität verbunden: Kleiderordnungen, wie eine korrekte Anmoderation auszusehen habe, in welcher Reihenfolge Games zu spielen sind, bis hin zu irgendwelchen Impro-Regeln, die in ihrer Starrheit absurd sind (“Keine Fragen stellen.”).
Wenn es überhaupt eine Facette von Professionalität gibt, dann die, dass man sich ernsthaft mit Improtheater beschäftigt, dass es mehr ist als ein putziger Zeitvertreib, dass man bereit ist sich und das Spiel zu entwickeln, dass man weder geistige noch körperliche Mühen scheut:

Einsatzfreude!

Status im Menschen-Zoo

Offenbar übernahm Johnstone das Konzept “Status” von Desmond Morris “Der Menschen-Zoo”, auch wenn man damit theatral schon länger spielte. Fragt sich nur, wie bewusst. Soweit ich es sehe, beschreibt erst Johnstone den Status halbwegs angemessen. Denn es geht eben nicht um sozialen oder moralischen Status, sondern um das physisch-emotionale Verhältnis von

  • Person – Person
  • Person – Gegenstand
  • Person – Raum,

das seinen Ausdruck im körperlichen und sprachlichen Verhalten findet (und nur zweitranging, wenn überhaupt, im Inhalt des Gesagten).

Sinn für Sinn

Wir können technisch gut gespielte Szenen sehen, die uns dennoch unbefriedigt lassen. Man fragt sich: Es war doch gut akzeptiert, es gab gute Figuren, der Plot war OK aber etwas fehlte.
Wir können Storys nur dann gut entwickeln, wenn wir einen Sinn für die Bedeutung, d.h. für den Sinn des Gespielten entwickeln. Das heißt:

  • Sinn auf der Ebene des Gesprochenen: Was bedeutet das Gesagte für den Sprecher und für den Adressaten?
  • Sinn auf der Ebene der Story: Wohin führt uns das? Was ist die Konsequenz?
  • Sinn auf der Ebene des Spiels (i.S.v. Game): Spielen wir eine Komödie, ein Drama oder was auch immer?

257. Nacht – Lager Kalinin und Lesebühnen-Berufe

Kränkliche Kinder aus dem durch Tschernobyl verstrahlten Teil Weißrusslands werden von einer Privatorganisation nach Deutschland geholt. Passiert gern, oft, immer wieder. Löblich. Meist lernen sie nette Gastfamilien kennen, deutsches Futter, deutsches Fernsehen, deutsches Streiten und Vertragen, deutsche Musik.
Oder die Kinder werden abgeladen. Im ehemaligen Pionierlager Kalinin und sich und ihrer weißrussischen Betreuerin selbst überlassen. Achso, Spielzeug gibt’s natürlich auch: Ein Paar Stelzen.

In diesem Lager war ich auch, und zwar genau zwei Mal: 1983 und 1985. Weitere spätere Lesebühnenautoren dort: Jakob Hein, Andreas Kampa und Jochen Schmidt.

Typische Berufe und Studienrichtungen Berliner Lesebühnenautoren:

  • Germanistik (Fast die gesamte Frühschoppen-Crew hat ihr Germanistik-Studium abgebrochen, Thilo Bock, Jochen Schmidt, Ivo Smolak, Frank Sorge)

  • Taxifahrer (Micha Ebeling, Uli Hannemann)

  • Drucker (Ahne, Falko Hennig, Robert Naumann, Michael Stein†)

  • Informatik (Tube, Andreas Kampa, Jochen Schmidt)

***

Zubaida gibt Alâ ed-Dîn ein wenig Geld, damit dieser Kadi und Zeugen so bestechen kann, dass sie ihm wenigstens Aufschub gewähren.
Tatsächlich entscheidet der Kadi:

“Die Scheidung durch Zwang ist nach keiner muslimischen Rechtslehre erlaubt.”

Doch gesteht er dem Brautvater zu, die Morgengabe in Höhe von zehntausend Dinaren einzufordern.
Am Abend gesellt sich Alâ ed-Dîn wieder zu seiner neuen Braut und lässt sich von ihr Lieder vorsingen, zu denen sie sich auf der Laute begleitet, als vier Derwische an die Tür klopfen. Diese bitten wider Erwarten nicht um Essen, sondern nur darum, der Musik lauschen zu dürfen:

Wir wünschen nur, in Gesellschaft zu sein;
Denn am Essen erkennt man das Vieh allein.

Als sie vom Schicksal Alâ ed-Dîns erfahren, beschwichtigt ihn einer der Derwische, er sei Scheich des Klosters und könne durch eine Sammlung bei seinen Mönchen die geforderten zehntausend Dinare auftreiben.

Jene vier Derwische aber waren der Kalif Harûn er-Raschîd, der Wesir Dscha’far der Barmekide, Abu Nuwâs el-Hasan ibn Hâni 257 und Masrûr, der Träger des Schwertes der Rache.

Der Kalif legt, bevor sie sich verabschieden, hundert Dinar unter den Gebetsteppich. Zubaida findet sie am nächsten Morgen und kauft davon ein. Dasselbe wiederholt sich in den folgenden neun Nächten, und Alâ ed-Dîn gibt die Hoffnung auf den großen Batzen fast auf.

257 Abu Nuwâs wird an dieser Stelle zum ersten Mal in den Tausendundein Nächten als Begleiter er-Raschîds erwähnt.

256. Nacht – Kindergarten-Memories

Die Einzigen aus meinem Kindergarten, an die ich mich mit Vor- und Nachnamen erinnern kann:

  • Frank Malanka

  • Dana Maruschka

  • Kerstin Turban

Niemand davon auffindbar, weder im Telefonbuch, noch bei Google.

***

Es stellt sich heraus, dass der junge Mann die Tochter seines Onkels geheiratet hat, diese ihn aber nicht liebte. In einem unachtsamen Moment sprach er den dreifachen Eid der Scheidung, eine Gelegenheit, die er beim Schopfe packte. Da er sie aber erst wieder heiraten kann, wenn sie sich von einem anderen hat scheiden lassen, brauchen sie einen Mittelsmann (Muhallil), d.h. jemanden, der eine Scheinheirat eingeht. Sie haben ihn gefunden: Alâ ed-Dîn. Ein Vertrag wird aufgesetzt: Man wird ihm die Scheidung belohnen mit 3 mal tausend Dinaren in Gewändern, Maulesel und Gold. Andernfalls droht eine Konventionalstrafe von 10.000 Dinaren.
Der Alte informiert seine Tochter darüber, dass sie nun einen neuen Gatten hat. Die Wirtschafterin des Hauses wird beauftragt, die beiden einander madig zu machen, damit Alâ ed-Dîn nicht etwa auf die Idee kommt, die Ehe zu vollziehen. Und so erzählt sie den beiden, der jeweils andere sei aussätzig.
Nach dem Essen singt Alâ ed-Dîn die 36. Sure, und seine Frau Zubaida 256, hört seine Stimme,

und sie fand, dass seine Stimme so lieblich klang, wie wenn das Volk Davids Psalmen sang.

Bemerkenswert für 1001 Nacht: Positive Referenz an Juden.

Die beiden singen einander Lieder vor, erkennen, dass sie gesund sind und verlieben sich ineinander.

In ihm regte sich, was sein Vater ihm hinterlassen hatte; und er rief: "Deine Hilfe o Scheich Zacharias, o Vater der Adern!" Dann legte er seine Hände an ihre Seiten, setzte die Ader der Süße an das Tor der Schlucht, und drang ein, bis er zum Gittertor kam; er ging am Siegestor vorbei, und dann kam er auf den Montags, Dienstags-, Mittwochs- und Donnerstagsmarkt, er sah, dass der Teppich in seiner Größe der Estrade entsprach, und er schob den Deckel auf die Schachtel, bis er sie traf.

Die bisher bemerkenswerteste und rätselhafteste Beschreibug des Sexualaktes in 1001 Nacht.

Als er ihr am Morgen von seiner rechtlichen und finanziellen Kalamität berichtet, beruhigt sie ihn.

256 Die offenbar denselben Namen wie die Hauptfrau Harûn er-Raschîds trägt.

255. Nacht – Geburtstagskinder

Mit mir Geburtstag haben

***

Der Beduinenhäuptling Adschlân lässt seine Soldaten umkehren, um nach dem Führer der Karawane zu suchen. Tatsächlich finden sie ihn trotz seiner Blut-Tarnung. Man erhebt gegen ihn den Speer, doch ruft Abd el-Kadîr, den Heiligen, an, so dass der Speer umgelenkt wird

und Alâ ed-Dîn war gerettet. Dann machten sich die Araber mit den beladenen Maultieren auf und davon.

Unklar: Ließen sie ihn, da ihre Speere umgelenkt wurden, in Ruhe? Das Ganze erinnert auch an die von Gott umgelenkten Kugeln in Pulp Fiction:

 

Als Alâ ed-Dîn nach einer gewissen Zeit flieht, wird er wieder erspäht, und einer der Beduinen setzt ihm auf einer Stute nach. Alâ ed-Dîn versteckt sich in einem Brunnengehäuse, und als der Araber nach ihm sucht, wird er, als Alâ ed-Dîn die Schutzheilige Herrin Nafîsa anruft, von einem Skorpion gestochen.
Er lässt von ihm ab, und nach einer Weile erreicht der andere Teil der Karawane inklusive dem Schein-Moslem und Klemm-Homo Balchi die Tränke. Er hilft dem Überlebenden des Massakers, reist mit ihm nach Bagdad, kleidet ihn, bewirtet ihn, nur um abermals zu versuchen,

ihm einen Kuss zu rauben.

Alâ ed-Dîn wehrt ihn ab, aber el-Balchi versucht ihn zu überreden:

Nach Überlieferung von einem seiner Meister
Sprach Abu Bilâl, der Scheich, der uns mehr als andere gilt:
Wer liebt, wird durch Umarmen und Küssen nie geheilet
Von seinem Leid, – nein, nur wenn er den Trieb gestillt.

Es ist Nacht, und Alâ ed-Dîn flieht in eine Moschee. nach einer Weile hört er Schritte, und einer der zwei Männer (wenn man von den Sklaven, wie hier üblich, absieht), bittet seinen Oheim:

"Gib mir meine Base zurück."

Der Alte darauf wirft ihm vor:

"Hab ich dich nicht schon viele Mal zurückgehalten, während du die Scheidung gleich der Heiligen Schrift immer nur im Munde führst?"

Man entdeckt Alâ ed-Din, und dieser stellt sich den beiden vor.… Weiterlesen

Schlüsse finden

Eine seltsame Scheu erfasst viele Impro-Spieler vor dem Schluss. Vielleicht ist es die Scheu davor, das Werk zu vollenden, nicht mehr zurückzukönnen (ähnlich der Scheu vor dem Abgeben der Dissertation oder Magisterarbeit).
Der letzte Satz der Szene oder des Stücks hat eine große Macht: Er definiert gewissermaßen die Moral des Ganzen – worum ging’s. Aber genau das macht es auch umgekehrt relativ einfach, einen Schluss zu finden: Ab einem gewissen Zeitpunkt kann in einer guten Szene nahezu jeder Satz der Schlusssatz sein. Es ist dann oft weniger eine Frage des Inhalts als des Timing.
Wer auch immer die Verantwortung für das Ende hat – der Lichttechniker, ein Regisseur oder ein Mitspieler – man lauere, wenn die Zeit gekommen ist, auf den ersten starken Satz und beende die Szene. Die Ansprüche für die “Stärke” dieses Satzes sollten nicht zu hoch sein, oft reicht ein stark gesprochener Satz oder die Lach-Reaktion des Publikums. Dass man nach dem Satz das Ende setzt, macht ihn oft erst zum starken Satz.

254. Nacht – Mein Ebay

Mein Ebay am heutigen Tag:

587 Punkte, davon 1 negative und 2 neutrale Bewertungen

695 abgegebene Bewertungen. Da bin ich wohl fleißiger.

Auswahl von Käufen

  • 17.3.00: Keyboard Yamaha PSS-26

  • 9.7.01: CD Clifford Brown – Paris Session

  • 26.2.02: Samy Molcho: Pantomime Körpersprache

  • 12.4.02: Haarschneidemaschine

  • 6.3.03: Buch “Trümmerleben, Münchnerinnen”

  • 31.7.04: Geldkassette mit Hartgeldeinsatz

  • 4.10.05: Gitarren-Wandhalter

  • 27.11.05: Fünf Klammappen

  • 16.2.06: Cardia Designer Hemd weiß

  • 30.1.07: Kopie des Bilds von Monet: Wasserlilien

  • 28.2.08: DVD “The Oxbow Incident”

***

Die Karawane zieht macht nacheinander Halt in Aleppo, Damaskus und Bagdad. In jeder dieser Städte besitzt der heimliche Magier Mahmud el-Balchi Häuser. Und bei jeder Rast lädt er Alâ ed-Dîn zu einem Festmahl ein. Der Leiter der Karawane, ein Vertrauten seines Vaters, rät ihm jedes Mal ab, aber vor den Toren Bagdads lässt sich Alâ ed-Dîn auf die Einladung ein. Während des Essen versucht der Magier, Alâ ed-Dîn

einen Kuss zu rauben.

Dieser zuckt zurück, doch der Magier schlägt ihm vor,

“Wir wollen die Worte des Dichters auslegen:

Kannst du nicht zu mir kommen, nur ein Augenblickchen,

So lang wie ein Schäfchen gemolken, ein Ei gebraten wird,

Und, was an zartem Feinbrote dir nur zusagt, essen,

Und nehmen, was an silberner Münze dir entgegenklirrt,

Und ohne Müh ertragen, was dir behagen soll,

Ein Zöllchen oder ein Spännchen oder ein Händchen voll?”

Darauf wollte Mahmûd el-Balchi den Jüngling vergewaltigen.

Wie nun? Erst mit Lyrik verführen, dann vergewaltigen?

Alâ ed-Dîn wehrt sich mit dem Schwert und beschwert sich beim Karawanenführer:

“Der da ist ein Wüstling!”

Wüstling – auch ein Wort, dessen Verlust zu betrauern wäre.

Alâ ed-Dîn überredet den Karawanenführer, ohne el-Balchi und dessen Leute aufzubrechen, um noch vor Anbruch der Nacht Bagdad zu erreichen. Dieser rät ihm aus Sorge vor den Beduinen ab. Alâ ed-Dîn entgegnet:

“Du, Mann, bist du Diener oder Herr?”

Diese Sorglosigkeit kostet mehreren Menschen des Leben, denn in der Tat werden sie im Hundetal von der Bande des Beduinenführers Adschlân Abu Nâîb überfallen. Alâ ed-Dîn überlebt, indem er seine kostbaren Kleider auszieht und sich im Blut der Toten wälzt, damit er selber für tot gehalten wird.

253. Nacht – Wikipedia

Eine willkürliche und unvollständige Liste  von Wikipedia-Artikeln, bei denen ich mich aus Missionarseifer, Besserwisserei oder purer Schreibfreude genötigt sah, mitzuwirken:

In der englischsprachigen Wikipedia:

Und auf der Mosaik-Fan-Wiki-Seite

***

Alâ ed-Dîn überredet seine Mutter, ihm Geld, Sklaven und Waren zu geben, damit er nach Bagdad reisen könne:

"denn dort verdient man, für das, was man bei sich hat, das Doppelte."

Ein seltsames Verständnis von Wirtschaft und Handel.

Sein Vater, der ihn auf der Feier vermisst, kommt nach Hause und findet ihn bereit zu m Aufbruch. Er warnt ihn:

"Mein Sohn, Allah mache das Reisen in der Fremde zuschanden!"

Ebenfalls eine seltsame Haltung für einen Kaufmann.

Doch Alâ ed-Dîn droht ihm an, im Falle der Ablehnung

als Pilgrim durch die Welt

zu wandern. Der Vater erteilt ihm den Segen, warnt ihn aber vor dem Löwenbusch und dem Hundetal, wo der wegelagernde Beduine Adschlân hause. Man vertraut den Sohn dem Karawanenführer an, und flugs wird noch eine Grabesdecke für den sufischen Heiligen Abd el-Kâdir el-Dschilâni gekauft.

252. Nacht – My little history of Suchmaschinen

Beim Frühstück hört man ein Lied im Radio, Melodie und Stimme kommen einem bekannt vor. Aber wer mag das sein?

  • Kabellosen Laptop an.

  • W-LAN aktivieren.

  • Beliebige Liedzeile googeln.

  • Informationen über Eric Clapton bei Wikipedia erspähen. (Eric Clapton – auch so eine Halb-Bildungslücke, die ich wohl auch deshalb nie ganz schließen werde, weil ich scho einsehe, dass Clapton kein schlechter Musiker ist, er mich aber trotzdem langweilt.)

Aber wie lange hätte man vor 10-15 Jahren gebraucht, um sich diese Informationen zu beschaffen? Vor 15 Jahren hätte man wohl in die Bibliothek gemusst. Vor 10 Jahren hätte ich für die Liedzeile der Suchmaschine Webcrawler vertraut und dann versucht, Informationen über Clapton bei Yahoo! über die Kategoriensuche zu finden.

My little history of Suchmaschinen:

  • 1996-1997: Webcrawler und Yahoo!

  • 1998-1999: Lycos und Altavista

  • ab 1999: Google. In seltenen Fällen auch Altavista

***

Doch als die zweihundertundzweiundfünfzigste Nacht anbrach, sprach ihre Schwester Dinazâd zu ihr: "Schwester, erzähle uns deine Geschichte weiter, wenn du wach bist und noch nicht schläfst."

Lange nichts mehr von Dinazâd gehört. Warum muss sie gerade jetzt ihre Schwester ermahnen, fortzufahren? Bekanntlich ging Schehrimân zu Schehrezâd ein. Es könnte also sein, dass sie nun schon im 9. Monat schwanger und entsprechend erschöpft ist. Vielleicht hat sie sogar gerade ein Kind geboren, und Dinazâd bangt um ihr beider Leben. Wie auch immer – Schehrezâd fährt fort.

Alâ ed-Dîns Vater bereitet ein großes Gastmahl und deckt zwei Tische – einen für die Jünglinge, einen für die Männer:

"Wisse, der bartlose Jüngling scheut sich, mit den Männern zu essen."

Seltsame Tradition oder Scheu.

Die Jungen vergnügen sich. Die Alten reden

von Wissenschaft und von den Überlieferungen des Propheten. (…)
Unter ihnen war ein Kaufmann des Namens Mahmûd el-Balchi; der war nach außen hin ein Muslim, aber im Innern ein Magier.

Dies steht in bemerkenswertem Gegensatz zur vorigen Geschichte, in der ein bösartiger Magier nur das Glaubensbekenntnis zu sprechen braucht, und alle Missetaten werden ihm vergeben.

Dieser Magier verliebt sich in Alâ ed-Dîn und besticht die anderen Jünglinge mit kostbaren Gewändern, ihn zu überreden, den Magier auf einer Handelsreise zu begleiten.
Diese beginnen nun mit ihren Reiseerlebnissen zu prahlen, ziehen Alâ ed-Dîn auf und machen ihm den Mund wässrig, so dass dieser schließlich seinen Vater bittet, reisen zu dürfen.

 

251. Nacht – Matti und Bau

Mein Neffe Matti reagiert erstaunlich freudig auf Bau, den "Nüdlüchen Hund"

 

***

Erst von den Dienern erfährt Alâ ed-Dîn, dass sein Vater Vorsteher der Kaufmannsgilde ist,

"und er gilt als Fürst unter den Arabern."

Er gestattet es sogar seinen Sklaven, bis zum Wert von 900 Dinaren, Geschäfte ohne seine Zustimmung abzuschließen.

Sklaven als Prokuristen?

Alâ ed-Dîn bittet nun seine Mutter, seinen Vater umzustimmen, damit er gegenüber den anderen Händlern als Sohn seines Vaters angesehen werde und dadurch in den Genuss dieser Privilegien komme, falls sein Vater stürbe.
Der Vater ist einverstanden. Man ist und trinkt Scherbette. Als sie jedoch nach dem Bad zum Basar gehen, ernten sie misstrauische Blicke, und die Kaufleute wollen ihn absetzen, da sie glauben, er hege

unerlaubte Liebe und Neigung zu ihm.

Als er sie aufklärt, wünschen sie ihm Glück:

"Der Herr behüte die Wurzel und den Zweig!"

verlangen aber ein Geburtsfest für die Kollegen.… Weiterlesen

Immer auf die Kleinen – Europäische Rüpelhaftigkeit

Eine Regel von Bob Kennedy aus dem YesAnd-Forum:

Funny at the expense of the lower-status character = churlish. Funny at the expense of the higher-status character = comedy gold. Unless you’re in continental Europe, where it’s the other way around. I think.

Und wahrscheinlich hat er recht. Wie Grissemann schon sagte: Deutsche Comedy ist reaktionär. Der ganze Stefan Raab würde nicht funktionieren, wenn man das Lachen auf Kosten der Schwachen weglassen würde.… Weiterlesen

250. Nacht – Knickerbocker und Sportanzüge

Entdecke im Bücherschrank ein altes Benimmbuch von 1960, das ich, wenn ich mich recht entsinne, mal vorm Verrotten in einer Jugendherberge gerettet (man könnte auch sagen “gestohlen”) habe. Darin folgendes Foto:

Sportanzüge und Knickerbocker! Im RAW wäre die Autorin wohl in Ohnmacht gefallen:

  • Unterwäsche

  • Hunde (Wir haben noch keine Regelung dafür gefunden)

  • Filzhaare

  • Skihosen

  • Jeans

  • Joggingklamotten

Dagegen bisher erst einmal entdeckt: Das Abendkleid.

***

Da ihm die Frau bei Eheschließung vertraglich verboten hatte, sich eine Kebse oder Sklavin zu nehmen, ist Schams ed-Dîn nun doppelt verärgert:

“Die Ehe mit dir ist, als ob man auf einen Fels schlage.”

Doch sie gibt ihm die Schuld zurück:

“Dein Same ist zu dünn.”

Um seinen Samen zu verdicken, geht er einkaufen:

“bei Drogenhändlern!”

Auf dem Markt schickt man ihn von einem zum anderen und macht sich über ihn heimlich lustig, bis er zu einem Opiumraucher und Haschischesser namens Simsim (=”Sesam”) kommt. Die Gattin, welche, da sie schon 40 Jahre verheiratet sind, ja über 50 Jahre alt sein muss, braut aus verschiedenen Zutaten ein abenteuerliches Gesöff und der Schams ed-Dîn begattet sie noch in derselben Nacht.Den Sohn nennt man Ala ed-Dîn Abu esch-Schamât, er wird im Namen Mohammeds und Alis 250 gesegnet und mit Salz bestreut 250a.

Das Motiv, dass es den Eltern schwerfällt ein Kind zu bekommen, taucht mehrfach in den 1001 Nacht-Storys auf. Geradeso, als wolle man ordentlich Anlauf nehmen, um dem eigentlichen Geschehen Schwung zu verleihen oder um das Besondere des Protagonisten zu unterstreichen.Nicht zu vergessen: Schneewittchens Eltern hatten auch mit dem Zeugen Schwierigkeiten.

Sein Vater war um ihn wegen des bösen Blicks besorgt, und darum ließ er ihn in einem Gemache unter der Erde aufziehen.

Heutzutage hätte es der Vater mit einer solchen Begründung vor Gericht schwer. Hm – vor einem deutschen Gericht.

Man will den Knaben solange dort halten,

bis ihm der Bart sprosst.

Aber eines Tages lässt ein Sklave die Falltür offenstehen, und Alâ ed-Dîn flieht. Er betritt ein Zimmer, in dem seine Mutter gerade ihre Freundinnen empfängt, die über diesen spontanen Besuch eines weißen Mamluken empört sind, bis die Mutter sie aufklärt.

 

250 Vielleicht ein Hinweis auf die schiitische Herkunft der Story?
250a Zur Abwendung des bösen Blicks, mit dem man es in dieser Story anscheinend sehr genau nimmt.

249. Nacht – Elfentanz und Tortenschlacht

König el-Ghajûr nimmt nach vier Wochen seine Tochter Budûr wieder mit in seine Heimat. Ebenso el-Amdschad, den er zum Herrscher macht. El-As’ad wird zum Herrscher über die Ebenholzinseln, und Kamar ez-Zamân reist mit seinem Vater zurück nach Chalidân, wo er von nun an herrscht.

Unklar bleibt außerdem: Was geschieht mit Hajât en-Nufûs?

Ende

***

 

Da sprach der König: “Schehrezâd, dies ist wirklich eine ganz wundersame Geschichte!” Doch sie erwiderte: “Hoher König, sie ist nicht wundersamer als

Die Geschichte von Alâ ed-Dîn Abu esch-Schamât

In Kairo lebt ein reicher Kaufmann namens Schams ed-Dîn, dessen Reichtümer uns Schehrezâd aufzählt.

Und er war Vorsteher der Kaufmannsgilde von Kairo.

Er ist mit seiner Frau schon vierzig Jahre verheiratet, doch sie können keine Kinder bekommen. Als er eines Tages die Söhne der anderen Kaufleute betrachtet, beneidet er diese.

Jener Tag aber war ein Freitag, und so ging der Kaufmann in das Badehaus und vollzog die Freitagswaschung.

In diesem Kontext anscheinend religiös besetzt, aber auch in deutschen Arbeiterfamilien kannte man das: Die Arbeitswoche war vorbei. Es wurde gebadet – erst die Kinder, dann die Mutter, am Schluss der Vater. So wie man auch beim Abwasch erst die Gläser, dann die Teller und am Schluss die Töpfe spült.

Meine Großeltern mussten immer noch extra einen großen Wassertopf zum Kochen aufsetzen, um in der großen Zinkwanne zu baden. Ein Badezimmer erschien ihnen als großer Luxus. Ich erinnere mich, dass, wenn mein Großvater uns besuchte, er es für völlig abwegig hielt, an einem anderen Tag als einem Freitag zu baden. Selbst im Urlaub. Aber auch in unserer Familie hielt sich die Tradition des Freitagsbads. Wir Kinder wurden zwar dreimal wöchentlich gebadet. Aber kein Freitag ohne Bad.

Elfentanz und Tortenschlacht

 

Bei uns wurde nicht geduscht, bei uns wurde gebadet. Zwei bis dreimal pro Woche, je nach Verschmutzungsgrad. Die Badetage waren flexibel, nur der Freitag war fix. Am Freitagsbad wurde nichtgerüttelt. Vielleicht ein Überbleibsel aus der proletarischen Tradition meiner Eltern, als Baden ein Topluxus war. Wurde beim Essen in den Familien darauf geachtet, dass das erste Stück und größte Fleisch der Vater bekam, dann die Mutter, die großen und am Schluss die kleinen Kinder, war es beim Baden andersrum: Erst stiegen die Kinder in die Wanne, an deren kleineren Körpern befand sich vermutlich wesentlich weniger Schmutz, dann die Mutter und am Ende der Vater, auf dessen Körper eine Schicht aus Schweiß, Ruß und Schmieröl lag.

Soweit zur Tradition des Freitags. Aber Freitag war bei uns nicht nur Bade-, sondern auch Lern- und Spaß-Tag. Meine ausführlichen Untersuchungen der Konsistenz von Badeschaum, der Einfangbarkeit von Furzblasen mit dem durchsichtigen Zahnputzbecher meiner Schwester, der Luftanhalte- und Seifenblasentest, der meditativen Betrachtung der Finger beim Schrumpeln, fanden spätestens 18.15 Uhr ein jähes Ende. Dann nämlich war die langweiligste Fernsehsendung aller Zeiten namens “Drehscheibe” vorbei, und es blieben mir noch fünf Minuten, bis “Spaß” anfing. “Spaß” war der familieninterne Titel für eine wöchentliche ZDF-Zusammenstellung alter Stummfilme, die offiziell “Väter der Klamotte” genannt wurde. In diesen fünf Minuten musste ich gewaschen und abgetrocknet sein und im Schlafanzug auf dem Sessel sitzen.

Das Intro war ein Reigen fulminanter Explosionen kindlichen Wahnwitzes: Eine Frau verliert beim Tanz ihren Rock und steht in Unterwäsche da, einer Ritterrüstung wird der Kopf abgeschossen, es wir geschielt, geschüttelt, gestürzt, geschlagen, Menschen fliegen durch die Luft, Flüssigkeiten und Sachbeschädigungen haben einen prominenten Platz in diesem Höllenkurzfilm, dessen Tempo und Schnittfrequenz die Musikvideoclips der 90er Jahre antizipiert. Der Text des Intro-Lieds, dessen Melodie Fröhlichkeit suggerierte und dessen alberne Instrumentierung signalisierte, jetzt komme etwas Ulkiges, bei dem gelacht werden dürfe, gab mir Rätsel auf. Bekannte Floskeln wie “Guten Abend, liebe Leut’” wechselten sich ab mit einer Kaskade an Fremdwörtern wie “Motto”, “Kapriole” und “Elfentanz”.

Teilweise thematisierte der Songtext genau das, was zu sehen war – eine Tortenschlacht, einen wilden Löwen. Aber wenn bei der Zeile “Schöne Frauen” eine alte Transe gezeigt wurde, war selbst einem Fünfjährigen klar, dass das nicht ernstgemeint sein konnte. Bei “Kapriolen” sah man einen sich in einem fort überschlagenden Radfahrer. Jahrelang waren Kapriolen für mich genau das: Sich in einem fort überschlagende Radfahrer. “Muskelpracht” – ein Boxer spannt seinen Bizeps so sehr an, dass es aussieht, als röche er an seinem Boxhandschuh, ich glaubte jahrelang, dass das alle Boxer vor einem Kampf täten. Dass der Cowboy in der Zeile “Starke Helden” mit seinem Revolver zittert, hielt ich auch für üblich unter Revolverhelden. Was ein Elfentanz (ich verstand immer Elfertanz) ist, blieb mir unklar, und statt “Vagabunden” verstand ich “wohl verbunden”, was auch die beiden nebeneinander ruhenden Penner nahelegten.

Das sich verschiebende Drei-D-Gemälde gehört zu den besten Special Effects der Filmgeschichte, ich habe so etwas nie wieder gesehen.

Die Filme selbst dürften jedem Stummfilmliebhaber Tränen in die Augen getrieben haben, für Kinder waren sie genau die richtige Mischung aus Anarchie und Blödelei: Zunächst wurde alles ins ZDF-20-Minuten-Format gepresst und entsprechend beschnippelt. Was aber mit der Stummheit der Stummfilme tun? Im Fernsehen darf es per definitionem keine Stille geben, sonst weiß der Zuschauer nicht, ob sein Apparat eine Tonstörung hat. Und so kommentierte Hanns Dieter Hüsch jede Szene und verdoppelte das Gesehene: “Hups, Charley, das ging ins Auge!” – “Dieses Gewicht hält keine Unterhose aus!”

Oder er verlieh den eigentlich stummen Akteuren eine Stimme: “Her mit dem Teller!” – “Hier nimm die Torte!” – “Nanu, der Bart ist angeklebt!” – “Lieber angeklebt als angeschmiert!”

Die Musik des ZDF-Hauskomponisten Fred Strittmatter lud den Filmen eine dritte Ulkigkeitsebene auf, und zwar mit einer Kompositionstechnik, die man Mickymousing nennt und die Leopold Mozart in seinen Kinderkompositionen vorweggenommen hat: Rennt Micky die Treppe runter, vollführt die Musik dieselbe Bewegung, dasselbe bei Ohrfeigen, Ausrutschern, Sprüngen usw. Kein Gag darf unbemerkt bleiben, jede Derbheit muss unterstrichen werden.

Man lernte die Creme de la Creme der amerikanischen Slapstickfilme kennen: Charley Chase, Harold Lloyd, Charley Chaplin und den dicken Fatty Arbuckle, den wir nur “fette A-Backe” nannten, schon klar, dass man im Fernsehen nicht “Arschbacke” sagen durfte. Mein Liebling war schon damals Buster Keaton, der keine Miene verzog, wenn sich die Welt der Apparate gegen ihn verschwor.

Beim Abspann poltert ein Fettwanst durch den Kamin und ist mit Spaghetti oder einer schleimigen Suppe beschmaddert. Lächerlicherweise wird ihm von Hüsch dabei der Ruf “Schööön!” untergelegt, wie übrigens jedem, der sich bei “Spaß” mit irgendetwas bekleckerte. Und während ich quasi intuitiv die Bedeutung des Wortes Kapriolen lernte, glaubte ich hier, das Wort “schön” habe noch eine andere, vielleicht anzügliche, nur Erwachsenen verständliche Bedeutung. Vielleicht verhörte ich mich ja auch, und die Schmadderopfer sagten gar nicht “schön”, sondern “Schöb” oder “Schöm” oder “schöl”.

Unmissverständlich war jedoch: “Gute Laune, gute Laune, gute Laune Tag und Nacht!”, gebadet, und gereinigt an Körper und Geist ging ich freitags um 19 Uhr gut gelaunt ins Bett.

 

Väter der Klamotte

 Guten Abend, liebe Gäste,
wir erfreuen euch aufs Beste.
Mit Klamotten, Komödianten,
die schon unsre Väter kannten.

Guten Abend, liebe Leut’,
Lachen ist das Motto heut’.
Tempo jetzt! Die Zeit verrinnt!
Vorhang auf! Der Spaß beginnt.

Schöne Frauen, wilde Löwen,
Elfentanz und Torten-Schlacht,
starke Helden, Vagabunden,
selten hat man so gelacht.

Süße Worte, Kapriolen,
Wasserstrahl und Muskel-Pracht
machen Spaß am Feierabend.
Gute Laune, gute Laune,
gute Laune, Tag und Nacht.

Tempo jetzt! Die Zeit verrinnt!
Vorhang auf! Der Spaß beginnt.

“Schööööön…”

 

Nach dem Bad

blickte er auf seinen Bart und sah, dass die weißen Haare darin die schwarzen bedeckten, und dachte daran, dass die weißen Haare Vorboten des Todes sind.

Zuhause tritt er den von seiner Frau gedeckten Tisch um und fährt sie an:

“Du bis die Ursache meines Kummers!”… Weiterlesen

Einsatzfreude, Witz und Geist

Seltsam, wenn Akzeptieren, Figuren-Schaffen, formales Storytelling usw. funktionieren, aber man als Zuschauer sich dennoch langweilt. Ich glaube, wir sehen so etwas häufig bei “übertrainierten” Gruppen und bei Impro-Spielern, deren Hauptfokus die Rolle ist. Die Show braucht aber ein zusätzliches Element: Kreatives Engagement. Es ist einerseits wichtig loszulassen, sich auf Impulse der anderen einzulassen, aber genauso wichtig ist es, bereit zu sein, sie kreativ zu verarbeiten. Billiges Gagging zu unterlassen heißt nicht, Humor sei verboten. Sich auf andere einzulassen, sich freizumachen, heißt nicht, doof zu spielen oder den Geist auszuschalten. Nutze deine Fähigkeiten, deinen Geist, deinen Witz.

248. Nacht

Lege einen Artikel über Musikinstrumente bei Mosapedia an, dem Wikipedia des Comics “Mosaik”. Wollte ursprünglich nur über die Zerstörung von Instrumenten bei Hannes Hegen schreiben, die ihm ganz offensichtlich regelrecht Freude gemacht hat. Beschränke mich auf die Amerika- und die Orient-Serie der Digedags, füge eventuell noch Adria- und Österreich-Serie der Abrafaxe hinzu.

**

El-Amdschad gibt sich seinem Großvater zu erkennen und berichtet ihm,

dass es der Königstochter Budûr und auch seinem Vater Kamar ez-Zamân wohlergehe.

Wie kommt er darauf?

El-Ghajûr verspricht, die Familie auszusöhnen.
Eine weitere Staubwolke steigt empor.
Der König meint inzwischen:

“Dies kann nur ein Tag des Segens sein.”


Karawanenstaubwolken heute

Tatsächlich ist es das Heer von den Ebenholzinseln inklusive Kamer ez-Zamân.

Es fragt sich, warum er überhaupt losgezogen ist, da er doch ein Haus der Trauer für seine totgeglaubten Söhne hat errichten lassen. Aber wir fragen auch nicht nach der

vierten Staubwolke, hinter der sich – wer hätte das gedacht – König Schehrimân verbirgt.

Auch dessen Reise ist etwas unklar, da er doch seinen Sohn Kamar ez-Zamân von wilden Tieren zerfleischt glaubt. Aber als Storytelling-Technik wollen wir das mal durchgehen lassen. Alle heraushängenden Strippen schnell (wenn auch etwas unmotiviert) zusammenbringen, Knoten rein, fertig:

Mardschâna und el-As’ad heiraten, und sie zieht zurück in ihre Heimat.

Man beachte: Ohne ihren Mann!

El-Amdschad heiratet Bustân, die Tochter des Bahrâm.
Kamar ez-Zamân reist mit seinen Söhnen zurück in die Ebenholzstadt.

Obama, der Improvisierer

Während Obamas Reden gibt es immer wieder Zwischenrufe, manchmal konstruktiv, manchmal einfach begeistert, aber nichtssagend, und manchmal auch störend. Bemerkenswert ist seine blitzschnelle Reaktion, zu entscheiden, ob er auf eine kleine Störung eingeht und sie in seine Rede einbaut oder nicht. Im extremen Fall geht er direkt auf eine Gruppe hinter ihm positionierter Störer ein.

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247. Nacht –

Man könnte vermuten, dass Bahrâm nicht nur sein Leben retten, sondern sich – durch die Anspielung auf den hilfreichen Perser – eine hohe Stellung beim König beschaffen will. In dieser Hinsicht ähnelt seine Strategie durchaus der von Schehrezâd.

Während man sich nach der Geschichte noch angeregt weiter unterhält, naht eine Staubwolke, die natürlich nur von der siebten Kavallerie einem befeindeten Heer stammen kann.
El-Amdschad reitet auf das Heer zu und erfährt, dass es angeführt wird von Königin Mardschâna, die el-Amdschad auch gleich ein Ehrenkleid verleiht, als sie erfährt, dass ihr geliebter el-As’ad noch am Leben ist.
Kaum ist man mit Freuen fertig, naht eine zweite Heeres-Staubwolke, diesmal von el-Ghajûr, ihrem Großvater, dem Vater von Prinzessin Budûr.

Fragt sich, ob sie den überhaupt erkennen können.

“Fehler” in einer sehr guten Show

Sehr gute, geradezu exquisite Impro-Show am Freitag im RAW.
Die Spieler von Foxy Freestyle überbieten sich geradezu mit ihrer Spielfreude, ihren Figuren, ihrer Einsatzfreude. Alles wird positiv verwendet. Selbst als der Computer, mit dessen Hilfe wir Bühnenbilder projizieren, abstürzt, verwenden wir das konstruktiv.
Beim genaueren Hinsehen könnte man tatsächlich ein paar kleine, aber ziemlich haarsträubende Storytelling-Lücken entdecken. Verrückt aber, dass das im Grunde nicht mehr zählt, ob es aufgeht. Man nimmt als Zuschauer eigentlich viele Ungereimtheiten inkauf, wenn sie überzeugend vorgebracht werden. Das Konstrukt des Storytelling wird in der Analyse und in der Vorbereitung immer wieder überschätzt.

246. Nacht – Obama, McCain, Hilton, Günter Gaus und Jochen Schmidt

Auch wenn ich mich hier vor kurzem etwas enttäuscht über die Berliner Rede Obamas geäußert habe, ist doch seltsam, wie grundlos jetzt auf ihn eingedroschen wird. Die Reporter Michael Jach, Henning Krumrey und Rainer Pörtner vom FOCUS sind sich nicht zu blöde, zu behaupten, in der ersten Reihe hätten Amerikaner mit Sonderausweis gestanden. Kompletter Quatsch! In den ersten Reihen standen zwar viele Amerikaner, aber ebenso Deutsche, Afrikaner, Europäer, Latinos usw. usf.. Alle mussten die gleichen Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen, mit Ausnahme der Reihe, in der ich stand: Wie in der Kaufhalle hatte ich den dümmsten Security-Mann erwischt, der behauptete, man dürfe keine Taschen mit reinnehmen. Der Hinweis, alle anderen Sicherheitsleute würden das anders handhaben und bei einer Taschenkontrolle belassen, wirkten nichts, der Mann drehte sich nicht einmal zur Seite um, um unsere Behauptung zu kontrollieren. Erst sein Chef, der nach 10 Minuten ankam, musste ihn erweichen. Und so kam ich, obwohl ich einer der ersten 50 war, nicht in die erste, sondern nur in die dritte Reihe.
Hübsch auch: Nachdem Britney Spears und Paris Hilton von McCain für eine Unter-die-Gürtellinie-Kampagne eingesetzt wurden, schießt Paris Hilton mit erstaunlich viel Selbstironie zurück.

Das Original von McCain:

Paris Hiltons Antwort

**

Die pseudofiktive Geschichte der Schwester des Kalifen endet damit, dass der König das Liebespaar hinrichten lässt. Der Kalif antwortet darauf, dass jener König doch hätte Gnade walten lassen sollen, denn
1. das Paar liebte einander
2. sie genossen Gastrecht

3. muss der König sein Urteil über Untertanen mit Überlegung fällen – wieviel mehr aber in einer Sache, die ihn selber angeht.

Bindung des Herrschers an das Recht ist also in einer Despotie nur über die Tugend des Herrschers zu haben.
Diskussion vor 2 Wochen mit Ivo, Robert Weber, Jochen Schmidt über Demokratie. Jochen führt Günter Gaus ins Feld, der ein Jahr vor seinem Tod sich von der Demokratie lossagte. Die Haltung kennen wir von der Frankfurter Schule: Sich ins Elfenbeintürmchen zurückziehen und über die Welt den Kopf schütteln. Gaus bleibt aber die Antwort schuldig, was er denn sonst ist, wenn nicht Demokrat. Natürlich ist es bedenklich, wenn politische Stimmungen bei Anne Will (oder damals Christiansen) erzeugt werden, wenn das Fernsehen einem das politische Denken abnimmt. Aber die ästhetische Widerwärtigkeit dieser Veranstaltungen zeigt uns noch keine Alternative. Und wenn man Gaus’ Artikel genau liest, kann man herauslesen, dass er zu sehr Demokrat ist, um heute Demokrat zu sein.

Die Schwester klärt ihn auf, und der Kalif “schenkt” die Liebenden einander, den Perser aber ernennt er zu seinem Vertrauten.

Ob hier Bahrâm bereits mit seiner Geschichte selbst auf ein Pöstchen spekuliert?

Nach einer Woche Feierns kehren die beiden Liebenden nach Kufa zurück und leben dort glücklich,

bis Der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt und die Freundesbande zerreißt.… Weiterlesen

245. Nacht – Übernachten in den USA

US-Bundesstaaten, in denen ich übernachtet habe:

  • New York

  • Louisiana

  • Illinois

  • Massachusetts

  • Connecticut

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Ni’ma und Nu’m umarmen einander und sinken erwartungsgemäß ohnmächtig zu Boden. Die Schwester des Kalifen bestellt Wein und Speisen.

Die Becher kreisten bei ihnen hin und her, und bald kannten sie keine Sorge mehr.

Anders dagegen Wilhelm Busch über die “Fromme Helene”: “Es ist ein Brauch von Alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör.” So oder so wird dem Alkohol eine sorgentrübende Wirkung zuerkannt. Die Helene-Geschichte habe ich als Kind bestimmt zwanzig Mal gelesen, aber nie verstanden, im Gegensatz z.B. zu Knopp, den ich sehr mochte. Vielleicht mal das Busch-Album wieder besorgen und neu lesen.

Die beiden Liebenden singen Liebeslieder zur Laute.

Da plötzlich trat der Beherrscher der Gläubigen zu ihnen ein.

Besoffen und angeheitert vorm Kalifen – wer wollte das nicht.

Ni’ma, immer noch in Mädchenkleidern, gibt sich als Freundin Nu’ms aus. Der Kalif verspricht “ihr” ein prächtiges Gemach.

… und prüft zum Glück, im Gegensatz zu seiner Schwester nicht ihre Mädchenbrüste.

Man amüsiert sich weiter, und gegen Mitternacht beginnt die Schwester des Kalifen, ihm eine “fiktive” Geschichte über ein Liebespaar mit Namen Ni’ma und Nu’m zu erzählen.

Radio-Impro mit Uli Hannemann

Ohne Improvisation kommt gutes Radio kaum aus. Hier meine Versuche mit Uli Hannemann

Die Prophetin vom Treptower Berg – Dialoge aus der Nachkriegszeit
4.8.08 mit Uli Hannemann, Radio Funkwelle 92,5
Intro/Der unglückliche Casinobetreiber Lutz Schmödling
Oberprofessor Falko Wernig und der Wermolch
Martin Sülz – Kanalbetreiber
Hanspeter Schmidt – Der Kotzomat

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244. Nacht – fremde europäische Länder

Europäische Länder, die ich noch nicht bereist habe:

  • Norwegen

  • Schweden

  • Island

  • Finnland

  • Dänemark

  • Estland

  • Lettland

  • Albanien

  • Moldawien

  • Serbien

  • Montenegro

  • Kosovo

  • Liechtenstein

  • Andorra

  • Monaco

  • Luxemburg

  • Rumänien

  • Bulgarien (1 x Flughafen)

  • Mazedonien

  • Kasachstan (wenn man den kleinen Zipfel dazurechnen will)

  • Irland

  • San Marino

  • Vatikanstadt

  • Slowenien

***

Die Alte kann den kastrierten Kammerherrn noch abwimmeln und Ni’ma macht sich auf den Weg, verzählt sich aber bei den Türen und landet in einem äußerst reich eingerichteten Zimmer.

Und als er so großen Reichtum schaute, wusste er nicht, was im Verborgenen für ihn geschrieben stand.

Eine Art Schicksalsbuch Gottes?

Es stellt sich heraus, dass das Zimmer der Schwester des Kalifen gehört. Diese tritt ein und fragt, wer denn das schöne Mädchen sei. Ni’ma antwortet aber mehrmals nicht. Sie wird zornig und

legte ihre Hand an Ni’mas Brust, und als sie fühlte, dass er keine Mädchenbrüste hatte, wollte sie ihm sein Gewand abnehmen.

Warum überhaupt diese Brust-Antatsch-Aktion? Wollte die Schwester des Kalifen dem fremden Mädchen Gewalt antun?

Ni’ma aber erzählt ihr seine Geschichte. Inzwischen gelangt die Alte ins Zimmer von Nu’m und man ist erschrocken, dass Ni’ma noch nicht eingetroffen ist. Doch die Schwester lädt die beiden zu sich aufs Zimmer und verspricht, alles in Ordnung zu bringen.

243. Nacht – Länder ohne Hauptstadt

Länder, die ich bereist habe, ohne ihre Hauptstadt gesehen zu haben:

  • Ukraine

  • Türkei

  • Thailand

  • Griechenland

  • Kanada

  • Schweiz

  • USA (von der kurzen Durchreise durch Washington abgesehen)

  • Kroatien

  • Frankreich

  • Indien

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Der Perser erklärt der Alten die Umstände. Die Alte tauscht abermals Nachrichten zwischen den beiden Liebenden aus.

Etwas redundant wie in der Geschichte von Schams en-Nahâr.

Mit List will sie ihn in den Kalifenpalast führen. Ni’ma wird als Frau verkleidet und sie lehrt ihn, auf Frauenart zu gehen:

“Schiebe die linke Schulter vor und nimm die rechte zurück und wiege die Hüften hin und her.”

Gesagt, getan. Doch der Kammerherr tritt ihnen entgegen.… Weiterlesen

242. Nacht – Such mich

Top Ten der Suchwörter für meine Seite ohne der/die/das

  1. Improtheater / Improvisationstheater

  2. Stubenfliege

  3. Berlin

  4. Richter

  5. Geschichten

  6. Dan

  7. Impro

  8. Bergsteigen

  9. Anfänger

  10. Sklavin

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Der Perser befragt die Alte außerdem nach der Herkunft und dem Alter Nu’ms.
Ni’ma mischt nun eine Medizin, schreibt einen Vierzeiler, den er in die Kiste dazulegt

und schrieb auf den Deckel in kufischer Schrift: “Ich bin Ni’ma ibn er-Rabî aus Kufa.”

Nu’m gesundet, als sie die Arznei trinkt und die Botschaft liest, was man sofort dem Kalifen berichtet.

Der sich sicherlich schon freut.

Als Ni’ma indessen die Botschaft liest, die ihm die Alte bringt, beginnt er zu weinen.

241. Nacht – Hauptstädte die ich sah

Hauptstädte, in denen ich war. Mit Jahreszahl meines ersten Besuchs sowie gegebenenfalls Relativierungen für Kürzestaufenthalte und Hauptstädte, die keine waren oder mehr sind:

Berlin (DDR)

Bonn 1991 (BRD)

Berlin (BRD)

Warschau 1979

Prag 1990

Budapest 1981

Sofia 1997 (nur auf dem Flughafen)

Wien 1998

Bratislava 1981 (zu CSSR-Zeiten)

Vilnius 1989 (zu SU-Zeiten)

Minsk 1989 (zu SU-Zeiten)

Brüssel 1992

Amsterdam 1991

Moskau 1990

London 1993

Paris 1993 (nur wenige Stunden zwischen Bahnhof und Autobahnabfahrt)

Valletta 2001

Rom 2000

Madrid 1995

Accra 1997

Lagos (nur auf dem Flughafen)

Sarajevo 1999

Teheran 1996

Washington 1997 (nur ein paar Minuten am Busstop)

Kairo 2004

Abu Dhabi 2004 (nur auf dem Flughafen)

Edinburgh 1993 (naja)

Peking 2008

Colombo 2004

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El-Haddschâdsch vertröstet Ni’ma:

"Wenn deine Sklavin nicht wiederkehrt, so gebe ich dir zehn Sklavinnen aus meinem Hause."

Wahrscheinlich erkennt Ni’ma schon hier die Verstrickung el-Haddschâdschs.

Sein Vater er-Rabî’ bestärkt ihn in dieser Vermutung. Der zu diesem Zeitpunkt vierzehnjährige Ni’ma wird krank, und die Ärzte sagen:

"Es gibt kein Heilmittel für ihn außer der Sklavin."

Eines Tages erreicht ein kunstvoller persischer Arzt die Stadt Kufa,

von dem man ihm [dem Vater] sagte, dass er Heilkunst, Astrologie und Geomantie genau kenne.

Geomantie kennt ja heute kaum mehr einer. Und wenn, möchte man ihm vielleicht nicht unbedingt den kranken Sohn anvertrauen.

Diagnose:

"Dein Sohn leidet am Herzen."

Der Perser weiß sogar noch mehr über die Angebetete:

"Diese Sklavin ist jetzt entweder in Basra oder in Damaskus."

Mit Ni’ma sowie tausend Dinaren plus Pferden und Kamelen macht sich er Perser auf nach Aleppo. Dort werden sie nicht fündig und reisen weiter nach Damaskus. Sie eröffnen einen Laden und kommen überein, miteinander auf Persisch zu reden und sich als Vater und Sohn auszugeben.
Der Trick funktioniert. Der Perser heilt einige Kranke, und eines Tages kommt eine Alte auf einem Esel zu ihm, die vorgibt, eine kranke Tochter namens Nu’m zu haben…

Nach einer “schlechten” Show

Ärgern hilft nichts. Schlechte Shows passieren, wenn man improvisiert.

  • Arbeitet man als Gruppe an einem Ziel? Dann möglichst neu fokussieren.
  • “One way I try to avoid the whole thing is to just set an individual goal for each performance (working a certain way with someone in the group, having a grounded energy, doing more character work..whatever). I find when I do this and the show sucks, well, it’s not all a total loss.”