Michael Hartmann, Kranzgeld und ASV-Trainingsanzüge, 467.-468. Nacht

Michael Hartmann, Kranzgeld und ASV-Trainingsanzüge

In die seltene Rubrik “Nachrichten, die ich nicht verstehe”, ordnete ich am dritten Juli unwillig die Meldung ein, beim SPD-Bundestags-Abgeordneten Michael Hartmann sei nach einer Hausdurchsuchung kein Crystal Meth gefunden. Sie liest sich wie eine Fake-Nachricht. “Hausdurchsuchung in Kindertagesstätte: Keine chemischen Kampfstoffe gefunden.” oder eine Nicht-Nachricht: “Angela Merkel schon wieder nicht schwarzgefahren.”
Die Hartmann-Meldungen sind lang, die Hartmann-Meldungen sind breit, warum auch nicht, der Leser hat Zeit, möchte ich einen alten Klospruch abwandeln; aber trotz Länge und Breite erfährt der willige Medienrezipient nicht, warum man sich von einer Wohnungsdurchsuchung bei SPD-Bundestags-Abgeordneten verspricht, Crystal Meth zu finden? War Hartmanns Haut durch die mit dem Konsum dieser Droge einhergehenen Talgdrüsenentzündung auffallend picklig geworden? Hat man bei ihm Lungenkrebs diagnostiziert und vermutet nun, dass er dem Beispiel des Antihelden Walter White folgen und diese Droge zuhause produzieren würde, um für die Nachkommen vorzusorgen?
Ausgerechnet Michael Hartmann, der für einen harten Kurs gegenüber selbst weichen Drogen eintritt, wie man erfährt, wenn man gugelt, um etwas über einen Abgeordneten zu erfahren, von dem man noch nie etwas gehört hat. Jetzt hat Michael Hartmann seine Warholschen fifteen minutes of fame, aber nicht durch etwas Spektakuläres wie ein Crystal Meth Labor, sondern durch das Nichtvorhandensein eines solchen. Schwer zu sagen, welche Art von Ruhm einem da lieber wäre.
Hartmann ist, wie man lesen muss, auch Mitglied des Stiftungsrats des Hohen Doms zu Mainz, einem derart alten Dom, dass sich niemand mehr erinnern kann, wann er gebaut wurde und dessen neun Glocken nur dann gleichzeitig läuten, wenn katholische Mega-Events wie Pontifikalämter und Hochfeste anstehen. Bei Pontifikalrequien hingegen läuten die ersten acht Glocken, bei Pontifkalvespern die Glocken 1, 3, 5, 6, 7 und 8.
Vermutlich werden sich außer mir viele Nicht-Katholiken und eventuell sogar eine ganze Reihe Katholiken fragen, was denn ein Pontifikalamt sei, wem es dient, ob man es essen kann und ob man seine Straßenschuhe anbehalten darf. Ich muss erfahren, dass dieser Begriff in der katholischen Kirche eine Heilige Messe bezeichnet, der ein Priester vorsteht, der zum Tragen der Pontifikalien berechtigt ist. Vielen Dank für diese Definition, liebe Wikipedianer. Sie erinnert mich an die Tautologien mathematischer Definitionen, die mich in meiner Teenagerzeit, von der Wahnvorstellung, einmal Mathematiker zu werden, kurierten, etwa: “Ein Vektor ist ein Element eines Vektorraums, das zu anderen Vektoren addiert und mit Zahlen, die als Skalare bezeichnet werden, multipliziert werden kann.”
Aber ich bin nicht faul und binge auch noch “Pontifikalienträger”. Dieser darf, im Gegensatz zu uns gewöhnlichen Sterblichen, die keine Pontifikalien tragen, zum Beispiel Jungfrauen weihen, die geweiht werden, weil sie Jungfrauen bleiben, und zwar nicht weil sie keinen abgekriegt haben, sondern weil sie ihre Jungfräulichkeit der Kirche gewidmet haben.
Die Jungfräulichkeit hat bekanntlich in Deutschland im Laufe der letzten 1.000 Jahre immer mehr an sozialer Relevanz verloren, und das sollte man begrüßen, wenn nicht sogar in unregelmäßigen Abständen zelebrieren. Einen Meilenstein der lobenswerten Jungfräulichkeitsprofanisierung setzte die rotgrüne Koalition unter Gerhard Schröder. Eigentlich kann und sollte man die Täter und Mitläufer dieser Bande für all das politische Übel, das sie angerichtet hat, immer wieder schelten und sie scheeler Blicke würdigen, wenn sie sich einem auf Sichtweite nähern. Doch bei aller Scheel-Blick-Würdigung darf man nicht vergessen, dass erst diese Regierung es im Jahr 1998 fertiggebracht hat, den Paragraph 1300 des BGB zu streichen, nach welchem Männern, die ihre Verlobte deflorierten, sie dann aber nicht heirateten, die Zahlung eines sogenannten Kranzgeldes drohte. Wie, so frage ich mich, lief in einem solchen Prozess eigentlich die Beweisführung, wenn etwa der Deflorierer seine Beteiligung an der Hymenzerstörung abstritt und seiner Widersacherin unterstellte, die Deflorierung unter Zuhilfenahme eines Massagestabes, eines Mittelfingers oder einer handelsüblichen Gurke selbst vorgenommen zu haben?
In Sachen sexueller Revolution war ja die DDR dem Westen oft voraus. Der laxe Umgang in Sachen Nudismus, die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und Homosexualität sowie die Freiheit der Frauen, ihren Gatten nicht um Erlaubnis fragen zu müssen, wenn sie eine Erwerbsarbeit aufnehmen wollten, können als Beispiele ebenso herhalten wie der Umstand, dass der Kranzgeld-Paragraph bereits 1957 gestrichen wurde.
Ein ereignisreiches Jahr für den ersten Arbeiter- und Bauernstaat. (Ich habe mich übrigens immer wieder gefragt, was der entscheidende Unterschied zwischen einem Arbeiterstaat und einem Bauernstaat sei, bzw. zu welchen Anteilen die beiden Komponenten Arbeiter und Bauer die DDR zu einem Arbeiter- und Bauernstaat werden ließen. Ist das wie bei Nuss-Nougat-Creme? Die Nüsse sind die Hauptzutat, und dann erst das Nougat? Die ikonografische Glorifizierung des an der Maschine mit groben Fäusten werkelnden Proleten, der auch am 1. Mai stolz seine Stahlgießerschürze trägt, und dagegen das eher Peinlich-Berührtsein vor dem Auftreten eines Schweinestallbauern spricht für diese Reihenfolge. Aber auch in der Nuss-Nougat-Creme ist der Hauptanteil eigentlich Zucker, so wie im Politbüro dann auch die Bürokraten das Heft in der Hand hielten. Der einzige Bauer war eigentlich der sich als Dachdecker ausgebende Honecker. Exkurs Ende.)
Nicht nur wurde 1957 der Kranzgeldparagraph in der DDR abgeschafft, der Osten schlug der BRD eine Konföderation vor, und am 28. April wurde der Deutsche Turn- und Sportbund gegründet, der in 17 Bezirks-Unterorganisationen untergliedert war, obwohl die DDR eigentlich nur 15 Bezirke hatte. Die restlichen beiden waren der Stasi-eigene Club Dynamo und der Armee-Sportverein dessen ekelhaft-braune Trainingsjacken uns noch heute auf der Straße begrüßen, wenn sich hirnlose Hipster dieses Kleidungsstück, welches einst in der Freizeit überambitionierten NVA-Majoren oder resignierten Sportlehrern vorbehalten war, überziehen, und dessen extreme Hässlichkeit sich geschmeidig in die ansonstene Uneleganz des gemeinen Hipsters einfügt, dessen Anziehsachen-Beschaffung folgenden sich Prinzipien unterwirft:
– Farben müssen sich möglichst beißen und das Ugliest oft he last 100 years versammeln, etwa Neongrün, Stuhlgangsbraun und Rentnerbeige.
– Jacken, Hosen, Taschen alles drei Nummern zu klein, und mindestens so, dass man sich nicht mehr bequem darin bewegen kann.
– Alles, was man der Körper selbst produziert oder man am Körper manipulieren kann – Haare, Fingernägel, Bart, Tätowierungen und Ohrlöcher – so entsetzlich groß, dass Anfassen sich von selbst verbietet.
Ein Ohrloch zu einem Riesen-Fleischtunnel auszuweiten, bedarf einer Menge Geduld, da man pro Monat immer nur ein bis zwei Millimeter erweitern darf. Wenn ich einen Mann mit Kleinstfleischtunnel erblicke, möchte ich ihm zurufen: “Halte ein! Du wirst das Ausmaß des Fremdschämens, das deine Kinder beim Erreichen der Pubertät einst ohnehin in deiner Gegenwart verspüren werden, verachtfachen. Und wenn dir das als Argument nicht genügt, so sei dir gesagt, dass sich die unangenehme Geruchsbildung der sich im Ohrloch bildenden Talgdrüsen mit jedem Millimeter Durchmesser verschärft und, wenn man einschlägigen Berichten Glauben schenken darf, sehr an Untenrum erinnert. Verklebte Talgdrüsen und damit einhergehender Geruch – ein Problem, das wir notabene auch bei Crystal-Meth-Konsumenten beobachten können. Brachte Hartmann die Polizisten vielleicht durch fortwährende Müffelei auf seine Spur?

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467. Nacht

Zu ihrem Unglück schwimmt einer der Seeleute zu ihrer Planke und bedrängt sie:

“Bei Allah, schon als du noch auf dem Schiffe warst, gelüstete mich nach dir; jetzt aber, wo ich bei dir bin, lass mich meinen Willen an dir tun, sonst werfe ich dich allhier ins Meer.”

Schließlich wirft er nicht sie, sondern das Kind ins Meer. Auf ein Stoßgebet hin, erscheint ein Ungeheuer, das ihn von der Planke mitreißt.
Nach einem Tag trifft sie auf ein Schiff, das sie aufnimmt und dessen Besatzung auch das Kind vom Rücken des Ungeheuers geborgen hat.

Der Erzähler berichtet, er habe der Frau, nachdem sie ihre Geschichte erzählt hatte, Geld geben wollen.

Aber sie rief: “Weg damit, du Tor! Sagte ich dir nicht, wie Er gnädig spendet und in seiner Huld alles zum Guten wendet? Soll ich Wohltaten von jemand anders annehmen als von Ihm?”

Sehr eigenwillig. Wie erhält sie Nahrung, wenn nicht von Menschen oder eigener Arbeit? Gott als eine Art Weihnachtsmann?

*

Die Geschichte von dem frommen Negersklaven

Mâlik ibn Dinâr berichtet, in Basra sei einst der Regen ausgeblieben, und er und seine Gefährten gingen zu einer Gebetskapelle, wo sie einen Schwarzen mit seltsamen Körperlichen Merkmalen beten sehen. Er

betete zwei Rak’as, und beide Male war seine Haltung beim Stehen und Verneigen genau die gleiche.

Ist das erstrebenswert im Islam?

Nachdem der Schwarze Gott “bei deiner Liebe zu mir” um Regen gebeten hat, fängt es an zu strömen

wie aus offenen Wasserschläuchen.

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468. Nacht

Mâlik ibn Dinâr wirft dem Schwarzen Überheblichkeit vor:

“Du hast gesagt: Bei deiner Liebe zu mir. Woher weißt du denn, dass Allah dich liebt.

Der entgegnet:

“Wende dich hinweg von mir, o du, dem sein Seelenheil nichts gilt! Wo war ich etwa, als Er mir die Kraft gab, Seine Einheit zu bekennen, und mich mit der Kenntnis Seines Wesens begnadete? Meinst du vielleicht, er hätte mir die Kraft dazu verliehen, wenn Er mich nicht liebte?”

So sehr das Ganze auf eine weitere Frömmelei-Geschichte hinausläuft, so ist doch dieser Punkt bemerkenswert: Ein missgestalteter schwarzer Sklave wirft Mâlik ibn Dinâr, einem direkten Jünger Mohammeds fehlendes Vertrauen in Gott vor und beschämt ihn so.

Am nächsten Tag geht Mâlik ibn Dinâr zum Sklavenhändler, um den Sklaven zu kaufen, da er von ihm begeistert ist. Der Händler überlässt ihn für zwanzig Dinare mit der Bemerkung, er sei

“ein unseliger, unbrauchbarer Bursche, der die ganze Nacht hindurch nichts anderes tut als weinen und bei Tage nichts als bereuen.”

Mâlik ibn Dinâr eröffnet ihm:

“Nur deshalb habe ich dich gekauft, damit ich selber dir diene.”

Der Sklave jammert, dass nun sein inniges Verhältnis zu Gott bloßgestellt sei und wünscht sich den Tod, der auch sofort eintritt.

“Als ich in sein Antlitz schaute, lächelte er. Da war auch die schwarze Farbe der weißen gewichen, und sein Antlitz erstrahlte und wurde hell.”

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Die Geschichte vom frommen Manne unter den Kindern Israel

Ein Jude und seine Frau fristen ihr armes Leben mit Korbflechten. Abends zieht er los, um die geflochtenen Fächer und Tablette zu verhökern.

Da kam er bei der Tür eines der Kinder dieser Welt, eines wohlhabenden und angesehenen Mannes vorbei.

Mit "dieser Welt" ist, so muss man wohl annehmen, die muslimische Welt gemeint.

Die Bewohnerin des Hauses aber verliebt sich in ihren Mann, und da ihr Gatte nicht da ist, versucht sie, ihn mit List zu sich hereinzulocken.

438.-439. Nacht – Lernen popernen

Lernen popernen

Als wir unsere Tierpark-Runde beenden und uns von einer Tafel über die sieben hier gehaltenen Pelikan-Arten abwenden, frage ich mich spontan, wieviel ich davon behalten habe. Mit einigem Nachdenken kann ich mich an alle sieben erinnern. Heute, einen Tag später, sind es nur noch fünf. Wie bereit ist man überhaupt noch, sich en passant aktiv Wissen anzueignen, wenn es sowieso per Schlauphon abrufbar ist. Ich wette, dass es auch Wissenschaftlern (wenn es nicht gerade Zoologen sind) ähnlich gegangen wäre. Als Kind lief ich damals von Tafel zu Tafel, und merkte mir praktisch alle Tierarten und ihre Besonderheiten.
Im Alter zwischen 20 und 30 lernte ich fünf Fremdsprachen bzw. baute sie aus. Danach nur noch mal kurze zaghafte Versuche, mich an Französisch, Italienisch und Sizilianisch zu versuchen. Die anderen Sprachen bleiben aktiv oder verkümmern, abhängig davon, wie ich mit ihnen konfrontiert werde. Englisch lese und höre ich praktisch täglich. Russisch alle 1-2 Jahre. Bei Spanisch bilde ich mir immer ein, dass ich es jederzeit reaktivieren könnte. Mein Niederländisch ist eine einzige Schummelei, die darauf aufbaut, dass ich flämische Comics zu 90% verstehe. Persisch, das ich über drei Jahre lernte und mit dem ich mich ziemlich gut durch vier Wochen lang durch den Iran schlagen konnte, ist so verkümmert, dass ich mich lediglich an einzelne Vokabeln und einige grammatische Grundlagen erinnere.
Mein Studienfach Soziologie interessiert mich, wenn ich auf die leider inzwischen beinahe als abseitig geltenden Systemtheorie stoße.
Hirnforschung, Philosophie und Psychologie sind zu meinen Steckenpferden geworden. Jura ist es geblieben.
Das Thema Mathematik ist beinahe traurig: Ich war ziemlich gut in Mathematik. So gut, dass ich sie sogar studieren wollte. Wie weit würde ich heute noch mitkommen? Bis zur Differentialrechnung vielleicht?
Theatertheorie nimmt sozusagen aus beruflichen Gründen einen wichtigen Platz ein.
Welche Lernakte sind im Alter von über Vierzig noch bewusst? Wie selektiert man? Ist die Allgemeinbildung ein veraltetes Gut? Wieweit sollte ich Wissen aus der anorganischen Chemie parat haben?
Wichtiger noch: Selbst wenn man nebenbei lernt – über Wikipedia, TED-Vorträge, www.iflscience.com – wieviel behält man davon? Oder stumpft die Konsumtion von Wissen via Internet die Fähigkeit des aktiven Lernens ab?
Oder bin ich zu pessimistisch?

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436. Nacht

Die Sklavin Tawaddud verlangt von Abu el-Husn, sie dem Kalifen Harûn er-Raschîd für zehntausend Dinare anzubieten. Sie sei eigentlich noch mehr wert. Dieser tut das. Der Kalif fragt sie, auf welchen Wissenschaften sie bewandert sei.

Gibt es das in der europäischen Mythologie, in einem Volksmärchen, einer Heiligengeschichte, einer höfischen Erzählung? Dass der Wert einer Frau (genauer Magd) an ihrer Fähigkeit als Wissenschaftlerin gemessen wird?

Tawadduds Aufzählung ihrer Fähigkeiten umfasst eine komplette Buchseite, darunter:

“die Grammatik, die Dichtkunst, die Rechtswissenschaft, die Auslegung der Heiligen Schrift und der Sprachkunde (…), bewandert in der Tonkunst, der Pflichtenlehre, der Rechenkunst (…), der Erdmessung [es folgt eine Dreiviertel-Seite verschiedener Aspekte der Theologie], der  Geometrie, in der Philosophie, der Heilkunde, der Logik, der Synonymik und der Metonymik. (…) die Dichtkunst (…) Wenn ich singe und tanze, verführe ich die Herzen; doch bin ich geschmückt und mit Spezereien gesalbt, so bringe ich tödliche Liebesschmerzen.”

Der Kalif ist einverstanden unter der Bedingung, dass berufene Männer sie prüfen. Als erstes lässt er den Statthalter von Basra, Ibrahim ibn Saijâr en-Nazzâm [Lesenswerter Artikel über ihn bei Wikipedia] rufen, der als beredter Dichter und Philosoph gilt und er möge weitere Wissenschaftler mitbringen.

Gibt es Wissenschaftler eher in Basra als in Bagdad?

Als erstes wird sie von einem Theologen geprüft, den ihre Antworten erstaunen.

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437. Nacht

Die Prüfung dauert an. Sie beantwortet nun u.a. folgende Fragen:

– Was ist der Verstand?
– Wo ist der Sitz des Verstandes?
– Was sind die unerlässlichen Pflichten und die ewig bestehenden Normen?
– Was sind die Erfordernisse des Glaubens?
– Diverse Fragen zur Ausführung des Gebets.

411., 412., 413., 414. Nacht

411. Nacht

Man begräbt die beiden, und der Erzähler berichtet, die Jungfrau sei seine Tochter und der Jüngling sein Neffe gewesen. Auf die Frage, warum er sie nicht vermählt habe, antwortete er:

"Ich fürchtete mich vor Schimpf und Schande; und jetzt bin ich beidem verfallen."

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Die Geschichte von dem irrsinnigen Liebhaber

Abu el-Abbâs el-Murrabâd erzählt von einer Reise nach el-Barîd. Er macht eine Pause in Hesekiel an dem berühmten Kloster, und er hört, darin lebten Irre.
Er betritt das Kloster, und drinnen sitzt ein "Irrer", der die ganze Zeit in Versen von seiner verlorenen Liebe klagt.
Abu el-Abbâs el-Murrabâd meint kalt:

"Sie ist gestorben." Da verfärbte sich sein Antlitz, er sprang auf und rief: "Woher weißt du, dass sie tot ist?" Ich antwortete: "Wenn sie noch lebte, so hätte sie dich nicht so allein gelassen."

Das sieht der Irre ein, legt sich hin und stirbt. Voller Schrecken begräbt man ihn.

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412. Nacht

Als Abu el-Abbâs el-Murrabâd nach Bagdad zurückkehrt, berichtet er die Geschichte dem Kalifen el-Mutawakkil.

Und er sprach zu mir: "Was hat dich dazu bewogen? Bei Allah, wenn ich nicht wüsste, dass du um ihn trauerst, so würde ich dich um seinetwillen strafen!" Und er trauerte um ihn den ganzen Tag über.

El Mutawakkil war ein Kalif aus dem 9. Jahrhundert n.Chr., von dem es auch ein Hunde- und Falkenbuch gibt, das man noch heute erwerben kann. Abu el-Abbâs el-Murrabâd ein damaliger Sprachgelehrter aus Basra.

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Die Geschichte von dem Prior, der Muslim wurde

Abu Bakr Mohammed ibn el-Anbari ist ebenfalls in christlichen Regionen unterwegs. Er rastet beim Lichterkloster nahe Ammûrija. Die Mönche dort sind äußerst gastfreundlich, er wird vom Prior Abd el-Massih empfangen.

Abd el-Massih = "Knecht des Messias"

Am nächsten Tage verließ ich sie, nachdem ich bei ihnen solche Eifer in der Andacht und solche Frömmigkeit gesehen hatte wie sonst noch nie.

Im Jahr darauf trifft er den Prior bei der Pilgerfahrt in Mekka. Dieser berichtet ihm, was zu seiner Konversion geführt hat:
Im Dorf verliebte sich ein muslimischer Jüngling in eine christliche Jungfrau, der immer an derselben Stätte sitzenblieb, um sie sehen zu können. Die Christen

hetzten die Dorfbuben wider ihn, und die warfen so lange mit Steinen auf ihn, bis sie ihm die Rippen zerbrochen und den Kopf eingeschlagen hatten.

Der Prior nimmt sich seiner an und pflegt ihn.

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413. Nacht

Nachdem die Jungfrau ihn so sieht, bekommt sie doch Mitleid mit ihm:

"Willst du nicht meinen Glauben annehmen, auf dass ich dich mit dir vermähle?" Doch er reif: "Allah verhüte, dass ich den Glauben an die Einheit ablege und mich der Vielgötterei ergebe." Da sprach sie: "So komm zu mir herein, tu mit mir, was du willst, und geh dann in Frieden deiner Wege!" "Nein", erwiderte er, "ich will nicht zwölf Jahre der Anbetung zunichte machen durch die Lust eines einzigen Augenblicks." Darauf sagte sie: "So geh alsbald von mir fort!" Doch er entgegnete: "Das erlaubt mir mein Herz nicht."

Das ist sozusagen der Kern der Geschichte: Der Bursche hält alle Arten von Demütigungen und Schmerzen um der Liebe willen aus. Aber sein Glaube geht ihm noch darüber.

Bei ihrer nächsten Aktion töten ihn die "Dorfbuben".
Die Jungfrau, von schlechtem Gewissen geplagt, träumt nun, dass ihr der Weg ins Paradies versperrt würde, und man gibt ihr im Traum zwei Äpfel.

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414. Nacht

Einen isst sie, den zweiten findet man bei ihr am nächsten Morgen.

Von nun ab enthielt sie sich des Essens und des Trinkens, und als die fünfte Nacht kam, erhob sie sich von ihrem Lager und wanderte zu dem Grab jenes Muslims. Dort warf sie sich nieder und starb.

Es entsteht ein Streit darüber, ob die Christen oder die Muslime sie bestatten dürfen, und als vierzig Mönche es nicht vermögen, ihre Leiche vom Grab des Jünglings fortzuziehen, einer der muslimischen Scheiche die dann liebevoll mit einem Leichentuch fortträgt, sind die Christen konvertiert:

"Fürwahr, die Wahrheit verdient es, dass man ihr folge."

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Die Geschichte der Liebe von Abu Isa zu Kurrat el-Ain

Abu Isa, Sohn von Harûn el-Raschîd, verliebte sich in die Sklavin Kurrat el-Ain und diese sich in ihn. Beide tun ihr Geheimnis nicht kund.

Das tat er, weil er stolz und von hohem Ehrgefühl beseelt war, denn er hatte sich die größte Mühe gegeben, sie von ihrem Herrn zu erwerben, aber es war ihm nicht gelungen.

So entschließt er sich zu einer List: Er überredet den Kalifen el-Mamûn dazu, seine Befehlshaber auf die Probe zu stellen,

"so würdest du erkennen, wer eine edle Gesinnung hat und wer nicht."

402. und 403. Nacht – Wissen und Leben II

5) Seit einer halben Stunde stand er nun schon so da. Jemand musste vergessen haben, die Akkus des vollautomatischen Rugby-Schiedsrichter-Roboters aufzuladen.

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6) “Essen, Schlafen, Lustmord, Leichen verbuddeln..” Einen Tag vor seinem 65. Geburtstag wurde Alwin Henning klar, dass er sein gesamtes Erwachsenen-Leben doch recht eintönig verbracht hatte. Es musste doch noch mehr geben, als dieses ewige Essen, Schlafen, Lustmord, Leichen verbuddeln. Aber was?

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7) Erika Niemann und Holger Pfirsich waren kurz davor auszuflippen: Was hatten die sich in der Design-Abteilung von Robotron dabei wieder gedacht, das Akkufach des Rugby-Schiedsrichter-Roboters so fitzelig unter der Achselhöhle einzubauen? Und dass, wo doch heute der Verein Hacke Hagelberg seinen Titel gegen Hucke Hagenow verteidigen sollte!
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8) Das war schon erstaunlich mit einer einzigen Wischbewegung auf seinem iPad, das in der neuen Winter-Edition von Apple auf einem praktischen Ziehwägelchen geliefert wurde, konnte Professor Sergej Sergejewitsch Sergejew den bei der diesjährigen Tundra-Schmelze gefundenen Mammut-Penis ganz bequem im vom archäologischen Institut bereitgestellten Penisköcher verstauen. Einfach rein. Und wieder raus. Und rein. Und wieder raus.
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9) Beim Finale der Rugby-Meisterschaften der fünften Liga Nordost zwischen Hacke Hagelberg und Hucke Hagenow warteten die beiden Mannschaften seit einer geschlagenen Stunde auf den Anpfiff. Sollte es mal wieder ein Problem mit dem Rugby-Schiedsrichter-Roboters geben?

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402. Nacht

Der Erzähler berichtet, dass Abu Amir den Jüngling betend antrifft und als er ihn am nächsten Tag wieder besucht, ist er tot. Bei ihm findet er den Rubin,

der Tausende von Dinaren wert wahr. Ich sagte mir: “Bei Allah, dieser Jüngling übte die Weltentsagung in vollkommener Weise!”

Den Rubin lässt er Harûn er-Raschîd zukommen, der ihm bestätigt, der Vater des Jünglings zu sein. Nachdem sich Harûn das Grab des Jünglings zeigen lässt, bittet er Amu Amir, sein Freund zu sein. Doch dieser lehnt ab.

Das ist allerdings höchst sonderbar oder gar einmalig: Nicht, dass die Freundschaft des großen Herrschers ausgeschlagen wird, sondern Harûn er-Raschîd, der ja allenfalls mit ein paar Flausen wie Jähzorn ausgestattet ist als nicht freundschaftsfähig darzustellen, zumal er ja andauernd gerühmt wird und anzunehmen ist, dass einige Geschichten, ihm zu gefallen verfasst wurden. Abu begründet:

Ich bin der Fremdling, der bei keinem einkehrt;
Ich bin der Fremdling in der eigenen Stadt;
Ich bin der Fremdling ohne Sohn und Sippe,
Der keinen Freund zu seiner Zuflucht hat.
In den Moscheen kehr ich ein und wohn ich;
Für sie schlägt stets mein Herze ungeteilt.
Preist Gott für seine Huld, den Herrn der Welten,
Solange noch der Geist im Leibe weilt!

Ferner wird erzählt

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Die Geschichte von dem Schulmeister, der sich auf Hörensagen verliebte

Wieder eine Geschichte aus zweiter (bzw. wenn man Schehrezâd mit einrechnet) aus dritter Hand: Ein Mann berichtet, einen gelehrten Schulmeister kennengelernt zu haben, was allen Vorurteilen zuwider läuft, nach denen Lehrer von Kindern eher ungebildet seien.

Ich erprobte seine Kenntnisse in den Lesarten des Koran, in der Grammatik, in der Dichtkunst und in der Sprachkunde, und siehe da, er war in allem, was von ihm verlangt wurde, bewandert.

Er besucht den Schulmeister mehrmals, und eines Tages findet er ihn krank und trauernd niederliegen, da seine Geliebte gestorben sei.
Es stellt sich heraus, dass es sich nur um einen Character in einem Scherzlied handelte, in die er sich verliebt hatte, als er die erste Strophe gehört hatte, und die er betrauert, als er Tage später die zweite Strophe vernommen hat.

403. Nacht

So überzeugte ich mich, dass er wirklich doch ein dummer Kerl war, verließ ihn und ging davon.

Eine kleine harmlose Anekdote, die möglicherweise durch das Scherzlied einen unübersetzbaren Reiz hat, aber sie verliert ihn auch gleich wieder, da der Lehrer, wenn er gerade in den Schrift- und Dicht-Künsten so bewandert ist, doch zumindest von fiktiven Figuren wissen müsste.

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Die Geschichte vom törichten Schulmeister

Eine Variante des Obigen mit gleicher Ausgangssituation.
Hier lädt der Schulmeister den Erzähler zu sich nach Hause ein. Und als alle schlafen gegangen sind, hört man durchdringende Schreie aus dem Harem. Der Schulmeister liegt in seinem Blut:

“Als ich dich verlassen hatte, setzte ich mich nieder, um über die Werke Allahs des Erhabenen nachzusinnen. Und ich sagte mir: In allem, was Allah für den Menschen geschaffen hat, liegt ein Nutzen verborgen. Er, dem Preis gebührt, hat die Hände zum Greifen geschaffen, die Füße zum Gehen, die Augen zum Sehen, die Ohren zum Hören, die Rute zum Zeugen und so weiter, nur diese beiden Hoden da haben gar keinen Nutzen. Da nahm ich das Rasiermesser, das ich bei mir hatte und schnitt sie beide hat.”

Dieselbe Moral folgt.

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Die Geschichte von dem Schulmeister, der weder lesen noch schreiben konnte

Ein Analphabet eröffnet eine Schule und arbeitet, indem er die Kinder in zwei Gruppen teilt. Den einen sagt er “Lies!” Den anderen: “Schreib!” So bringen sie es sich gegenseitig bei.

Wie das gehen soll, ist mir ein Rätsel.

Eines Tages bittet ihn eine Frau, ihm einen Brief vorzulesen. Das kann er schlecht ablehnen, also spielt er tiefste Ergriffenheit mit starker Emotionalität vor.

“Lieber Herr, wenn er tot ist, so sagt es mir!” Er aber schüttelte den Kopf und schwieg. Da fragte die Frau: “Soll ich mein Gewand zerreißen?” – “Zerreiß es!”, erwiderte er. Weiter fragte sie: “Soll ich mir das Gesicht zerschlagen?” – “Zerschlag es!”, gab er zur Antwort.

Und so glaubt sie, der Mann sei verstorben. Doch ihre Nachbarn lesen ihr später vor, im Brief stünde, der Mann schicke ihr einen Kohlendämpfer und eine Decke.

401. Nacht – Wissen und Leben I

Klar war die Meisterung des dialektischen Materialismus eine vordringliche Aufgabe. Aber noch vordringlicher war für Achim Hustmann, den Heimleiter der FDJ-Gruppe auf dem Volksgut Hagelberg, herauszufinden, wer ihm den Zettel mit der Aufschrift “Achims Pseudo-Retro-Schnurrbart müffelt nach Ei!” auf den Rücken geklebt hatte. Er war dermaßen in Rage, dass er nicht sah, wie Almut sich vorbeugte und die Zähne zusammenbiss, um ihr Lachen zu unterdrücken: “Ich weiß es, hihi, ich weiß es.”
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Klar hätte sich Jessica Schnick über ein iPod noch mehr gefreut. Und selbst für einen klassischen Walkman war das Gerät doch etwas klobig geraten. Und ja, der Sound war ein wenig gewöhnungsbedürftig. Und ja, “Die größten Hits von Roberto Blanco auf singender Säge” waren jetzt auch nicht das Album, das man ewig rauf und runter hören würde. Aber sie musste gute Miene zum bösen Spiel machen, damit Rüdiger wenigstens heute, an ihrem Geburtstag mal das Maschendrahtgitter von ihrem Fenster im Frauengefängnis Lichtenberg öffnen würde.
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Nach zwei Wochen stellte Jessica Schnick fest: Wenn man nebenbei die Beta-Version von “Unreal Tournament” ballerte, waren “Die größten Hits von Roberto Blanco auf singender Säge” eigentlich genau der passende Soundtrack.

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Dass die Ossis nicht nur faul und gefräßig, sondern vor allem auch in technischen Fragen sich wie die letzten Hinterwäldler benahmen, war in der Regel nur jenen Westdeutschen bekannt, die ab und zu ihre Verwandten in der DDR besuchten.
Oft genügte es, den “DDR-Bürgern” mit einfachen Aufzieh-Armbanduhren vor der Nase herumzuwedeln, um das berüchtigte ungläubige Ossi-Staunen auszulösen. Vor diesem Hintergrund muss das in der DDR grassierende FKK-Unwesen als Technikflucht verstanden werden.
 
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401. Nacht
Da lachte der Kalif über die beiden und wies einem jeden tausend Dinare an. Und nun gingen beide, erfreut über das Geschenk des Kalifen, ihrer Wege.
Ferner wird erzählt
Die Geschichte vom frommen Prinzen
Harûn er Raschîd hat einen überaus frommen Sohn, der der Welt entsagt und als Asket lebt. Seine Ratgeber weisen ihn darauf hin, dass der Sohn ihn in seinem härenen Aufzug und mit seinem asketischen Lebenswandel zum Gespött machen könnte. Harûn wendet sich an seinen Sohn mit der entsprechenden Bitte. Dieser
blickte nach einem Vogel, der auf einer der Zinnen des Palastes saß und rief ihm zu: “Du Vogel, bei Dem, der dich erschaffen hat, lass dich auf meiner Hand nieder.”
Der Vogel tut dies. Aber auf der Hand des Kalifen lässt er sich nicht nieder.
Da sagte der Jüngling zu seinem Vater: “Du bist es, der mich durch seine Liebe zur Welt unter den Heiligen entehrt…”
Und so verlässt er seinen Vater und zieht nach Basra, um dort als Erdarbeiter für einen Dirhem und einen Dânik pro Tag zu arbeiten.
(1 Dânik = 1/6 Dirhem)
Ein Basraer berichtet später, dass der Jüngling seine Mauer nur unter der Bedingung reparieren wollte, dass er dafür nur diese Bezahlung bekäme und pünktlich zum Gebetsruf Waschung und Gebet durchführen dürfe.
“Er löste sich den Gürtel und vollzog die religiöse Waschung so schön, wie ich es noch nie gesehen hatte.”
Wie mag das ausgesehen haben?
Der Basraer beobachtet ihn schließlich bei der Arbeit.
“Er nahm eine Handvoll Mörtel und legte sie auf die Mauer; und siehe da, die Steine reihten sich von selbst übereinander. Ich sagte mir: ‘So sind die Heiligen Allahs.'”
Am letzten Tag erscheint der Jüngling nicht zur Arbeit, und der Basraer vernimmt, dass er krank sei. Als er ihn findet, sagt der Jüngling, er würde sterben. Der Basraer möge am nächsten Morgen, wenn er tot sei, die Taschen durchsuchen und das, was er darin fände, dem Kalifen bringen.
Dann sprach er das Glaubensbekenntnis, sandte in beredtesten Worten Dank zu seinem Herren empor und trug diese Verse vor:
“Bring du das Pfand des Mannes, dessen Stündlein naht,
Zu er-Raschîd; der Lohn liegt in der guten Tat.
Und sprich: Ein Wandersmann, der lange inniglich,
So fern, sich sehnte dich zu sehn, begrüßet dich.
Kein Hass und kein Verdruss, fürwahr hielt ihn dir fern:
Der Kuss auf deine Rechte nahte in dem Herrn.
Doch trennte ihn von dir die Seele voll Verlangen.
An Freuden deiner Welt, o Vater, nicht zu hangen.”
Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an.

395. Nacht – kuriose und unkuriose Zeitschriften

“Zeitschriften, die wir euch vorstellen”

In den Jahren 2000 und 2001 stellte ich bei derChaussee der Enthusiasten in unregelmäßigen Abständen “Zeitschriften, die ihr nicht kennt” vor. Bei einem meiner mäßig inspirierten Aufräumanfälle fielen mir nun wieder die damals gekauften Hefte in die Hand. Das sagt man wohl so, aber eigentlich hatte ich diesen Zeitschriftenstapel immer wieder in der Hand, von Regal A nach Regal B schiebend und mir einredend, das wäre für irgendein “Archiv” wichtig. Schnickschnack. Ich machte noch schnell ein paar Fotos, und jetzt kommen sie in die Tonne. Die meisten dieser Zeitschriften sind natürlich ausgemachter Schrott. Einige versprachen zumindest Lektüre in Wissensgebieten, an denen ich sonst schnöde vorbeisause. Fast alle pflegen einen typischen Jargon – eine Mischung aus Anbiederei und Fachmännischkeit.

– Der Artikel aus der Zeitschrift REPTILIA kam damals ziemlich gut beim Publikum an. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste: Heiko Werning, der außerdem noch Redakteur dieser Zeitschrift ist, wurde kurze Zeit später in der Lesebühnenszene aktiv und ist heute Mitglied bei der Reformbühne und den Brauseboys.
– Gegen wen kämpft man eigentlich? Diese Frage wollte ich mir durch den Kauf der “National-Zeitung” beantworten. Und man kommt Gewissensbisse schon beim Kauf: Einmal will man nicht für einen Nazi gehalten werden, zum anderen unterstützt man ja mit dem Kauf die NPD. Sehr erstaunlich, dass auf der letzten Seite Bücher von Noam Chomsky beworben wurden, ein jüdischer Linker. Um die bescheuerte Frage der Titelseite “Wie mächtig sind die Juden?” weiterzuspinnen: Haben die linken Juden jetzt schon die National-Zeitung in ihrer Hand? Wenn man genauer hinschaut: Es sind Bücher, die die amerikanische Außenpolitik nach dem 11. September 2011 kritisieren, und da kann der Nationalist schon mal den Alibi-Juden als Kronzeugen gebrauchen. Ob Chomsky davon weiß?
– Die Zeitschrift BRIDGE ist keine Kartenspielzeitschrift, sondern für Makler gedacht. Und so erfuhr ich, was mein einer Berliner Namens-Doppelgänger in Berlin so treibt.
– Sehr schön auch DER RAUBFISCH. Es fiel mir damals schwer, unter den Dutzenden Angelzeitschriften eine auszusuchen.
– Nicht auf den Fotos zu finden: GEHIRN UND GEIST, die einzige Zeitschrift, die es geschafft hat, gleich nach der Lektüre abonniert zu werden.
– Die kurioseste Zeitschrift fand ich aber “Die Lesertuning Scene”. Eine Zeitschrift, die praktisch von ihren Lesern gemacht wurde: Leser stellen ihre getuneten Karren vor, und zwar stets inklusive am “Ameisenfresser” lehnenden aufreizenden Mädchen. Vom Technik-Schnickschnack verstand ich kein Wort, aber mich beeindruckte doch die extreme Unprofessionalität der Fotomodelle und ihrer Fotografen.



 

 

***

Der Alte antwortete, er sei auf dem Wege von Basra nach Bagdad, um ein Heilmittel für seine Augen zu finden. Der Kalif befielt Dscha’far, mit dem Alten Scherz zu treiben. Dscha’far rät nach kurzem Zögern dem Alten,

“drei Unzen Windhauch, drei Unzen Sonnenstrahlen, drei Unzen Mondschein und drei Unzen Lampenlicht”

zu nehmen und diese in einem bodenlosen Mörser zu zerstoßen. Der Alte legt sich auf seinen Esel, lässt einen Wind ab und erklärt diesen zum Lohn für Dscha’fars Rat und verspricht ihm außerdem bei Wirkung des mittels ihm eine Sklavin zu schenken, die ihm ein schnelles Ende bereiten soll.

Da lachte Harûn er-Raschîd, bis er auf den Rücken fiel, und befahl, jenem Manne dreitausend Dirhems zu geben.

Mit Geld sich das Recht zum Spotte erkaufen, ob das seinem Gott gefallen haben mag?

***

Die Geschichte vom Kalifen Omar ibn el-Chattâb und dem jungen Beduinen

Der Kalif Omar ibn el Chattâb sitzt auf dem Richterstuhl, als zwei Jünglinge einen dritten Jüngling am Gewand gepackt vor ihn schleifen.

382. – 386. Nacht

382. Nacht

Abu Nuwâs vergnügt sich mit den Knaben bei Wein und Gesang.

Als aber die Trunkenheit den Abu Nuwâs übermannte, und er den Unterschied zwischen Hand und Haupt nicht mehr kannte, drang er mit Kuss und Umarmung auf die Jünglinge ein, legte Bein auf Bein hatte für Sünde und Scham keine Sinn und sprach diese Verse vor sich hin:

Vollkommne Freude bringet nur ein Jüngling,
Der trinkt in schöner Zeitgenossen Kreis.
Der eine singt ein Lied, der andre grüßt ihn.
Wenn er ihn mit dem Becher zu erquicken weiß.
Und hat er dann nach einem Kuss Verlangen,
So reicht ihm jener seine Lippe dar.
Gott segne sie! Schön war mein Tag bei ihnen;
Ein Wunder ist’s, wie er so herrlich war!
Nun lasst uns trinken, ob gemischt, ob rein.
Und wer da schläft, soll unsre Beute sein.

Für einen im Trunkesrausch Delirierenden improvisiert er doch noch recht flotte Verse.

Plötzlich tritt jedoch Kalif Harûn er-Raschîd hinzu, der am nächsten Tag seinem Schwertträger Masrûr befiehlt,

er solle dem Abu Nuwâs die Kleider herunterreißen, ihm den Packsattel eines Esels auf den Rücken binden, einen Halfter um seinen Kopf und einen Schwanzriemen um sein Gesäß legen und ihn so umherführen in den Gemächern der Sklavinnen.

*

383. Nacht

Der Kalif befiehlt außerdem, Abu Nuwâs anschließend das Haupt abzuschlagen.

Abu Nuwâs aber machte überall Scherze, und jeder, der ihn sah, gab ihm etwas Geld, so dass er mit vollen Taschen zurückkehrte.

Als Dscha’far der Barmekide hinzutritt und ihn fragt, was das soll, entgegnet er:

"Ich habe nichts verbrochen; ich habe nur unserem Herrn und Kalifen meine schönsten Verse als Geschenk dargebracht, und da hat er mir sein schönstes Gewand geschenkt."

Der Kalif lacht, begnadigt ihn zahlt ihm zehntausend Dinar aus.

Klassische Narrenfreiheit. Dem Dichter und Narren wird nur deshalb vergeben, weil er diese Narrenfreiheit auch bis ans Äußerste ausnutzt. Täte er es nicht, wäre er tot.

***

Die Geschichte von Abdallâh ibn Ma’mar und dem Manne aus Basra mit seiner Sklavin

Ein Mann aus Basra kauft eine junge Sklavin, die er erziehen und unterrichten lässt.

Er hing an ihr in leidenschaftlicher Liebe.

Aber als ihn die Armut bedrückt, meint sie zu ihm:

"Mein Gebieter, verkauf mich!"

Der Emir von Basra Abdallâh ibn Ma’mar kauft sie für fünfhundert Dinare, doch als er die Sklavin seufzend dichten hört,

rief er aus: "Bei Allah, ich will nicht zu eurer Trennung behilflich sein; denn ich weiß nun, dass ihr einander lieb habt. So nimm das Geld und die Sklavin, o Mann, und Allah gesegne dir beides!"
(…)
Und sie sind immerdar beieinander geblieben, bis der Tod sie geschieden hat – Preis sei Ihm, dem der Tod nicht naht!

Anscheinend nur eine Anekdote, um den Emir zu preisen.

***

Die Geschichte der Liebenden aus dem Stamme der Udhra

Ein Mann aus dem Stamme der Udhra verliebt sich unsterblich in eine Frau aus seinem Stamme, die ihn aber spröd zurückweist.

*

384. Nacht

Er verweigert die Nahrung, bis er im Sterben liegt. Erst dann besucht sie ihn.

"Hätte ich das gewusst, so hätte ich mich deiner Not angenommen und wäre nach deinem Wunsche zu dir gekommen."

Er stirbt nach dem Rezitieren:

Sie nahte sich, als schon der Tod uns beide trennte,
Und sie versprach Erhörung, als es nutzlos war.

Sie weint, fällt in Ohnmacht und stirbt drei Tage später,

und wurde in seinem Grabe bestattet.

***

Die Geschichte des Wesirs von Jemen und seines jungen Bruders

Der Wesir von Jemen, Badr ed-Dîn, hat einen schönen Bruder, den er behütet, allerdings verliebt sich der Scheich, der ihn unterrichtet, in ihn.
Die beiden verabreden sich eines Nachts heimlich, und der Scheich trinkt, schmust und singt mit dem schönen Jüngling. Der Wesir spürt sie schließlich auf, und als der Scheich ihn erspäht, singt er ihm zu

Er gab mir den Wein seiner Lippen zu trinken;
Mit Zierde des Wangenflaums trank er mir zu.
Und Wange an Wange, in meiner Umarmung,
Ging heute der Schönste der Menschen zur Ruh.
Der leuchtende Vollmond schein auf uns hernieder;
Nun bittet ihn: Sag es dem Bruder nicht wieder.

Die Güte des Herrn Badr ed-Dîn aber zeigte sich dadurch, dass er, als er diese Verse vernahm, ausrief: "Bei Allah, ich will euch nicht verraten!", und fortging, indem er die beiden ihren Freuden überließ.

***

Die Geschichte von dem Liebespaar in der Schule

Ein freier Jüngling und eine junge Sklavin besuchten einst die gleiche Schule; und der Jüngling wurde von der Liebe zu dem Mädchen ergriffen.

*

385. Nacht

Er schreibt ihr diese Verse:

Was sagst du nur von dem, der übergroße Liebe
Zu dir so krank gemacht, dass er ganz ratlos ist?
Es klagt das Leiden nun, in Sehnsucht und in Schmerzen;
Er kann nicht mehr verbergen, was ihm das Herz zerfrisst.

Sie antwortet ihm auf der selben Tafel darunter:

Wenn wir den, der da liebt, in seinem schweren Leid
Der Liebe schaun, so sei ihm unsre Huld geweiht.
Er soll den Liebeswunsch bei uns erfüllet sehn;
Und was geschehen soll, das möge dann geschehn!

Sowohl der Lehrer als auch der Herr der Sklavin finden ermutigende Verse. So schreibt letzterer:

Euch trenne Allah nie in eurem Leben;
Und wer euch feind ist, soll im Elend untergehn!
Jedoch der Lehrer ist, bei Gott, der größte Kuppler,
den meine Augen je in dieser Welt gesehn.

Er lässt den Kadi die Eheurkunde für die beiden schreiben, und das war’s.

***

Die Geschichte von el-Mutalammis und seine Weibe Umaima

Der Dichter el-Mutalammis flieht eines Tages vor der Tyrannei des en-Nu’man ibn el-Mundhir und muss dabei seine Gattin Umaima zurücklassen.
Nach einer Weile verheiratet man sie gegen ihren Willen, gerade an dem Tag als el-Mutalammis wieder zurückkehrt. Als sie unterm Baldachin traurig Verse über ihren verlorengegangenen Gatten rezitiert, ruft dieser zurück:

Ganz nah bei dir ihm Hause, o Umaima, wisse:
An jedem Halteplatz dacht ich in Treuen dein.

Der Bräutigam lässt dem anderen den Vortritt, natürlich in Bezug auf dessen Verse reimend:

Ich war im Glück; doch jetzo hat es sich gewendet;
Ein gastlich Haus und Raum schließt nun euch beide ein.

So verließ er die beiden und ging davon.

***

Die Geschichte von dem Kalifen Harûn er-Raschîd und der Herrin Zubaida im Bade

Harûn er-Raschîd lässt seiner Gattin einen Lustgarten mit einem baumumwachsenen Teich anlegen.

*

386. Nacht

Eines Tages, badet sie sich darin.

Sie blieb im Wasser, das nicht tief genug war, um den, der in ihm stand, ganz zu bedecken, aufrecht stehen, schöpfte mit einer Kanne aus reinem Silber und goss es über ihren Leib.

Der Kalif, als er hört, dass sie ein Bad nimmt, begibt sich zum Teich, um sie zu beobachten. Sie bemerkt ihn.

Aber aus Scham vor ihm legte sie ihre Hände auf ihren Schoß; freilich konnte sie ihn nicht ganz bedecken, da er so rund und groß war.

Wie bitte? Schwierig, etwas über derartige Schönheits-Ideale bei Google zu finden, ohne auf einschlägigen Seiten zu landen.

Der Kalif beginnt zu dichten:

Mein Aug erblickte, was mich traurig macht;
Und durch die Trennung ward mein Leid erfacht…

Allerdings kommt er mit seiner Dichtung nicht weiter und bitte also den Dichter Abu Nuwâs, das Gedicht zu vollenden.

Der natürlich wieder einmal vor das Problem gestellt wird, etwas Ungesehenes zu beschreiben und das Vermutete nicht benennen zu dürfen.

Er fährt also fort:

… von der Gazelle, die mich ganz bestrickt,
Als ich im Lotusschatten sie erblickt.
Und Wasser floss auf ihren Schoß, so klar,
aus einer Kanne, die von Silber war.
Als sie mich sah, da hat sie ihn bedeckt;
Doch ihre Hand hat ihn nicht ganz versteckt.
O könnte ich doch glücklich bei ihr sein,
Ein Stündlein oder auch zwei Stündelein.

Da lächelte der Kalif über seine Worte und machte ihm ein Geschenk; der Dichter aber ging erfreut von dannen.

***

Die Geschichte von Harûn er-Raschîd und den drei Dichtern

Wir beginnen klassisch:

Eines Nachts ward der Beherrscher der Gläubigen Harûn er-Raschîd von großer Unruhe geplagt.
Er begegnet einer betrunkenen Sklavin, deren Kleidung sich löst.

Er bat sie um ihre Liebesgunst; aber sie erwiderte ihm: "Lass mir bis morgen abend Zeit, o Beherrscher der Gläubigen! Ich bin nicht auf dich vorbereitet."

Als er sie am nächsten Tag zu sich bittet, lässt sie ihm ausrichten:

"Der helle Tag verwischt das Wort der Nacht."

Das ist nun aber wirklich beeindruckend: Die Sklavin kann den Wunsch des Beherrschers der Gläubigen abschlagen?

Drei Dichtern befiehlt er, daraus etwas zu dichten: er-Rakâschi, Abu Mus’ab und Abu Nuwâs.

Hier finden wir den Spruch: Ein Fluch von Abu Nuwâs in der Hölle enthält mehr Poesie als ein Lobspruch von er-Rakâschi im Himmel.

Nachdem sie ihre Arbeit getan haben, befiehlt der Kalif, den ersten beiden ein Geschenk zu machen, aber Abu Nuwâs den Kopf abzuschlagen, da er vermutet, der sei am Abend davor dabei gewesen. Der verteidigt sich, er habe den Inhalt nur aus dem Gesagten des Kalifen zusammengesetzt.

"Allah der Erhabene, der von allen die lauterste Wahrheit spricht, hat gesagt: Und den Dichtern folgen die Irrenden nach. Siehst du nicht, wie sie in jedem Wadi verstört umherlaufen, und wie sie reden, was sie nicht tun?"

Koran, Sure 26

Abu en-Nuwâs

Daraufhin lässt Harûn er-Raschîd ihm zwanzigtausend Dirhems auszahlen.

Die Impulsivität des Kalifen lässt ihn einem richtig ans Herz wachsen.

***

Die Geschichte von Mus’ab ibn ez-Zubair und Aischa bint Talha

Mus’ab ibn ez-Zubair verliebt sich in Aischa bint Talha.

Mus’ab ibn ez-Zubair war Heerführer des Gegenkalifen Abdallah ibn az-Zubair

Azza in Medina berichtet ihm:

"Ihr Antlitz ist schöner als die Gesundheit; sie hat große Augen und darunter eine Adlernase, glatte und runde Wangen und einen Mund gleich einer Blüte des Granatapfels. Ihr Hals gleicht einer silbernen Kanne, und darunter ist der Busen mit zwei Brüstlein, die wie ein Paar von Granatäpfeln sind; und weiter darunter hat sie einen schlanken Leib mit einem Nabel, der einem Elfenbeinbüchslein gleicht; Hüften hat sie wie zwei Sandhügel, und ihre Waden gleichen zwei Säulen aus Alabaster; doch ich sah, dass ihre Füße groß sind. Du wirst bei ihr die Zeit der Not vergessen." Nachdem Azza ihm Aischa mit solchen Worten beschrieben hatte, nahm Mus’ab sie zur Frau und ging zu ihr ein.

334. Nacht

Die Beobachtung, dass wir essentielle Bildungsinhalte vergessen, lässt die Vermutung zu, dass wir in der Schule entweder zu viel oder das Falsche lernen. Oder falsch zu viel. So könnte man die Hypothese des Aufmachers der ZEIT zusammenfassen. Statt sich von Interesse zu Interesse zu hangeln, baut die Wissensvermittlung auf einer psychologisch und pädagogischen Fehlannahme auf, nämlich dass Wissen aufeinander aufbauen müsse. "Wie Solarzellen funktionieren, kommt erst dran, wenn die Schüler wissen, was Halbleiter sind." Das ganze System funktioniert letztlich für vielleicht 10% der Schüler. 80% lernen, sich von Prüfung zu Prüfung zu hangeln, indem sie ihr Kurzzeitgedächtnis mit dem Inhalt der letzten Wochen zustopfen. Das Ganze nennt sich passenderweise "Bulimie-Lernen". Wissen, das ihnen nichts bedeutet und das nicht anschlussfähig ist. Da aber andererseits immer mehr Wissen gefordert ist, werden die Lehrpläne vollgepackt. Und trotzdem sind die Professoren erstaunt über die mathematischen Defizite der Neu-Studenten.
Wie damit umgehen. Die ZEIT befragt nun ihre Fachautoren, was sie in bestimmten Fächern wegkürzen würden. Christoph Drössers überraschend klar: Trigonometrie und Kurvendiskussionen streichen: "Die Trigonometrie braucht vielleicht ein Hochseekapitän mit kaputtem GPS." Stattdessen, und da spricht er mir aus der Seele, bei den Schülern ein Gespür für Wahrscheinlichkeiten aufbauen. Und das, so möchte ich hinzufügen, nicht erst in der Gymnasialstufe.

*

Als Dschubair sie so singend vorbeifahren sah, rief er Budûr zu, sie möge noch einmal singen. Da befahl er seinen Fährleuten, sie mit Orangen zu bewerfen.

"Dann fuhr sie ihrer Wege. Aber so ist es gekommen, dass die Liebe aus ihrem Herzen in mein Herz überging."

Merke: Orangenbewerfung wird dir das Herz einer Dame nur selten zufliegen lassen.

Ibn Mansûr fuhr mit seinem Geld zurück nach Bagdad.

Da weitete sich dem Kalifen die Brust, und die Unruhe und Beklemmung, die ihn gequält hatten, wichen von ihm.

*

Die Geschichte von dem Manne aus Jemen und seinen sechs Sklavinnen

Wieder möchte ein Kalif – diesmal ist es el Mamûn – eine Geschichte hören. Unter seinen Tischgenossen findet sich Mohammed el Basri, der die Geschichte des Mannes aus Jemen erzählt.
Dieser Jemeniter war nach Bagdad gekommen, um dort zu leben. Seine sechs Sklavinnen, die er zu Nebenfrauen genommen hatte, waren eine weiße, eine braune, eine dicke, eine schlanke, eine gelbe und eine schwarze. Eines Abends versammelt er sie um sich her, und eine jede singt ihm ein Ständchen. Danach fordert er sie zum gegenseitigen Battle auf:

"Nun wünsche ich, dass eine jede von euch mit ihrer Hand auf eine Nebensklavin weise, (…) und dass dabei eine jede sich selber rühme und ihre Nebensklavin schmähe; dann soll ihre Gegnerin das gleiche mit ihr tun. Das soll geschehen durch Beweisgründe aus dem heiligen Koran und auf Grund von Geschichten und Gedichten, so dass wir eure feine Bildung und eure schönen Reden erkennen."

333. Nacht – Back in New York

Nun habe ich – den Nächten nach – ein Drittel hinter mir (in Seiten gerechnet ist es ein bisschen mehr). Und das in viereinhalb Jahren. Wenn ich in dem Tempo weitermache, bin ich 50, wenn ich die 1001 Nächte ausgelesen habe. Aber um sich ihnen im täglichen Rhythmus zuzuwenden, sind sie wirklich nicht ergiebig genug. Weder stilistisch, noch narrativ. Und so setze ich eben von Zeit zu Zeit Atempausen, die sich auch mal über Monate hinziehen können, wie bei der Unterbrechung zur Reihe "Richter liest Schmidt liest Proust". Die gegenwärtige Liebeskorrespondenz gehört für meine Begriffe auch nicht gerade zu den Brüllern unter den bisherigen Storys, sondern ist eher eine Variation der immer wiederkehrenden Motive:
– Der Kalif langweilt sich.
– Ein Gast muss eine Geschichte zum besten geben.
– Mann verirrt sich in einer Stadt und trifft in einem unbekannten Haus eine Schöne.
– Liebeskorrespondenz mit wiederholten Ohnmächten.

Und doch finden sich immer wieder kleine Perlen. Und ich kann mir nicht helfen – die Wucht der Sammlung zieht mich doch immer wieder in ihren Bann. Wenn ich dann eben den Gilgamesch-Epos in diesem Leben nicht mehr schaffen sollte – auch gut.

*

23.-29.6.11

 

Bei diesem Graffito auf einem Schulhof in der 28th Street ist mir erst beim Betrachten des Fotos aufgefallen, dass die bunte Hose dieses doch etwas unglücklich dreinschauenden gelbgesichtigen Burschen aus Phantasie-Flaggen besteht.

 

Wir können von unserem Zimmer auf den Hudson River schauen, was für mich bewegender ist, als wenn es der Atlantik wäre. Aber ich weiß nicht warum.

 

 

Diese typisch stylische Eigen-Reklame fanden wir in einem Bio-Imbiss in der 27th Street. Auch in New York hält man viel auf Dirk Nowitzki.

 

Passend zur "Überflieger"-Lektüre von vor zwei Wochen: Die jüdischen Schneider in New York legten Anfang des 20. Jahrhunderts den Grundstock für die Anwalts-Karrieren ihrer Söhne und Enkel. "The Garment Worker" von Judith Weller. Der Herr mit der Aktentasche bleibt höflicherweise stehen, damit er nicht das schöne Touri-Foto verdirbt.

 

Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als ich das entdeckte: Radwege in New York. Im Gegensatz zu Berlin oder überhaupt deutschen Städten braucht es ja einen gewlatigen Nachfragedruck, bis der Radweg gebaut wird. Hier in Manhattan, wo nur Sportfreaks, Fahrradkuriere und Lebensmüde auf dem Rad unterwegs sind, ist ein geradezu autoritärer Wille der Stadtverwaltung unter Bloomberg nötig. Im Grunde erschwert er den ohnehin mühsamen Autoverkehr mit dieser Maßnahme noch mehr. Die New Yorker sind Meister der Anpassung. Mich würde nicht wundern, wenn diese Radwege in 1-2 Jahren tatsächlich auch genutzt werden. Um ein Radfahrer-Foto wie das obenstehende knipsen zu können, muss man im Schnitt fünf Minuten warten.

 

 

Washington Square Park. Ich versuche jedes Jahr aufs Neue, seine Magie zu verstehen. 1997 sah ich über zwei Stunden Komikern, Lyrikern, Rappern und Predigern zu, die sich dort abwechselten. Hier probieren Frauen ihren Trash-Chic aus. Ob wegen des bevorstehenden CSD, trauen wir uns nicht zu fragen. Und ehrlich gesagt, sehen sie dafür auch nicht lesbisch genug aus.

Im ersten Moment suche ich den Witz. Werbung mit possierlichen Tieren – dahinter steckt meistens irgendetwas, das gerade nichts mit Tieren zu tun hat, vor allem, wenn sie in T-Shorts oder Stramplern stecken. Aber diese Werbung sagt nicht mehr als das, was sie sagt: Die Frühjahrskollektion ist da. Für Hunde.

 

Die Upright Citizens Brigade gilt als eine wahre Talente-Schmiede. Amy Poehler wurde hier groß. Matt Besser, Matt Walsh, Ian Roberts. Die Impro-Workshops gelten immer noch als die besten der Stadt. Die Qualität der Shows hat aber, soweit ich das aus den letzten drei Jahren beurteilen kann, erheblich nachgelassen. Wahrscheinlich hängt es vom Tag ab, und man muss wissen, wann wer spielt. Allen gemeinsam ist der schnelle Wortwitz zulasten der räumlichen Szene. Trotzdem immer einen Blick wert. In der Regel muss man sich lange vorher anstellen, um überhaupt noch Karten zu erwischen. Die Straße ist jeden Abend voll von jungen, auf dem Gehweg hockenden Leuten. Die Shows sind jeden Tag ausverkauft. Und es wäre wohl ein leichtes, die Nachfrage über den Preis zu regeln. Aber sie bleiben konsequent bei fünf Dollar! Eine Sensation in dieser Stadt. Selbst bei 200 Zuschauern und drei Shows pro Tag werden sie wohl davon gerade mal die Techniker und die Miete bezahlen können. An Wochenenden gibt es um 0 Uhr außerdem noch eine Gratis-Show. Aber auch hier ist der Preis: Eine Stunde fürs Ticket anstehen.

 

Ein Haus des Gebäudekomplexes, in dem wir wohnen. Die Häuser wurden Anfang der 60er Jahre errichtet. Sie gelten nicht als "Projects", sondern als Werk einer gewerkschaftsnahen Stiftung (sofern ich die organisationsrechtlichen Fragen richtig verstanden habe. Die Mieten dürfen nicht beliebig erhöht werden.

 

Bei meinen Freunden Gogo und Rebecca gibt’s W-LAN. Die vor mir stehende Radfahrer-Wasserflasche habe ich aus der Herberge in Seattle mitgenommen. Sie war herrenlos und hat mich so treuherzig angeschaut.

 

Mit großem Bohei beschwört uns unsere Gastgeberin, dass wir auf jeden Fall den High Lane besichtigen sollten – ein stillgelegter Gleisabschnitt im Westen Manhattans, der parallel zu den Avenues verläuft, nun begrünt wurde und von dem immer mehr Kilometer freigegeben wurden. Ich erwarte etwas wie die Gleisverlängerung vom Görlitzer Park Richtung Treptow. Stattdessen ein Schmalspurgang, dessen einziger Vorteil darin besteht, dass man nicht an jeder Straßenkreuzung halten muss und der Straßenlärm nicht ganz so ohrenbetäubend ist. Sicherlich für viele New Yorker eine Entlastung. Beim parkverwöhnten Berliner hinterlässt es ein Schulterzucken so wie für einen Schweizer die Müggel"berge".

 

 

Nicht nur für die bereits erwähnten Radspuren, auch für die in die schlimmste Verkehrshölle platzierten Fußgängerzonen ist Bürgermeister Bloomberg verantwortlich. Und ich bewundere ihn für seinen Mut, das Risiko auf sich zu nehmen, von der Mehrheit der autofahrenden Bevölkerung dafür gehasst zu werden. Das sollte sich mal ein konsensorientierter Bürgermeister in Berlin wagen!

Central Park. Manchmal denke ich, ich könnte problemlos einen kompletten Sommer täglich schreibend dort verbringen.

 

4 Tracks im "Magnet Theater", das ich im letzten Jahr schon als gute Alternative zum UCB erlebt habe. Ohne weiteres würde ich diese Truppe nach Berlin einladen.

 

Christopher Street Day an der Christopher Street. Und als schließlich dieser Bus vorbeifährt, in dem die Greise aus einem Seniorenheim sitzen, die sich auch an diesem Tag feiern lassen, bin ich doch gerührt. Was für eine Freude, was für ein Triumph muss es für sie sein, all die jungen, glücklichen Menschen zu sehen, die ihr Queer-Sein in dieser Stadt ausleben können.

 

"Homer, Herodot, Sophokles, Aristoteles, Demosthenes, Cicero, Vergil" stehen an der Fassade der Columbia University. Wäre ich schlauer geworden, wenn ich hier (wahrscheinlicher viel zielgerichteter) studiert hätte? Glücklicher womöglich? Ich schwanke in der Beantwortung dieser Fragen.

 

Im äußersten Norden des Central Parks, in den ich nur selten gekommen bin, gibt es auch ein hübsches Freibad, das allerdings erst einen Tag nach unserem Besuch öffnen würde. Das man Ende Juni schon fast täglich um die 30 Grad Celsius maß (rechnet selber nach, was das in Fahrenheit ist), war für die Damen und Herren Schwimmbadbetreiber kein Grund, die Plansche früher zu öffnen. Zu überlegen, wie dieses von innen aufgenommene Foto zustandegekommen ist, überlasse ich den Kniffelrätselratern.

 

 

Brighton Beach auf Coney Island zählt sicherlich nicht zu den idyllischen Gegenden der Stadt, sicherlich aber zu den sehenswerten. Als man für "The Godfather" noch eine historisch glaubwürdige Autofahrtszene brauchte, griff man ins Archiv und montierte Bilder von einer Fahrt unter den typischen Hochbahnschatten hinein. In den Läden und Imbissen wird nur gebrochen Englisch geredet und verstanden. Unsere Pizza kaufen wir in einer Bude, in der alle außer der Verkäuferin Russisch sprechen. Die pakistanische Bedienung im "Subways" ist die unfreundlichste aller Subways-Filialen westlich Brandenburgs, was man vielleicht auf die furchtbaren Arbeitsbedingungen schieben kann. Andererseits, wenn man schon furchtbare Arbeitsbedingungen hat, warum muss man dann den allgemeinen Schlechte-Laune-Pegel auch noch durch Unfreundlichkeit heben?

 

Während ich mich am Brighton Beach durch die düsteren Seiten des Tagebuchs des Stanford Prison Experiments arbeite, geben die Schüler einer Tanz- oder Schauspiel-Schule ihrem Affen Zucker und spinnen sich einen aus. Vielleicht sind es auch einfach sieben äußerst bewegungsbegabte junger New Yorker, aber dafür wirkten sie zu professionell. Das Foto, auf dem außer dieser Dame auch noch ich mit unvorteilhaften Speckröllchen zu sehen bin, habe ich in der Tiefe meiner Datenbanken verschwinden lassen.

 

Ich vor schiefem Horizont. Immer wenn ich hier in Coney Island an alten Menschen vorbeigehe, verlangsame ich meine Schritte, in der Hoffnung, sie jiddisch reden zu hören. So wie ich das noch 2003 erlebt habe. Aber die sterben wohl auch aus. Inzwischen ist der Strand hier in russischer Hand.

 

Ich habe die New Yorker nie so recht verstanden. Sie haben einen großartigen Strand vor der Haustür und nutzen ihn kaum. Kaum jemand geht tiefer als bis zur Hüfte hinein. So gut wie niemand schwimmt. Und dann gibt es noch all diese Verbote. Vor acht Jahren bin ich auch von einem Rettungsschwimmer zurückgepfiffen worden, als ich weiter als 25 Meter im Wasser war. Nachdem ich den Strand verlassen habe, erfahre ich, dass das fast alles seine Berechtigung hat: Die Strömung ist hier sehr gefährlich. Also keine Flossen, keine Luftmatratzen, kein Rausschwimmen. Aber warum gibt es keine Sonnenschirme und keine Strandmuscheln?

So richtig habe ich es nicht verstanden, das Konzept der Congregational Church. Jüdische und christliche Glaubensgemeinschaft unter einem Dach. Unser 75jähriger Freund Ron ist hier sehr gern unter den jungen Leuten, manchmal zum Sabbat.

 

Der High Lane kurz vor Mitternacht. So unprätentiös bin ich wieder mit ihm ausgesöhnt.

 

Amerikanische Zahnkunst.
(Klingt wie ein Zirkuskunststück.)

 

Am letzten Tag noch einmal in den Central Park. Was mal als kleines "Wir spielen Theater im Park" begonnen hat, ist nun ein kommerzieller Renner geworden. Maß für Maß, das ich in diesem Jahr kennengelernt habe, wird gezeigt. Aber es ist der Tag meiner Abreise.

I’ll be back.

*

Budûr überreicht nun den Liebesbrief an ibn Mansûr, der ihn zu Dschubair ibn Umair bringt. Als dieser den Brief liest, fällt er in Ohnmacht.

Doch bald kam er wieder zu sich und rief: "Sohn des Mansûr, hat sie diesen Brief mit eigener Hand geschrieben und mit ihren Fingern berührt?" Ich fragte: "Mein Gebieter, schreiben Menschen vielleicht mit den Füßen?"

In dem Moment tritt Budûr selbst ein.

Sobald er sie erblickte, sprang er auf als ob er gesund wäre, und umarmte sie, wie das Lâm sich um das Alif schlingt.

Sie setzen sich, lassen einen Kadi und zwei Zeugen rufen und sich an Ort und Stelle vermählen. Man gibt ibn Mansûr ein Nachtlager. Und am nächsten Morgen sieht er die beiden kommen

aus dem Bade im Hause, und beide pressten ihre Locken aus.

Dschubair will ihm zum Dank für seine Boten-Dienste dreitausend Goldstücke überreichen, die ibn Mansûr nur unter der Bedingung annehmen will, wenn man ihm berichtet,

"wie es kam, dass die Liebe von ihr zu dir überging, nachdem du ihr so sehr abgeneigt warst."

Dschubair berichtet, dass er beim Neujahrsfest, bei dem alle in der Stadt auf Booten spazierenfahren, er Budûr entdeckte, die von Sklavinnen umringt zur Laute sang:

Kein Feuer brennt so heiß wie das in meinem Innern;
Wie meines Herren Herz – kein Felsen ist so hart.
Mich wundert’s, wie sein Wesen, sich nur zusammenfügte:
Ein Herz von Stein in einem Leibe, weich und zart.

 

332. Nacht – Silke Stuck mythologisiert – Gerda fliegt

Zwischenruf: Silke Stuck in DIE ZEIT 11.8.2011 "Ich bin ein Mauerkind"
Wie kann eine Journalistin auf der Kinderseite der ZEIT anlässlich des 50. Jahrestags des Mauerbaus so einen Haufen Unfug behaupten? Es ist eine Sache, die Mythen der eigenen Kindheit zu reminiszieren. Aber in einem ausführlichen Geschichts-Artikel, und zwar gerade einem für Kinder, sollten diese Mythen doch wenigstens mal oberflächlich auf ihren Realitätsgehalt abgeklopft werden. Die Cousins freuten sich immer über die mitgebrachten Jeans, die Tante über Kaffee oder ein Radio. "Denn das waren Dinge, die sie in der DDR nicht so einfach kaufen konnten." Hat dir diesen Quatsch deine Tante selber erzählt, liebe Silke Stuck, oder meinst du, weil hier die Kinderseite ist, mal schön vereinfachen zu können? Nicht, dass Levis, Jacobs und Grundig nicht besser waren als Wisent, Rondo und Stern. Aber so wie du es schreibst, klingt es, als wären Radios zugeteilt worden, als seien Jeans und Kaffee Mangelware gewesen. "Es gab nur eine Partei, und die bestimmte alles: wer ein Auto oder ein Telefon bekam und welchen Beruf man lernte." Schon mal von den Blockparteien gehört? Wer hat dir erzählt, die Partei habe bestimmen können, wer ein Auto haben darf? Sicherlich – an bestimmte Berufs- und Studienzweige war linientreues Verhalten gekoppelt. Aber das ist immer noch etwas anderes, als zu suggerieren, auf Parteiversammlungen wäre entschieden worden, wer welchen Beruf ausübt.

***

21.-22.6.2011
Für unsere Zwecke, vom Improfestival in Seattle auszuspannen, könnte es kaum eine geeignetere Stadt geben als Vancouver. Sie erinnert ein wenig an das Gedicht von Tucholsky, der meint, ein Haus bei dem vorn die Friedrichstraße und hinten die Ostsee zu sehen sei, der Traum des Kleinbürgers sei. Hier kommen die Berge noch zu Großstadt und Meer dazu. Angeblich muss man für diesen Luxus (Vancouver gilt als eine der Städte mit dem höchsten Lebensstandard in Kanada) eine hohe Niederschlagsquote in Kauf nehmen.
Den zweiten Tag verbringen wir mit Spaziergängen am Strand. Kuriositäten: Auf dem Herrenklo eines Segelvereins-Restaurants Verhaltensregeln zum Aufenthalt im eisig kalten Wasser. In der ersten Minute gilt es, den Atem unter Kontrolle zu bringen und den Kopf in eine Position zu bringen, die verhindert, dass man Wasser einatmet. Nach dieser Minute beruhigt sich der Atem meistens, aber in den nächsten zehn Minuten verliert man die Fähigkeit, die Gliedmaßen sinnvoll zu bewegen. Auch nach einer Stunde soll man noch lebende Menschen aus kaltem Wasser gezogen haben. Variationen zum Thema Hoffnung in reichen Städten in Seenähe.

 

Auch schön: Die geisterhaft wehenden Taucheranzüge.

 

Sowie Gerdas Versuch, und davon zu überzeugen, sie könne fliegen:

 

Lese mit Verwunderung Tschechows "Kirschgarten" und starre mit Steffi in den Sonnenuntergang.

Das Hostel fast uneingeschränkt zu empfehlen. Nur der durchs Gebäude hallende Wumms der ins Schloss fallenden Korridortüren erinnert noch entfernt daran, dass dies einmal ein Stützpunkt der kanadischen Truppen war.

Die Weiterreise am 22.6. beginnt einigermaßen anstrengend, da die Bushaltestelle, zu der wir unser Gepäck schleppen müssen, weiter weg ist als gedacht und zwischendurch Zweifel aufkommen, ob wir den Abflug rechtzeitig schaffen.

Vierzeiler gegen Jet-Lag

Fliegest du in Richtung Osten,
solltest brav vom Schlaf du kosten.
Fliegst du aber Richtung Westen,
bleibst du doch noch wach am besten.

Dieser eben von mir zurechtgebastelte Merksatz, gilt aber nur für Interkontinentalflüge. Als wir 21 Uhr in New York City landen, ist es erst 18 Uhr in Vancouver. Kommunikationsprobleme oder Abzocke der Shuttle-Unternehmen, lassen uns anderthalb Stunden warten und schließlich kaum weniger Geld zahlen als bei einem normalen Taxi.

9th Avenue 28th. Unsere Gastgeberin smst, wir könnten unten klingeln und falls sie das nicht höre, auf dem Handy anrufen. Die Wohnungstür sei aber offen. Natürlich hört sie weder unser Klingeln noch unser Telefonieren. Dass uns kurz vor Mitternacht noch ein Bewohner ins Haus lässt, muss in New York als Glücksfall gelten. Die Wohnungstür ist auch geschlossen. Sollen wir im Treppenhaus schlafen? Oder unsere Freunde mit den drei Kindern aus dem gegenüberliegenden Aufgang wecken, die aber auch keine Schlafgelegenheit hätten? Bummern wieder und wieder an die Tür, bis sie schließlich wach wird. Wir hätten die Tür nur stark genug drücken müssen. Ein häufig übersehenes kommunikatives Problem: Man will ja niemandem etwas kaputtmachen. Andererseits gibt es auch Grobiane, wie jenen dänischen Punk, den ich 1990 spontan für ein paar Tage in meiner Wohnung übernachten ließ und der es schaffte, den Bart des Wohnungsschlüssels um 180° zu drehen.

Wir legen ab. Ich öffne ein Bier, schaue vom Balkon auf die 9th Avenue. Hallo New York! Da bin ich wieder. Die Nacht ist heiß. Von unten das Lärmen der Autos, Polizeisirenen und der ununterscheidbare Lärm einer Großstadt, die nie schläft.

*

Dschubair formuliert, wie bereits vermutet, einen gereimten Brief an Budûr. Al Mansûr, der wieder als Bote dient, erblickt in ihrem Hause

zehn hochbusige Jungfrauen, wie Monde anzuschauen, und in ihrer Mitte saß die Herrin Budûr, wie der Vollmond.

Sie antwortet mit einem Schmähbrief.

Da rief ich: "Bei Allah, meine Gebieterin, zwischen ihm und dem Tode steht nur noch, dass er diesen Brief lese!" Dann zerriss ich das Schreiben und fuhr fort: "Schreib ihm andere Verse als diese!"

Sie setzt unbeeindruckt zu einer neuen Schmähdichtung an, die letztlich auch ibn Mansûr nicht verschont

Jetzt fand ich Trost; der Schlaf erquickte meine Augen;
Denn aus der Tadler Mund vernahm ich, was geschah.
Mein Herz gehorchte mir, ich konnte dein vergessen;
Und meine Lider fühlten, dass die Ruhe nah.
Wer sprach, so bitter sei die Trennung, hat gelogen;
Ich merkte, dass das Fernsein wie Zucker schmecken kann.
Ich hasse jeden, der mit Kunde von dir nahet,
Und wende mich von ihm, seh ihn voll Ekel an.
Mit allen meinen Gliedern hab ich das Band zerrissen;
Das sehe der Verleumder! Wer’s weiß, der mag es wissen!

Doch wieder rief ich: "Bei Allah, meine Gebieterin, wenn er diese Verse liest, so wird die Seele seinen Leib verlassen!"

Als Budûr von der Heftigkeit der Liebe Dschubairs erfährt, bricht sie in Tränen aus und schreibt ihm Verse der Vergebung.

Und da soll Luhmann noch mal sagen, das Konzept der romantischen Liebe sei im Liebesroman des 18. Jahrhunderts geboren worden! Höchstens mit den Geschichten der 1001 Nächte nach Europa gebracht!

331. Nacht – Seattle-Vancouver

20.-22. Juni

Bahnhof Seattle. Die Zugreise ist bereits gebucht. Vielleicht wäre Fliegen ja sogar billiger gewesen. Aber wir fahren nunmal lieber mit der Bahn. Bei solch kurzen Strecken ist man ja mit der Bahn auch in der Regel schneller, da man sich die ganzen Formalien und den Flughafenstress erspart. Aber die Amerikaner, deren Geschichte ohne die Eisenbahn ja undenkbar ist, scheinen sich zum Ziel gesetzt zu haben, dieses Verkehrsmittel zu unattraktiv wie möglich zu machen. Die Eincheck-Prozedur inklusive Passkontrollen dauert eine Stunde. Zwischen den beiden Städten Seattle und Vancouver, die 235 Kilometer voneinander entfernt liegen, fährt pro Tag nur einmal ein Zug. Die Betreiber-Gesellschaft Amtrak stellt ansonsten noch Busse zur Verfügung. Der Zug fährt mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h und wird dabei natürlich locker von Autos und Bussen überholt. Allerdings kann man den Zügen nicht einen gewissen Komfort absprechen. Die normalen Plätze sind besser als die Sitze der Ersten Klasse in der Deutschen Bahn. Außerdem bieten sie keine Stehplätze an. Ob das ein Vor- oder Nachteil ist, hängt von der Perspektive ab: Irgendwann ist der Zug eben ausgebucht. Reinquetschen gibt’s nicht. Den Lobbyismus amerikanischer Politik bedenkend vermute ich, dass die allgemeine Vernachlässigung des Bahnverkehrs, der ihn vor allem für die Mittel- und Unterschicht unattraktiv macht, der Stärke der Auto- und Flugzeug-Industrie geschuldet ist. Fotos vom Bahnhof nicht möglich: Wir haben unsere Kamera im Theater verloren.

Ankunft in Vancouver. Bekommen noch eine Nachricht von Graham Myers per SMS, wo in den nächsten drei Tagen Improtheater stattfindet. Eines davon ist eine Burlesk-Strip-Show in Kombination mit Improtheater. Eine andere Gruppe spielt Langform. Aber ich muss sagen, dass ich nach der Woche in Seattle vielleicht zum ersten Mal impro-übersättigt bin. Steffi ist einverstanden, dass diese Tage nur der Erholung dienen sollen, schließlich wartet danach New York City auf uns.

Im Autoradio des Taxifahrers höre ich nebenbei (denn eigentlich konzentrieren wir uns ja auf den Gesamteindruck, den Vancouver uns beim ersten Kennenlernen zu vermitteln versucht) ein Interview mit einer jungen Frau, die irgendeine Situation (welche das ist, verstehen wir nicht), genutzt habe, um in einem Gebäude eine Plünderung zu veranstalten.

Als wir am Nachmittag in der Stadt sind, fallen uns eine Menge netter Leute und, nachdem wir uns einen neuen Fotoapparat gekauft haben, die provisorischen Holz-Türen der Läden auf, auf denen Solidaritätsbekundungen mit der Stadt geschrieben stehen. Sollte es einen Aufruhr gegeben haben?

Und jetzt, da ich dies schreibe, toben Gangs in England, räumen Läden aus. Die Polizei wird nicht Herr der Lage. Das ist kein explodierter Hooliganismus wie in Vancouver. In London, Manchester und Liverpool bricht sich dauerhafter, angestauter Unmut über soziale Ungleichheit Bahn. Es ist natürlich völliger Quatsch, diese hirn- und ziellose Gewalt als sozialen Aufstand zu bezeichnen, wie Marcus Glowe es getan hat. Erhellender ist da schon die Äußerung einer vermummten Frau, die technische Geräte aus einem Laden schleppt: "We’re getting our taxes back." Das Gerede von den zu hohen Steuern vernebelt die Sicht darauf, dass die Schuld an der sozialen Misere in den Großstädten eben nicht die Steuern haben, sondern die Weigerung der Politik, sich mit den Verwerfungen eines ungebremsten Kapitalismus auf jedem Gebiet – Bildung, Stadtentwicklung, Arbeitsmarkt – aktiv auseinanderzusetzen. Einen Vorgeschmack hätte Cameron schon bekommen können, als Jugendliche in den französischen Banlieues in den letzten Jahren immer wieder randalierten: Sie hatten nichts zu verlieren. Ebenso wie in einigen amerikanischen Großstädten schon das Fehlverhalten eines einzigen Polizisten einen Aufruhr auslösen kann, haben wir es mit ähnlicher Gewalt in Europa zu tun. Der einzige Unterschied: Für den amerikanischen Ghetto-Jugendlichen ist die Schusswaffe noch leichter zu erwerben. Für den Europäer sind es Baseballschläger und Molotow-Cocktail. Wer derart desintegriert ist, wem von jeder Seite klargemacht wird, dass er in diesem Leben keine Chance auf Teilhabe hat, der pfeift eben leichter auf Moral, für den ist der Schritt, sich zu bewaffnen, kleiner als es zum fünfhundertsten Mal mit einem schlechtbezahlten Job zu versuchen, der kaum das eigene Leben, geschweige denn das eines eigenen Kindes finanziert. Und wenn der Staat einem nicht einmal genügend Hilfe für die Existenzerhaltung gewährt, ist die Zündschnur gelegt.
Im Übrigen denke ich, dass das Gerede von Friedrich und Körting nur dazu gedacht ist, einerseits zu beschwichtigen und andererseits zu zeigen, was für harte Kerle sie doch im Fall eines Falles wären.

*

Die Dame vertraut nach dieser Nachricht auf den Segen der Zeit. Mansûr kehrt zum Sultan von Basra zurück, lässt sich sein Jahresgeld auszahlen und reist wieder nach Bagdad. Wiederum ein Jahr später besucht Mansûr den Sultan von Basra und ihm fällt die Dame wieder ein. Er geht zu ihrem Haus,

und da ich den Platz vor ihrem Tor gekehrt und gesprengt fand und Eunuchen, Diener und Sklaven dort stehen sah, so sagte ich mir: "Vielleicht hat der Gram ihres Herzens sie überwältigt und sie ist tot."

Vor dem Tor des Hauses von Dschubair ibn Umair lässt ihn gerade die Unaufgeräumtheit und Verlassenheit des Ortes auf den Tod des Eigentümers schließen, was ihn zu einem Trauergedicht veranlasst.

Da trat plötzlich ein schwarzer Sklave zu mir heraus und rief: "Alter schweig! Deine Mutter soll dich verlieren! Warum beklagst du dies Haus mit solchen Versen?"

Die ersten zwei Sätze wären eines Neuköllner Jugendlichen würdig.

Es stellt sich heraus, dass der Herr mitnichten tot ist, sondern nun selbst an Liebeskummer zu Budûr leidet. Ein Brief an die Dame ist ihm tausend Dinare Wert.

16.Juni – Impro nach Metronom

16. Juni 2011

Nachdem er die Shows des vorangegangenen Abends sah, kommt Paul auf den Gedanken, sein Konzept zu verändern und unseren Rhythmus zu trainieren. Von nun an hören wir den ganzen Tag über ein Metronom (iPhone) über die Lautsprecher, währenddessen uns Paul kommandiert: Stop, Public, Action usw. Ich weiß nicht, ob dieses Training wirklich jemandem etwas bringt. Mir scheint der ganze Ansatz fraglich. Zu wenig kann man sich auf den Rhythmus einlassen, zu viel wird von Paul kommandiert. Wer seine Contenance verliert (z.B. lacht), muss in die Ecke.
So sinnvoll es im Einzelnen sein mag, sich bestimmter Angewohnheiten auch mal durch krasse Methoden austreiben zu lassen: Hier haben wir kaum Platz zum Ausprobieren. Jede Kleinigkeit wird sanktioniert oder gar kommandiert. Die Improvisation, das Kreative geht verloren.

Am Abend die "Translation Show", eine schöne Erfindung. Im ersten Teil spielt eine Hälfte des Festival-Ensembles so, dass jeder in seiner Muttersprache spricht. In der zweiten Hälfte jeder "in seiner schlechtesten Sprache". Schon im letzten Jahr war es so, dass die zweite Hälfte besser lief, da man auf Reduktion angewiesen war.
Den Clown und Lehrer Paul im ersten Teil mit ins Boot zu nehmen, stellt sich auch als zweischneidig heraus: Er spielt auf Gags und zieht andauernd den Fokus. Es bleibt einem nichts anderes übrig, als seine Angebote zu verstärken und sie zu überakzeptieren oder ihn praktisch wegzuschicken.

*

Nachdem Mansûr der Dame des Hauses erklärt, dass er ein Tischgenosse Harûn er-Raschîds sei, öffnet sie sich ihm und berichtet von ihrem Verlust: Dschubair ibn Umair esch-Schaibâni, der Emir der Banu Schaibân, hat sie verlassen.

Der Grund war dieser: Eines Tages saß ich da, und meine Sklavin kämmte mir die Haare. Als sie mit dem Kämmen fertig war, flocht sie mir die Zöpfe; und da meine Schönheit und Anmut sie berückten, beugte sie sich über mich und küsste mir die Wange. In dem Augenblick trat er unversehens ein, und als er sah, dass die Sklavin meine Wange küsste, wandte er mir von Stund an zornig den Rücken, entschlossen, mich ewig zu meiden, und sprach diese beiden Verse beim Scheiden:

Soll ich mich in die Liebe mit einem andern teilen,
So lasse ich mein Lieb und leb für mich allein.
In dem geliebten Wesen, das anders in der Liebe
Als der Geliebte will, kann doch nichts Gutes sein.

Sie bittet Mansûr nun, ihren Geliebten aufzusuchen und ihm einen gedichteten Brief zu überbringen. Mansûr stimmt zu, und als er bei Dschubair eintrifft, ist dieser gerade auf Jagd.

Die Jagd des Sultans von Basra scheint inzwischen völlig vergessen.

Als Dschubair zurückkehrt, empfängt er Mansûr wie einen hohen Gast. Er

ließ mich auf seinem eigenen Pfühl ruhen und befahl, den Speisetisch zu bringen. Da brachte man mir einen Tisch aus chorassanischem Chalandsch-Holze mit goldenen Füßen, auf dem sich allerlei Speisen befanden.

328. Nacht – 14.6.2011 – Falling With Grace

Auf dem empfehlenswertenBlog von Andrew Hammel finde ich einen Vergleich verschiedener Indikatoren zwischen Deutschland und den USA, der einem die Entscheidung erleichtern könnte, ob sich das Leben im jeweils anderen Land lohnt.

Mir fällt die Wahl doch überraschend leicht. (Mehr Ländervergleiche hier.)

*

14.6.2011

Der Clown Paul de Bene übernimmt den Workshop, und ich gebe mir Mühe, mich auf das Thema einzulassen. "Walking is falling with grace." Silly walks ohne zu Grimassieren ist vielleicht das Beste in den sechs Stunden. Ansonsten doch viel Gerede über Dinge, die man schon weiß, und am Ende gar 1 Stunde Freeze Tags, was wohl ein bisschen wenig ist, wenn man die lange Reise und die Kosten für diese Workshops bedenkt.

Am Abend die erste Show. Wir werden in Trios zusammengewürfelt und haben jeweils ca. 7 Minuten Zeit. Das Thema Narr kann, muss aber nicht berührt werden. Ich spiele mit Devin und Laurel. Nach vier eher ruhigen Szenen scheint der Publikumsvorschlag "Tornado" wie eine Aufforderung, nun endlich mal Stoff zu geben. Die Szene fassen wir dann schön surreal auf.

 

*

Bevor er Masrûr den Kopf abschlagen lässt, sendet er ihn doch lieber zur Tür, vor der

Ali ibn Mansûr, der Schalk aus Damaskus

wartet. Diesem befiehlt er, eine erlebte Geschichte zu erzählen, und Mansûr beginnt:

Der Sultan von Basra befahl Mansûr einmal, mit ihm auf Jagd zu gehen, und da er das erste Mal in Bagdad weilte, ging Mansûr auf einen Spaziergang durch die Stadt.

Kenner ahnen, was solchen Spaziergängern in den 1001 Nächten in der Regel widerfährt: Er trifft auf ein Haus mit einem zu Spielchen bereiten Mädchen.

Und richtig: Aus einem schönen Haus dringt die Gesangsstimme einer schönen Maid,

die erstrahlte wie der Mond, wenn er in der vierzehnten Nacht am Himmel thront; sie hatte zusammengewachsene Brauen und Augen, die versonnen schauen; ihre Brüste waren wie zwei Granatäpfel gepaart, ihre Lippen wie zwei Chrysanthemen zart; ihr Mund schien Salomos Siegel zu sein, und ihrer Zähne Reihn raubten Sängern und Erzählern den Verstand, so wie ein Dichter für sie Worte fand. (…)

Mansûr dringt in das Haus mit der Entschuldigung ein, er habe Durst.

305. Nacht

Freitags-Futter


Frühstück. 3 Brötchen, mit Brombeer-Marmelade*, Sojola-Margarine, Mandelcreme*, Honig*, Erdnussmus*, Schokocreme*, 1 Liter Kaffee*, 0,3 Liter Wasser, 1 Tablette LactAid
* = Bio-Produkt


2 Stück Lindt Edelbitter mild
 


1/3 Liter Wasser, Seitenbacher Müsli mit Galia-Melone* und Hafertrunk*
 


3 Scheiben Kraftballastbrot mit Kürbiscreme*, Lachsschinken*, Ziegenkäse*, 0,3 Liter Wasser
 


2 Stück Lindt Edelbitter mild
 


1 TicTac


bei McDonalds 1 McWrap Beef
(furchtbar, nicht wieder kaufen)
 


0,5 Liter Warsteiner
 


5 Bruschette
Mäßig zubereitet.
(Doch, ich kann zählen. Eine habe ich verschenkt.)
 


0,33 Liter Warsteiner
 


0,5 Liter Leitungswasser
 

*

Glücklich reist Abu Mohammed der Faulpelz mit Gattin, Geld, Bediensteten und dem Affen nach Hause. Diesen brüllt er an:

"Du Verruchter, warum hast du mich verraten?"

Doch ohne eine Antwort abzuwarten, lässt er ihn in eine Messingflasche sperren.
Harûn er-Raschîd ist erstaunt über diese Erzählung

und er verlieh ihm fürstliche Gaben für sein Geschenk und erwies ihm alle Huld, die ihm gebührte.

***

Die Geschichte von der Großmut des Barmekiden Jahja ibn Châlid gegen Mansûr

Harûn er-Raschîd ruft einen seiner Leibwächter namens Sâlih zu sich. Ein gewisser Mansûr würde ihm eine Million Dirhems schulden. Sâlih bringe ihm nun diese Summe oder den Kopf Mansûrs.
Dieser ist, wie man erwarten kann, nicht amüsiert darüber und nimmt weinend von seiner Familie Abschied. Das dauert Sâlih und er schlägt vor, bei den Barmekiden Hilfe zu suchen. Sie begeben sich zu Jahja ibn Châlid, dem Vater von Dscha’far, der nun seine Söhne bittet, ihm Geld zu senden. Dieses gibt er Mansûr und obendrein einen Edelstein, den er vom Kalifen selber hat.
Seine Rettung vor Augen rezitiert Mansûr auf dem Wege zum Kalifen:

Aus Liebe eilte nicht mein Fuß zu ihnen,
Nein, nur aus Furcht, es träfen mich die Pfeile.

Sâlih tadelt ihn dafür.

 

303. Nacht

Das Mittwochs-Futter


Frühstück. Seitenbacher Müsli mit Hafertrunk*, Galia-Melone* und Heidelbeeren*, 1 gekochtes Ei*, 0,3 Liter Kaffee*
* = Bio-Produkt


Ein Vollkorn-Mohnbrötchen mit Sojola-Margarine, Schokokrem*, Honig*, 1 Tablette LactAid
 


Ein Vollkornbrötchen mit Mandelcreme*, Sojola-Margarine, Brombeer-Konfitüre*


Ein Zusatzhaps Mandelcreme*


Ein Stück Lindt Edelbitter mild


0,3 Liter Leitungswasser


Ein 15-Zentimeter-Subway-Sandwich getoastet, Honey-Oat-Brot, Cheddar, Hähnchen, Salat, Gurke, Tomate, Zwiebel, Mexiko-Soße.  1 Tablette LactAid.
(Zum ersten Mal kapiert, woher das leicht eklige Aroma dieser eigentlich guten Klappstulle herrührt: Es ist das Packpapier. Es stinkt! Ich vermute eine Konspiration vom Packpapierlieferanten und McDonalds.)


Ein halber Liter Mineralwasser still.


Kaugummi Wrigley’s Doublemint


Ein Cappuccino Grande laktosefrei, 1 Blaubeermuffin,  1 Tablette LactAid (man kann bei Muffins nie wissen).


Spaghetti* mit Auberginen*, Zwiebeln*, Tomaten*, Paprika*, Zucchini*, Hafer-Creme* und Ketchup, frische gelbe Tomaten*
0,6 Liter Weißwein Silvaner 2009, Janson Bernhard


2 Stück Lindt Edelbitter mild

0,6 Liter Leitungswasser

*

Abu Mohammed erkundigt sich auf dem Basar der Futterhändler nach dem Scherifen und bittet ihn, ihm seine Tochter zur Frau zu geben. Dieser zögert:

"Du hast weder Abkunft noch Adel." Da zog ich einen Beutel mit tausend Dinaren von rotem Golde hervor und sprach zu ihm: "Das ist meine Abkunft und mein Adel. Und er, dem Allah Segen und Heil spenden möge, hat selber gesagt: ‘Der beste Adel ist der Reichtum.’

Einen Beleg dafür habe ich nicht gefunden.

Wie schön sagt doch auch der Dichter:

Kann jemand auch zwei Dirhems sein eigen nennen,
So werden seine Lippen manche Rede kennen.
Dann kommen die Genossen, lauschen seinen Worten;
Du siehst ihn bei dem Volk sich blähen allerorten.
Und hätte er das Geld, mit dem er großtut, nicht,
Du fändest bei den Menschen ihn als ärmsten Wicht.
Und wenn der Reiche auch in seinen Worten irrt,
So heißt es: Du sprichst wahr, du redest nicht verwirrt.
Doch spricht der Arme wahr, so ruft die Welt betört:
Du lügst! Und was er sagt, verhallet ungehört.
Ja, Dirhems geben hier auf Erden weit und breit
Den Männern Würde und das Kleid der Lieblichkeit.
Sie sind die Zunge dem, der feine Reden liebt;
Sie sind die Waffe dem, der sich zum Kampf begibt."

Auf Wunsch legt Abu Mohammed noch mal dreitausend drauf, und der Deal ist besiegelt:

"Nach zehn Tagen will ich dich zu ihr einführen."

Dankbar kehrt Abu Mohammed zum Affen zurück, der nun aber ein Anliegen hat: An der Rückwand des Schlafzimmers, einer Halle, befindet sich eine Kammer, darin eine Truhe mit vier Talismanen in Form von Fähnlein, ein Becken voll Gold und ein gefesselter Hahn. Diesen möge Abu Mohammed schlachten, die Fähnlein abschneiden und die Truhe umstoßen.

"Darauf gehe zu deiner jungen Gemahlin und nimm ihr das Mädchentum!"

Wenn Abu Mohammed das täte, würde der Affe ihm alle Wünsche erfüllen.
Abu Mohammed verfährt genau so, nur zur Entjungferung kommt es leider nicht, denn nach Hahnschlachtung wird das Mädchen von einem Mârid entführt – dem Ex-Affen, der durch diesen Talisman gebannt war.
Naheliegend, dass sein Schwiegervater nichts mehr mit Abu Mohammed zu tun haben will. Er wird verstoßen. Als er nun seiner Wege zieht, beobachtet er zwei gegeneinander kämpfende Schlangen – eine schwarze und eine weiße. Er hilft der weißen, welche flieht, ihre Kumpels holt und mit diesen der schwarzen Schlange den sagenumwobenen Garaus macht.
Am nächsten Morgen geben sich die weißen Schlangen als gläubige Dämonen zu erkennen.

 

302. Nacht

Dienstags-Mahl


Frühstück. Zwei Vollkornbrötchen mit Sojola-Margarine, Schokokrem*, Honig*, Brombeer-Konfitüre*, Erdnussmus*, 0,2 Liter Kaffee*, 0,4 Liter Leitungswasser, 1 Tablette LactAid
* = Bio-Produkt


0,1 Liter Leitungswasser


0,5 Liter Leitungswasser


Zwei Scheiben Nuss-Sesambrot mit Sojola-Margarine Lachsschinken*, Kürbiskrem. 0,2 Liter Kaffee*. 1 Tablette LactAid.


Ein Kaugummi Wrigley’s Doublemint


0,4 Liter Leitungswasser


13 Haferkekse*, 1 Banane*, 0,3 Liter Leitungswasser


2 Stück Lindt Edelbitter Mild


Abendessen: 2 Scheiben Vollkorn-Nuss-Sesambrot, Kalbsalami*, Ziegenkäse*, 0,2 Liter Apfelsaft*, 1 Tablette LactAid.


2 x 0,5 Liter Berliner Pilsner


1 Krügerol


0,5 Liter Berliner Pilsner

*

Der Emir ist überrascht über die Befreiung durch den Affen:

"Ich zahle ihm dafür tausend Dinare." Und die Kaufleute sprachen: "Ebenso zahlt ein jeder von uns ihm tausend Dinare, wenn er uns befreit."

Das Schiff fährt zurück nach Basra. Der Emir lässt Abu-Mohammed den Faulpelz kommen, der sich nur mühsam mit Hilfe seiner Mutter fortbewegt:

"Nimm diesen Affen; denn ich habe ihn für dich gekauft. Geh mit ihm nach Hase und warte, bis ich zu dir komme!"

Alsbald serviert er ihm in mehreren Kisten die tausenden Dinare, die als Gewinn für die fünf Dirhems entsprungen sind. Und seine Mutter rät:

"Mein Sohn, Allah hat dich mit großem Reichtum gesegnet; drum lass ab von deiner Faulheit, geh zum Basar und treibe Handel!" Und ich schüttelte wirklich meine Trägheit ab und eröffnete einen Laden im Basar.

Der Affe begleitet ihn bei allem, was er tut, doch vormittags beliebt er zu verschwinden;

dann kam er wieder und trug einen Beutel mit tausend Dinaren in der Hand.

Als er so Abu Mohammed zu Reichtum verholfen hat, beginnt er eines Tages zu sprechen:

"Erschrick nicht! Ich will von mir erzählen; ich bin ein Mârid vom Geschlechte der Geister…"

Darauf hätte man wetten können.

Der Affe bietet Abu Mohammed an, ihn

"mit einem Mädchen zu vermählen, das schön wie der Vollmond ist."

Abu Mohammed möge am folgenden Tag zum Basar der Futterhändler gehen.

Und so sieht so ein Basar heute aus: http://www.futterboerse.ch/

301. Nacht

Wir sind, was wir essen? Wenn das so ist, weiß ich wohl kaum, wer ich bin. Gesinnungs-Öko? Imbissfresser? Halb-Vegetarier? Milchzucker-Vermeider? Biertrinker? Süßmaulfrosch? Mal testen.


Frühstück. Drei Vollkornbrötchen mit Sojola-Margarine, Schokokrem*, Honig*, Johannisbeer-Konfitüre*, Erdnussmus*, Ziegenkäse*, 0,4 Liter Kaffee*, 0,2 Liter Leitungswasser, 1 Tablette LactAid (wegen der Laktose in den Brötchen)
* = Bio-Produkt


1/2 Liter Leitungswasser


0,2 Liter Leitungswasser


Ein Vollkornbrötchen mit Sojola-Margarine und Ziegenkäse*. 1 Tablette LactAid.


Ein Kaugummi Wrigley’s Doublemint


Wegen Zahnarztbesuch verspätetes Mittagessen: Zwei Scheiben Haselnuss-Sesam-Vollkornbrot mit Sojola-Margarine, zwei Scheiben Lachsschinken, Omelett aus 2 Eiern*, zwei Stück Galia-Melone*, 0,2 Liter Leitungswasser, 1 Tablette LactAid (wegen Laktose im Brot)


10 Haferkekse*, 0,1 Liter Leitungswasser


0,5 Liter Leitungswasser


Abendessen: Pizza Vegetaria vom griechischen Imbiss mit Paprika, Artischocken und Tomaten, dazu frisch gemahlener Pfeffer*, 2 Flaschen 0,5 Liter Radeberger Pilsener, 2 Tabletten LactAid wegen Laktose im Pizzakäse.
(Vergesse unglücklicherweise, die zweite Tablette zu essen.)


Vorm Schlafengehen: 0,4 Liter Leitungswasser

 

Wir hören also die Geschichte von Abu Mohammed dem Faulpelz;

"denn sie ist gar wundersam, und seltsam ist’s, wie alles kam. Würde man sie mit Nadeln in die Augenwinkel schreiben, so würde sie allen, die sich lehren lassen, ein lehrreich Beispiel bleiben."

Tatsächlich war Abu Mohammed ein Faulpelz und sein Vater ein Schröpfer im Badehause.

d.h. er übte einen schlecht angesehenen Beruf aus.

"Meine Faulheit ging so weit, dass ich, wenn ich an heißen Tagen schlief und die Sonne über mich kam, ich zu faul war, um aufzustehen und von der Sonne in den Schatten zu gehen."

Der Vater stirbt und hinterlässt ihm nichts. Seine Mutter verdient sich bei Leuten und bringt ihm Essen und Trinken. Als sie erfährt, dass Scheich Abu el-Muzaffar nach China reist, gibt sie ihrem Sohn fünf Silberdirhems und fordert ihn auf, diese dem Scheich mitzugeben, damit dieser sie investiere und wenn der Sohn auch dafür zu faul sei, würde sie ihm nie wieder essen oder trinken besorgen. Abu Mohammed wird angst und bange.

"Richte mich auf!" (…) "Bring mir die Schuhe!" (…) "Zieh sie mir über die Füße!" (…) "Heb mich vom Boden auf!" (…) " Stütze mich, damit ich gehen kann!"

All das tut sie für ihn, und er stolpert zum Scheich und überreicht diesem die Dirhems.
Das Schiff fährt nach China, erledigt dort seine Einkäufe, segelt zurück. Aber nach drei Tagen auf dem Meer fällt dem Scheich ein, dass er den Auftrag für Abu Mohammed vergessen hat und will zurücksegeln. Aber seine Reisegenossen halten ihn auf mit dem Versprechen, ihm ein Vielfaches vom Gewinn der fünf Dirhems zu geben.
Sie legen auf ihrer Rückreise auf einer Insel an; dort entdeckt der Scheich einen Händler,

der eine große Zahl Affen bei sich hatte.

Einer dieser Affen wird von den anderen immer wieder gerupft, sobald der Händler nicht hinschaut.
Diesen Affen kauft der Scheich für Abu Mohammed den Faulpelz.
Auf der nächsten Insel

kamen Taucher an Bord, die nach Edelmetallen, Perlen, Juwelen und ähnlichen Dingen tauchten.

Da befreit sich der Affe und springt über Bord, doch gemeinsam mit den anderen Tauchern,

erschien auch der mit ihnen auf der Oberfläche. Er hatte die Hände voller kostbarer Juwelen, und die warf er vor Abu el-Muzaffar nieder. (…)
"Fürwahr in diesem Affen steckt ein großes Geheimnis."

Das Schiff legt auf einer weiteren Insel an,

deren Name die "Insel der Neger" ist; das sind schwarze Leute, die das Fleisch der Menschen fressen. 301

Einige der Kaufleute werden geschlachtet, die anderen harren in Angst, aber der Scheich wird vom Affen befreit.

 

301 Laut Kommentar soll es sich bei dieser Insel um Sansibar handeln. Auf den Extremrassismus dieser Passage geht der Kommentar nicht ein.

300. Nacht

Seit ein paar Jahren hat sich in den Protestbewegungen die Fraktion militanter Clowns ausgebreitet. Militante Clowns nehmen den zivilen Ungehorsam ernst und überschreiten Gesetze bis knapp unter Gewaltanwendung, also das ganze Spektrum demo-begleitender Aktionen, die man bereits kennt: Blockaden, Zerstörung von Dingen usw. Das Repertoire ist nicht ganz neu und oft effektiv, aber die Clownerie suggeriert "Hopplahi-hopplaho – alles nur halb so ernst gemeint. Schließlich sorgen wir für gute Laune." Und in der Tat wirken Polizisten wie Spielverderber, wenn sie Clowns vom Platz tragen. Und so schraubt sich der Ärger zur furchtbaren Empörung hoch: Es war doch nur ziviler Ungehorsam.
Das Wort "Ungehorsam" verniedlicht aber durch seine Assoziation an Befehlsverweigerung, an Dem-Oberlehrer-nicht-gehorchen, dass es schlicht um Rechtsbrüche geht, die eben Konsequenzen zur Folge haben. Ob mit roter Nase oder ohne. So ist das nun mal mit Rechtsbrüchen. Das heißt nicht, dass man nicht über Details des Versammlungsrechts streiten könnte – etwa über den Sinn des Vermummungsverbots. Allerdings macht man sich wohl unglaubwürdig, wenn man einerseits eine Kennzeichnung der Polizeibeamten fordert und gleichzeitig sich selbst unkenntlich macht. Ob mit Schminke oder Hasskappe ist da zweitrangig.
Nun ist gewiss ein Szenario denkbar, in dem die staatliche Gewalt dermaßen überhand nimmt oder die demokratischen Spielregeln soweit außer Kraft gesetzt sind, dass ich mich aus Gewissensgründen genötigt sehe, Gesetze zu brechen, die ich sonst – auch wenn sie mir nicht passen – immerhin hinnehme. Für Jean Peters in der taz ist die Grenze bereits an dem Punkt erreicht, dass Castor-Transporte durch die Gegend rollen, obwohl eine Umfragenmehrheit für die Abschaltung von AKW ist. Andere halten ein Treffen der G8 oder die Räumung eines illegal besetzten Hauses für dermaßen inakzeptabel, dass die legalen Mitteln politischer Kommunikation nicht mehr ausreichen.
Warum sich dann aber beschweren, wenn das Recht durchgesetzt wird? Der "zivile Ungehorsame" weiß ja schließlich, dass er eine Grenze überschreitet. Ihm bleibt nichts anderes übrig als auf seine eigene Cleverness, einen smarten Anwalt, einen gnädigen Richter oder öffentliche Solidarisierung zu bauen. Aber zu skandalisieren, dass der Staat sich Rechtsbrüche nicht einfach gefallen lässt, ist lächerlich, wenn nicht gar feige.

*

Der Eunuch überbringt dem Kalifen die Nachricht, seine Frau Zubaida habe sich diese Krone anfertigen lassen, aber sie fände keinen passenden Edelstein für die Spitze. Harûn er-Raschîd befiehlt seinen Kammerherren und Statthaltern, nach einem solchen Edelstein zu suchen, sie kommen aber ohne Erfolg zurück.

Als sie das dem Kalifen kundtaten, ward er zornig und rief: "Wie kann ich Kalif und König auf Erden sein, wenn ich nicht imstande bin, einen Edelstein zu beschaffen? Ihr da, fragt bei den Kaufleuten an!"

Ist da wer in seiner Eitelkeit gekränkt?

Man teilt ihm mit, es gäbe nur einen, der so einen Edelstein besitzen könne: Abu Mohammed der Faulpelz in Basra.
Der Kalif sendet seinen Schwertträger Masrûr mit einem entsprechenden Schreiben an den Statthalter von Basra, Emir ez-Zubaidi.

Der Bruder seiner Frau Zubaida?

Als Masrûr schließlich vor Abu Mohammeds Haustür steht und das Anliegen vorträgt, bittet dieser ihn herein, doch man antwortet ihm:

"Wir können das nur in aller Eile tun, wie uns der Beherrscher der Gläubigen befohlen hat; denn er wartet auf dein Kommen." (…)
"Wartet nur ein klein wenig auf mich, bis ich alles gerüstet habe."

Schließlich gelingt es ihm doch, alle in sein Haus zu lotsen.

Und dort sahen sie zunächst eine Vorhalle, behangen mit Wanddecken aus blauem Brokat, die mit rotem Golde bestickt waren.

Masrûr wird indessen von den Dienern ins Bad geleitet und schließlich ins noch prächtigere Obergemach geführt.

Dann befahl er [Abu Mohammed], den Speisetisch zu bringen; doch als Masrûr den Tisch sah, rief er: "Bei Allah, sogar bei dem Beherrscher der Gläubigen habe ich einen solchen Tisch nie gesehen."

Man speist und trinkt und Mohammed schenkt jedem 5000 Dinare und ein Ehrengewand. Wieder drängt Masrûr zur Abreise. Doch Abu Mohammed meint:

"O Gebieter, gedulde dich nur noch bis morgen, damit wir uns reisefertig machen können und dann mit euch aufbrechen!"

Also verbringen sie noch die Nacht dort.

Als inzwischen geübter Leser dieser Erzählungen, erwartete ich zumindest zwei weitere Nächte, in denen immer schönere Gewänder, Speisen und Sklavinnen die Sinne der Gäste vernebeln, aber…

Tatsächlich brechen alle am nächsten Morgen auf

und reiten ohne Unterbrechung weiter, bis sie zur Stadt Bagdad gelangten.

Dort präsentiert Abu Mohammed dem Kalifen Geschenke aus einer Kiste:

darunter goldene Bäume, mit Blättern aus Smaragd und Früchten aus rotem und gelbem Hyazinth und aus schimmernden Perlen.

In der zweiten Kiste:

ein brokatenes Prunkzelt, das mit Perlen, Rubinen und Smaragden, Chrysolithen und noch anderen Edelsteinen verziert war; die Pfeiler des Zeltes waren aus frischem Aloeholz; die Säume der Zeltdecke waren mit grünen Smaragden besetzt; und auf den Zeltwänden waren lauter Bilder von allerlei Getier angebracht.

Woraus werden dann wohl die Heringe des Zeltes gewesen sein?

Nun gibt Abu Mohammed auch noch Zauberkunststückchen zum Besten. Er

bewegte seine Lippen und winkte den Zinnen des Palastes; da neigten sie sich ihm zu. Dann gab er einen zweiten Wink; da wurde sie wieder aufrecht, wie sie gewesen waren. Darauf machte er Zeichen mit den Augen; da erschienen vor ihm Käfige mit verschlossenen Türen, und nachdem er Worte über sie gesprochen hatte, gaben die Vogelstimmen Antwort. Über all das war er-Raschîd aufs höchste erstaunt, und er fragte: "Woher hast du all dies, wo du doch nur als Abu Mohammed der Faulpelz bekannt bist?"

299. Nacht

Philipp Demidov ist für mich der größte russische Rocksänger.  Ich lernte ihn 1990 in Moskau kennen, und lud ihn mit seiner Band "Orbita" nach Berlin ein, wo er mit Feeling B und unserer Humpta-Punkband "Bolschoi Rabatz" spielte. Kurz danach löste sich Orbita auf, aber ich verbrachte mit ihm und seinen Musikerfreunden noch einen August auf der Krim.
Gestern hatte ich seit Jahren wieder erstmals die alten Aufnahmen gehört und beschlossen, ihm endlich auf die einzige Mail zu antworten, die er mir vor einem knappen Jahr geschrieben hatte.
Heute früh per SMS die Nachricht, Philipp Demidov sei gestorben. Wie immer bei einer Todesnachricht hoffe ich abergläubisch, es sei ein Missverständnis.
Hier der Text seines Songs "Ublyudok", zumindest so, wie ich in verstanden habe.

Ublyudok

Ya malenkiy ublyudok, ya malenkiy playboy
no tut poyavlyayetsja dvornik s metloy.
On mne kritshit groshdanin prostoi
i byot menja svoyey golovoy.
A on menya udaril svoyeyu nogoy
A on menya udaril svoyeyu rukoy.

|:Zhalko shto ya evo w obshtshe ne ubil 😐

A ya ne bandit i daze ne khuligan.
A ya vlubilsya kak prostoi maltshugan.
No tut poyavilsya takoi to utyug.
A on yeyo uvyos otdykhat na yug.
A on yeyo vodil v dorogoi restoran.
A on soril dengami slovno Gosplan.

|:Zhalko shto ya evo w obshtshe ne ubil 😐

Yesli by byl balkon v moyey kvartire
to ya naverno tshasto sidel by na balkone.
Smotrel by v niz na golovy pokhoze
pytalsya godat kto tshemu sklomen.
Odin is nikh pokhozsh na voditelya tramvaya.
Drugiye na sotrudniki sekretnovo otdela.

|:Zhalko shto ya evo w obshtshe ne ubil 😐

*

Chalîd vermählt die beiden.

Ende

Die Geschichte von dem Edelmut des Barmekiden Dscha’far gegen den Bohnenverkäufer

Als Harûn er-Raschîd den Barmekiden Dscha’far ans Kreuz hatte schlagen lassen, 199 befahl er zugleich, dass jeder, der ihn beweine oder um ihn klage, gekreuzigt werden solle; deshalb ließ das Volk davon ab.

Ein Beduine jedoch, der jedes Jahr ein Loblied auf Dscha’far schrieb und von diesem dafür 1.000 Dinar erhielt, kam auch im Jahr dessen Todes nach Bagdad, wo er vom Tode Dscha’fars erfuhr. Er trug sein Loblied vor dem toten, am Kreuze hängenden Dscha’far vor und legte sich schlafen. Da erschien ihm Dscha’far im Traum, der ihm befiehlt nach Basra zu gehen und dort einen Kaufmann aufzusuchen und zu ihm zu sprechen:

"Dscha’far der Barmekide, lässt dir den Gruß entbieten und lässt dir sagen, du möchtest ihm tausend Dinare geben – beim Zeichen der Bohne!"

Dies tut der Beduine. Der Kaufmann lässt ihn drei Tage bei sich wohnen und gibt ihm zum Abschied 1.500 Dinare. Der Beduine fragt, wofür das sei. Und der Kaufmann berichtet.
Er war früher ein armer Bohnenhändler in Bagdad. Es regnete und ihn fror, als Dscha’far ihn von einem Söller erblickte.

Seine Vertrauten und Odalisken waren bei ihm.

Dscha’far befiehlt dem Kaufmann, alles zu verkaufen, was er bei sich habe. Und jede der Odalisken füllt ihm das Bohnenmaß mit Gold. Eine letzte Bohne bleibt übrig. Diese teilt Dscha’far und fragt eine Odaliske, ob sie die halbe Bohne nicht kaufen wolle. Und diese tut es um den doppelten Wert allen bisher gesammelten Goldes. So gelangte der Kaufmann zu Wohlstand."

"Wenn ich also von dem, was ich durch Dscha’fars Güte erhalten habe, in jedem Jahre tausend Dinare gebe, so habe ich dadurch nicht den geringsten Verlust. Du aber denke an den hohen Edelmut Dscha’fars und daran, dass ihm, wie im Leben, so auch im Tode Preis gebührt – Allah, der Erhabene, hab ihn selig."

Nach all den Lobhudeleien auf Harûn er-Raschîd ist dieser Widerspruch beachtlich

 

299 In Wirklichkeit ließ Harûn er-Raschîd Dscha’far enthaupten.

 

 

Die Geschichte von Mohammed dem Faulpelz

Zu Harûn er-Raschîd tritt ein junger gekrönter Eunuch ein, der zu ihm spricht:

"O Beherrscher der Gläubigen, die Herrin Zubaida…"

Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann und sie hielt in der verstatteten Rede an. Ihre Schwester aber sprach: "Wie schön war deine Erzählung und wie entzückend, wie lieblich und berückend!" Doch Schehrezâd erwiderte: "Was ist all dies gegen das, was ich in der kommenden Nacht erzählen werde, wenn der König mich am Leben zu lassen geruht." Nun sprach der König bei sich selber: "Bei Allah, ich will sie nicht eher töten lassen, als bis ich ihre Geschichte zu Ende gehört habe."

Warum ausgerechnet hier die Schehrezâd-Episode wieder eingeführt wird, ist unklar. Vielleicht, weil wir kurz vor der Vollendung der 300 stehen? Oder um uns Dinazâd ins Gedächtnis zu rufen? Oder die Dummheit des Königs, der jetzt nun nur noch eine Geschichte hören will, bevor er sie tötet und so dem Kinde gleicht, dass jetzt aber wirklich nur noch eine Geschichte will, bevor es schlafen geht?

298. Nacht

Hans Magnus Enzensberger: "Das Deutsche-Bahn-Kritisieren – noch so ein Volkssport, an dem ich nicht teilnehme. Der Zug ist ja, im Gegensatz zum Flugzeug, immer noch ein relativ zivilisiertes Verkehrsmittel. Leibesvisitationen finden dort nicht statt. Mann wird nicht angeschnallt. Man kann aus dem Fenster schauen."

Hans Magnus Enzensberger: "Heiterkeit ist eine moralische Frage. Mürrische Leute, die andere mit ihren Problemen behelligen, die halte ich für rücksichtslos." (aus Zeit-Magazin 12.8.2010)

Heiterkeit ist trainierbar, klar. Wieviel Training braucht man, bis man dahin kommt, morgens entscheiden zu können, am heutigen Tage glücklich zu sein.

*

Es gab niemanden in Basra, weder Mann noch Weib, der nicht gekommen wäre, um sich die Bestrafung jenes Jünglings anzusehen.

Der Kadi räumt ihm noch eine Chance ein:

"Vielleicht hast du weniger als das Mindestmaß gestohlen?" 298

Weder auf dieses Angebot noch auf die Frage, ob er vielleicht ein gemeinsames Anrecht auf einen Teil der Sachen habe, geht er ein.
Chalîd erzürnt über die Verstocktheit des Jünglings dermaßen, dass er ihn mit der Peitsche schlägt.

Dann rief er den Schlächter, damit er ihm die Hand abschlage.

Man beachte, dass diese Aufgabe hier vom Schlächter übernommen wird. Ob sein Beil nun Menschen- oder Rinderknochen zerteilt, ist wohl einerlei.

Ein schönes junges, aus Trauer in Lumpen gehülltes Mädchen, tritt im letzten Moment hervor und übergibt Chalîd ein Gedicht, in dem sie ihre Liebe zum jungen Mann bekennt und dessen Unschuld beteuert.

Sind Im-letzten-Moment-Szenen eigentlich per se ein Zeichen für Kitsch?

Sie bekennt, dass sie und der Jüngling Geliebte seien. Und als dieser sie besuchte, kamen überraschend ihre Brüder und ihr Vater nach Hause. Er behauptete, ein Dieb zu sein, um ihr die Schande zu ersparen.
Chalîd, gerührt von der Geschichte wie der Tyrann in Schillers Bürgschaft, gibt sowohl dem Jüngling als auch der Maid zehntausend Dirhems unter der Bedingung, dass der Vater der Ehe zustimmt. Dieser tut es.

Chalîd aber lobte und pries Gott und hielt eine schöne Predigt.

 

298 Mindestbetrag des gestohlenen Gutes beträgt einen Viertelgolddinar.

297. Nacht

Es genügt dem Kalifen nicht, dass der clevere Richter ihm soeben aus der Patsche geholfen hat:

"Ich möchte sogleich bei ihr ruhen; ich kann es nicht ertragen, mich ihrer zu enthalten, bis die gesetzliche Frist verstrichen ist."

Die gesetzliche Frist, die er-Raschîd erwähnt, besagt, dass, wer eine Sklavin kauft, eine Frist abwarten muss, bis klar wird, ob sie von ihrem früheren Eigentümer schwanger ist. Man beachte die beiläufige Demütigung des Wesirs Dscha’far, der sie ja gar nicht hergeben wollte.

Abu Jusûf rät, die Sklavin einem der Mamluken des Kalifen zur Frau zu geben; dieser solle sich sofort von ihr scheiden lassen, und dann könne der Kalif unverzüglich "zu ihr eingehen".
Gesagt, getan. Aber der Mamluk macht Schwierigkeiten: Er will sich nicht scheiden lassen, egal, wieviel Geld der Kalif ihm bietet.

Dieser Widerspruch gegenüber er-Raschîd, der ja bekanntlich sein Schwert nicht zögerlich bedient, ist bemerkenswert.

Der Mamluk holt sich obendrein Beistand beim Kadi:

"Steht die Ehescheidung in meiner Hand oder in deiner oder in der des Beherrschers der Gläubigen?" Als der Kadi antwortete: "In deiner Hand!", rief der Mamluk: "Bei Allah, ich tu es nie und nimmer!"

Aber Abu Jusûf weiß auch hier zu helfen:

"Gib diesen Mamluken der Sklavin zum Eigentum."

Der Kalif tut es.

Dann fuhr der Kadi fort: "Ich spreche die Scheidung aus über die beiden dort; denn er ist ihr Besitz geworden, und also ist die Ehe ungültig!

Der Kadi wird vom Kalifen für diese schönen Lösungen reich belohnt. Und zuhause schlaumeiert er gegenüber seinen Freunden:

"Es gibt keinen leichteren und kürzeren Weg zum Glauben und zu den Gütern dieser Welt als den Weg der Wissenschaft; denn diese große Menge Goldes habe ich allein für die Beantwortung von zwei oder drei Fragen erhalten."

Im Grunde führt der Kadi das Recht, indem er es dem Buchstaben nach anwendet, ad absurdum, und der Kalif scheint es zu wissen. Aber weiß es der Erzähler? Im kurzen Nachwort lobt er

das feine Benehmen des Wesirs gegen er-Raschîd, die Weisheit des Kalifen und die noch größere Weisheit des Kadis.

Gewitztheit führt zu Reichtum. Schläue hilft, sich die Mächtigen günstig zu halten. Macht bricht Recht.

***

Die Geschichte von Châlid ibn Abdallâh und dem Liebhaber, der sich als Dieb ausgab

Zu Châlid ibn Abdallâh el-Kasri, dem Emir von Basra, führte man einen Jüngling, dem man vorwarf, ein Dieb zu sein. Aber angesichts der Schönheit des jungen Mannes hat der Emir Zweifel an der Geschichte. Und so fragt er ihn, was ihn zu dieser Tat veranlasst habe.

"Mich trieben die Gier nach irdischem Gut und der Ratschluss Allahs, des Gepriesenen und Erhabenen."

Zu fromm, um wahr zu sein.

Châlid hakt nach, aber der junge Mann bleibt bei seiner Geschichte, und so wird bekannt gegeben, dass ihm am nächsten Tag die Hand abgehauen werden soll. Sich unbeobachtet wähnend, improvisiert er im Kerker folgende Verse:

Es drohte Châlid mir mit dem Verlust der Hand,
Mach ich mit dem Geheimnis von ihr ihn nicht bekannt.
Doch ich sprach: Das sei ferne, dass ich die Lieb verrat,
Die tief im Herze mein für sie verschlossen hat.
Ja, der Verlust der Hand für das, was ich gestehe,
Ist leichter mir, als dass ich sie in Schande sehe.

Die Wächter hören dies, führen in zu Châlid und dieser rät ihm, vorm Kadi zu leugnen, denn der Prophet habe gesagt:

"In zweifelhaften Fällen vermeidet die Strafen." Darauf ließ er ihn in das Gefängnis zurückbringen.

241. Nacht – Hauptstädte die ich sah

Hauptstädte, in denen ich war. Mit Jahreszahl meines ersten Besuchs sowie gegebenenfalls Relativierungen für Kürzestaufenthalte und Hauptstädte, die keine waren oder mehr sind:

Berlin (DDR)

Bonn 1991 (BRD)

Berlin (BRD)

Warschau 1979

Prag 1990

Budapest 1981

Sofia 1997 (nur auf dem Flughafen)

Wien 1998

Bratislava 1981 (zu CSSR-Zeiten)

Vilnius 1989 (zu SU-Zeiten)

Minsk 1989 (zu SU-Zeiten)

Brüssel 1992

Amsterdam 1991

Moskau 1990

London 1993

Paris 1993 (nur wenige Stunden zwischen Bahnhof und Autobahnabfahrt)

Valletta 2001

Rom 2000

Madrid 1995

Accra 1997

Lagos (nur auf dem Flughafen)

Sarajevo 1999

Teheran 1996

Washington 1997 (nur ein paar Minuten am Busstop)

Kairo 2004

Abu Dhabi 2004 (nur auf dem Flughafen)

Edinburgh 1993 (naja)

Peking 2008

Colombo 2004

**

El-Haddschâdsch vertröstet Ni’ma:

"Wenn deine Sklavin nicht wiederkehrt, so gebe ich dir zehn Sklavinnen aus meinem Hause."

Wahrscheinlich erkennt Ni’ma schon hier die Verstrickung el-Haddschâdschs.

Sein Vater er-Rabî’ bestärkt ihn in dieser Vermutung. Der zu diesem Zeitpunkt vierzehnjährige Ni’ma wird krank, und die Ärzte sagen:

"Es gibt kein Heilmittel für ihn außer der Sklavin."

Eines Tages erreicht ein kunstvoller persischer Arzt die Stadt Kufa,

von dem man ihm [dem Vater] sagte, dass er Heilkunst, Astrologie und Geomantie genau kenne.

Geomantie kennt ja heute kaum mehr einer. Und wenn, möchte man ihm vielleicht nicht unbedingt den kranken Sohn anvertrauen.

Diagnose:

"Dein Sohn leidet am Herzen."

Der Perser weiß sogar noch mehr über die Angebetete:

"Diese Sklavin ist jetzt entweder in Basra oder in Damaskus."

Mit Ni’ma sowie tausend Dinaren plus Pferden und Kamelen macht sich er Perser auf nach Aleppo. Dort werden sie nicht fündig und reisen weiter nach Damaskus. Sie eröffnen einen Laden und kommen überein, miteinander auf Persisch zu reden und sich als Vater und Sohn auszugeben.
Der Trick funktioniert. Der Perser heilt einige Kranke, und eines Tages kommt eine Alte auf einem Esel zu ihm, die vorgibt, eine kranke Tochter namens Nu’m zu haben…

159. Nacht

Die ständigen Botschaftertätigkeiten zwischen den beiden Liebenden und Bakkârs andauernde Ohnmachtsanfälle beginnen Abu el-Hasân zu nerven:

"Wie wäre es erst, wenn du ein Mädchen liebtest, das Abneigung gegen dich hätte und dich verriete, so dass dein Geheimnis offenbar würde?" Da war – so erzählte Abu el-Hasan – Alî ibn-Bakkâr zufrieden mit meinen Worten; und er war durch sie beruhigt, und dankte mir dafür.

Woher auf einmal die Ich-Perspektive el-Hasans?

El-Hasan schmiedet eine List. Er klagt einem Freund sein Leid und behauptet, aus Furcht, als Kuppler verurteilt zu werden, nach Basra zu reisen, was er tatsächlich auch tut.
Als Heulsuse ibn-Bakkâr von el-Hasans Freund dies erfährt, nostalgiert nun den vergangenen Heul-Zeiten nach:

Einst pflegte ich zu weinen um vergangene Freuden,
Als meine Freunde all an meiner Seite weilten.
Doch heute hat mein Schicksal sie von mir geschieden;
nun weine ich um die, so meine Liebe teilten.

 

38. Nacht

Nûr ed-Dîns Verwunderung, warum ein Fischer einem Statthalter in Basra Aufträge erteilen könne, ist verständlich, doch Harûn er-Raschîd redet sich heraus:

"Ich lernte mit ihm in derselben Schule und unter demselben Lehrer, und ich war Klassenerster. Seither ist ihm das Glück hold gewesen, so dass er Sultan wurde, während Gott ihn erniedrigte und mich zum Fischer machte."

Die sonst an derartigen Stellen so typische Nachfrage: "Wie war das denn?" bleibt uns und dem Kalifen hier erspart.

Nûr ed-Dîn entfernt sich nun mit dem Brief Richtung Baghdad und lässt Enîs el-Dschelîs tatsächlich zurück.

Dieses Verhältnis scheint mir immer noch unklar: Ist sie nun seine Geliebte oder wirklich nur eine Art Entertainment-Sklavin? Ihr gemeinsames Spiel deutet er auf eine Intimbeziehung hin, andererseits haben sie nie geheiratet oder ein derartiges Ziel ins Auge gefasst, und es ist auch stets von der Sklavin die Rede. Aber: Wenn er sie als Sklavin und somit als wertvolles Objekt betrachtet, warum sollte er sie einem verlausten Fischer überlassen?

Der Kalif gibt sich Scheich Ibrahim zu erkennen.

Da wurde er plötzlich wieder nüchtern, warf sich zu Boden und sprach die Verse:

Vergib mir die Sünde, in die mein Fuß hineingeglitten!
Der Sklave erwartet ja von seinem Herrn die Huld.
Ich habe gestanden, und das gebot mein Vergehen.
Doch wo ist nun, was dir gebietet verzeihende Huld?

Man möge dem Scheich die schlechten "Reime" verzeihen. Improvisation in betrunkenem Zustande zahlt sich selten aus.

Der Kalif aber vergibt ihm seine Ausfälle und lässt Enîs el-Dschelîs in seinen Palast führen, wo er ihr ein Zimmer zuweist.
Als Nûr ed-Dîn in Basra ankommt, ist der Sultan einigermaßen erstaunt über das Schreiben des Kalifen, da dieser ihm darin befiehlt, sein Amt niederzulegen und es Nûr ed-Dîn zu übergeben.

Dann berief er die vier Kadis und die Emire.

"Die vier Kadis?" Heißt das, es gab nicht mehr Richter in Baghdad? Oder sind das die vier Leib-Kadis?

doch der schurkische Wesir el-Mu’in ibn Sâwa zerreißt das Schreiben und frisst es. Seine Handlung begründet er damit, dass das Schreiben nicht echt gewesen sei, und Nûr ed-Dîn ein Betrüger. Er schlägt vor, Nûr ed-Dîn in Begleitung nach Baghdad zu schicken, um die Echtheit zu prüfen. Der Sultan ist einverstanden, aber el-Mu’in ibn Sâwasperrt Nûr ed-Dîn in seinen Privatkerker und gibt dem Kerkermeister den Befehl, ihn zu foltern. Doch der Kerkermeister behandelt Nûr ed-Dîn freundlich.
Vierzig Tage später kommt ein Geschenk des Kalifen an, und der Sultan (der sich schon einmal als etwas vergesslich gezeigt hatte), gibt nun den Befehl, Nûr ed-Dîn zu enthaupten.

Doch als die Leute den Ausrufer hörten, trauerten alle und weinten, die Kinder in der Schule und die kleinen Kaufleute in ihren Läden; und einige wetteiferten, Plätze zum Zusehen zu finden, und andere gingen zum Gefängnis, um ihm das Geleit zu geben.

Obwohl Nûr ed-Dîn ihn warnt und mahnt, spottet der Wesir mit den Dichterworten

Ein Mann, der seinen Feind noch überlebt
Um einen Tag, erreicht, was er erstrebt.

Schließlich führten sie ihn unter das Fenster des Palastes und setzten ihn dort auf das Blutleder

Unklares Inventar: Blutleder.

Doch naht hier zum rechten Zeitpunkt die vierzehnte Kavallerieabteilung Dscha’far, der Barmekide, der Wesir des Kalifen, der mit seiner Schar eine Staubwolke aufwirbelt.
Denn inzwischen war folgendes geschehen:

Dreißig Tage hatte der Kalif nicht mehr an das Geschenk des Nûr ed-Dîn Alî gedacht (…) Bis er eines Nachts an dem Gemache der Elîs el-Dschelîs vorüberkam und sie weinen hörte. (…)
Da fragte der Kalif: "Wer bist du?" Sie antwortete: Ich bin die, die Alî ibn Fadl dir zum Geschenk gemacht hat, und ich sehne mich danach, dass du dein Versprechen, das du mir gegeben hast, erfüllen und mich zu ihm mit der Ehrengabe schicken möchtest; jetzt bin ich hier seit dreißig Tagen, ohne die Süße des Schlafes gekostet zu haben."

Diese Herrscher scheinen alle ihren Gedächtnisverlust mit hoher Impulsivität kompensieren zu müssen:

Dscha’far wird nach Baghdad geschickt.

"Wenn du dich auf dem Wege länger aufhältst als nötig, lasse ich dir den Kopf abschlagen."

An diese Drohungen scheint sich Dscha’far gewöhnt zu haben.

In Basra lässt er Sultan und Wesir verhaften und setzt Nûr ed-Dîn als Sultan ein.
Nach einer Frist von drei Tagen – die Zeit der Gastpflicht – reisen alle wieder nach Baghdad. Dort angekommen, verlangt der Kalif, das Nûr ed-Dîn dem Wesir persönlich den Kopf abschlägt. Dieser beginnt zu bereuen und sagt:

"Ich habe nach meiner Natur gehandelt, handle du nach deiner Natur." Da warf Nûr ed-Dîn das Schwert aus der Hand, blickte den Kalifen an und sprach: "O Beherrscher der Gläubigen, er hat mich mit seinen Worten entwaffnet."

Eine Szene, die an Karl May erinnert.

Aber immerhin hat der Kalif noch den Schwertträger Masrûr, der seine Arbeit ohne Federlesen verrichtet. Nûr ed-Dîn verzichtet auf die Königswürde von Basra, und so gibt ihm der Kalif Elîs el-Dschelîs zurück, überhäuft die beiden mit Geschenken, macht Nûr ed-Dîn zu seinem Tischgenossen, der nun ein schönes Leben führt,

bis ihn der Tod ereilte.

***

Die Geschichte von Ghânim ibn Aijûb, dem verstörten Sklaven der Liebe

Für meinen Geschmack wäre es mal wieder Zeit für ein paar Dämonen und Zaubereien. Dieser Titel klingt nach einer weiteren Liebes-Anekdote mit hübschen Damen, die ihre Anbeter auf die Schippe nehmen. Aber lasst uns sehen.

In Damaskus stirbt ein reicher Kaufmann, der einen Sohn,

dem Monde gleich in der Nacht seiner Fülle und dazu von lieblicher Rede; dieser hieß Ghânim ibn Aijûb, der verstörte Sklave der Liebe. Und der hatte eine Schwester, die hieß Fitna, ein Mädchen, einzig an Schönheit und Lieblichkeit.

36. Nacht

Günstige Winde tragen das Schiff mit Nûr ed-Dîn Alî und seiner Sklavin nach Baghdad.

Schau auf ein Schiff! Sein Anblick nimmt deine Augen gefangen.
Es überflügelt den Wind in seinem eiligen Flug.
Es gleicht dem schwebenden Vogel, den die gebreitete Schwinge
Aus dem Äther herab wohl auf das Wasser trug.

Für mich eine völlig neue Information: Dass Segelschiffe flussaufwärts fuhren.

Die Mamluken suchen vergeblich nach den beiden und brennen das Haus nieder. Der Sultan setzt ein Kopfgeld auf die beiden aus.
Unterdessen erreichen die beiden Baghdad.

Da sprach der Schiffsführer zu ihnen: "Baghdad heißt dieser Ort; es ist ein sicherer Hort. Von ihm zog er Winter mit seiner Kälte fort, doch das Frühjahr mit seinen Rosen hielt seinen Einzug dort. Die Bäume blühen all, und die Bächlein fließen zumal."

Vor seiner Zerstörung durch die Mongolen im Jahre 1258 war Baghdad eine prächtige Stadt. Bis auf kurze Unterbrechungen war es der Sitz der Kalifen. Das überaus komplexe Bewässerungssystem war einmalig, bis es bei der Einnahme der Stadt zerstört wurde. Da diese Baukunst aber nur mündlich weitergegeben wurde (und die Bevölkerung getötet oder vertrieben wurde) bzw. etwaige Dokumente vernichtet wurden, wurde Baghdad im wahrsten Sinne verwüstet. Bis heute hat man das Niveau der damaligen Bewässerung nicht wiederherstellen können.

Nûr ed-Dîn Alî zahlt dem Kapitän fünf Dinare und sie gehen über einen Platz in einen herrlichen Garten mit Bänken, um dort zu ruhen.

Oben war ein Gitterwerk aus Rohr über den ganzen Weg.

Ein Hinweis auf Bewässerungsröhren?

Die beiden legen sich auf eine Bank nieder, nicht wissend, dass dieser Garten und das darin befindliche Schloss dem Kalifen Harûn er-Raschîd gehört,

der diesen Garten und das Schloss zu besuchen und dort zu sitzen pflegte, wenn ihm die Brust beklommen war.

Der Hüter des Gartens – der alte Scheich Ibrahîm – entdeckt das schlafende Paar und hält sie für einen Freier und eine Prostituierte. Er beschließt, die beiden zu verprügeln.

So schnitt er eine grüne Palmenrute ab, trat zu ihnen hin und hob den Arm, bis man das Weiße seiner Armhöhle sah, und wollte eben zuschlagen; doch er besann sich.(…) "Es ist ein hübsches Paar, und es wäre unrecht, wenn ich sie schlüge."

Schönheit schützt einen auch hier vor Gewalt. Neuere Studien belegen übrigens, dass Lehrer hübsche Kinder bevorzugen. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre: Die eigenen Eltern tun das auch. So haben mittelprächtige oder gar hässliche Kinder von vornherein schlechtere Startchancen. Allerdings bevorzugen Frauen unattraktive Männer, wenn diese einen höeren sozialen Status haben.
Zum Begriff der Palmenrute: Sie bezeichnet im Deutschen auch eine kongenitale flügelfellartige Verwachsungen zwischen Penis und Skrotum. Sonst auch ein Schlägel in der Perkussion.

Und so weckt der Scheich Nûr ed-Dîn Alî mit einer kleinen Fußmassage. Dieser erwacht und lässt sich und Enîs el-Dschelîs den Garten zeigen:

Das Tor war gewölbt wie eines Palastes Bogengang, darüber sich Wein mit Trauben von vielerlei Farben schlang: die roten glichen Rubinen, während die schwarzen wie Ebenholz schienen. Dann traten sie in eine Laube, und dort fanden sie Bäume mit Früchten, die hingen bald allein und bald zu zwein. Auf den Ästen die Vögelein sangen ihre Lieder so rein: die Nachtigall schlug ihre Weisen so lang; der Kanarienvogel füllte den Garten mit seinem Sang; der Amsel Flöten schien das eines Menschen zu sein; und der Turteltaube Gurren klang wie eines, der trunken von Wein. Die Bäume, die dichten, waren beladen mit reifen, essbaren Früchten und standen alle in doppelten Reihn: da war die Aprikose weiß wie Kampfer, eine andere mit süßem Kern, eine dritte aus Chorasân; die Pflaume war mit der Farbe der Schönheit angetan; die Weißkirsche leuchtete heller als wie ein Zahn; die Feigen sahen sich zweifarbig, rötlich und weißlich an. Und Blumen waren da, wie Perlen und Korallen aufgereiht, die Rosen beschämten durch ihre Röte die Wangen der wunderschönen Maid; die gelben Veilchen sahen aus wie Schwefel, über dem Lichter hängen zu nächtlicher Zeit; Myrthen, Levkojen, Lavendel, Anemonen, mit Wolkentränen geschmückt im Blätterkleid; es lachte das Zahngeheg der Kamille; die Narzisse schaute die Rose an mit ihrer Augen schwarzer Fülle; Bechern glichen die Limonen, goldenen Kugeln die Zitronen; die Erde war mit Blumen aller Farben wie mit einem Teppich bedeckt; der Frühling war gekommen und hatte dort alles zu frohem Leben erweckt, den Bach zum Springen, die Vögel zum Singen, den Lufthauch zum Klingen in der allermildesten Jahreszeit.

Unklare Details dieser Aufzählung:

  • Bäume in der Laube

  • weiße Aprikosen (es sei denn, die Blüten sind gemeint)

  • Aprikosen mit süßem Kern (statt Bittermandelgeschmack)

  • gelbe Veilchen


Gelbes Veilchen

Der Scheich führt nun die beiden gar ins Schloss und bietet ihnen Essen an. Nûr ed-Dîn Alî überstrapaziert die Gastfreundschaft und bestellt bei ihm noch Wein, aber der Scheich weicht zurück:

"Davor behüte mich Allah; seit dreizehn Jahren habe ich solches nicht mehr getan, denn der Prophet  – Allah segne ihn und gebe ihm Heil! – hat den verflucht, der ihn trinkt, keltert, kauft oder verkauft!"

Bislang spielte hier in jeder zweiten Geschichte Wein eine Rolle. Doch zum ersten Mal wird auf das Verbot durch den Propheten hingewiesen. (siehe z.B. Koran 5. Sure (90): O ihr, die ihr glaubt, siehe der Wein, das Spiel, die Opfersteine und die Pfeile sind ein Greuel von Satans Werk.)

Durch argumentative Tricksereien überzeugt Nûr ed-Dîn Alî den Scheich dennoch, Wein zu besorgen und am Gelage teilzunehmen. Enîs el-Dschelîs verführt ihn gar zum Trinken.

34. Nacht

Das Aussehen des Barbiers verwundert nicht nur den König, sondern auch den Leser:

Er war ein uralter Mann von über neunzig Jahren, mit dunklem Gesicht, weißem Bart und weißen Brauen, mit kleinen Ohren und langer Nase und einem Gesicht von albernem und eingebildetem Ausdruck.

Der Barbier nimmt legt den Kopf des getöteten Buckligen in seinen Schoß und lacht:

"O größter König unserer Zeit, bei deiner Huld, in dem buckligen Flunkerer ist noch Leben."

Mit einer eisernen Zange entfernt er eine Fischgräte aus des Buckligen Hals und dieser erwacht schneewittchenmäßig.

Dann lachte der König von China bis er auf den Rücken fiel, und ebenso taten es die anderen alle.

Ansteckende Ohnmacht?

An alle Beteiligten werden Ehrengewänder verliehen, der Bucklige und der Barbier werden zu Tischgenossen des Königs gemacht.

Und sie lebten das schönste und fröhlichste Leben, bis der Vernichter der Freuden und Trenner der Freunde zu ihnen kam.

Ende der gesamten Geschichte

 

Die Geschichte von Nûr ed-Dîn ‘Alî und Enîs el-Dschelîs

In Basra lebt ein König namens Mohammed ibn Sulaimân ez-Zaini, der zwei Wesire hat:

  • den guten el-Fadl ibn Chakân

  • den bösen el-Mu’in ibn Sâwa

Der gute Wesir wird beauftragt, für 10.000 Dinare dem Sultan die schönste Sklavin zu kaufen. Und tatsächlich findet er auf dem Sklavenmarkt eine solche Maid:

die war von edlem Wuchs und von schwellender Brust; ihr Blick von dunkler Gewalt, rund ihrer Wange Gestalt; ihr Leib war schmal, schwer die Hüften zumal; sie trug ihr schönstes Gewand, und süßer als Honigwasser war ihrer Lippen Rand; ihre Gestalt war ebenmäßiger als die sich neigenden Zweige und ihre Rede zarter als der Zephir des Morgens.

Außerdem ist sie bewandert in

  • Kalligraphie

  • Grammatik

  • Semantik

  • Auslegung des Korans

  • Jura

  • Theologie

  • Medizin

  • Zeitrechnung

  • Spielen der Musikinstrumente

Unklare Wissenschaft: Zeitrechnung (Vielleicht ist ja Astronomie gemeint?)

Die 10.000 Dinare decken nicht einmal die Kosten für ihre Ernährung (bestehend hauptsächlich aus Küken und Wein) und die Ehrengewänder ihrer Lehrer. Aber der

Perser, von dem nur noch wenig übrig war, den die Zeit aufbewahrt und abgenutzt hatte so manches Jahr,

überlässt sie dem Wesir trotzdem für den genannten Preis.
Damit sich die Sklavin von der Reise erholt, bevor sie zum Sultan gebracht wird, gibt man ihr ein paar Tage Zeit im Palast des guten Wesirs. Dieser warnt die Sklavin aber vor seinem umtriebigen Sohn

"Der lässt keine Jungfrau im Stadtviertel ungeschoren."

Das Wort "Ungeschoren" hat in diesem Zusammenhang einen seltsamen Klang…

Doch kaum ist der Wesir aus dem Haus, entdeckt sein Sohn Nûr ed-Dîn ‘Alî die Sklavin Enîs el-Dschelîs, scheucht die kleinen Aufpasserinnen fort,

nahm ihre Beine und legte sie sich um den Leib, und sie wand ihre Arme um seinen Hals und empfing ihn mit Küssen und Seufzern und dem Spiel der Liebe. Und er sog an ihrer Zunge, und sie an seiner, und schließlich raubte er ihr die Mädchenschaft.

Natürlich tut sie das nur in dem Glauben, Nûr ed-Dîn ‘Alî sei derjenige, für den sie gekauft wurde. Der Wesir und seine Gattin sind bei er Nachricht aus dem Häuschen und der Wesir fürchtet um seinen Hals, da der Feind el-Mu’inibnSâwa  gewiss schon auf seine Chance lauert.

21. Nacht

Nur ed-Dîn erhob sich darauf und ging ein zu seinem Weibe, der Tochter des Wesirs.
Lassen wir nun den Nûr ed-Dîn und wenden uns seinem Bruder zu!

Unvermittelte erzählerische Ellipse: Schems ed-Dîn ist traurig über das Fortgehen seines Bruders. Aber auch er heiratet, nämlich die Tochter eines Kairoer Kaufmanns. Es kommt, wie es kommen muss (weil durch de Wette angekündigt): Gleiche Hochzeitsnacht, beide Frauen gebären in derselben Nacht, Schems bekommt einen Sohn, Nûr (nur, haha) eine Tochter.
Beide sind über die Maßen schön. Der alte Wesir von Basra stirbt, und Nûr ed-Dîn wird Wesir,

und übernahm die Pflichten seines Amtes und untersuchte die Angelegenheiten und Streitsachen der Untertanen, wie es die Gewohnheit der Wesire ist.

Ist damit angedeutet, dass der Minister auch Richter (Kadi) ist? Oder deutet "untersuchen" eher auf die Funktion eines Staatsanwalts oder eines Mediators?
Sein Amt bringt ihm auch Reichtum: Schiffe, schwarze und auch weiße Sklaven.
Sein Sohn Hasan wird gelehrt und man geht mit ihm diverse Mal den Koran durch. Aber auch seine Schönheit wächst. Wenn er zum Palast des Sultans geht, wartet das Volk auf der Straße, um seine Schönheit bei seiner Rückkehr zu erneut zu bewundern.
Auf seinem zu frühen Sterbebett eröffnet Nûr ed-Din (ja, ich war auch überrascht über sein frühzeitiges Abschmurgeln aus dieser Geschichte) seinem Sohn die eigene Herkunft per Urkunde, die dieser in einen Tarbusch steckt, der unter einem Turban verborgen bleibt. Zum Schluss gibt er ihm fünf Weisungen auf den Weg:

  1. Schließ dich niemandem zu eng an, so wirst du sicher sein vor seiner Arglist.

  2. Sei gegen niemanden hart, auf dass das Schicksal nicht hart gegen dich sei.

  3. Übe Schweigen und kümmere dich um deine eigenen Fehler eher als um die Fehler der anderen Menschen!

  4. Ich warne dich, Wein zu trinken!

  5. Erhalte deinen Besitz, und er wird dich erhalten! (…)
    Spare die Piaster,
    so hast du Pflaster!

Pflaster???
Ich muss gestehen, dass ich mich an keines dieser Gebote halte, und nur gegen das erste as Überzeugung verstoße.

Da Hasan die Trauerzeit für seinen Vater auf ungebührliche Weise überschreitet, will der Sultan ihn töten lassen. Doch ein ihm wohlgesonnener Mamluk warnt ihn, und Hasan flieht auf einen Friedhof, wo er einen Juden trifft,

der aussah, wie ein Geldwechsler.

Dieser kauf ihm die Waren eines noch erwarteten Schiffes ab.
Hasan legt sich schlafen, und hört über sich zwei rechtgläubige Dämonen seine Schönheit bestaunen. Er erfährt außerdem, dass seine Base, da sein Onkel sie dem Sultan nicht zur Frau geben wollte, mit einem buckligen Stallknecht vermählt werden soll.

 

19. Nacht

Der Kalif Harun er-Raschîd lässt die Geschichte in den Chroniken aufzeichnen. Und durch Verbrennen einer Haarlocke wird die Dämonin, die die Schwestern in Hündinnen verzauberte, herbeigerufen, und der Kalif befiehlt ihr, die Verzauberung rückgängig zu machen.

Eine zwischen politischer und religiöser Herrschaft oszillierende Figur wie den Kalifen finden wir in Europa eigentlich auch nur so lange, bis Heinrich den Gang nach Canossa antritt und beim Papst auf religiöse Herrschaft verzichtet. Die Ausdifferenzierung des politischen vom religiösen System beginnt in Europa zu jenem Zeitpunkt. Im muslimischen Gebiet etwa mit dem Ende des Kalifats, aber sie ist im Grunde bis heute nur teilweise vollzogen: So gelten angebliche Abkömmlinge Mohammeds oft als befähigt für Politik. Im krassesten Fall äußerte es sich in der Periode der Taliban-Herrschaft in Afghanistan, die einerseits als Terrorherrschaft beschrieben werden kann, aus systemtheoretischer Sicht aber auch als größtmögliche Entdifferenzierung sozialer Funktionssysteme: Politik, Wirtschaft, Recht, Religion, Erziehung, selbst Gesundheitssystem, Intimbeziehrungen und Kunst – alles wird als geschlossen und zusammenhängend betrachtet; es gibt kein Entrinnen. Die Personen geraten in einer funktional ausdifferenzierten Welt in ein Exklusionsloch, d.h. es wird ihnen unmöglich, überhaupt noch in einem Funktionssystem zu kommunizieren: Ob man ein Haus kaufen kann, ist keine wirtschaftliche, sondern eine politische. Ob man sein Kind in eine Schule schicken darf, ist eine religiöse Frage usw. Im krassesten Fall, wird man in den Exkusionslöchern auf den eigenen Körper zurückgeworfen: Kampf um kappe Güter wird zur Überlebensfrage, eine Frau zu sein, entscheidet darüber, ob ich das Gesundheitssystem beanspruchen darf, in Gerichtsverfahren wird rasch mit physisch drastischen Maßnahmen auf Abweichung reagiert usw.

Die Dämonin befreit nicht nur die Schwestern,

murmelte Worte, die ich nicht verstand.

(Wieso "ich"? Erzählerin ist doch hier Schehrezâd) sie enthüllt auch die Identität des schlagenden Ex-Gatten:

Dein Sohn el-Amîn, der Bruder von el-Ma’mûn. Er hatte von ihrer Schönheit und Anmut gehört, und er brauchte eine List gegen sie.

Der Kalif daraufhin:

Jetzt will ich, bei Allah, eine Tat tun, die man nach meinem Tode aufzeichnen wird.

Und tatsächlich: Er verknüpft die losen Enden der Geschichte. Allerdings dürfte sich die Freude einiger der davon Betroffenen in Grenzen halten:
Die drei Schwestern (d.h. zwei Ex-Hündinnen) werden mit den drei Bettelmönchen verheiratet. Will man mit einer Frau verheiratet sein, die versucht hat, ihre Schwester zu ertränken?

Das Mädchen mit den Narben gab er seinem Sohne el-Amin zurück.

Sie wird sich freuen, ihren Peiniger wieder umarmen zu dürfen.

Er selber jedoch nahm zur Gemahlin die Wirtschafterin und schlief in selbiger Nacht mit ihr. (…) Das Volk staunte ob der Großmut des Kalifen, seiner natürlichen Wohltätigkeit und seiner Weisheit; der Kalif aber wiederholte den Befehl, man solle alle diese Geschichten in seine Annalen eintragen.

(Da scheint ja jemand eine gewisse Panik vor der eigenen Unsterblichkeit gehabt zu haben.)
Ende. Fragt sich, was aus dem Lastträger geworden ist, nach dem  die Geschichte ja ihren Namen hat.

***

Dinazâd bittet um eine weitere Geschichte. Und Schehrezâd beginnt

Die Geschichte von den drei Äpfeln

Der Kalif Harûn er-Raschîd begibt sich mit seinem Wesir Dscha’far und mit seinem Schwertträger Masrûr in die Stadt Baghdad, um zu erfahren, was die Leute von den Amtsträgern halten. Als sie einen armen Fischer treffen, bietet der Kalif ihm an, das, was er beim nächsten Fang aus dem Meer zieht, für einhundert Goldstücke zu kaufen. Es ist eine Kiste. Leider nicht, wie man vermuten könnte, mit einem eingesperrten Dämon, sondern die zerstückelte Leiche einer jungen in einen Teppich eingewickelten Frau. Der Kalif daraufhin zu seinem Wesir:

"Du Hund von einem Wesir! (…) Wenn du uns den nicht bringst, der sie ermordet hat, damit ich sie an ihm rächen kann, so werde ich dich am Tore meines Palastes aufhängen, dich und vierzig deiner Vettern."

Gut, wenn man in einem solchen Falle über mehr als vierzig Vettern verfügt, damit man unter ihnen auswählen kann. Ich habe leider keinen einzigen.

Tatsächlich bereitet man am dritten Tage schon die Hinrichtung des Wesirs vor, doch da bekennt sich ein Jüngling dazu, die Frau umgebracht zu haben. Dann drängelt sich ein Alter dazwischen und meint, nicht der Jüngling, sondern er selbst sei es gewesen.
Sie werden vor den Kalifen gebracht, der sich darüber wundert, dass sie den Mord

ohne Bastonade gestehen.

Doch der Jüngling erklärt: Die Frau war seine Base und sein Weib. Als sie krank war, bat sie um Äpfel, die ihr Gatte extra aus Basra besorgt. Doch als er zurückkehrt, mag sie sie nicht mehr. Der Mann geht in den Garten und sieht einen schwarzen Sklaven vorbeigehen, der einen der Äpfel isst, und als Erklärung angibt, sie von seiner Geliebten bekommen zu haben. Der Jüngling flippt daraufhin aus und schneidet seiner Frau ohne zu zögern die Kehle durch und versenkt sie im Tigris. Kurz darauf stellt sich heraus, dass die Frau den Apfel ihrem Sohn gegeben hatte, der ihn sich vom Sklaven stehlen ließ. Der Alte ist der Vater der Frau und bestätigt die Geschichte. Der Kalif beschließt, weder den Alten noch den Jüngling hinrichten zu lassen, sondern den Sklaven.

Bei Allah!

Viel Spaß beim Sklavensuchen.