501. – 503. Nacht. Bergfest

Bergfest. Die Hälfte der 1001 Nächte und damit drei von sechs Bänden sind geschafft. Wenn ich das Lesetempo durchhalte, bin ich fertig, wenn ich 68 bin.

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(Fortsetzung von Die Geschichte von Dschanschâh
in Die Abenteuer Bulûkijas
in Die Geschichte der Schlangenkönigin)

501. Nacht

Dschanschâh und seine sieben Mamluken verfolgen die Gazelle, die sich zunächst ins Meer stürzt und dann auf ein Fischerboot rettet. Dort angekommen entdeckt Dschanschâh eine Insel, zu der er mit seinen Gefährten fährt. Nachdem sie sich dort umgesehen haben, werden sie von der Dunkelheit überrascht und der Wind treibt sie aufs Meer hinaus.
Der bei den Pferden zurückgelassene Mamluk berichtet König Tighmus und dessen Frau vom Verschwinden ihres Sohnes.

Als aber die Mutter des Prinzen die Kunde vernahm, zerschlug sie sich das Antlitz und hob die Totenklage um ihn an.
Überlassen wir die Eltern ihrem Kummer und sehen wir nun, wie es Dschanschâh und seinen Mamluken erging.

Sie werden auf eine Insel geworfen, auf der sie einen Mann treffen, der wie Vögel sprach.

Laut Anmerkung des Übersetzers oder Herausgebers wird die "Zigeunersprache" von den Arabern bisweilen als Sperlingssprache bezeichnet.

Doch da blickte jener Mann nach rechts und nach links, und während die anderen noch alle staunend dastanden, teilte er sich plötzlich in zwei Hälften, und jede Hälfte ging nach einer anderen Richtung davon.

Man kann inzwischen davon ausgehen, dass dieses Feature keinerlei Konsequenzen für die Geschichte haben wird, sondern lediglich schmückendes Beiwerk ist. Es erinnert mich an die surrealen Figuren auf den Planeten, die Adolar besucht.

(Ungefähr ab Minute 11:00)

Doch der geteilte Mann kommt tatsächlich zurück mit seinen Kumpanen, die sich alle aufspalten und Dschanschâh und seine Mamluken fressen wollen. Tatsächlich werden drei von ihnen verspeist. Aber die übrigen erreichen das Boot und können fliehen. Auf hoher See schlachten sie die Gazelle und überleben so.
Sie erreichen eine weitere Insel, die ihnen paradiesisch erscheint. Dschanschâh schickt die Mamluken vor, um sie auszukundschaften. Er selbst bleibt im Boot.

502. Nacht

Die Mamluken entdecken eine weiße Burg mit einer edelsteingeschmückten Halle. Sie berichten Dschanschâh davon, der sie nun begleitet. Sie nehmen im Thronsaal Platz, um nachzudenken und zu weinen.

Während sie so trauerten, erhob sich plötzlich ein Geschrei vom Meere her; sie blickten nach der Richtung, aus der der Lärm kam, und sahen nun, dass dort Affen waren, die wimmelnden Heuschrecken glichen.

Die Insel gehört nämlich den Affen, die übrigens auch das Boot versenkt haben.

Da hielt die Schlangenkönigin inne, und dann sprach sie: „All dies, o Hâsib, erzählte der Jüngling, der zwischen den Gräbern saß, dem Bulûkija.“ Und als Hasib sie fragte: „Was tat aber Dschanschâh mit den Affen“, fuhr sie also fort…

Eine kleine Zwischenorientierung durch die Erzählerin Schehrezâd, damit wir den Überblick in dieser matrjoschkamäßigen Geschichte nicht verlieren.

Die Affen schlachten und braten diverse Gazellen und bringen auch Früchte und zeigen Dschanschâh und den Mamluken ihre Ehrerbietung. Nachdem dieser sich nach der Insel erkundigt, antworten sie:

„Wisse, diese Stätte gehört Salomo, dem Sohne Davids – Freide sei mit ihnen beiden! -, und er pflegte alljährlich einmal hierher zu kommen, um sie zu ergötzen.“

503. Nacht

Die Affen machen Dschanschâh zum König, und er und die Mamluken fügen sich in ihr Schicksal.
Auf der anderen Seite der Insel, hinter den Bergen, leben allerdings mit den Affen befeindete Ghule, die diese angreifen. Die Mamluken helfen den Affen mit Pfeil und Bogen. Als sie sie vertrieben haben, entdeckt Dschanschâh eine Marmortafel an der Bergwand, auf der sein Schicksal verkündet wird: Der einzige Ausweg liege auf der anderen Seite der Insel.

 

 

 

499.-500. Nacht, Letzter DDR-Pfennig-Artikel, Hochzeit in Kabul

499.-500. Nacht, Letzter DDR-Pfennig-Artikel, Hochzeit in Kabul

Am Montag, dem 2. Juli 1990, dem Tag nach der Währungsunion, befand ich, dass ich für meinen kleinen Campingtrip nach Prag einen Dosenöffner bräuchte. Nach der Arbeit fuhr ich daher ins Centrum Warenhaus am Alex. (Ich hätte ihn gewiss auch in einem kleineren Laden gefunden, aber das Warenhaus lag mehr oder weniger auf dem Weg, und bei kleinen Läden wusste man nie.)
Ich wurde fündig, zahlte die 25 Pfennig und fuhr die Rolltreppe hinab. Und da standen sie schon – die Kamerateams von ARD und ZDF, die darauf aus waren, DDR-Bürger vor die Kamera zu zerren und zu fragen, was sie sich denn nun als erstes von ihrem schönen neuen Westgeld gekauft hätten. Ich war damals wirklich nicht besonders kamerageil, aber in dem Moment spazierte ich absichtlich langsam auf die Teams zu, um ihnen im Falle der Befragung diesen unansehnlichen DDR-Pfennigartikel zu präsentieren.
Ob sie schon was geahnt hatten oder ich ihnen zu unfotogen war – sie ließen mich ziehen. Und jetzt kann es jeder wissen, der lesen kann.

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(Fortsetzung von Die Abenteuer Bulûkijas in Die Geschichte der Schlangenkönigin)

499. Nacht

Die Schlangenkönigin fährt fort und berichtet, dass nachdem Bulûkija seine Erlebnisse vorgetragen hatte, der Jüngling vor den Grabmalen seine eigene Geschichte erzählt.

Die Geschichte von Dschanschâh

Wir haben nun also eine Geschichte (Dschanschâh) in einer Geschichte (Bulûkija) in einer Geschichte (Schlangenkönigin) in einer Geschichte (1001 Nacht).

Der König Tighmûs von Kabul ist ein reicher Herrscher, aber ohne Weib und Nachkommen. Seine Astrologen meinen, die einzig mögliche glückliche Heirat wäre die mit der Tochter des Königs von Chorasân. Er sendet daraufhin seinen Wesir mit einem riesigen Trupp und reichen Geschenken nach Chorasân, damit dieser um die Prinzessin wirbt, versehen mit der Drohung, sich ihn zum Feind zu machen, falls er widerstrebt.
Bahraqân, der König von Chorasân ist hoch erfreut und überbringt seiner Tochter diese Botschaft. Diese antwortet nur:

„Tu, was du willst.“

Die Beschreibung legt nahe, dass der Wesir mehrere Wochen unterwegs ist. Allerdings darf man nicht die heutige Distanz von zirka 1.500 km annehmen. Denn das alte Chorasân reichte zeitweise weit bis in das heutige Afghanistan hinein.

500. Nacht

Die Prinzessin wird ohne Anwesenheit des Bräutigams vermählt.

Man kann annehmen, dass ihr der kirchliche Segen gegeben wird, denn es es ist von christlichen Mönchen und Priestern die Rede.

Nach zwei Gastmonaten reist die Prinzessin mit dem Wesir zurück. Auch in Kabul findet eine Hochzeit statt.

Dann ging er zu der Prinzessin ein und nahm ihr das Mädchentum.

Sie empfängt auch sofort, und der Held unserer Geschichte (und Erzähler) Dschanschâh wird geboren, dem man die beste Erziehung angedeihen lässt, unter anderem begann er,

dass Evangelium zu lesen,

was nicht heißt, dass er christlich ist wie seine Mutter, sondern das Evangelium (Indschîl), hat eine spezielle Bedeutung im Islam.

Als er groß wird, jagt er eines Tages eine Gazelle, die ihm entkommt und sich ins Meer stürzt.

Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an.

495.-498. Nacht – Omikron und Beförderungs-Erschleichung

495.-498. Nacht – Omikron und Beförderungs-Erschleichung

Sobald die Nachricht über die Omikron-Variante heraus war, äußerten die Virus-Spezialisten, dies sei kein Grund zur Panik. Ich frage mich, wann die mal vor die Kameras treten und sagen: „Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie jetzt alle, so richtig panisch zu werden.“
Ansonsten darf man sich durchaus freuen, dass der in Allgemeinwissen  und Popkultur eher unterrepräsentierte Buchstabe Omikron, der sich übrigens „O“ schreibt, auch mal im Rampenlicht steht.
Betrüblich in der letzten Woche: Nachdem ich jahrelang bei meinen abendlichen Fahrten eine mit meiner Frau geteilte Jahreskarte dabei hatte, haben wir sie im Frühjahr abgeschafft, fuhren viel Fahrrad und kauften die wenigen Tickets online. Prenzlauer Allee. Kontrolleure. Ich erkenne sie an ihrem Hochstatus schon beim Einsteigen – diese Haltung, die signalisiert „Der S-Bahn-Wagen gehört mir.“ Sie finden auch prompt ein paar Opfer, aber nicht genügend, um mir einen Zeitvorsprung zu verschaffen. Ich fummle hektisch an meinem Handy, aber der Gorilla brummt: „Ich sehe in der Scheibe, dass Sie versuchen, noch schnell ein Ticket zu kaufen.“ In meinen frühen Zwanzigern, als mir das ein, zwei Mal pro Jahr passierte, bin ich dann meistens mit ausgestiegen und weggerannt. Aber weder habe ich noch diese Schnelligkeit noch den hohen Leidensdruck. Und so steht mein Name jetzt in der Beförderungs-Erschleicher-Datei des VBB.

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495. Nacht

(Fortsetzung von Die Geschichte der Schlangenkönigin)

Bevor die Schlangenkönigin die Geschichte von Bulûkija fortsetzen kann, bittet Hâsib Karîm ed-Dîn sie, ihn wieder an die Erdoberfläche zurückzuführen.

Bei diesem Narrativ könnte auch jedem anderen der Kragen platzen, und man muss sich wundern, dass Schehrezâd nicht um ihr Leben fürchtet.

Die Schlangenkönigin aber prophezeit, dass sobald Hâsib an die Oberfläche käme, er ins Badehaus gehen würde, dort die Waschung vornehmen, und dann wäre es um sie, die Schlangenkönigin, geschehen. Trotz seiner Schwüre, dies nicht zu tun, lässt sie sich nicht umstimmen, da Hâsib ein Sohn Adams sei, der den Bund mit Allah gebrochen habe. Zehn Tage weint er nun, bis er sich schließlich einkriegt und sie resigniert zum Weiterplaudern ermutigt:

„Erzähle mir, wie es Bulûkija erging…“

Bulûkija nimmt Abschied vom König und begegnet auf seinen weiteren Wanderungen den Erzengel Michael sowie vier Engel in Gestalt eines Menschen, eines Raubtieres, eines Vogels und eines Stieres hatte.

(Die Symbole der vier Evangelisten - auch Tetramorph)

Er wandert weiter und gelangt zum Berg Kâf.

Der Erzähler nimmt keinerlei Bezug darauf, dass Bulûkija hier schon mal war.

Auf diesem Berg trifft er, man kann es sich schon denken, wieder einen Engel, dessen Aufgabe es ist, auf Befehl Allahs Dürre oder Überfluss, Krieg oder Frieden zu schaffen.

496. Nacht

Der Engel erklärt weitere Mythen, unter anderem:

„Hinter dem Berge Kâf liegt noch ein Gebirge, das einen Weg von fünfhundert Jahren lang ist, und es besteht ganz aus Schnee und Eis. Dies Gebirge ist es, das die Hitze des Höllenfeuers von der Welt abwehrt.“

497. Nacht

Die Hölle, so ein weiterer Mythos, von dem der Engel erzählt, ist ein Pfand, das Allah der Schlange anvertraut hat:

„Öffne deinen Rachen!“ Und als das Ungeheuer seinen Schlund aufgetan hatte, senkte Allah die Hölle in seinen Bauch und sprach: ‚Bewahre die Hölle bis zum Tage der Auferstehung.'“

Wie wir aber von der Schlangenkönigin erfahren hatten, wohnen doch die Schlangen in der Hölle. Man hat fast den Eindruck, der Erzähler stellt all die Engels- und Höllenmythen nebeneinander, um ihre Inkompatibilität zu demonstrieren.

Bulûkija wandert weiter und trifft auf ein von zwei Wächtern behütetes Tor, das diese ihm nicht öffnen dürfen. Daraufhin bittet er Allah, ihm den Erzengel Gabriel zu senden, der das Tor öffnen möge.
Dies geschieht auch. Und hinter dem Tor befindet sich ein riesiges, von einer Bergkette umgebenes Meer. Auf den Spitzen dieser Berge sitzen, dreimal darfste raten,

Engel, deren Amt es war, zu lobpreisen und zu heiligen.

Er findet schließlich den Weg zum Meer, schmiert sich wieder die Füße mit der Kräutersalbe ein und begegnet anderen, die ebenfalls übers Meer wandeln. Es sind dies die beiden Erzengel Gabriel und Michael. Verwundert wandert Bulûkija weiter.

498. Nacht

Auf der Wanderung begegnet Bulûkija nun einem weinenden Jüngling, der zwischen zwei Grabstätten sitzt.

Hâsib unterbricht die Schlangenkönigin abermals und bittet sie, ihn nach oben zu führen, was sie ihm abermals verwehrt. Er weint,

und alle Schlangen weinten um seinetwillen und begannen für ihn bei der Königin zu bitten. (…) Als nun Jamlîcha – denn also war die Schlangenkönigin geheißen – diese Bitte von ihm hörte, wandte sie sich zu Hâsib und ließ ihn schwören.

Nach über fünfzig Seiten erfahren wir nun ihren Namen, als würde er jetzt noch eine Rolle spielen.

Sie befiehlt einer Schlange, ihn nach oben zu bringen.

Aber als sie schon bei ihm war, um ihn hinauszuführen, sprach er doch noch zu der Schlangenkönigin: „Ich möchte, dass du mir die Geschichte des Jünglings erzählst, bei dem Bulûkija sich niedersetzte.“

492.-494. Nacht – Die 32 besten Beatles-Songs und die sieben Schichten der Hölle

492.-494. Nacht – Die 32 besten Beatles-Songs und die sieben Schichten der Hölle

Soll man sich wirklich die acht Stunden „Get Back“ antun? Wer weiß, vielleicht wird es am Ende traurig, und die Beatles lösen sich auf.
Schon vor einem halben Jahr habe ich eine Liste meiner Lieblings-Songs erstellt. Eigentlich hört man ja im späten Teenager-Alter auf, Lieblings-Irgendetwas zu haben. (Frag mal jemanden nach seinem Lieblingsessen, er soll in drei Sekunden antworten. Fast jeder nennt Kinder-Favoriten – Pizza, Spaghetti, Pommes.) Aber Nerds lieben Listen. Ich bin einer. Also bitte schön:

1. Nowhere Man

2. Strawberry Fields Forever

3. A Day in the Life

4. Eleanor Rigby

5. Penny Lane

6. Help!

7. Girl

8. In My Life

9. Across the Universe

10. For No One

11.The Fool on the Hill

12. Yesterday

13. Here Comes the Sun

14. All My Loving

15. Norwegian Wood (This Bird Has Flown)

16. A Hard Day’s Night

17. I’ve Just Seen A Face

18. The Inner Light

19. I Should Have Known Better

20. Hey Jude

21. Revolution[l]

22. I Want to Hold Your Hand

23. All You Need Is Love

24. Any Time at All

25. She Loves You

26. Here, There and Everywhere

27. Because

28. The End

29. Cry Baby Cry

30. Eight Days a Week

31. If I Fell

32. Within You Without You

Davon ist nur eines auf „Let it Be“ (Across the Universe) erschienen.
Acht Songs sind ursprünglich auf Singles veröffentlicht worden.
Vier auf „A Hard Day’s Night“.
Jeweils drei auf „Rubber Soul“ und „Revolver“, „Abbey Road“ und „Help“.
Zwei auf „Sergeant Pepper…“
Und je eines auf „With The Beatles“, „Beatles For Sale“ und „White Album“.
Keines von „Please Please Me“.
Das entspricht auch fast meiner persönlichen Albums-Rangliste. Mit der Ausnahme, dass sich für meinen Geschmack auf „Help“ zu viel Füllmaterial befindet und auf dem Weißen Album viele schönes Songs, die es lediglich nicht auf meine Top-32-Liste geschafft haben.
Von diesen Liedern sind 16 hauptsächlich von John, elf von Paul, fünf in enger Kooperation der beiden entstanden und nur drei von George.

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492. Nacht

(Fortsetzung von Die Abenteuer Bulûkijas in Die Geschichte der Schlangenkönigin)

Eine der kämpfenden Parteien reitet auf Bulûkija zu und erklärt ihm, zu einer Schar zu gehören, die jährlich auf Befehl Allahs gegen die ungläubigen Geister kämpfe. Sie leben im Weißen Land, das

fünfundsiebenzig Jahre hinter dem Berge Kâf

liege.

Ich habe diese Entfernungsangaben in Zeiteinheiten nie verstanden. In den USA macht es mich regelrecht aggressiv. Was weiß denn mein Gegenüber, wie schnell ich zu Fuß bin oder ob ich überhaupt mit dem Auto fahren will. (Zugegebenermaßen hat man oft keine Alternative zum Auto.)

Die Reiter führen Bulûkija zu ihrem König.

493. Nacht

In großen Schüsseln werden unter anderem gesottene Kamele gereicht.

Dass diese Tiere halal (wenn auch nicht koscher) sind, war mir bisher nicht klar.

Man speist zusammen, und der König erklärt Bulûkija den siebenschichtigen Aufbau der Hölle.

„O Bulûkija, Allah der Erhabene hat die Hölle in sieben Schichten geschaffen, eine über der anderen, und zwischen je zwei Schichten liegt ein Weg von tausend Jahren: Die erste Schicht hat er Dschahannam genannt, und die hat er für die Sünder unter den Gläubigen bestimmt, die ohne Reue sterben. Die zweite Schicht heißt Laẓâ, und die hat er für die Ungläubigen bestimmt. Die dritte Schicht heißt al-Dschaḥîm, und die hat er Gog und Magog zugewiesen. Die vierte heißt as-Sa‘îr, und die ist für das Volk des Teufels. Die fünfte heißt Sakar, und die ist für die, so das Gebet versäumten. Die sechste heißt el-Hatama, und die ist für die Juden und Nazarener bestimmt. Die siebente aber heißt al-Hâwija, und die hat er für die Heuchler bestimmt. Dies sind die sieben Höllenschichten.“

Die Beschreibung ist gewiss nachkoranisch, aber ich frage mich, ob sie eher dem Volksglauben zuzurechnen ist, theologisch ernstgenommen wird oder eine reine Beschreibung des Verfassers der Bulûkija-Story ist.

Es folgt eine ausschweifende Beschreibung der Genealogie des Teufels.

494. Nacht

Der König fährt fort, Bulûkija die Nachkommen des Oberteufels Iblis zu erklären, welche Satane seien.
Nach all den mythologischen Erklärungen bittet Bulûkija nun, von den Geisterreitern in die Heimat gebracht zu werden. Das geht aber nicht so einfach. Allenfalls kann ihm der König eine mit zwei gesottenen Kamelen beladenen Super-Stute überlassen, die Bulûkija an die Grenze dieses Reiches führen könne.

„Hüte dich aber, von ihr abzusteigen oder sie zu schlagen, oder ihr ins Ohr zu schreien, denn wenn du das tust, so wird sie dir den Tod bringen.“

Wären wir bei den Grimms oder irgendeinem anderen europäischen Volksmärchen, so wäre diese Aufforderung eine Garantie dafür, dass Bulûkija genau diese Regel bräche. Aber da diese Geschichte offenbar nur dem Zweck dient, Bulûkija (stellvertretend für alle Zuhörer oder Leser) mit islamischer Mythologie vertraut zu machen und nicht eine kohärente Story zu erzählen, in der der Held die Konsequenzen seines Tuns erfährt, brauchen wir uns keine Sorgen um ihn zu machen.

Nach zwei Tagen schnellen Reitens, in der die Entfernung von 70 Monaten zurückgelegt wurde, trifft er den Bruder des vorherigen Königs – Barâchija.

Meine Lieblingspodcasts, der Berg Kâf, konsequenzloses Erzählen – 489.-491. Nacht

Als 2020 die Covid-Pandemie begann, legte ich mir einige seltsame Gewohnheiten zu. Zum Beispiel begann ich Podcasts zu hören, eine Tätigkeit, die andere anscheinend im Auto ausführen. Bis dahin hatte ich eine gewisse Abneigung gegen dieses Medium. So kann ich immer noch keine Audiobücher ertragen. Das betuliche Geseiere der allseits hochgelobten Theater-Sprecher geht mir auf den Kranz. Allerdings habe ich schon seit langem immer wieder mal (vor allem beim abendlichen Wohnungsputz) exotische Talk-Radio-Stationen gehört und war damit dem, was ich heute bei Podcasts finde gar nicht so weit entfernt. Außerdem glich ich mit Podcasts den Umstand aus, dass ich mich nur noch sehr schwer auf lange Texte, also Bücher, konzentrieren konnte.
Hier meine Erfahrungen und Bewertungen nach anderthalb Jahren:
Beginnen wir mit True Crime. Ich habe keine Ahnung, warum dieses Genre ausgerechnet auf Podcasts so populär ist. Das Äquivalent – True-Crime-Zeitschriften – ist ja eher übersichtlich. Vielleicht lässt es sich ja schöner beim Zuhören gruseln.

Eingestiegen bin ich bei Stern-Crime. Der Podcast nimmt wesentlich die Perspektive der Ermittler ein. Interessante Studiogäste, etwa Kommissare, die von ihrem bedeutendsten Fall berichten oder eine Hundeführerin, die wesentlich zur Aufklärung schwerer Fälle beigetragen hat, machen den Podcast spannend. Mit den Sprechern hatten sie nicht immer ein gutes Händchen – heisere Stimmen, mädchenhaftes Gekicher bei kuriosen Fällen (einmal sogar bei der Beschreibung eines Folterzimmers, in dem junge Frauen gequält wurden) und übermäßig detailliert beschriebene Grausamkeiten haben mich Passagen oder auch ganze Folgen überspringen lassen.

Sprechen wir über Mord mit Holger Schmidt und dem ehemaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofs Thomas Fischer.
Interessante Fälle, die vornehmlich aus der juristischen Perspektive diskutiert werden. Man wird aber das Gefühl nicht los, dass die beiden zusammengecastet wurden und nicht so recht miteinander warm werden. Schmidt versucht immer wieder auf die emotionale und anekdotische Ebene zu springen, was Fischer fast immer blockiert. Seine Standard-Antwort: „Dazu kann ich nichts sagen. Ich habe ja die Akten nicht gelesen.“ So sehr ich Fischer schätze, in diesem Podcast ist er eine Fehlbesetzung.

Zeit Verbrechen
Derzeit für mich der beste True Crime Podcast. Sabine Rückert und Andreas Reickert ergänzen sich perfekt. Rückert manchmal etwas emotional und in einem selbstgerechten Ton, aber sie verlässt nie die Sphäre des seriösen Journalismus. Die Experten stets kompetent und auskunftsfreudig. Höhepunkt: Die dreiteilige Serie zum Fall Kachelmann, einem Tiefpunkt der deutschen Justiz.

Es ist ein Klischee, dass man sich mehr für Geschichte interessiert, je älter man wird. Die menschlichen Ereignisse rücken quasi näher. Vom Jahr Null bis heute sind es nur 70-80 Generationen.
Mein Einstieg war hier History of Rome, dem ich aber wegen seines schweren Akzents kaum folgen kann, wenn ich gleichzeitig den Geschirrspüler ausräume.

Hervorragend der nur halbjährlich erscheinende Podcast Fall of Civilisations, mit meiner Lieblingsfolge „The Greenland Vikings“, in der geschildert wird, wie eine Kombination aus kleineren politischen Ereignissen, klimatischen Veränderungen und der europäischen Pest dazu führte, dass eine kleine aber scheinbar stabile Zivilisation in Grönland unterging.

Mein Favorit ist allerdings Geschichten aus der Geschichte mit Daniel Meßner und Richard Hemmer, die einander mit süddeutschem bzw. österreichischen Akzent unbekannte Geschichten aus der Vergangenheit berichten.

Baywatch Berlin ist auf jeden Fall als Comedy Podcast zu loben. Anderthalb Stunden improvisierte gute Laune. Dabei werden alle Ebenen des Humors gleichzeitig bedient – vom dreifachbödigen Kalauer bis zur intellektuellen Anspielung, wie bei zu den besten Zeiten der Chaussee der Enthusiasten. Klaas Heufer-Umlauf, Jakob Lundt und Thomas Schmitt kennen sich jahrelang und sind so aufeinander eingespielt, dass es praktisch keinen Leerlauf gibt. Allerdings sind mir 90 Minuten meist zu viel, so dass ich Baywatch nur noch selten höre.

Ähnlich geht es mir mit The Good Fight von Yasha Monk, der mit einer Halb-Insider-halb-Außenseiter-Perspektive die amerikanischen politischen Konfliktlinien seziert.

Und schließlich empfehle ich den Wirtschafts-Podcast Wohlstand für alle von Ole Nymoen und Wolfgang Schmitt, zwei jungen Wirtschaftswissenschaftlern, die mit außerordentlichem Fachwissen und einem schier grenzenlosen Lektürehunger aktuelle und auch zeitlose Wirtschaftsfragen aus einer dezidiert linken Perspektive behandeln. Ich vermute, man muss diese Perspektive übrigens nicht unbedingt teilen, um den Podcast zu genießen, aber das müsste mal ein Neoliberaler beantworten.

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489. Nacht

Die Schlangenkönigin kehrt zu ihrem Volk zurück und sah,

dass es sehr schlecht um sie stand; denn die Starken waren schwach geworden und die Schwachen waren gestorben. Doch als sie die Schlangen ihre Königin wieder bei sich sahen, waren sie erfreut.

Die Schlangenkönigin will ihre Geschichte schon beenden, doch Hâsib Karîm ed-Dîn besteht auf der Fortsetzung.

Scheherezâd verweist hier quasi auf sich selbst.

Nachdem die Schlangen und Hâsib Karîm ed-Dîn auf den Berg Kâf gewandert sind, um dort zu überwintern, fährt sie fort.

Affân und Bulûkija wandern mit ihren gesalbten Füßen über alle sieben Meere, bis sie an einen grünen Berg kommen, den sie besteigen. In einer Höhle finden sie ein reich verziertes Thronlager, auf dem Salomo liegt. Die Beiden beginnen nun, Beschwörungsformeln zu rezitieren, und Affân nähert sich König Salomos Leichnam. Als er jedoch den Ring von dessen Finger ziehen will, wird er vom Hauch einer Schlange verbrannt.

Unklar, ob es auch eine der bereits erwähnten Schlangen ist.

490. Nacht

Allah lässt nun den Erzengel Gabriel zu Bulûkija herabsteigen, der ihm erklärt:

„… die Zeit Mohammeds liegt noch in weiter Ferne.“

Das erklärt Einiges. Bulûkija ist also ein vorislamischer "Israelit", der aber auf wundersame Weise bereits vom Kommen des Propheten Mohammed erfahren hat.

Nun durchschreitet Bulûkija wieder nacheinander die Weltmeere, und landet auf einer Insel, die in leuchtenden Farben geschildert wird.

Ja, die Insel war ein herrliches Land, ihre Grenzen waren weit gespannt, und viel war des Schönen, das auf ihr sich befand. Es war, als ob der Inbegriff aller Schönheit sie umschlang; und das Singen ihrer Vögel war lieblicher als der Laute Klang…“

Abends sucht er Zuflucht auf einem Baum, wacht aber nachts auf, da sich die wilden Tiere aus dem Wasser und vom Land am Strand treffen.

Man könnte meinen, das habe etwas zu bedeuten, wird aber einfach nur herrlich konsequenzlos berichtet, und man hat im Verlauf der weiteren Geschichte den Eindruck, der Erzähler habe bemerkt, dass er mit diesen Schilderungen eigentlich nicht mehr viel anfangen kann. Für die folgenden sechs Inseln, werden immer weniger Features genannt.

Auf der zweiten Insel isst Bulûkija getrocknete Fische am Strand.

491. Nacht

Bulûkijas „Erlebnisse“ auf den folgenden Inseln ähneln sich in ihrem Nichtvorhandensein. Schließlich erreicht er nach mehreren Monaten die siebente Insel. Und da er Hunger hat, streckt er die Hand nach einem Apfelbaum aus.

Doch plötzlich schrie eine Gestalt aus dem Baum ihn an mit den Worten: „Wenn du dich diesem Baum nahst und etwas von seiner Frucht issest, so spalte ich dich in zwei Stücke!“

Das Verbot wird mit der Ursünde Adams begründet.
Als Bulûkija dem Riesen seine Liebe zu Mohammed eröffnet, bringt dieser ihm zu essen.

Auch diese Begegnung scheint folgenlos zu bleiben.

Nach zehn Tagen der Wanderschaft erblickt er eine Staubwolke.

Als er auf jene Wolke zuschritt, hörte er ein Schreien und Schlagen und gewaltiges Tosen. (…) und er erblickte viel Volks, das auf Pferden beritten war und miteinander kämpfte; und das Blut floss um sie. (…) Bulûkija aber ward von großer Furcht gepackt.

487.-488. Nacht: Schlangen, Milch und Wein – Verwirrende Bewertungsskalen im Internet

Seit Ende des letzten Jahrhunderts haben sich Bewertungssysteme im Internet etabliert. Das wichtigste dieser Systeme war wohl das von Ebay, welches ohne Bewertung gar nicht richtig funktionieren könnte, denn das System selbst beruht vor allem auf Vertrauen: Schließe ich mit einer mir unbekannten Person einen Kaufvertrag ab oder lasse ich lieber die Finger davon? Schnell lernte man hier, dass man Bewertungen auch auf besondere Weise lesen muss: Eine 90%-Rate an positiven Bewertungen ist für einen professionellen Händler eine Katastrophe. Wenn der Verkäufer hingegen erst 10 Transaktionen hinter sich hat und die eine negative von einem Käufer stammt, der eigentlich vom Produkt selbst enttäuscht ist, so kann man ihm durchaus vertrauen. Inzwischen haben sich bei den meisten Services Fünfer-Skalen etabliert, meist mit Sternen, so wie man das von Hotels kennt. Am bekanntesten ist wahrscheinlich die von Amazon. Dort stehen die Sterne unerklärt für sich. Intuitiv versteht man, ob das Produkt etwas taugt oder nicht. Diese Intuition wird uns aber in einigen Systemen geraubt. Uber zum Beispiel lässt keine Abstufungen von „gut“ zu. Die Fahrt war entweder ***** zufriedenstellend (dann kann man auch ein Kompliment abgeben). Oder sie war
**** OK, aber ich hatte ein Problem
*** Enttäuschend
** Schlecht
* Schrecklich.
Man kann also nicht zwischen guten und herausragenden Fahrern unterscheiden. Wie bewertet man nun Fahrer, die zum Beispiel hervorragend fahren, aber auf der Fahrt fünf mal rülpsen? Ich würde das nun nicht als „ich hatte ein Problem“ bezeichnen, aber auch nicht als herausragend. Vielleicht hat diese aufs Negative geeichte Skala damit zu tun, dass man die Fahrer wirklich an der Kandare halten will. Tatsächlich gibt es ja auch viele Dinge, die einem die Fahrt verleiden können. Ich etwa habe erlebt: Überschreitung der Geschwindigkeitsbegrenzung, nach Rauch stinkende Karre, Video-Chat mit Freunden, Beschimpfen von Fußgängern und Radfahrern, dröhnend laute Musik, die auf die Bitte, leiser zu stellen, auf halbdröhnend gedimmt wurde, aggressiv-anbiedernder Small Talk, orientierungs- und verständnisloses Starren aufs Navi.
Auf der anderen Seite gibt es die zum Positiven verzerrte Skala des Lektüre-Sozialnetzwerks Goodreads.
* Ich mochte es nicht.
** Es war OK.
*** Ich mochte es.
**** Ich mochte es sehr.
***** Es war toll.
Mit dieser Abstufung haben anscheinend viele Nutzer ein Problem. Ein Roman lässt sich zum Beispiel nicht vernünftig einordnen, wenn die Story völlig wirr und grottig war, die Sprache aber faszinierte (oder umgekehrt). Nein, das Buch war dann nicht „OK“, aber eben auch nicht so grauenvoll wie, sagen wir „Mein Kampf“. In der Folge wurschtelt sich jeder sein eigenes Verständnis der Skala zurecht, und man liest die Mini-Rezensionen, wenn man Genaueres erfahren will.

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(Fortsetzung von Die Abenteuer Bulûkijas in Die Geschichte der Schlangenkönigin)

487. Nacht

Die Schlangen sagen, sie seien von Allah als Strafe für die Ungläubigen erschaffen worden und kämen direkt aus der Hölle. Sie gehörten zu den kleinsten, denn nur sie könnten bei Vulkanausbrüchen ausgespien werden.

„Woher kennt ihr Mohammed – Allah segne ihn und gebe ihm Heil! – ?“
Sie erwiderten: „O Bulûkija, der Name Mohammeds steht am Tore des Paradieses geschrieben; und wäre er nicht, so hätte Allah weder die Geschöpfe noch das Paradies noch die Hölle, weder Himmel noch Erde geschaffen.“

Zu behaupten, dass diese Antwort einige Fragen aufwirft, wäre eine Untertreibung. War Mohammed vor den Geschöpfen da? Wenn nicht, warum hat sich Allah dann Zeit gelassen mit der Schöpfung des Grundes aller Schöpfungen? usw.

Bulûkijas Liebe zu Mohammed wächst, und so reist er rasch mit dem Schiff weiter, kommt in ein anderes Land und trifft dort erneut auf Schlangen, unter ihnen die Schlangenkönigin.

Aha. Zwei verschiedene Schlangenvölker.

Die Schlangenkönigin bittet Bulûkija, dem Propheten einen schönen Gruß auszurichten.

Das kann man dem Propheten kaum übelnehmen. Ich meine, wer wäre nicht gern mit einer Schlangenkönigin befreundet.

Bulûkija reist weiter nach Jerusalem und trifft dort den Gelehrten Affân, der Bulûkija vom Siegelring Salomo berichtet, der einem helfen könne, die Tiere, Menschen und Geister sich untertan zu machen.

488. Nacht

Da aber Salomon an einem für Schiffe entfernten Ort begraben sei, könne man ihn nicht ohne weiteres erreichen. Es sei denn, man bestreiche sich die Füße mit einem Kräuterextrakt.
Doch könne man dieses Kraut nur gewinnen, wenn man die Schlangenkönigin bei sich habe.
Nachdem Bulûkija auch seine Geschichte berichtet, begeben die beiden sich in das Land der Schlangenkönigin, die sie mit einem Köder aus zwei Schalen mit Milch und Wein in einen Käfig locken.

Ab hier erzählt die Schlangenkönigin von sich in der dritten Person.

Als sie aufwacht, empört sie sich:

„Ist das der Lohn derer, die den Menschenkindern kein Leid antun?“

Bulûkija beschwichtigt sie, und so führt die Schlangenkönigin die beiden zum Berg, wo die Zauberkräuter wachsen. Sie finden das Kraut mit der gewünschten Eigenschaft und reiben sich die Füße ein. Sie glauben sich dem Ziel schon nahe, als die Schlangenkönigin ihnen die Hoffnung raubt:

„weil Allah, der Erhabene, jenen Ring dem König Salomo als Geschenk verlieh und ihn allein dadurch ausgezeichnet hat, da er zu ihm sprach: ‚O Herr, gib mir ein Königreich, wie es keiner nach mir besitzen soll, denn du bist der Allspender!‘ Wie sollte jener Ring an euch kommen!“

Die Schlangenkönigin bezieht sich hier auf den Koran 38.34-35

Als sie diese Worte von ihr vernommen hatten, kam ihnen bittere Reue, und sie gingen ihrer Wege.

 

480.-486. Nacht – Throw Down a Well Trope – Pioniere voran

Wachte heute morgen mit zwei Fragen zu Filmen auf:

  1. Nachdem Chris in Get Out das Anwesen der Armitages mit Hilfe seines Freundes verlässt, sind sämtliche Bewohner tot. Sämtliche Bewohner, aber eben nicht alle Anwesenden. Jim Hudson, der blinde Galerist, könnte noch am Leben sein. „Könnte“, da sich die OP-Liege entzündet hat, was nahelegt, dass er bei lebendigem Leib verbrennt. Eine andere Möglichkeit aber wäre auch, dass das Feuer nicht übergreift, und der Alte Stunden später erwacht und nun mit offener Schädeldecke durch ein verlassenes Anwesen taumelt.
    So oder so fragt sich, was die Polizei, die früher oder später auf all die Leichen treffen wird, aus der Geschichte machen wird.
  2. In Pulp Fiction wird Butch von Marcellus Wallace „begnadigt“, da der ihm das Leben gerettet (oder vor Versklavung bewahrt) hat. In Butch’s Wohnung liegt aber noch die Leiche von Vince Vega, den Butch auf dem Klo erschoss. Wie reagiert Marcellus, wenn er zur Wohnung zurückkehrt und dort die Leiche eines seiner Ober-Killer findet? Wird er sich an den Deal halten? Wird er die Leiche abtransportieren lassen? (Vielleicht vom Wolf, der dem Schrotthändler einen weiteren Auftrag verschafft? Oder lässt er sie liegen und überlässt der Polizei alles weitere? Schließlich gibt es ja noch Butchs Fingerabdrücke an der Waffe, die er nur oberflächlich gereinigt hat. Auf jeden Fall kann man sich kaum vorstellen, dass Butch und Fabienne ein sorgloses Leben führen werden, zumal er auch Zeds Chopper gestohlen hat, den er wahrscheinlich am Flughafen stehenlassen wird. Überwachungskamera, ick hör dir trapsen.

*

480. Nacht

(Fortsetzung der Geschichte der Schlangenkönigin)

Nachdem der griechische Weise seine Frau begattet hat, begibt er sich auf eine Schiffsfahrt, kann sich auf eine Planke retten, notiert dort auf fünf Seiten einige Wörter und reist dann nach Hause, um diese Seiten in einer Kiste zu verstauen und seiner Frau mitzuteilen, dass er bald stürbe, diese Zettel aber das Erbe an seinen Sohn sein soll.

Woher er weiß, dass es ein Sohn wird und ob er seiner Frau auch etwas vererbt, bleibt unklar.

Der Weise stirbt. Die Frau lässt für ihren Sohn, den sie Hâsib Karîm ed-Dîn nennt, ein Horoskop erstellen, das ihm Gefahr in jungen Jahren und mögliche Kenntnis der Wissenschaft prophezeit. Doch der Sohn taugt weder in der Schule noch in der Ausbildung etwas, und so nehmen ihn die Holzhauer mit zur Arbeit. Als diese eine Tages in ein Gewitter geraten, finden sie Zuflucht in einer Höhle. Hâsib Karîm ed-Dîn setzt sich etwas abseits und schlägt mit seiner Axt wie in Gedanken auf den Boden. Dabei erklingt ein hohles Geräusch, als schlüge er auf eine Platte.

484. Nacht

Hâsib Karîm ed-Dîn und seine Gefährten entdecken unter der Platte eine Zisterne voller Honig. Sie beschließen, den Honig zu sammeln und in der Stadt zu verkaufen, während Hâsib Karîm ed-Dîn Wache halten soll. Als die Zisterne fast leer ist, entscheiden sie heimlich, ihn bei der letzten Sammlung in der Zisterne zurückzulassen.

Wenn man die Trope des Zurücklassens im Loch (Josef und seine Brüder (Moses1), Das Blaue Licht (Grimms Märchen) usw.) kennt, kann man erahnen, dass nun das große Glück auf unseren Helden wartet. Und so geschieht es auch.

Die Holzfäller verkaufen den Honig, erzählen der Mutter von Hâsib Karîm ed-Dîn, er sei von einem Wolf gefressen worden;

und sie verbrachten ihre Tage mit Essen und Trinken, Lachen und Scherzen.

Das erinnert mich an die letzte Zeile der ersten Strophe von "Pioniere voran!" Vage klingt in meinem Kopf auch noch eine Verhohnepipelung dieses Liedes, die ich in einigen Ferienlagern hörte, die also eine gewisse Verbreitung gehabt haben muss.

„Wiener Würstchen voran, lasst uns vorwärtsgehn
Wiener Würstchen stimmt an, lasst die Fahnen wehn
Unsre Straße, die führt in den Suppentopf hinein
Wir sind stolz Wiener Würstchen zu sein.“

Wer mag der Dichter gewesen sein? Und wie hat sich das Spottlied über das ganze Land verbreitet. Es können eigentlich nur die Ferienlager gewesen sein.

Hâsib Karîm ed-Dîn entdeckt einen Skorpion, der durch einen Spalt gekommen sein muss. Er entdeckt den Spalt, zwängt sich hindurch und erblickt eine Vorhalle, ein gewaltiges Tor aus schwarzem Eisen, daran ein silbernes Schloss mit goldenem Schlüssel. Er spaziert hindurch und gelangt an einen See und einen Hügel aus grünem Chrysolith, auf dem ein edelsteingeschmückter Thron steht.

Es fragt sich allerdings: Wenn es in der Zisterne einen Spalt gibt, warum ist dann der Honig nicht daraus abgeflossen?

485. Nacht

Um den Thron herum zählt er zwölftausend Stühle. Davon wird er müde und schläft ein. Er wacht von einem Fauchen auf und begegnet der mit menschlichem Antlitz versehenen riesigen Schlangenkönigin und ihren Tausenden Untertanen. Die Schlangenkönigin bittet Hâsib Karîm ed-Dîn, ihr seine Geschichte erzählen, was er auch tut. Ihm solle nur Gutes widerfahren, sofern er sich auch ihre Geschichte anhört.

486. Nacht

Die erste Geschichte, die die Schlangenkönigin über sich erzählt, ist

Die Geschichte Bulûkijas

Wisse, o Hâsib, einst lebte in der Stadt Kairo ein König der Kinder Israel; und der hatte einen Sohn des Namens Bulûkija.

Ein jüdischer König in in Kairo? Bezieht sich der Erzähler hier auf die Königszeit Israels? Oder wird hier nahegelegt, Ägypten hätte einen jüdischen König gehabt?

Dieser König stirbt.

Sein Sohn Bulûkija aber ward zum Sultan über das Volk gewählt.

Es wird ja immer verrückter. Ein gewählter Sultan?

Bulûkija durchsucht nach dem Tod des Vaters das Haus und findet in einem Kästchen aus Ebenholz

einen Bericht über Mohammed – Allah segne ihn und gebe ihm Heil!

Daraufhin

ward sein Herz von Liebe zu ihm ergriffen.

Er macht die Vornehmen, Schriftgelehrten, Priester und Eremiten mit dem Buch vertraut und beschließt, seinen Vater zu exhumieren und zu verbrennen,

„weil er dies Buch vor mir verborgen und es mir nicht gezeigt hat.“ (…) Das Volk aber sprach: „O König, dein Vater ist tot; jetzt ruht er in der Erde, und seine Sache ist seinem Herrn anheimgestellt. Hole ihn nicht aus seinem Grabe hervor.“

Bulûkija beschließt, fortzugehen,

bis ich mit ihm vereint werde.

Er spricht offenbar von Mohammed. Unklar aber an dieser Stelle, ob Mohammed noch lebt oder welcher Art die Vereinigung sein soll.

Bulûkija macht sich auf die Reise, betritt ein Schiff, und sie gelangen auf eine Insel.

Und nun erblickte er auf jener Insel Schlangen, die so groß waren wie Kamele und wie Palmen, die den Namen Allahs, des Allgewaltigen und Glorreichen, anriefen…

Gläubige Schlangen! Wenn der Erzähler das für erwähnenswert hält, muss man vermuten, dass sie eigentlich verwunschen sind. Wir werden sehen.

Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an.

Ideologische Reflexe im Rittenhouse-Prozess / 480., 481. und 482. Nacht

Da spaziert ein pausbäckiger Siebzehnjähriger, der jünger wirkt, mit einer semi-automatischen Waffe durch die Stadt Kenosha, während um ihn herum chaotische Zustände im Zuge der außer Rand und Band geratenen BLM-Proteste herrschen. „Streichholz und Benzinkanister“, sang damals Nena. Was kann schon schiefgehen! So einiges ging schief. Rittenhouse, der nicht einmal aus dem Ort stammte, glaubte, sich als Sanitäter und Milizionär nützlich machen zu müssen und weitere Brandstiftungen und Plünderungen verhindern zu können. Am Ende des Abends hat Rittenhouse zwei der Protestierenden erschossen und einen dritten schwer verletzt.

Das war die Nachricht im Sommer 2020. Und noch bevor Einzelheiten bekannt waren, mussten sich erst mal alle positionieren. Die amerikanischen Konservativen entlang der von Fox-News präsentierten Erzählung: Kyle Rittenhouse wurde hier hochstilisiert nicht nur als Verteidiger einiger Läden, sondern als Verfechter der amerikanischen Freiheit – ein Held.

Für die Linken und Liberalen, zu denen so gut wie alle meine amerikanischen Facebook-Freunde zählen, stand umgehend fest – der Bursche ist ein Mörder. Ungeprüft wurden Behauptungen verbreitet: Rittenhouse sei von vornherein bewaffnet gewesen. Er sei überhaupt nur nach Kenosha gekommen, um dort Jagd auf Menschen zu machen. Die Opfer seien schwarz gewesen usw.

Dass die Wahrheit sich nicht den Glaubenssätzen politischer Fraktionen unterwirft, scheinen fast alle dabei außer Acht gelassen zu haben. Und so wurde auch der Prozess, der im November 2021 folgte, nur unter dieser Perspektive verfolgt. Auf rechten Kanälen mokierte man sich über den flamboyanten Staatsanwalt, der sich in einer Situation nicht entblödete, bei der Demonstration der von Rittenhouse getragenen Waffe mit dem Finger am Abzug auf die Jury zu zielen. Die Linken wiederum regten sich über den Richter auf, der zum Beispiel dem Staatsanwalt verbot von „Opfern“ zu sprechen, obwohl er das generell bei Tötungs-Prozessen tat, um keine Vorverurteilung zu suggerieren.

Wer sich die Mühe machte, längeren Strecken des Prozesses zu folgen, musste, kurzgefasst, zu folgendem Ergebnis kommen:

Irgendwann war Rittenhouse von seiner Gruppe getrennt und wurde von den Protestierenden als Rechter identifiziert und bedrängt. Einer von ihnen, ein Schwerkrimineller mit psychiatrischen Problemen, namens Rosenbaum konfrontierte und verfolgte Rittenhouse, der inzwischen weglief. Nachdem in der Nähe jemand einen Schuss abgefeuert hatte, jemand „Kill him!“ rief und Rosenbaum eine Tüte mit Gegenständen nach Rittenhouse warf und auf ihn zu sprang, wandte dieser die Waffe auf ihn. Rosenbaum langte nach der Waffe. Rittenhouse feuerte ab und tötete Rosenbaum. Seine Verfolger ließen zunächst von Rittenhouse ab, aber kurze Zeit später, als er schon Richtung Polizei rannte, wurde er von einigen jungen Männern verfolgt. „Schnappt ihn euch.“ Einer von ihnen schlug ihn nieder. Man trat nach ihm, schlug ihn mit dem Skateboard, griff nach seiner Waffe und richtete eine Pistole auf ihn.

Die Verteidigung im Mord-Prozess forderte den Staatsanwalt heraus: „Glauben Sie wirklich, dass Rittenhouse in dieser Situation, einfach seine Waffe hätte ablegen und die Hände erheben sollen? So ist das Leben auf der Straße nicht.“ Die Videos belegen die Gewaltbereitschaft des Mobs. Rittenhouse weicht immer wieder aus, versucht zu deeskalieren, flieht. Und erst als er sich physisch ernsthaft bedroht sieht, schießt er.

Die Bilder, die danach entstanden sind, gingen um die Welt: Ein desorientierter Jugendlicher, der eine AR 15 umgehängt hat und sich mit erhobenen Händen der Polizei nähert, aber von deren Fahrzeugen ignoriert wird.

Die deutschen Medien nehmen das Narrativ der amerikanischen Linken nur zu bereitwillig auf: Die Plünderungen und Brandschatzungen, die es in den Tagen zuvor gegeben hat, werden verharmlost oder gar nicht erst erwähnt. Die Bewaffnung der Protestierenden (darunter auch eines der Opfer) wird verharmlost oder nicht erwähnt. Die kriminelle Vorgeschichte von zwei der Opfer wird verharmlost oder nicht erwähnt.

Die politischen Reflexe rasten ein. Rittenhouse ist fraglos ein stramm rechts sozialisierter junger Mann. In der Interpretation wird daraus: Er muss ein White Supremacist sein. Der Richter hat auf einen für den Angeklagten fairen Prozess geachtet und den Staatsanwalt für die Nichtbeachtung von Verfahrensgrundsätzen gerügt: Also muss er wohl das Spiel Trumps spielen.

Die moralische Aufregung darüber, dass man einen Jugendlichen mit einer Kriegswaffe durch die Straßen einer Stadt spazieren lässt, entlädt sich in einer Wut über Jury, Richter und Staatsanwalt.

Im Krieg stirbt die Wahrheit als erstes. Im Kulturkrieg ist das nicht anders. In den USA verschärft er sich seit Jahren. Die Rittenhouse-Berichterstattung ist ein Beispiel dafür. Wir müssen aufpassen, dass dieser Krieg der ideologischen Verblendungen nicht zu sehr herüberschwappt.

480. Nacht

Fortsetzung der Geschichte vom frommen Israeliten, der sein Weib und Kinder wiederfand

Der auf die Insel verschlagene Israelit wird zum Weisen, betet zu Allah und preist ihn. Die Kunde über ihn verbreitet sich und so

kamen die Völker des Meeres heran und beteten wie er.

Unklar: Ist er Jude oder Konvertit?

Die beiden Söhne hören von diesem heiligen Mann.

Muss man da noch weiterlesen, da die Pointe schon in der Überschrift verraten wird?

 

481. Nacht

Die Frau des Israeliten war bei einem Kaufmann in Obhut gelangt, der nun ebenfalls den Weisen besucht. Die jungen Männer werden beauftragt, auf sie auf dem Schiff aufzupassen, finden heraus, dass sie Brüder sind. Und wenig später, wie angekündigt, sind alle wieder beisammen.

So waren sie nun alle wieder vereint, und alle lebten herrlich und in Freuden, bis der Tod sie abberief. Preis aber ihm, der Seinen Knecht rettet, wenn er Ihm naht, und keinen enttäuscht, der auf Ihn Hoffnung und Zuversicht gegründet hat.

Ein jeglich Ding hat seine Zeit allhier auf Erden;
Bald wird’s getilgt, o Bruder mein, bald bleibt’s bestehn.
Drum soll ein Kummer, der dich traf, dich nicht betrüben;
Im Leide können wir der Freude Zeichen sehn.

*

Die Geschichte von Abu el-Hasan ed-Darrâdsch und Abu Dscha’far dem Aussätzigen

Abu el-Hasan ed-Darrâdsch (wer immer das sein mag) berichtet diese Geschichte: Abu el-Hasan ed-Darrâdsch ist auf dem Weg nach Medina zum Grab des Propheten, und auf dem Weg bittet ihn ein Aussätzige, ihn mitzunehmen.

Ich aber sagte mir: „Ich bin den Gefährten entronnen; warum soll ich nun mit dem Aussätzigen zusammen sein.“

An den nächsten Rastplätzen trifft er ihn wieder. Der Aussätzige:

„Er tut an den Schwachen, was den Starken verwundert.“

("Er" = Allah)

Abu el-Hasan ed-Darrâdsch bittet nun den Aussätzigen, ihn begleiten zu dürfen. Dieser sträubt sich.

482. Nacht

[Die Grabstätte Mohammeds bestand ursprünglich aus Holz.]

Nun begegnet er dem Aussätzigen auf jeder weiteren Raststätte, nicht aber an seinem Ziel in Medina. Die Scheiche, denen er dort begegnet, raten ihm:

„Nimmermehr wirst du hinfort seine Begleitung gewinnen. Das war Abu Dscha’far, der Aussätzige; in seinem Namen flehen die Menschen um Regen, und das Gebet wird erhört durch seinen Segen.“

Erst auf seiner Rückkehr, bei einem Halt in Arafât, sieht er ihn wieder und bittet ihn dort, für ihn zu beten:

erstlich, Allah möge mir die Liebe zur Armut verleihen; zum zweiten, ich möchte mich nie mehr schlafen legen mit dem Bewusstsein, dass für mich gesorgt sei; und zum dritten, Er möge mir den Anblick Seines allgütigen Antlitzes gewähren.

Die ersten beiden Bitten wurden ihm gewährt. Auf die Erfüllung der dritten Bitte wartet er immer noch.

Das Konzept, jemand anderen für sich beten zu lassen, habe ich übrigens schon im Katholizismus nicht verstanden.

Es folgt die 150seitige

Geschichte von der Schlangenkönigin

Ein Weiser namens Daniel hat Schüler und Jünger, aber keinen Sohn. Er betet zu Allah, begattet seine Frau,

und sie empfing von ihm in derselben Nacht.

Hoffen wir, dass die Story nicht schneewittchenmäßig endet.

Fortsetzung der 1001-Nacht-Lektüre 478.-479. Nacht


Vor ziemlich genau fünfzehn Jahren begann ich den Lektüre-Blog. Damals hatte ich mir vorgenommen, jeden Tag 20 Seiten aus den „Erzählungen aus den Tausendundein Nächten“ (Übersetzung von Enno Littmann in der sechsbändigen Insel-Ausgabe) zu lesen und launisch zu kommentieren. Meine Überlegung war die: Jeder Band umfasst ungefähr 800 Seiten, also insgesamt 4.800 Seiten insgesamt. Bei täglich 20 Seiten müsste ich nach acht Monaten fertig sein. Nach acht Monaten hatte ich aber erst drei Viertel des ersten Bandes geschafft. Ich rechnete: Wenn ich so weitermachte, würde ich beim Ende der Lektüre das stolze Alter von 43 Jahren erreicht haben. Ich musste mich also sputen.

Aber solche Mammut-Projekte, die ja nebenher zum „eigentlichen“ Schreiben, Improvisieren und Unterrichten laufen, tendieren dazu, auszulaufen. Vor allem hatte ich auch nicht beachtet, dass in den Tausendundein Nächten eine Menge „Füllmaterial“ steckt: Nicht enden wollende Abhandlungen darüber, welche Tugenden eine junge Frau haben sollte, Dutzende Anekdoten über die Gerechtigkeit Allahs, Variationen derselben Geschichte und so weiter. Mir war, als hätte jemand diese Passagen eingebaut, um meine Ausdauer zu testen. Nach und nach ließ die Energie nach.

Ich beendete:
– Die 21. Nacht am 31.1.2007
– Die 100. Nacht am 3.12.2007
– Die 200. Nacht am 12.7.2008
– Die 300. Nacht am 18.8.2010
– Die 400. Nacht am 24.10.2013
Und dann am 30.12.2014 war mit der 477. Nacht die Luft raus. Inzwischen war mein Sohn zur Welt gekommen und schon jedes Blättern in den luftigen Erzählungen waren Stunden, die ich nicht mit Kind oder mit wertvolleren Arbeitsprojekten verbrachte. Die Lektüre stand also unter enormem Rechtfertigungsvorbehalt.

Und da habe ich noch gar nicht von der Nischenhaftigkeit dieses Blogs gesprochen. Zum Zeitpunkt, da ich aufhörte, über die Tausendundein Nächte zu bloggen, hatte ich vielleicht dreißig einigermaßen regelmäßige Leser. (Dazu kamen monatlich noch zirka eintausend Zufallsleser, die durch spezielle Suchbegriffe – insbesondere „Sklaverei“, „Jungfrau“ und „Sexualität“ – auf meine Seite gestoßen waren und sie wahrscheinlich auch rasch wieder verließen.

Mittlerweile habe ich mir auch noch ein weiteres Extrem-Projekt auferlegt, das in seiner Nischenhaftigkeit vergleichbar ist: Ein auf zwölf Bände angelegtes Werk zum Thema „Improvisationstheater“, das ich im nächsten Jahr beendet haben wollte, was mich aber noch deutlich mehr Zeit kosten wird. In den ersten zwei Bänden hatte ich noch diesen sportlichen Zeitplan angegeben, auch um mich selbst unter Druck zu setzen. Das habe ich später nicht mehr getan – es wäre nur noch peinlich.

Hofstadters Gesetz besagt: Es dauert immer länger als du denkst, selbst wenn du Hofstadters Gesetz mit einberechnest.

Nebenbei musste übrigens der Blog zwei Mal umziehen, was einige Bilder zerstört und die Formatierung zerschossen hatte. Ich hatte vier verschiedene Schriftformatierungen: 1) Für meinen Text, 2) für Zitate aus dem Buch, 3) für Verse aus dem Buch und 4) für die Kommentare. Dies wiederherzustellen würde mindestens einen Monat dauern, aber wenigstens ein paar Fotos werde ich wieder hochladen.

Nun weigere ich mich aber, zu sterben, ohne die komplette Sammlung ausgelesen zu haben. Dafür sind sie doch zu gut. Und ich weiß, dass noch einige Leckerbissen auf mich warten. Also wage ich mich wieder heran und schiebe zwischen die Korrektur meines neusten („Schauspiel-Improvisation“) und dem Schreiben des folgenden Buchs („Storys Improvisieren“) wenigstens die Nächte 478 bis 719 (Ende des dritten Bandes und Band 4).
Auf geht’s.

478. Nacht

Nachdem die Christin geheilt ist, bittet sie:

„O Abu Ishâk, wann sollen wir nach dem Lande des Islam auswandern?“

Ich dachte, er hieße Sîdi Ibrahim el-Chauwâs. Sollte Abu Ishak Shami, der Sufi-Meister gemeint sein?

Und der Erzähler schloss mit den Worten: Nie habe ich einen Menschen gekannt, der fester als sie im Fasten und Gebet stand; sie harrte bei Allahs heiligem Haus sieben Jahr aus. Und nachdem sie aus diesem Leben geschieden, fand sie in mekkanischer Erde den Grabesfrieden.

Ist mit diesem heiligen Haus die Kaaba gemeint oder das Leben? Jedenfalls kann sie nicht besonders alt geworden sein.

*

Die Geschichte von dem Propheten und der göttlichen Gerechtigkeit

Einer der Propheten [welcher es ist, wird uns nicht mitgeteilt] lebt und betet auf einem Hügel und beobachtet, wie ein Reiter bei einem Brunnen absteigt, um zu trinken. Dabei lässt er versehentlich ein Goldsäckchen dort liegen und reitet fort. Es kommt ein zweiter Reiter, der das Säckchen an sich nimmt und verschwindet. Als drittes kommt ein armer Holzhauer an den Brunnen, der erste Reiter kehrt zurück, verdächtigt den Holzhauer des Raubes und tötet ihn. Der Prophet will einschreiten, doch Allah hält ihn zurück:

Kümmere du dich um deine Andacht; denn die Regierung der Welt ist nicht deine Sache! Wisse, der Vater dieses Reiters hatte tausend Dinare dem Vater des zweiten Mannes geraubt; deshalb habe ich dem Sohne über das Geld seines Vaters Macht gegeben. Der Holzhauer aber hatte den Vater dieses Reiters erschlagen; deshalb habe ich dem Sohne Gewalt gegeben, die Strafe zu vollziehen.“ Nun rief der Prophet: „Es gibt keinen Gott außer dir! Dir sei Preis, du kennst die verborgenen Dinge.“

Unabhängig von dem seltsamen Dreh der Geschichte, ist doch eigentlich interessant, dass Allah an seinen Propheten appelliert, sich aus Regierungsdingen herauszuhalten.

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479. Nacht

Es folgt ein längeres Gedicht, das mit folgenden Zeilen, die Allah in den Mund gelegt werden, endet:

O mein Knecht, von solchem Grübeln musst du deinen Sinn befrein;
Manch Geheimnis, das dem Blick entzogen, birgt die Schöpfung mein.
Drum ergib dich meinem Willen, unterwirf dich meiner Kraft;
Denn mein Wille ist es, der das Gute und das Böse schafft.

Hat hier Littmann bei Goethe geborgt oder ist die Parallele zufällig? Im Faust ist es ja der Teufel, hier Allah, der behauptet, das Gute zu schaffen.

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Die Geschichte von dem Nilfergen und dem Heiligen

Ein Nilferge (Fährmann über den Nil) hilft einem Alten nicht nur durch die Überfahrt, sondern auch dadurch, dass er ihn beköstigt. Daraufhin bittet ihn der Alte, ihn am folgenden Tag, da er, der Alte, sterben würde, zu bestatten und demjenigen, der ihn am Stadttor anspricht, Lederflasche und Gewand zu übergeben.
Der Ferge tut dies, wundert sich aber weniger über den Tod des Alten als vielmehr darüber, dass ein „Schelm“ die Habseligkeiten des Alten bekommen soll. Im Traum belehrt ihn Allah, dass alles so von ihm vorhergesehen war. Nach dem Aufwachen dichtet der Ferge spontan:

Wer liebt, darf beim Geliebten keine Wünsche haben.
Die Wahl ist dir versagt – o, dächtest du nur dran!
Will er dir gütig sein, dir deine Neigung zeigen,
Will er je von dir gehn, kein Tadel trifft ihn dann…

(Es folgen noch einige Zeilen.) Interessant ist aber, dass der im Gedicht erwähnte Geliebte natürlich Gott ist, gleichzeitig aber die Erwartungslosigkeit der Schlüssel zu jeder Liebes-Beziehung ist.

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Die Geschichte von dem frommen Israeliten, der Weib und Kinder wiederfand

Wie die Lobesgeschichten über Israeliten ihren Weg in die Erzählungen, die ja nun gar nicht frei von Antijudaismus sind, gefunden haben, konnte ich nicht herausfinden.

Einem Juden, dessen Vater ihm auf dem Sterbebett bittet, nie bei Gott zu schwören, verliert seine materielle Habe, als angebliche Gläubiger seines verstorbenen Vaters ihn bis aufs Blut aussaugen. Ihm bleibt nichts übrig, als mit Weib und Söhnen zu fliehen, was mit einem recht hübschen Gedicht kommentiert wird:

O der du aus der Heimat fliehst aus Furcht vor Feindschaft:
Wer flüchtet, dem wird oft ein rasches Glück zuteil.
Sei nicht betrübt ob der Verbannung; oftmals findet
Der Fremdling, weit entfernt von seinem Heim, das Heil.
Denn müssten alle Perlen in den Muscheln wohnen,
So wäre ihre Stätte nicht in Königskronen.

Das Schiff aber geht unter, aber Vater, Mutter und die Söhne überleben und werden auf Planken in jeweils unterschiedliche Länder getrieben.