Einer musste ja die Lederhosen tragen

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch “Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


In einem Interview mit Ray Manzarek, dem Keyboarder der Doors, meinte dieser: „Einer musste ja die Lederhosen tragen. Und das war Jim Morrison.“ Eine College-Studentin namens Milagros, deren Impro-Gruppe im College in den Pausen kurze Show-Einlagen spielte, berichtete begeistert von einem ihrer Mitspieler der immer in alten Militäruniformen spielte (in denen er im Übrigen auch zum Unterricht kam). Er war der, der im Doorsschen Sinne „die Lederhosen trug“.

In Bekleidungsfragen sind viele Impro-Gruppen entweder total nachlässig oder sie hecheln einem imaginären Professionalitäts-Bild hinterher. Wieder einmal hilft der Blick Richtung Pop-Bands. Bis Anfang der 1960er Jahre wurden Bands für Albumcover-Fotos und Fernsehauftritte in Anzüge gesteckt. Man sehe sich nur die allerersten Cover der Beatles und der Rolling Stones an. Wahrscheinlich wurden die Bands nicht einmal gefragt. Schon ein halbes Jahrzehnt später regierten lange Haare, Ponchos, Bandanas und bunte Hosen die Pop-Szene. Und noch einmal fünf Jahre später sah man Männer mit nackten Oberkörpern im Fernsehen rocken. Auf eine Impro-Gruppe in Heavy-Metal-Kluft warte ich bis heute.

Namen von Improgruppen. Dein Baby ist hässlich

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch “Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


Über kaum eine Frage wird so hitzig und verzweifelt diskutiert wie über den Gruppen-Namen. Bands sind über dieser Frage zerbrochen, bevor sie ihren ersten Auftritt hatten. Einen Namen für eine Band oder eine Impro-Gruppe zu finden ist meistens schwerer als der Name fürs eigene Kind.
In den meisten mir bekannten Fällen zermartern sich die Mitglieder einen Monat lang den Kopf, schreiben dann die Namen auf eine Liste und streichen dann sukzessive die kontroversen raus, um sich schließlich auf das geringste Übel zu einigen.
Die allermeisten Namen von Impro-Gruppen sind nicht nur erwartbar, sondern zweifellos extrem uncool. Das fiel mir noch einmal auf, als ich vor einer Weile in Berlin an einer Mauer vorbeilief, die völlig zuplakatiert war mit Ankündigungen für Hiphop- und Techno-Partys. Ich kannte kaum einen der Namen von ihnen auch nur vom Hörensagen, aber jeder einzelne machte neugierig. In Gedanken tauschte ich ein paar von ihnen aus mit Namen von Improgruppen, und schon war der Zauber dahin.
Über Gruppennamen zu reden, ist natürlich auch schwierig, weil man niemandem sagen will, dass sein Baby hässlich ist. Auch wenn man einen blinden Fleck haben mag, was die eigene Gruppe betrifft: Hier ist der nominale Schrecken versammelt:
http://improwiki.com/de/liste_improgruppen_aus/deutschland/de
Ich habe vor einer Weile mal zum Vergleich den Zufalls-Knopf auf der deutschen Wikipedia-Seite genutzt. Dies waren ungefiltert die ersten zehn Treffer:
  • Ulmeneule
  • Trimble
  • Ragang
  • Wortbildung
  • Carter
  • Werfenweng
  • Aalberse
  • Ukrainische Eishockeyliga 1997/98
  • Rezaei
  • DX

Ich würde jeden dieser Namen einer Wortspielkombi mit “Impro” im Titel vorziehen. Trimble, Ragang, Werfenweng, Carter, Aalberse und DX halte ich sogar für ziemlich gute Band-Namen.
Hier meine Namensfindungs-Regeln
  1. Seid nicht zu witzig
    Der Impuls liegt nahe, mit dem Namen schon zu suggerieren, dass den Zuschauer etwas Lustiges erwartet. Das Problem ist nur, dass sich die Witzigkeit abnutzt, wenn man den Namen ein paar Mal gehört hat. Was beim vierten Bier in der Kneipe todlustig gewirkt hat, hört sich für Außenstehende, die sich überlegen, ob sie ins Improtheater oder doch lieber ins Kino gehen wollen, oft nur albern. 
  2. Geht behutsam mit Wortspielen um.
    Der Schritt in die Wortspielhölle ist schnell getan. Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Wortspiele , aber wenn man sie überhaupt im Namen nutzen will, dann bitte subtil. Schlimmer als Wortspiele sind Wortspiele mit „Impro“ im Namen. Ich bitte hiermit all die hundert Gruppen, die das betrifft, um Entschuldigung, aber allein die Tatsache, dass es in Deutschland über hundert sind, sollte neuen Gruppen zu denken geben.
    Spielt mit Wörtern, die Assoziationen hervorrufen, die nicht zu eindeutig und nicht zu platt sind.
  3. Macht nicht zu viel Sinn
  4. Prüft, ob es euren Namen schon irgendwo gibt.
    Es kommt doch tatsächlich vor, dass sich Gruppen denselben Namen wählen. Das ist nicht weiter verwunderlich. Oft entstehen Namen, weil eine Gruppe, die es als solche noch gar nicht richtig gibt, für ihren ersten Workshop.Auftritt schnell einen braucht. Hat man sich erst mal provisorisch auf einen geeinigt, wird man ihn schwer wieder los.  
  5. In den 30er Jahren gründeten Erika und Klaus Mann das Kabarett „Die Pfeffermühle“. Seitdem gibt es diese Zwangsneurose von Kabarett und Comedy, sich irgendwie „scharf“ nennen zu wollen. Tappt nicht in diese Falle. Ihr werdet sofort mit angestaubtem Sozialdemokraten-Kabarett assoziiert.
    Namen von Impro-Gruppen wimmeln außerdem von Assoziationen mit Maschinen und Tempo. Kann man machen, muss man nicht. Wenn ich eine Black-Metal-Band gründen würde, müsste ich mir ja auch überlegen, ob ich die zweimillionste mit dem Wort “Death” im Namen sein will.
  6. Fragt euch, ob ihr zu einer Vorstellung einer Gruppe mit diesem Namen gehen würdet.
Viel Glück bei der Namenssuche! Und schlag euch nicht die Köpfe ein.

Herbie Hancock: Wie Miles Davis aus Gift Medizin machte

“Right in the middle of his solo, I played the wrong chord, a chord that (…) sounded like a complete mistake. I did it and I put my hands around my ears. And Miles paused for a second, and then he played some notes that made my chord right, that made it correct, which astounded me. (…) Miles was able to make something that was wrong into something that was right. I couldn’t play for a minute. But what I realize only now is that Miles didn’t hear it as a mistake. He heard it as something that happened, just an event. And so that was part of the reality of what was happening at that moment, and he dealt with it. And since he didn’t hear it as a mistake, he felt it was his responsibility to build something that fit, and he was able to do that. And that taught me a big lesson not only about music but about life. We can look at the world as we would like it to be as individuals. You know, make it easy for me, that idea. You can look for that. But I think the important thing is that we grow. And the only we can grow is a mind that is open enough to be able to accept, to be able to experience situations as they are, and turn them into medicine, turn poison into medicine. Take whatever situation you have and make something constructive happen with it.”

“Mitten während seines Solos spielte ich einen falschen Akkord, einen Akkord, der wie ein totaler Fehler klang. Ich legte meine Hände auf meine Ohren. Miles hielt für einen Moment inne, und dann spielte er ein paar Noten, die meinen Akkord richtig klingen ließen, was mich total erstaunte. Miles war in der Lage, etwas Falsches zu etwas Richtigem zu machen. Ich konnte für eine Minute gar nichts mehr spielen. Aber erst jetzt wird mir klar, dass Miles das gar nicht als Fehler hörte. Er hörte es als etwas, dass gerade geschah, irgendein Ereignis. Es war quasi Teil der Wirklichkeit, die gerade geschah und mit der er umging. Und das lehrte mich eine wichtige Lektion nicht nur über die Musik, sondern übers Leben. Wir können die Welt so betrachten, wie wir sie gerne hätten, wir als Individuen. So nach dem Motto: Hauptsache für mich wird es einfacher. Danach kann man suchen. Aber ich glaube, das Wichtige ist, dass wir wachsen. Und die einzige Möglichkeit zu wachsen besteht darin, dass unser Geist offen genug ist, um die Situationen, so wie sie sind akzeptieren zu können, erleben zu können, und sie in Medizin zu verwandeln. Gift in Medizin zu verwandeln. Egal in welcher Situation du dich befindest, lass daraus etwas Konstruktives entstehen.”