Am Rande der Treptower Kolonie
steht trotzig die gezimmerte Laube.
Die Latten gewiss noch damals geklaut
aus einem siechen VEB.
Die hatten kein Westgeld für Gehwegplatten.
Keine Beziehungen und kein Händchen.
Zwei Meter Höhe,
für mehr haben Mühe und Geduld nicht gereicht.
Da wirst du dich bücken müssen beim Betreten.
Der Baum will auch nicht höher wachsen.
Aber Ostereier hängen noch dran
von vor vier Wochen
oder vierzig Jahren.
Berlinfrust
Da ist kein Sternenhimmel, da sind nur Laternen.
Kein Rauschen, Knacken, nur entferntes Motorbrummen.
Im Halbalarm wird diese Stadt wohl nie verstummen.
Wer will das Stillsein auch nur ansatzweise lernen?
Wie schnauft der Igel? Grunzt ein Füchslein, wenn es satt?
Um das zu wissen, müsst ich mich von hier entfernen.
Bleib unterm sternenlosen Himmel dieser Stadt.
Innehalten
Heute hört’ ich einen neuen Klang.
Pianotrio von Kurt Schwaen.
Und als ich’s hörte, blieb ich stehn,
weil eine Ahnung darin schwang:
Noch bin ich frei.
Bald ist’s vorbei.
Und als dann wieder alles still,
stand ich noch immer an dem Ort.
Für diesen Klang find ich kein Wort,
vielleicht weil ich keins finden will.
Was heut noch brennt,
bald ist’s zuend.
Muss Improtheater lustig sein (Video)
Das D-Wort
Derfst ned Deifi sogn.
Gottseibeiuns!
Jetzt hob i’s selber gsogt.
Gottseibeiuns!
Do bleibter fort.
Jo wer!
Der Deifi hoit!
Gottseibeiuns!
Entscheidung
In Schweden war ich auch noch nie.
Man sagt, das soll sich lohnen.
Es sollen dort viel Elchenvieh
und viele Schweden wohnen.
Doch gibt’s im Winter nicht viel Licht.
Drum gehe ich nach Schweden nicht.
Vorteile (Corona 31)
Corona muss man so mal sehn:
Ich musste nicht zur Arbeit gehen.
In Bussen, Läden und Passagen
sah ich nicht lauter Drecksvisagen.
Und was ich auch gar nicht vermisse,
ist das Von-Fremden-Abgeküsse.
Auch bin ich wirklich fasziniert:
Die Fliegerei ist reduziert.
(Ich weiß, wer mich so reden hört,
glaubt wohl, ich sei komplett gestört.)
Trotz diesen supertollen Gründen
kann jetzt Corona gern verschwinden.
Schön und kurz (Corona 30)
Schien bis gestern alles klar,
weiß heut man nicht, was gestern war.
Wer gesund ist und wer krank.
Covid 19, schönen Dank.
Ist das alles nur ein Test,
das du uns nun spüren lässt,
dass das Leben schön und kurz?
Nutz es! Oder ist’s dir schnurz?
Schwieriges Verzeihen
Ach, könnte ich dir nur verzeihen
für den Verrat, den du begingst.
Wie konntst die Freundschaft du entweihen,
an der du doch auch selber hingst?
Ich geh durchs Wäldchen unsrer Zeiten,
in dem wir uns die Treue schwor’n
und dass wir immer uns begleiten.
Die Freundschaft wurde so gebor’n.
Ich hatte seitdem viele Mühen.
Und mein Gewissen du beschwerst.
Ich hätt vielleicht dir schon verziehen,
wenn du nicht schon gestorben wärst.
April-Depri
Hat sich doch des Frühlings
Drängen nicht erfüllt.
Hat die Eichhornbabys
die Krähe doch gekillt.
Müssen wir doch weiter
den Winter akzeptiern
und im Sonnenaufgang
bei Minusgraden friern.
Angestrengt und heiter
seh ich Wolken dräu’n
will mich dennoch weiter
auf den Sommer freu’n.
Symptome (Corona 29)
Hart im Blick und lätschig in der Birne
– zwei übersehne Folgen der Pandemie.
Wo einst klare Zärtlichkeit, herrscht nun
trübsinnige Feindschaft.
Wir haben verlernt, nicht übereinzustimmen
und doch Freunde zu bleiben, wenngleich auf Distanz.
Der Krebs des Unmuts breitet im Magen sich aus.
Mit Freundlichkeit sollt’ man sich impfen.
Kleiner Spaß
Dichtend dichtete der Dichter.
Richtend richtete der Richter.
Der Sprecher: Sprechend spricht er.
Der Leuchter beleuchtete die Lichter.
Die Kuckuckin legte frech ein Ei.
Nicht-Verstehen
Als du lagst in der Kapelle,
sprach der Pfaff’ von Gott.
Du hieltst so was stets für Schrott,
doch konntest nicht von dieser Stelle.
Als die Blumen und der Sarg
unterm Sand verschwanden,
mein Gesicht ich rasch verbarg.
Hab’s bis heute nicht verstanden.
Krim ’94
Und als ich damals keine Münze
schleuderte ins Schwarze Meer,
als ich nicht wehmütig zurückschaute
auf die sanften Wellen am geliebten Strand,
als ich den Zug in Simferopol
mit Bitterkeit bestieg und flüsterte: Poka!,
da wusste ich: Der Abschied ist für immer.
Was ich nicht ahnte, als durch schmutzige Scheiben ich starrte:
Der eignen Jugend sagte ich Adé.
Frühlingsgruß
Ein sanfter Klang, dein Morgensang
der lässt mich froh erwachen.
Ich spüre neuen Lebensdrang,
hör ich dich drüben lachen.
Der Bärlauch sprießt, die Amsel grüßt,
mich ruft’s hinaus ins Freie.
Am Fluss ein Mann im Klappstuhl liest.
Der Frühling ruft aufs Neue.
Die Christen zu Ostern
Sie danken dem Herrn Jesu Christ,
dass er für sie gestorben ist.
Das find ich doch recht schräg gedacht:
als hätt er selbst sich umgebracht.
Er nahm auch auf sich ihre Sünden,
die sind jetzt nur bei ihm zu finden.
So läuft es für die Christen glatt.
Die Logik setzt’s derweil schachmatt.
Sie schmücken sich, was jeder kennt,
mit einem Folterinstrument.
Und wer es dann noch krasser kann,
trägt Kruzifix mit Leiche dran.
Doch weinet nicht, seid ohne Not.
Der Jesus ist nicht wirklich tot.
Das Grab war leer. Ganz ohne Scheiß –
das ist der Aufersteh-Beweis.
Jetzt
Jetzt bleimse ma schön ruhig und locker.
Jetzt schreinse mich ma nich so an.
Jetzt kommse runter von dem Hocker.
Jetzt lassense ma los den Mann.
Jetzt wird sich nich jekloppt.
Jetzt wird hier nich jeprahlt.
Jetzt wird erst ma jestoppt.
Jetzt wird erst ma bezahlt.
Jetzt mach ma Trab.
Jetzt nimm den Hut.
Jetzt hau ma ab.
Und jetzt is jut.
(Dan Richter)