Zusammenfassung Charna Halpern: „Art by Committee. An Guide to Advanced Improvisation“

Charna Halpern: Art by Committee. "A Guide to Advanced Improvisation"

Charna Halpern, die Partnerin des legendären Impro-Guru Del Close und selber eine vielgerühmte Lehrerin des Improvisationstheaters verfasste bereits – gemeinsam mit Howard Johnson – "Truth in Comedy", die praktischen Grundlagen des Impro-Collage-Formats Harold.

Del Close auf dem Sterbebett zu seiner Frau: "… und sag ihnen, dass wir erreicht haben, woran anderen scheiterten. Wir haben ein "Theater des Herzens" geschaffen – ein Theater, wo die Menschen einander wertschätzen, um auf der Bühne erfolgreich zu sein. Sag es den Schülern: Theater des Herzens.

Einführung

Del Close verließ das traditionsreiche, berühmte Second City Theater, um Improvisationstheater zu einer neuen Stufe der Kunst zu führen.
Auf der Suche nach einer Form, in der eine größere Gruppe einerseits als Gruppe funktioniert, andererseits die individuellen Fähigkeiten nicht verlorengehen, wurde das freie Format Harold erschaffen. Umgekehrt gesprochen: Es lebt vom Einsatz des Einzelnen und dem Zusammenspiel der gesamten Gruppe.
Auf Schauspiel im Sinne von Figuren wird weniger wert gelegt als auf Authentizität.
Die Spieler lernen voneinander wie gute Musiker.

1. Der neue Harold

Dels Prinzipien Allgemeine Prinzipien des Harolds
1. Jeder Schauspieler unterstützt die anderen.
2. Nimm deine Impulse wahr.
3. Betritt nie eine Szene, wenn du nicht gebraucht wirst.
4. Rette deine Mitspieler, kümmere dich nicht ums Stück.
5. Deine oberste Verantwortlichkeit ist Unterstützung.
6. Nutze deinen Verstand. Immer.
7. Du sollst dein Publikum nie unterschätzen oder verachten.
8. Keine Witze.
9. Hab Vertrauen.
– Vertraue deinen Mitspielern, dass sie dich unterstützen.
– Vertraue dir selbst.
10. Bewerte nichts, außer, wann deine Unterstützung gebraucht wird (als Schauspieler oder als Cutter).
11. Hör zu!

3. Monologe

Wahre Monologe eröffnen uns ein großes Feld für wahrhaftige Szenen, wobei es natürlich nicht darum geht, den Monolog nachzuspielen, sondern die Bedeutungsebene zu nutzen und die Gedanken szenisch zu bestätigen, zu widerlegen oder zu transzendieren.

4. Was macht einen Improvisierer gut

Gute Improvisierer hören nie auf zu lernen. Jedes Wissen ist brauchbar, sei es Mathematik, Politik oder ein Kochrezept.
(Schön, diesen Gedanken aus berufenem Munde zu hören. Ich sagte es meinen Schülern immer wieder: Nutzt euer Wissen. Eine Spielerin war so von einem Komplex geprägt, ungebildet zu sein, dass sie übersah, dass sie selbst ein abgeschlossenes Universitäts-Studium hinter sich hatte, einen ungeheuren Lebenserfahrungsschatz, eine ausgebildete Handwerkerin war, und als Sportlerin nicht nur erfolgreich war, sondern auch Jugendliche trainierte. All das schien nicht zu zählen. Wenn sie mit dem Wissen anderer konfrontiert wurde, hielt sie sich wieder für dumm. Der Trick ist jedoch, Vertrauen in die eigene Lernfähigkeit zu behalten und sich letztlich für alles zu interessieren.
Sage auf der Bühne irgendetwas, das du weißt oder diese Woche gelernt hast. Das Publikum wird es schätzen. – DR)

Lies täglich die Zeitung. Bleib auf dem Laufenden. Lies Klassiker.
Wenn du nichts zu sagen hast, worüber kann man dann noch lustiges Theater machen?
Halpern lobt ausführlich auch die von mir geschätzten TJ & Dave: "In ihrer Show haben sie alles thematisiert, von Politik über Philosophie bis zu Geometrie. Sie bringen eine Intelligenz in die Show, die auf verschiedenen Ebenen funktioniert. Wir müssen auf der Bühne mehr zu sagen haben als ‚Du hast mir meine Freundin ausgespannt.‘ oder "Sie haben die letzte Miete nicht bezahlt.‘ Del lehrte uns, Gemeinplätze und Allerweltskommentare zu meiden und interessant zu werden.
Höre also nie auf zu lernen.
Sei in deiner Impro urteilslos. (Wisse aber über das Für und Wider von Themen bescheid. – DR)
Wenn du eine Fähigkeit an anderen bewunderst, kopiere sie, trainiere sie.
Gute Improvisierer geben sich nicht mit ihren Talenten und Fähigkeiten zufrieden. Sie lernen, was ihnen fehlt.
Stelle hohe Ziele an deine Arbeit.

5. Folge deiner Furcht

Improvisierer gehen Risiken ein. Darum geht’s in guter Impro. "Es ist gut, sich unbequem zu fühlen, sonst gibt es keine Gefahr, keine Aufregung, kein Wachstum."
Außerdem ist es unglaublich unterhaltsam anzusehen, wie ein Team kämpft, Hindernisse zu überwinden. (Darum sind engagierte Anfängergruppen oft unterhaltsamer als routinierte Profis.)
Charna Halpern berichtet von Kim Howard Johnson, der im Impro-Team "Baron’s Barracudas" für Unbequemlichkeit sorgte, in dem er seinen Mitspielern Hürden setzte, live Games erfand und ihnen die Arbeit erschwerte. Das Team war großartig und das Publikum liebte sie, aber es war ihnen zu anstrengend mit Johnson und sie warfen ihn raus. Sofort wurden die Shows langweilig, und die Spieler selbst strahlten nicht mehr die frühere Freude aus, was sich änderte, als sie sich bei Johnson entschuldigten und ihn wieder aufnahmen.
Die Frisbee-Sphäre: Del Close verglich gute Angebote mit dem Frisbee-Spiel. Es sei interessant, wenn die Scheibe ein wenig außerhalb der Reichweite des anderen Spielers geworfen würde, so dass sich dieser strecken müsse, um sie zu erreichen, aber es würde uninteressant, wenn sie einfach unerreichbar nach rechts statt geradeaus geworfen würde.

6. Küchenregeln

Sag ja.

Der erste Gedanke. Es gibt die bekannte Regel, nach der erste Gedanke einfach rausgeschleudert werden soll. Aber manchmal ist dieser Gedanke einfach nur eine reflexhafte Antwort. Von Zeit zu Zeit ist es gut, einen Moment zu warten und dem zweiten Gedanken eine Chance zu geben.

Unterstütze deinen Partner. Es ist gut, sich um sich selbst und die eigene Figur zu kümmern, aber wenn man in dieser Figur eingeschlossen ist, nimmt man nichts anderes mehr wahr und die Mitspieler müssen deine seltsame Suppe auslöffeln. (Offenbar gegen Mick Napiers Konzept gerichtet, wonach die beste Unterstützung darin besteht, sich um die eigene Figur zu kümmern und starke Angebote zu machen. – DR)

7. Frauen

Frauen sollten, so Charna Halpern, nicht in die Falle geraten, sich zum Opfer der Situation machen zu lassen. Nur "Ja Schatz" zu hauchen und dann den männlichen Kollegen vorwerfen, sie dominierten die Bühne. Trefft selbst klare Entscheidungen, spielt starke Charaktere. Spielt auch schwache, wenn es nötig ist. Spielt das, was die Szene braucht. Geht nicht mit einem Ich-bin-das-Opfer-Denken auf die Bühne.
Wenn ihr körperlich klein seid, nutzt das aus.
Kleidet euch bühnentauglich – Schuhe mit weichen Sohlen, keine zu engen Klamotten. Zeigt nicht zuviel Fleisch. Tragt Shirts, bei denen ihr euch nicht sorgen müsst, dass bei der nächsten Bewegung die Brüste rausploppen.
Ein weiterer Punkt zum Thema Integrität bewahren: Man kann politisch unkorrektes spielen, wenn es durch die Figur rolleninteger motiviert ist. Alles andere ist schal.

8. Figuren durch Raum und Bewegung

Peter Hulne berichtet davon, dass er vor einer Vorstellung genau die Bühne inspiziert – wo kann man springen, wo kann man die Bühne betreten, gibt es Türen, Vorhänge usw. – Was davon kann man wie nutzen.
Benenne den Ort, an dem du dich befindest, vor allem, wenn dieser vorher noch nicht etabliert wurde. Anders gesagt: "Wenn du nicht weißt, wo du bist, sag, wo du bist."
Nutze deine eigenen Erfahrungen mit bestimmten Orten – Flughäfen, Taxis, Büros usw.

(Es folgt ein großartiger Abschnitt, den ich hier nur kurz zusammenfassen kann/will.)
Susan Messing beschreibt, wie sie in ihrer Anfängerzeit einen Impro-Profi sah, der in seiner Garderobe eine Liste mit 15 Charakteren zu hängen hatte: "Sogar in meiner damaligen Anfänger-Hölle wusste ich, da stimmt etwas nicht. Wenn der Himmel die Grenze ist, warum sollte ich mich auf 15 Figuren beschränken? Die einzigen Grenzen, die es für mich gibt sind meine Phantasie und die Angst, blöd zu wirken."
Wenn du eine Szene beginnst, lass ein Körperteil dich dominieren. Deine Stimme wird schon folgen.
In Bezug auf deine Figur besteht das "Game" in ihren charakteristischen Eigenschaften.
Mein Partner kann mir einen Namen geben oder den Plot starten, aber niemand wird meine Wirbelsäule manipulieren können außer ich selbst.
Wenn ich bei einer Show nicht ganz da bin, versuche ich zu mir zu kommen, sonst werden die Figuren cartoonesk.
David Down lehrt Tier-Inspiration allein anhand ihrer Wirbelsäulen.
Wenn du zeigst, wie lustig irgendetwas ist, dann ist es nicht lustig! Nutze deinen Verstand! D.h. hier: Bewege dich so gut du kannst. Wenn du dann scheiterst und blöd wirkst, ist das immer noch gute Komödie. (Statt andersrum: Sich absichtlich doof anstellen und hoffen, dass das jemand lustig findet – DR).
Es gibt zwei Typen von Impro-Spielern –
1) die glauben ihre Energie verpuffen zu sehen: Entspannt euch und geht mit der Welle.
2) die ihre Energie aufraffen müssen: Nehmt euch zusammen und geht mit der Welle.
Bei La Ola ist immer derjenige der Arsch, der die Welle abbrechen lässt.

9. Charnas Lieblingsärgernisse

Moderationsbohei. Moderiert mit Würde. Zuviel Applaus wird schon von vornherein eingefordert. Charna Halpern nennt als Gegenbeispiel die auch von mir so geschätzten TJ & Dave, die ihre Show mit dem einfachen Satz beginnen: "Vertraut uns, es ist alles improvisiert." (Man muss allerdings der Fairness halber hinzufügen, dass die beiden vor ausverkauftem Haus spielen und das Publikum zu jubeln beginnt, sobald die beiden die Bühne betreten. Ob sie nicht auch ein bisschen Bohei machen würden, wenn sie vor 20 Leuten spielten, die mit verschränkten Armen abwartend dasitzen? Auf jeden Fall stimme ich Charna zu, dass auf Improbühnen eher zu viel als zu wenig Stimmung gemacht wird. Wir sind nicht im Zirkus.
Du machst ja immer dies! Du sagst ja immer das! Ein Angebot wird verwässert, wenn wir es nicht als die eine große Sache nehmen.
Das ist mein erster Tag. Wenn ein Spieler sagt: "Das ist mein erster Tag hier im XY", ist ziemlich schnell klar, dass er Angst hat, Kompetenz zu zeigen. Er verringert die Hürden, und "mein erster Tag" gibt ihm die Rechtfertigung, doof zu spielen.
Spiel kein Klischee. "Del Close hasste Fernseh- und Parodiesachen. Er bevorzugte frische Beobachtungen, die nicht kulturell vorgefiltert waren. Er war der Meinung, dass "im Allgemeinen" der Feind der Kunst ist. Und dass Gott im Detail steckt."
Redet nicht, wenn ihr nicht auf der Bühne seid. Ihr könntet wichtige Informationen, die gerade geschehen, versäumen.
Versaute Sprache. Werde nicht obszön, um des Lachers willen.

10. Vom Impro zum Schreiben

Schreiben ist Impro mit einer Schreibmaschine. Sag Ja zu deinen eigenen Ideen.

11. Rat an künftige Improspieler

– Haltet euch von Alk und Drogen fern. Charna nennt das typische Beispiel von Chrs Farley und Andy Dick: "Sie spielten großartige Shows und waren hinterher in einem natürlichen High. Später tranken sie vor der Show, um sich zu beruhigen und nach der Show, um zu feiern." Farley starb später an Drogenmissbrauch. Ebenso John Belushi. Und auch Del Close selber hätte es wahrscheinlich ohne Drogen etwas länger geschafft.
– Hört nicht auf, kreativ zu sein. Das Aufregende liegt in der Arbeit.
– Höre nicht auf die Neinsager. "Glück ist Vorbereitung, die auf Gelegenheit trifft."

12. Die Geschichte von Charna und Del

Charna betreibt das ImprovOlympic und ist gelangweilt von den immergleichen Impro-Spielchen. Del Close ist müde vom sketch- und gag-orientierten Second City. Die beiden finden zueinander. Del arbeitet seit den 60ern an einem "unlehrbaren und unaufführbaren" Format, dem Harold. Die beiden einigen sich auf ein Meta-Game, und erfanden so Lagform-Impro.(Letztlich muss man sagen, dass das jeder Langform zugrunde liegt oder: Das ist es, worum’s geht.)

13.-18. Anekdoten über Del Close

Unter den hier erzählten Geschichten gefällt mir die erste besonders: Charna Halpern überzeugte Del Close, sich ein Bankkonto zuzulegen. Und das trotz seiner Angst, er könne in einen See fallen und das Sparbuch würde nass werden, so dass er nie wieder an sein Geld käme. Diese Mischung der Ängste – Hypochondrie, Angst vor Scheinwelten und Verweigerung des Ökonomischen lässt Del Close wie eine Mischung aus Karl Valentin und Michael Stein erscheinen.
Interessant, wie Del Close unterrichtete. Er war äußerst streng und verschwendete keine Zeit mit Galanterien. Zu Beginn eines Workshops referierte er manchmal eine halbe Stunde über seine neuste Lektüre. Wenn er einen Schüler nicht mehr ertragen konnte, gab er ihm das Workshopgeld zurück und schickte ihn fort, manchmal sogar Schülern, die noch nicht bezahlt hatten. Der entsetzten Charna erklärte er: "Das war es wert, um ihn loszuwerden."
Chris Farley, ein Schüler von Close und Halpern wurde für Saturday Night Life gebucht. Als er in New York ankam, rief er Close an und berichtete unter Tränen, man wolle ihn ohne T-Shirt gegen Patrick Swayzee tanzen lassen: "Die machen sich lustig über den neuen Dicken." Del sagte ihm: "Tanz so gut du kannst. Sei leichter als Luft, lass es nicht zu, dass sie dich zum Klischee machen."

19. Das Leben ist ein langsamer Harold.

Show vom 19. März 2009

In einer Abstellkammer des Bundestages stärkt sich ein Putzmann für den neuen Arbeitstag. In dieser begegnen wir einem Straßenfeger-Verkäufer, zwei Alleinerziehenden im Park und zwei Yuppies im Café. Einem türkischen Ramschverkäufer, einer Oma, deren Wellensittich davonfliegt, einem Selbstmörder und seiner verschwenderischen Frau, und wieder beim Putzmann angelangt kulminieren die Storys.

Ist der Schwimmer Maschowski, der den Helden mit einem Periskop beobachtet, tatsächlich von einer Terror-Einheit der Regierung?

Eine Flugzeuggeräteherstellerin ist hin und her gerissen zwischen zwei Männern. Auf den Rat ihres Vaters hin, sich mal fallenzulassen, entdeckt sie die Liebe zu den Frauen.

***

Collage mit Schneckenreiter, Verführung durch Bussardfedern, Perser werden von Spartanern mit Bildern von Frauen abgelenkt. Geschenke entfalten sich ethisch ambivalent.

Zuschauer in der ersten Reihe

Ich glaube inzwischen, es hilft, Zuschauer in der ersten Reihe, wenn nicht zu ignorieren, so doch weitgehend auszublenden. Wenn sie gut drauf sind besteht die Gefahr, dass man den Fokus auf sie richtet. Sind sie schlecht drauf, versprühen sie ihre schlechte Laune.
Beim Kantinenlesen habe ich es am häufigsten erlebt: Ein eingefleischter Fan bringt einen Freund mit, der für den Rest des Abends uns stonefaced anstarrt und mit seinem ganzen Körper kommuniziert: „Was soll die Scheiße?“
Beim Improvisieren ignoriere ich glücklicherweise oft die erste Reihe mehr als alle anderen. Einmal sogar meine Schwester übersehen. Gestern eine beschwipste Vierergruppe. Darunter zwei Zuspätkommer, die sich dann auch noch ausführlich Küsschenlinksküsschenrechts verteilen mussten und in den ersten kürzeren Szenen ständig demonstrativ lachten, aber an Stellen und in einer Weise, dass man merkte: Die haben nichts verstanden. (Immer wieder gern genommen: Der Echo-Lacher, der das letzte Wort, das auf der Bühne fiel, wiederholt und dann angestrengt lacht.)
Den zweiten Teil – eine Collage. die beim Publikum insgesamt sehr gut ankam – haben sie enfach nicht begriffen. Vermutlich wären sie im politischen Kabarett besser aufgehoben gewesen, wo schon die Nennung des Namens „Westerwelle“ für Lacher sorgt.
Meine Kollegen waren irritiert, als der Herr immer nur missbilligend den Kopf schüttelte, ber da habe ich die Truppe glücklicherweise schon übersehen.

Nächtliche Improgedanken von Jill Bernard

3am Improv Thoughts from Jill Bernard from Jill Bernard on Vimeo.

1. Nimm die Haare aus dem Gesicht und zieh dich nett an, was immer „nett“ für dich bedeutet.
2. Mach’s dir nicht am Bühnenrand bequem. Höre auf deine Füße.
3. Spiele aus dem Bauch heraus.
4. Ja, ja, du bist lustig. Aber hör auf, zu versuchen, lustig zu sein. Das ist hässlich.
5. Du bist vage, weil du glaubst, das sei respektvoll gegenüber deiner Spielpartnerin. Aber sie hat keine Pläne. Also benenne die Dinge, damit es weitergeht.
6. Es gibt interessantere oder intimere Beziehungen als immer nur dein Mitbewohner.
7. Kein Sex mit Impro-Kollegen.
8. Nach zwei, drei Jahren erreichst du wahrscheinlich eine Phase, in der du der einzige auf der Welt bist, der weiß, wie Impro wirklich funktioniert.
9. Sei nett zu allen.
10. Du bist nie gut genug, um nicht noch Unterricht zu nehmen.
11. Das Publikum soll nahe bei der Bühne sitzen und nahe beieinander.
12. Spiel nicht „auf Kasse“, wenn du die Kasse nicht kontrollierst.
13. Geht mal ab und zu in die Knie. Ihr beide seht da oben wie eine 11 aus.
14. Wenn euer Trainer eine zu harte Sprache benutzt, ist er entweder ein Idiot oder ein Genie. Wahrscheinlich aber ersteres.
15. Kein Alk auf der Bühne.
16. Bedanke dich für Lob.
17. Wirf dich in die Impro und mach dir dabei die Hände schmutzig.… Weiterlesen

Hidden Game

Einige der letzten Shows waren für meine Begriffe etwas lahm gewesen – wir etablierten zwar die Räume, aber dann passierte da physisch auch nicht viel. Und die körperliche Langsamkeit wirkt ja auch immer zurück auf den Geist.
Ich beobachtete außerdem in derselben Zeit nicht nur bei uns, sondern auch bei anderen Gruppen, dass die Spieler, wenn sie in einer Szene einmal die Positionen auf der Bühne gefunden haben, ihr räumliches Verhältnis meist beibehalten. Oder mit anderen Worten: Die linke Figur bleibt links, die rechte bleibt recht.
Und so verabredete ich mit mir selbst ein kleines Game: In jeder Einzelszene mindestens einmal die relative Position zu meinem Mitspieler zu wechseln. Der Effekt war enorm.

Bühnengröße

Ich muss doch sagen, dass ich trotz allem die große Bühne des RAW-Ambulatorium beim Improvisieren manchmal vermisse. Ja, es war manchmal zu kalt und die Heizlüftung störte. Ja die Klos waren nicht vorzeigbar. Ja, die Betreiber haben sich nicht dafür interessiert, was wir da machen.
Aber alleine dadurch, dass man auf der Bühne rennen und springen konnte, dass die Akustik phantastisch war, nicht nur zwei Stühle, sondern auch ein Sofa und ein Riesentisch auf die Bühne passte, man auf die Rückseite der Bühne projizieren konnte und man sich völlig frei bewegen konnte, war die Phantasie so frei wie ich es selten anderswo erlebt habe.
Doch die unglaublich gute Kooperation mit der Alten Kantine und ihre Reputation macht viel aus. Und dass wir als Team besser geworden sind, natürlich auch.
Zu loben ist auch die Scheinbar. Selbst in unseren Anfangstagen ist es uns, denke ich, gelungen, viele magische Momente auf die Bühne zu zaubern, eben weil es die Scheinbar war.

274. Nacht – Regeln

Mühsam hat man sich in Kindheit, Jugend und jungem Erwachsenendasein emanzipiert von allen möglichen willkürlichen Regeln. Und dann spielen einem Hirn und Psyche einen Streich – man verfängt sich in Regeln, die man auch nicht selbst gewählt hat, miesen Angewohnheiten. Und je freier man das eigene Leben zu gestalten in der Lage ist, umso näher liegen die Verführungen der schlechten Gewohnheiten, die man durch eigene Rituale, durch Ratgeberliteratur und bekanntlich im härtesten Fall mit Therapie wieder zurechtrücken muss. Ordnung/Unordnung, Umgang miteinander in Beziehungen, Ernährung, Süchte, Arbeit, Umgang mit dem eigenen Körper (Hygiene, Sport, Bewegung, Krankheiten), Familie, Umgang mit Fremden. Man studiert das Feng Shui Buch, und sagt sich am Ende: "Räum auf!"

*

Auf den Kopf von Ibrahîm ibn el-Mahdî ist eine Belohnung von hunderttausend Dinaren ausgesetzt.

Von seinen Erlebnissen erzählte Ibrahîm folgendermaßen: "Als ich von dieser Belohnung hörte, fürchtete ich um mein Leben."

Der Sprung in die Ich-Perspektive erscheint fast ein bisschen willkürlich.

Verkleidet zieht er von Haus zu Haus, landet in einer Sackgasse und fürchtet, Verdacht auf sich zu ziehen, falls er umkehrt. Da

sah ich am oberen Ende der Straße einen Schwarzen vor der Tür des Hauses stehen.

Das Auftauchen eines Schwarzen bedeutete in den bisher erzählten Geschichten praktisch immer Unglück.

Ibrahîm bleibt nichts anderes übrig, als ihn zu bitten, dort ein wenig verweilen zu dürfen. Tatsächlich gestattet es ihm der Schwarze, bietet ihm eine Raststatt in einem

sauberen Raum mit Decken und Teppichen und Lederkissen

Doch er verschwindet und verriegelt die Tür.

"Der da ist sicher fortgegangen, um mich zu verraten!"

Doch er kommt mit Speisen und Getränken zurück,

"…die noch von keiner Hand berührt sind."

Doch es bleibt nicht bei diesen Diensten:

"Ich will mein Leben für dich dahingeben! Ich bin ein Bader, der das Blut schröpft, und ich weiß, dass du dich vor mir ekelst, weil ich von einem solchen Gewerbe lebe."

Außerdem serviert er Wein

und sprach zu mir: "Kläre ihn dir, wie du es wünschest."

Wein klären = Filtern?

Damit nicht genug – es stellt sich heraus, dass der Schwarze die Identität seines Gastes kennt, und dennoch zu ihm steht.

Als er solche Worte sprach, stieg er hoch in meiner Achtung, und ich war überzeugt, dass er von edler Art war. Darum erfüllte ich seinen Wunsch, nahm die Laute zur Hand, stimmte sie und sang ein Lied, in dem ich der Trennung von meinen Kindern und von den Meinen gedachte.

Er, der dem Joseph einst die Seinen wiederschenkte
Und ihn in Kerkers Banden zu Ehren hat gebracht,
Er kann auch uns erhören und wiederum vereinen;
Denn Allah ist der Herr der Welt in Seiner Macht.

Die Erzählerin wechselt kurz wieder in die 3. Person:

Es heißt ja auch, dass die Nachbarn Ibrahîms, wenn sie nur hörten, wie er rief: "He Knabe, sattle die Mauleselin!" schon durch den Klang dieser Worte in Entzücken gerieten.

Auch der Bader, dessen Namen wir immer noch nicht wissen, singt ein Lied, und er weist das Geld, dass Ibrahîm ihm geben will, zurück.

1. Wird hier eine Fallhöhe aufgebaut, und der Bader am Ende sein wahres Gesicht zeigen? Oder bleibt dieser Schwarze die rühmliche Ausnahme?
2. Offensichtlich haben wir es mit einer politisch motivierten Geschichte zu tun. Man ist auf Seiten Ibrahîms. Aber wie sich das genau historisch einordnet, bleibt mir unklar.

 

Buchbesprechung Jimmy Carrane & Liz Allen: „Improvising Better“

Jimmy Carrane und Liz Allen: „Improvising Better“
Portsmouth, NH, 2006

Das Buch wendet sich insbesondere an fortgeschrittene Impro-Spieler, die digentlich die Grundlagen des Impro gut beherrschen und auch mit fortgeschrittenen Techniken vertraut sind, aber an bestimmten Punkten nicht weiterkommen. Die Autoren wurden in ihrer Coaching- und Workshop-Arbeit immer wieder mit Verhaltensmustern konfrontiert, die gute Spieler davon abhalten, brillant zu werden. Um diese geht es hier.

Ja-Sagen
Fortgeschrittene Spieler tendieren oft dazu, schlauer sein zu wollen, als das gute alte Ja. Aber der beste Improspieler ist immer noch ein guter Ja-Sager.
Übung für zwei Spieler: Überlappendes Ja sagen zu den Angeboten des Anderen.
Begeistert! Überlappend!
Übung für drei Spieler: Zwei sprechen, einer ist stumm. Alle unterstützen sich gegenseitig.
Der Stumme soll dabei nicht blöd aussehen.

Nettigkeit
Wenn Spieler allzu nett miteinander umgehen, werden die Szenen langweilig.
(Man muss wohl ergänzen: Dies betrifft nur eine bestimmte Sorte Spieler, die anderen werden grob.)
Übung: Verletzlichkeits-Kreis. Einer steht in der Mitte und gibt jedem der anderen etwas sehr Persönliches preis.
Ich bin mir nicht ganz sicher über diese Übung. Man befindet sich ja nicht in einer Therapie-Gruppe. Andererseits können wir hier trainieren, Verbindung zur Wahrhaftigkeit aufzunehmen.

Übung: Grobheits-Kreis. Dasselbe wie oben, nur diesmal sagen wir Grobheiten, durchaus auch szenisch.
Finde ich ebenfalls etwas fraglich. Oder es müsste jedenfalls sehr gut angeleitet werden. Jedenfalls sind beides keine Übungen, die, ähnlich wie Johnstone-Games mehr oder weniger unabhängig vom Lehrer funktionieren würden.

Wut ist OK.
Schließt im Grunde ans vorige Kapitel an. Ich würde allerdings weitergehen und sagen: Jede Art von Emotionalität ist gut. Halte dir eine große Bandbreite offen. Wut ist eine.
Übung: Es ist Dienstag. (s. Johnstone)
Anmerkung: Trotzdem Akzeptieren.

Die Angst, Personen, Orte und Ereignisse zu benennen
Szenen können technisch einigermaßen OK sein; aber sie sind öde, wenn sie nicht spezifisch sind.
„Improv is all about assumption, and people forget that.“
Übung: Drei-Satz-Szenen mit der Maßgabe, dass in diesen drei Sätzen die Personen, der Ort und das Ereignis definiert werden.
Diese Übung mag etwas mechanisch wirken. Man spiele sie schnell und möglichst viele davon.

Gemimte Objekte zu sehr im Vordergrund.
Über die gemimte Handlung geht manchmal die Beziehung zwischen den Charakteren verloren.
Übung: Zwei Figuren spielen eine Szene, ohne sich anzuschauen. Erst wenn sie ihre gemimte Aktivität hinreichend etabliert haben, dürfen sie miteinander Kontakt aufnehmen. Der Dialog beginnt, ohne dass die vielleicht absurd anmutende Parallelität der Handlungen thematisiert wird. Man vertraue darauf, eine Lösung zu finden.
(Diese Übung habe ich mehrfach ausprobiert und finde sie sehr hilfreich.)

Spiel eine Figur des anderen Geschlechts.
Die Angst, das zu tun, habe ich bei deutschen Gruppen eigentlich noch nicht erlebt. Eher läuft’s hier umgekehrt. Für einen schnellen Gag holt sich der männliche Spieler noch schnell die Perücke aus der Requisite. Man weiß, dass Travestie für den Lacher sorgt. Also spielt man Ha-ha.
Ich würde es umformulieren: Wenn nötig, spiel das andere Geschlecht, und zwar ohne viel Getue.
Männer fassen sich nicht ständig in den Schritt, und Frauen piepsen nicht die ganze Zeit.
Übung: Spiel eine Frau. Spiel einen Mann. Ohne Getue.

Die Angst, politisch Unkorrektes zu spielen.
Diese Angst taucht manchmal, aber sicherlich nicht bei allen Spielern auf. Entscheidend ist vielleicht, dass man sich über bestimmte Tabu-Themen eben selber schon mal Gedanken gemacht haben sollte. Aber wenn du keinen Mörder und keinen Nazi spielen kannst, was willst du dann auf der Bühne?
Übung: Jeder aus der Gruppe schreibt ein Tabuthema auf einen Zettel. Man zieht als Einzelspieler dann ein Thema aus dem Hut und hält in der Rolle des Tabubrechers (z.B. Pädophiler) einen Monolog dazu.

Es geht ums Schauspielen
Carrane und Allen beobachten, dass Spieler mehr und mehr dazu tendieren, zu reden statt eine Rolle zu spielen.
Ich glaube, in diese Falle tappt jeder mal. Die Übung, verschiedene Figuren in einer Burger King Schlange zu spielen, haut mich nicht vom Hocker, ist aber letztlich genauso gut wie jede andere Schauspielübung.

Es geht nicht um Worte, sondern um die Verbindung
Dies trifft sich wieder mit meiner Beobachtung, dass es eine seltsame Obsession für oder gegen das Storytelling gibt.
Übung: Vorgabe ist ein hochsensibles Szenario. Zwei Spieler. Gesprochen wird nur in Zahlen, z.B.
A: Eins, zwei.
B: Drei.
C: Vier, Fünf Sechs.
D: Sieben. (…)
(Langsam spielen)

Mangel an Vertrauen.
Vertrauen muss immer wieder trainiert werden.
Übung: Zwei Personen im Restaurant. Schweigend. Das Schweigen rührt daher, dass einer der beiden gerade eine wichtige Neuigkeit überbracht hat.
Um was es geht, müssen beide herausfinden. Zeile für Zeile.

Immer das Lustige wählen
„Improvisation ist ein Handwerk. Die Wahl ist einfach: Entweder man lernt das Handwerk, das einen letztlich dazu befähigt, lustiger zu sein. Oder man verlässt sich auf seinen Witz und geht den kurzen Weg.“
Übung (die ich in der Aufführung als nicht-offenes Game wählen würde): Bekomme als Gruppe keinen Lacher. Mindestens sechs Minuten lang.
„Was schließlich passiert, ist, dass dadurch, dass man zu Beginn nicht aufs Lustige setzt, legt man die Grundlage dafür, später größere und bessere Lacher zu bekommen.“
(Diese Übung gibt es im Grunde auch schon bei Johnstone. Allerdings wird sie verhunzt, wenn man es öffentlich macht oder im Theatersportkontext spielt, weil dann der Partner dem anderen den Gag zuschanzt, der das Lachen verbeiprovoziert.)
Ich halte diese Übung für eine der Wertvollsten des Buches, zumindest für Gruppen, in denen Gagging immer noch eine Krankheit ist.

Das Impro-Kommittee in deinem Kopf
Richtet sich an Spieler, die versuchen gut zu sein, weil XY im Publikum sitzt. Entweder beim Casting oder wenn der große Impro-Guru im Publikum sitzt und man Eindruck schinden will. Sicherlich in Chicago häufiger als in Berlin, obwohl ich den Stress, den solche Spieler dann vorm Auftritt machen, auch schon erlebt habe. Es gibt nur einen Guru, ein Impro-Kommittee, einen Urizen – und der ist in deinem Kopf.

Hör auf, zu wollen.

Das Ja beginnt Offstage
„Zustimmung ist eine Haltung, die sich nicht allein auf die Bühne beschränkt.“
„Die meisten Impro-Spieler wollen einfach nicht zuverlässig sein. Sie wollen sich nicht einlassen und versuchen immer die Ausnahme der Regel zu sein. Aber wenn du nicht nach den Regeln spielst, läufst du Gefahr, den Ruf eines schwierigen Spielers zu erlangen.“
„Impro kann therapeutische Wirkung haben, aber es ist keine Therapie. Such dir für deine persönlichen Probleme anderswo Unterstützung.“

Trockne nicht aus
„Improv needs to be fed by enriching experiences that are unrelated to performance.“ Das trifft natürlich auf jede Kunst zu. Oder, wie Julia Cameron sagt: Fülle den Brunnen.
Hab ein Leben außerhalb von Impro!
Der Hinweis richtet sich an Impro-Junkies, die fast täglich auftreten, proben und andere Shows sehen. Ich vermute, das ist eher ein Phänomen in Chicago, New York und Los Angeles.
In Berlin braucht man, um die Spieler, die das betrifft, abzuzählen, wahrscheinlich nicht mal eine Hand. Dennoch ist der Hinweis natürlich gerechtfertigt.

Impro ist größer als du denkst
Dieser Hinweis richtet sich an Spieler, die darauf warten, von Second City oder iOChicago gecastet zu werden und in Depression verfallen, wenn es misslingt. Gründe deine eigene Impro-Gruppe.

Liebe den Prozess
Love the good shows, because they don’t last forever.
Love the bad shows, because they don’t last forever.

Fazit: Ein nettes kleines Buch, das gute Tipps für die Bewältigung einiger (wenn auch nicht aller) Sackgassen gibt.

273. Nacht

Man würde es kaum glauben, wenn man es nicht selbst sähe: Das Pflegeheim wirbt mit individueller Betreuung, medizinischer Kompetenz und ausgeklügeltem Qualitätsmanagment. Und nun leidet R. dort seit einem halben Jahr nicht nur an ihrem Alter, ihrer Gebrechlichkeit und ihren Krankheiten, sondern auch an der Schlampigkeit des Personals, der Ignoranz, dem fehlenden Mitgefühl, und der groben Fahrlässigkeit, die sie in den sechs Monaten schon drei Mal an den Rand des Todes geführt haben. "Das kann doch mal passieren", ist die Reaktion, als habe man ihr nur mal versehentlich auf den Fuß getreten und sie nicht um ein Haar vergiftet. "Versuchen Sie’s doch mal mit Beten", als sie sich vor Schmerzen kaum mehr halten kann, weil man vergessen hat, ihr das Schmerzmittel zu geben. "Was meinen Sie denn, um wieviele Leute wir uns hier kümmern müssen?", als sie darum bittet (!), doch auf ihre Diät zu achten, statt ihr mies zubereitete Lebensmittel zu servieren, die sie nicht verträgt. Kleine Vorfälle täglich, große Vorfälle jede Woche. Man fragt sich, was mit den Menschen geschieht, deren Verwandte nicht täglich auf der Matte stehen. Oder gar mit den Dementen, die nicht verstehen, wer ihnen dieses Leid zufügt.
Das Peter-Prinzip in seiner grausamen Form: Inkompetente Menschen als Leiter eingesetzt, die ihre Autorität nicht in vernünftige Planung umsetzen können, sondern Chaos herrschen lassen. Und wenn was passiert, werden die Pflegerinnen angebrüllt. Schwestern, denen die Achtlosigkeit von den Vorgesetzten vorgelebt wird und die nicht gelernt haben, mit ihren Klienten zu kommunizieren, geschweige denn, sie angemessen zu pflegen.

***

 

 

Der neue König lässt sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. In der Burg findet man

Bildnisse von Arabern: die waren beritten auf Rossen und Kamelen, trugen Turbanbinden, die lang herabhingen, waren mit Schwertern gegürtet und hielten die langen Lanzen in der Hand. Auch fand er dort ein Schriftstück, auf dem geschrieben stand: "Wenn dies Tor geöffnet wird, so wird eine Araberschar das Land erobern, die so aussieht wie auf diesem Bildnisse." (…) In eben jenem Jahre (…) fiel die Stadt in die Hände des Târik ibn Zijâd.

Dazu heißt es in der Anmerkung:

Der arabische Feldherr Târik, nach dem Gibraltar benannt ist, setzte im Jahre 711 nach Spanien über und besiegte den Westgotenkönig Roderich. Der byzantinische Befehlshaber von Ceuta hatte bereits vorher den Arabern die Tore der Stadt geöffnet. Der Usurpator Roderich war wohl im Jahre 710 auf den Thron gekommen. An diese Dinge bewahrt obige Erzählung eine dunkle Erinnerung.

Die Stadt wird geplündert. Man findet unter anderem

den Speisetisch des Gottespropheten Salomo

und

einen großen, runden, wunderbaren Spiegel aus gemischten Metallen, der für Salomo gemacht worden war, und in dem jeder beim Hineinschauen die sieben Klimate der Welt mit eigenen Augen sehen konnte.

Vielleicht eine bronzene Weltkugel?

Und die Araber breiteten sich in den Städten Andalusiens aus, das eines der herrlichsten Länder ist.

***

Die Geschichte von Hischâm ibn Abd el-Malik und dem jungen Beduinen

Der Omaijaden-Kalif Hischâm ibn Abd el-Malik jagt eine Gazelle und befiehlt einem in der Nähe Kleinvieh weidenden jungen Beduinen, die Gazelle für ihn zu fangen. Mit beachtlicher Chuzpe antwortet der Beduine:

"O du, der du nicht weißt, was der Vornehme beanspruchen kann, du schaust mich mit Geringschätzung an; du wirfst mir verächtliche Worte ins Gesicht, du redest, wie ein tyrannischer Herrscher spricht, und du handelst an mir wie ein Eselstier."

Der Kalif lässt den Beduinen festnehmen, aber seine Impertinenzen gegen Diener, Kammerdiener, Kalif und Henker hören nicht auf.

Und immer hübsch gereimt.

Erst als der Henker zum dritten Mal ansetzt und der Beduine lachend ein Gedicht rezitiert, lässt der Kalif lächelnd von ihm ab:

"Bei meiner Verwandschaft mit dem Propheten Allahs – Er segne ihn und gebe ihm Heil – , hätte er von Anfang an diese Worte gesprochen, so hätte ich ihm, ausgenommen das Kalifat, alles gegeben, um das er mich gebeten hätte."

Bemerkenswert ist die Banalität des Gedichtes – im Grunde eine kleine Tierfabel, die die Situation zwischen den beiden widerspiegelt.
Wichtiger jedoch: Den Omaijaden-Kalifen wurde ja, vermutlich zu Recht, vorgeworfen, gerade nicht mit Mohammed verwandt zu sein. So wurden sie ja auch eine Generation später von den Abbasiden abgelöst.

Der Beduine wird mit Edelsteinen beschenkt und geht (vermutlich wortlos) seiner Wege.

***

Die Geschichte von Ibrahim ibn el-Mahdî

Nach dem Tode Harûn er Raschîds ging der Thron auf dessen Sohn el-Mmaûn über. Allerdings beanspruchte auch Harûns Bruder Ibrahim ibn el-Mahdî den Thron. So ging er nach er-Raij (in der Nähe des heutigen Teheran), wo er sich zum Gegenkalifen ausrufen ließ und dort fast zwei Jahre residierte. Harûns Sohn zieht nun zum Feldzug gegen ihn, und Ibrahim ibn el-Mahdî geht nach Baghdad, um sich dort zu verstecken.

Ausgerechnet in die Heimat- und Residenzstadt seines Widersachers?

 

Western für Impro

1. Kleine Einführung

Westen heißt

• Zivilisation im Aufbau

• permanente Bedrohung durch Banditen und Indianer

• Verschiebung der Grenze von Ost nach West

Die sieben Western Story Typen

1. Union-Pacific-Story – Bau der Postkutschen-, Telegrafen- oder Eisenbahnlinie (Spiel mir das Lied vom Tod)

2. Rancher-Story – Kämpfe um Weideplätze, Viehherden und Land

3. Empire-Story – Viehbarone und ihre Dynastien

4. Custers letzte Schlacht – Auseinandersetzungen zwischen Indianern und Kavallerie

5. Rache-Story – einem Menschen oder einer Gruppe ist einst Unrecht geschehen, das gerächt werden muss (Spiel mir das Lied vom Tod, Die Söhne der Katie Elder)

6. Outlaw-Story – wie kam er dazu, Outlaw zu werden, was tut er (Jesse James, die glorreichen Sieben)

7. Marshal-Story – Kampf für Recht und Ordnung (12 Uhr Mittags, Rio Bravo)

Ideologien, die gebrochen werden:

• Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.

• In den alten Zeiten, war alles noch in Ordnung. (= männliche Werte, Freiheit)

• Ein Cowboy ist aufrichtig, hilfsbereit, ritterlich und ehrlich. Er ist ein Patriot.

Wertobjekte des Cowboys: Pferd, Knarre, Frau, und zwar in dieser Reihenfolge.

Grundstimmung des klassischen Westerns ist die Isolation:

 von Zivilisation, Recht und Ordnung und von Sicherheit

Dies manifestiert sich in Orten wie

– dem von Indianern belagerten Fort

– der Bahn oder der Postkutsche, die den Überfällen von Indianern und Banditen ausgesetzt ist.

– der einsamen Ranch

– der kleinen Stadt

– die Prärie

2. Für Impro:

Handlungsorte:

• Saloon

• Postkutsche, Kutsche der Reisenden oder Siedlertreck

• Prärie zu Pferd

• am Fluss

• Fort

• Bank

• Büro des Marshals mit Gefängniszelle

• Pferdestall

• Ranch

• auf der Straße in der kleinen Stadt (immer ein Ort der Gefahr!)

• als Nebenschauplätze: Drugstore, Hufschmied, Pferdehändler, Kirche usw.

Typische Figuren:

• Cowboy

• Lone Rider (der Rache nehmen muss)

• Marshal

• Bandit

• alter Revolverheld

• Colonel der Kavallerie (niedrigere Ränge meist nur Nebenrollen)

• Scout

• Landvermesser

• Spieler

• Barmann (selten Hauptrolle)

• Zug- und Postpersonal

• Halbblut (vermittelnd in Konflikten mit Indianern)

• Mexikaner als Typen sind unberechenbar, hinterhältig, brutal (Ausnahmen bestätigen die Regel und sind deshalb bemerkenswert)

Frauen

• spielen meist nur Nebenrollen

• sind im alten Western Objekt ritterlichen Schutzes vor den verschiedentlich drohenden Gefahren, in neueren Opfer oder nehmen die Sache selbst in die Hand

• sind Sexobjekt, was aber natürlich im klassischen Western nur sehr dezent angedeutet wird

daraus resultierende Rollen der Frau:

• die (allein) Reisende, die in den Westen kommt

• Barfrau (= tendenziell Hure). Als Kundin hat die Frau im Saloon ebenso wenig etwas zu suchen wie Schwarze oder Indianer, jedenfalls führt das zu Konflikten

• klassische Ehefrau des Mannes in etablierter Situation (d.h. des Arztes, des Marshals, des Richters, aber nie des Cowboys), als Siedlerin auch Mutterheldin

• Gibt es mehr als zwei Frauen, resultiert daraus automatisch ein Konflikt zwischen den beiden (Wertekonflikt oder Rivalität).

typische Action

• der Ritt (meist als Verfolgung oder Flucht)

• Schießerei – als latente Option immer anwesend. Immer und überall möglich. Als Duell oder Überfall.

• Showdown: zwischen dem/den Helden und Antipoden. Immer am Schluss. Immer Katharsis – Stadt befreit, Frieden mit Indianern, Rettung der Frau usw.

• Kartenspiel, Trinken

Selten gezeigt aber thematisiert

• Lynchjustiz (Aufhängen, meist am Baum, aber auch in geschlossenen Räumen). Eine Option die fast immer im letzten Moment verhindert wird oder die in der Vergangenheit stattgefunden hat

• Massaker – an Siedlern durch Indianer oder Banditen, an Indianer durch eine Kavallerietruppe oder durch Banditen.

272. Nacht – heute ist heute anders

Da ich Fernsehnachrichten eigentlich nur noch schaue, wenn ich mal in einem Hotel übernachte, also vielleicht fünf bis zehn Mal im Jahr, will sich dieses moderne Bild der ständig in den Teleprompter guckenden Models nicht richtig in meinen Kopf einprägen. Der Prototyp des Nachrichtensprechers wird für mich wahrscheinlich der Sprecher der heute-Nachrichten Gerhard Klarner bleiben. Ein dicker, gutmütig wirkender Onkel mit Schnurrbart und Brille, der mit sonorer Stimme die Nachrichten vom Blatt las. Wir waren ja, vor allem als Kinder, eher heute-Gucker, wahrscheinlich wegen der kinderkompatibleren Sendezeit. Aber der konservativere Touch des ZDF blieb auch mir nicht verborgen.
Schön, das mal wiederzufinden:

 

An einem einzigen Tag über 100 Tote durch Anschläge, aber nicht in Bagdad oder Kabul, sondern in London, Madrid und Amsterdam. Man schreibt das Jahr 1983, und die Themen scheinen dieselben wie die der letzten Jahre zu sein: Terrorismus und Palästinenser-Frage. Die Regierung und die Arbeitgeber fordern die Gewerkschaft zur Mäßigung auf. Der Gewerkschafts-Chef meint, von der 35-Stunden-Woche hinge Sein oder Nichtsein der Gewerkschaften ab – eine seltsame Logik im Übrigen: Als ob es nicht um die Zwecke der Organisation ginge sondern um die Organisation an sich. (Ob da das ZDF dahintersteckte, dass den Kanzler als bedächtig und den Gewerkschafts-Chef als Jammerlappen darstellte.) Kann man mit den Grünen koalieren? (fragte sich damals die SPD, heute die CDU.) Dass Hunderte Schriftsteller zur Wehrdienstverweigerung aufrufen (und damals gab es noch keine Auslandseinsätze der Bundeswehr!), darauf kann man heute lange warten.

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Die Geschichte von Ma’n ibn Zâîda

Als Ma’n ibn Zâîda 272 eines Tages ausreitet, dürstet ihn, aber seine Diener haben kein Wasser. Drei Mädchen kommen des Wegs, die ihn aus ihren Wasserschläuchen trinken lassen. Da die Diener nicht nur kein Wasser haben, sondern auch kein Geld zum Bezahlen, vergilt er den Mädchen die gute Gabe mit den güldenen Spitzen der Pfeile aus seinem Köcher, woraufhin die Mädchen seine Identität erraten und jede einen Lobes-Vierzeiler improvisieren. Einer mag hier genügen

Er krönet die Pfeile mit Spitzen von Golde
Und sendet dem Feinde, was Großmut gewährt;
Verwundete finden durch ihn Heilung,
Ein Leichentuch, wer in die Grube fährt.

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Die Geschichte von Ma’n ibn Zâîda und dem Beduinen

Ma’n ibn Zâîda wieder auf Jagd. Diesmal begegnet er einem Gurkenbauer, der ihm verrät, dass er gedenkt, die Gurken Ma’n ibn Zâîda zu verkaufen, und zwar für tausend Dinare.

"Wenn er dir aber sagt, das sei zuviel?"
"Dann verlange ich fünfhundert Dinare."
"Wenn er dann wieder sagt, zu teuer?"
"Dann verlange ich fünfhundert Dinare."

Usw. Der Emir führt die Verhandlung praktisch schon hier.
Und wenn dreißig Dinare dem Emir noch zuviel sind?

"Dann lasse ich die Füße meines Esels in den Harem treten und kehre enttäuscht und mit leeren Händen zu meinem Volke heim."

Die beiden trennen sich, und Ma’n ibn Zâîda befiehlt seinem Kammerherrn, den Gurkenhändler, sobald er auftaucht, zu ihm zu führen. Tatsächlich handelt er ihn auf unter dreißig Dinare runter, bis sich der Gurkenbauer über die Situation im Klaren ist und Ma’n ibn Zâîda erkennt:

"Hoher Herr, wenn du mir nicht die dreißig Dinare gibst, du weißt, da ist der Esel an die Tür gebunden, und da sitzt Ma’n!"

Der Kommentar zu dieser Stelle bemerkt:

Dem Ganzen liegt ein obszöner Witz zugrunde, der nach der Kalkuttaer und der Kairoer Ausgabe verschieden ausgelegt werden kann.

Aber weder die eine noch die andere Auslegung bietet man uns an. Also: Soll nahegelegt werden, dass in diesem Harem genausogut ein Esel statt Ma’n ibn Zâîda Recht auf die Frauen habe?

Ma’n ibn Zâîda gibt dem Bauern schließlich die Summer aller zwischenverhandelten Preise: 2180 Dinare.

Allah hab alle die großmütigen Männer selig!

*

Die Geschichte von der Stadt Lebta

Im Land der Romäer gab es in der Stadt Lebta eine Burg, vor diese ließ jeder König ein neues Schloss anbringen, bis schließlich vierundzwanzig Schlösser davorhingen. Als ein neuer König aus einem anderen Geschlecht gekrönt wird, will dieser die Burg öffnen lassen, das Volk versucht in jedoch mit Geschenken abzuhalten.

Gemeint sind die Oströmer. Lebta ist evtl. verfälscht Ceuta, das zurzeit der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Arabern noch in oströmischer Hand war.

Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an.

 

272 Ma’n ibn Zâîda war ein wegen seiner Großzügigkeit berühmter Emir aus dem 8. Jh. u.Z.… Weiterlesen

Szenen-Musik vs. Song-Musik

Der Impro-Musiker unterstützt die Spieler in den Szenen am besten durch akzentuierte bzw. emotional gehaltvolle Musik. Song-Strukturen bieten sich eher in Musicals o.ä. an. In einer einfachen Szene erschwert Song-Musik dem Schauspieler oft, klare Akzente zu setzen. Und auch für den Zuschauer ist dahinperlende Musik gar nicht so wichtig. Wir brauchen Unterstützung bzw. Kontraste.

Liebe, Kunst und Eitelkeit

N. achtete immer sehr genau auf den Applaus jedes Spielers. Dass G. manchmal mehr Applaus bekam, wurmte ihn so sehr, dass er jedes Mal einen Tag brauchte, um sich aus seiner Depression hochzuarbeiten. Er machte ein halbes Jahr Pause und erkundigte sich immer wieder, ob das Publikum ihn vermisse. Tatsächlich fragten ab und zu Zuschauer nach G., aber „ab und zu“ war ihm zu wenig.
Und irgendwann hatten sie ihn vergessen. Schließlich kamen sie ja auch in erster Linie wegen der Gruppe.
G. verlor die Lust an der Kunst. „Wenn mich die Leute nicht lieben, dann brauchen sie meine Kunst ja nicht.“

„And, in the end, the love you take is equal to the love you make.“

Eitelkeit verdirbt die Kunst. Immer wieder. Sie mag als Kickstarter ab und zu funktionieren. Auf Dauer ist sie wie ein Geschwür, die das Spielerische der Kunst zerstört.
Du kannst Liebe nicht erwarten. Du kannst Liebe nur geben. Wenn sie zurückkommt, ist’s ein Geschenk.

271. Nacht – e)

Übe derzeit von Mozarts Klaviersonaten die langsamen Sätze aus:

– Sonate in F, KV 280
– Sonate in B, KV 281 (im Vibraphon-Sound)
– Sonate in Es, KV 282

Alle drei Sätze der

– Sonate in C, KV 545

Die Allegro-Sätze der

– Sonate in B, KV 333 (fast aufgegeben)
– Sonate in F, KV 332

Außerdem

– Mussorgskis Promenade aus "Bilder einer Ausstellung"
– Händels "Fantasie" G-Dur

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Perî Banû lässt nach ihrem Bruder Schabbar schicken. Dieser trifft ein:

Ein Männlein von Zwergengestalt, das nur drei Fuß hoch war, mit einem Höcker auf der Brust und einem Buckel auf dem Rücken; doch trotzdem trug er eine stolze Miene und ein geheimnisvolles Aussehen zur Schau. Auf seiner rechten Schulter lag eine Keule aus Stahl, die zweihundertsechzig Pfund wog. Sein Bart war dicht und zwanzig Ellen lang, aber so kunstvoll geflochten, dass er den Boden nicht berührte; auch trug er einen langen gedrehten Schnauzbart, der sich bis zu seinen Ohren hinaufkräuselte, und sein ganzes Gesicht war mit langen Haaren belegt. Seine Augen sahen ähnlich ie Schweinsaugen aus; sein Kopf, auf dem er einen kronenartigen Haarwulst trug, war ungeheuer groß und hob sich gewaltig gegen den winzigen Leib ab.

Als Ahmed und Schabbar nun in die Hauptstadt gehen, fliehen die Einwohner vor Schrecken in ihre Häuser und lassen Pantoffeln und Turbane fallen. Auch der König hält sich vor Grausen die Hände vors Gesicht, was den Zwerg erzürnt.

Und so hob der Dämon, ohne einen Augenblick zu zögern, seine stählerne Keule, schwang sie zweimal durch die Luft und traf, ehe der Prinz Ahmed den Thron erreichen konnte, den Sultan so gewaltig auf den Kopf, dass sein Schädel zerschlagen und das Hirn über den Boden gespritzt ward.

Den Großwesir kann Ahmed gerade noch so retten.

Warum eigentlich?

Doch die anderen Minister und die Hexe werden von Schabbar erschlagen.
Ahmed wird nun zum König, macht seinen Bruder Alî mitsamt Gattin Nûr en-Nahâr zum Statthalter einer großen Stadt und bietet dies auch Husain an, der aber das Derwischleben vorzieht.

Bemerkenswertes Happy End: Der Vatersmörder als neuer König.

 

Die Geschichte von Hâtim et-Tâi

Hâtim et-Tâi (ein für seine Großzügigkeit berühmter vorislamischer Held der arabischen Welt) wurde auf einem Berg bestattet, um ihn herum Statuen junger Mädchen.
Der König von Himjar Dhu el-Kurâ lagerte dort eines Nachts mit seinen Gefährten und spottet vorm Schlafengehen:

"O Hâtim, wir sind heute abend bei dir zu Gaste, und wir verschmachten vor Hunger."

Des Nachts erscheint ihm Hâtim et-Tâi im Traum und erschlägt die Reitkamelin, die tatsächlich stirbt, als Dhu el-Kurâ erwacht und gebraten wird.
Als sie am nächsten Tage weiterreiten begegnet ihnen Âdi, der Sohn des Hâtim et-Tâi und bietet ihnen eine Reitkamelin an, da ihm dies sein Vater im Traum befahl. So war Hâtim et-Tâi selbst im Tode noch großzügig.

Der Weise

271. Nacht – d)

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Gebrauchsanweisung für Großstädte

1. Das Dörfchen in der Stadt
Glaube nicht, die ganze Stadt bewohnen zu müssen. Nutze ein paar wenige Orte, in denen du arbeitest, wohnst, dich erholst. Vor allem junge Kleinstadtbewohner, die in die Großstadt ziehen, sind zunächst vom kulturellen Überangebot fasziniert, dann gestresst und irgendwann überfordert. In deiner Kleinstadt gab es alle 10 Wochen eine Theaterpremiere. Hier gibt es 10 Theaterpremieren pro Tag! Vergiss das "Das muss man gesehen haben", das dir deine neuen Freunde einzureden versuchen. Gar nichts muss man. Behalte die Übersicht über deine Gegend.

2. Behalte die innere Ruhe inmitten der Hektik.
Hektik steckt an. Behalte deine innere Ruhe. Vor allem im Straßenverkehr. Bedenke, dass jeder sein eigenes Timing hat. Lass es ihnen.
Wenn dich die Hektik erfasst hat, tu weniger und das richtig.

3. Ignoriere das Ignorierbare.
Wie du schon bemerkt haben dürftest: Die Stadt ist voller Freaks und Verrückter. Aber du bist einer von ihnen. Lass dich nicht vom Wahnsinn in die Irre oder in den Ärger treiben. Kleine Regelverstöße sind Teil des Großstadtalltags.

4. Bewahre dir Empathie und Zivilcourage
Ignoriere nicht das, was man nicht ignorieren darf. Dutzende mögen an einem Mann der auf einer Treppe zusammengebrochen ist, vorübergehen. Hilf ihm!
Schreite ein, wo man einschreiten muss. Du kannst den Hundebesitzer, der den Dreck seines Tieres nicht beseitigt, ignorieren, nicht aber jemanden, der einen anderen bedroht.

5. Natur
Großstädte sind Betonwüsten. Großstadtbewohner leben tendenziell kürzer. Suche Luft, Licht, Natur und Bewegung. Täglich.

6. Sei ein guter Nachbar.
Je mobiler wir sind, umso distanzierter wird unser Verhältnis zu unseren Nachbarn. Baue zu ihnen ein gutes Verhältnis auf. Gegenseitige Hilfe und Rücksichtnahme ist wichtiger als Recht behalten.

7. Nimm Übles nicht persönlich
Der blökende Busfahrer, die betrunkene Radfahrerin, der fiese Fahrkartenkontrolleur – sie scheinen es alle auf dich abgesehen zu haben. Haben sie nicht. Sie leiden heute lediglich an der Großstadt. Es hat nichts mit dir zu tun.

8. Entdecke die Stadt
Wohne in deinem Viertel, aber suche von Zeit zu Zeit immer wieder ungewöhnliche Orte in deiner Stadt auf.

9. Tu Gutes, aber erwarte es nicht.

10. Sieh das Ganze
Eine Großstadt ist ein ungeheuer komplexer Prozess. Mach dir die Mühe und versuche, sie dir vorzustellen, als von dir geschaffenes Räderwerk, in dem alles seinen Platz hat. Sei jedem dankbar für seine Arbeit hier.

11. Genieße die Freiheit.

 

***

 

Man hätte es sich denken können, aber die Hexe rät nun dem trübsinnigen König, den Sohn eine weitere Aufgabe lösen zu lassen:

"Du brauchst dem Prinzen Ahmed nur zu befehlen, dir Wasser aus dem Löwenquell zu bringen. Er muss notgedrungen um seiner Ehre willen deinen Wunsch erfüllen."

Tatsächlich wünscht sich der Vater dies, und Ahmed trägt Perî Banû diesen Wunsch vor, die Böses ahnt, aber ihn instruiert, wie Egon Ohlsen einst seine Gefährten. Um die wilden Löwen, die das Wasser hüten, zu besänftigen, braucht er:
– einen Garnball
– Zwei Rosse
– ein in vier Teile zerlegtes, frisch geschlachtetes Schaf
– eine Phiole
Statt zu Bang Johansen reitet Ahmed nun zur Löwenquelle, besänftigt die Löwen mit dem geschlachteten Schaf, die ihn, nachdem er das Wasser geschöpft hat, auch noch in die Stadt seines Vaters begleiten.

 

Das Wasser der Löwenquelle hat übrigens dieselbe allheilende Wirkung wie der Apfel, den Ahmed zu Beginn der Geschichte bereits besorgt hatte und welcher Nur en-Nahâr geheilt hatte.
Doch auch ein drittes Mal setzt die Hexe dem König einen Floh ins Ohr, und er verlangt nun von seinem Sohn:

"Ich möchte, dass du mir einen Mann bringst, der an Wuchs nicht mehr als drei Fuß misst, aber einen Bart von zwanzig Ellen Länge hat; der soll auf seiner Schulter einen kurzen stählernen Stab, zweihundertsechzig Pfund schwer, tragen, den er mit Leichtigkeit hebt und, ohne die Stirne kraus zu ziehen, um seinen Kopf wirbelt, so wie die Menschen hölzerne Keulen schwingen."

Einen solchen Mann gibt es – den Bruder von Perî Banû.… Weiterlesen