Da ich Fernsehnachrichten eigentlich nur noch schaue, wenn ich mal in einem Hotel übernachte, also vielleicht fünf bis zehn Mal im Jahr, will sich dieses moderne Bild der ständig in den Teleprompter guckenden Models nicht richtig in meinen Kopf einprägen. Der Prototyp des Nachrichtensprechers wird für mich wahrscheinlich der Sprecher der heute-Nachrichten Gerhard Klarner bleiben. Ein dicker, gutmütig wirkender Onkel mit Schnurrbart und Brille, der mit sonorer Stimme die Nachrichten vom Blatt las. Wir waren ja, vor allem als Kinder, eher heute-Gucker, wahrscheinlich wegen der kinderkompatibleren Sendezeit. Aber der konservativere Touch des ZDF blieb auch mir nicht verborgen.
Schön, das mal wiederzufinden:

 

An einem einzigen Tag über 100 Tote durch Anschläge, aber nicht in Bagdad oder Kabul, sondern in London, Madrid und Amsterdam. Man schreibt das Jahr 1983, und die Themen scheinen dieselben wie die der letzten Jahre zu sein: Terrorismus und Palästinenser-Frage. Die Regierung und die Arbeitgeber fordern die Gewerkschaft zur Mäßigung auf. Der Gewerkschafts-Chef meint, von der 35-Stunden-Woche hinge Sein oder Nichtsein der Gewerkschaften ab – eine seltsame Logik im Übrigen: Als ob es nicht um die Zwecke der Organisation ginge sondern um die Organisation an sich. (Ob da das ZDF dahintersteckte, dass den Kanzler als bedächtig und den Gewerkschafts-Chef als Jammerlappen darstellte.) Kann man mit den Grünen koalieren? (fragte sich damals die SPD, heute die CDU.) Dass Hunderte Schriftsteller zur Wehrdienstverweigerung aufrufen (und damals gab es noch keine Auslandseinsätze der Bundeswehr!), darauf kann man heute lange warten.

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Die Geschichte von Ma’n ibn Zâîda

Als Ma’n ibn Zâîda 272 eines Tages ausreitet, dürstet ihn, aber seine Diener haben kein Wasser. Drei Mädchen kommen des Wegs, die ihn aus ihren Wasserschläuchen trinken lassen. Da die Diener nicht nur kein Wasser haben, sondern auch kein Geld zum Bezahlen, vergilt er den Mädchen die gute Gabe mit den güldenen Spitzen der Pfeile aus seinem Köcher, woraufhin die Mädchen seine Identität erraten und jede einen Lobes-Vierzeiler improvisieren. Einer mag hier genügen

Er krönet die Pfeile mit Spitzen von Golde
Und sendet dem Feinde, was Großmut gewährt;
Verwundete finden durch ihn Heilung,
Ein Leichentuch, wer in die Grube fährt.

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Die Geschichte von Ma’n ibn Zâîda und dem Beduinen

Ma’n ibn Zâîda wieder auf Jagd. Diesmal begegnet er einem Gurkenbauer, der ihm verrät, dass er gedenkt, die Gurken Ma’n ibn Zâîda zu verkaufen, und zwar für tausend Dinare.

"Wenn er dir aber sagt, das sei zuviel?"
"Dann verlange ich fünfhundert Dinare."
"Wenn er dann wieder sagt, zu teuer?"
"Dann verlange ich fünfhundert Dinare."

Usw. Der Emir führt die Verhandlung praktisch schon hier.
Und wenn dreißig Dinare dem Emir noch zuviel sind?

"Dann lasse ich die Füße meines Esels in den Harem treten und kehre enttäuscht und mit leeren Händen zu meinem Volke heim."

Die beiden trennen sich, und Ma’n ibn Zâîda befiehlt seinem Kammerherrn, den Gurkenhändler, sobald er auftaucht, zu ihm zu führen. Tatsächlich handelt er ihn auf unter dreißig Dinare runter, bis sich der Gurkenbauer über die Situation im Klaren ist und Ma’n ibn Zâîda erkennt:

"Hoher Herr, wenn du mir nicht die dreißig Dinare gibst, du weißt, da ist der Esel an die Tür gebunden, und da sitzt Ma’n!"

Der Kommentar zu dieser Stelle bemerkt:

Dem Ganzen liegt ein obszöner Witz zugrunde, der nach der Kalkuttaer und der Kairoer Ausgabe verschieden ausgelegt werden kann.

Aber weder die eine noch die andere Auslegung bietet man uns an. Also: Soll nahegelegt werden, dass in diesem Harem genausogut ein Esel statt Ma’n ibn Zâîda Recht auf die Frauen habe?

Ma’n ibn Zâîda gibt dem Bauern schließlich die Summer aller zwischenverhandelten Preise: 2180 Dinare.

Allah hab alle die großmütigen Männer selig!

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Die Geschichte von der Stadt Lebta

Im Land der Romäer gab es in der Stadt Lebta eine Burg, vor diese ließ jeder König ein neues Schloss anbringen, bis schließlich vierundzwanzig Schlösser davorhingen. Als ein neuer König aus einem anderen Geschlecht gekrönt wird, will dieser die Burg öffnen lassen, das Volk versucht in jedoch mit Geschenken abzuhalten.

Gemeint sind die Oströmer. Lebta ist evtl. verfälscht Ceuta, das zurzeit der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Arabern noch in oströmischer Hand war.

Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an.

 

272 Ma’n ibn Zâîda war ein wegen seiner Großzügigkeit berühmter Emir aus dem 8. Jh. u.Z.

272. Nacht – heute ist heute anders
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