Das Ego

In der Improvisation liegen alle Hürden, Klippen und Chancen des künstlerischen Schaffens offen. So auch die Eitelkeit des Künstlers. Wird im arrangierten Musikstück oder im geschriebenen Theaterstück das Ego des aufführenden Künstlers durch die Noten bzw. den Text gebändigt, müssen sich die Mitspieler bei der Live-Improvisation auf die Disziplin und die Unterordnung des Egos unter das Gesamtwerk verlassen können. Das gilt im übrigen auch für Soloimprovisationen.
Die Falle, in die der Impro-Spieler dabei so leicht tappt liegt darin, dass das Publikum egoistische Solo-Aktionen oft honoriert und den Spieler dann hinterher auch noch lobt.
Im modernen Jazz geben sie ja dem Ego bekanntlich dadurch Zucker, dass sie (oft völlig überflüssig) jedem Spieler sein Solo zubilligen. Die Zuhörer klatschen, nächstes Solo.
Beim Impro-Theater braucht der Spieler die Sensibilität des Autors, des Dramaturgen und des Regisseurs. Wenn du gerade nicht gebraucht wirst, dann halt die Klappe, geh von der Bühne. Bill Murray, war ein ganz großartiger „Unterstützer“ im Second City Theater. Sehr bescheiden und stets im Dienst der Szene, und deswegen bei seinen Mitspielern beliebt. (Halpern/Close: „Truth in Comedy“)
Das Lob der Zuschauer trügt oft bei der Improvisation. Höre genau hin, wofür sie dich loben. Für deine Witzigkeit? Dann hast du bestimmt was falsch gemacht. Zuverlässiger ist das Feedback der Mitspieler.

Bühnenwirkung

Intensität zwischen Improspielern entsteht zweifellos durch Augenkontakt. Allerdings scheinen die Spieler im Allgemeinen die Wirkung nach außen überzubewerten. Zwei Figuren, die sich ansehen, haben nach außen wenig Wirkung. Im Gegensatz dazu: Eine Figur, die von der anderen angestarrt (oder auch angehimmelt, beäugt usw.) wird und selbst Richtung Publikum blickt.
Andererseits wirkt der Blick ins Publikum oft eitel und aufgesetzt. Hier eine gute Balance zu finden ist eine schwere Aufgabe.

Falle des Theatersport

An einem Abend der Improgruppe A. sprang X von einer Theatersportgruppe ein. Er wirkte wie ein Fremdkörper in der an sich recht sensiblen Show. Fast alle seine (in der Regel sehr eitlen) Spielzüge waren davon geleitet, ob das jetzt einen Gag bringt. Kein Gespür für längere Fäden.
Verdirbt Theatersport den Impro-Charakter?

Schaffens-Blockaden

Sowohl zu wenig als auch zu viel Auseinandersetzung mit der Materie kann zu Blockaden führen.
Zu wenig? Man muss im Schreibfluss bleiben, um den Geist wachzuhalten, das Schaffen nicht abreißen zu lassen usw. Man muss die Spielroutine am Laufen halten, um nicht zu erlahmen. Zu viel? Wenn ich wieder und wieder an der selben Stelle arbeite, verliert meine Arbeit ihre Effizienz und ihre Frische. „La siesta, mindfully employed and gainfully enjoyed, can be a powerful instrument of spiritual awakening. Perhaps the most radical sociopolitical invention oft the past four thousand years was the sabbath.“ (Stephen Nachmaovitch: Free Play. Improvisation in Life and Art
Gerade für uns Freischaffende ist es so schwierig, sich wirklich freie Tage zu reservieren, an denen man nicht mit Schreiben, Organisieren usw. beschäftigt ist, sondern bewusst (und ohne schlechtem Gewissen!) ruht. Wenn man es aber tut, dann ist der Schaffensdrang danach um so größer.

Impro-Shows als Sensation?

Als ich vor einer Weile S.K. davon erzählte, dass wir mit unseren Impro-Shows in Schwaben recht erfolgreich gewesen wären, meinte er mit spöttelndem Unterton: „Ach, die kann man auch noch damit beeindrucken, dass man auf der Bühne auch improvisieren kann.“ Trotz der Unverschämtheit dieses Statements und dem Umstand, dass S.K. noch nie eine Show von uns gesehen hat, trifft er damit natürlich einen wunden Punkt: Impro-Theater präsentiert sich fast überall in Deutschland als Sensation, ähnlich wie es Zauberer tun. Man muss sich also nicht wundern, wenn das Publikum entsprechend skeptisch ist und dahinter den Trick sucht. Oder wenn die Zuschauer schnell ausbleiben, weil sie glauben, schon alles zu kennen. (Einen Zauberer guckt man sich ja auch nicht zweimal an.) Besser also: Improtheater als normale Form der Bühnenunterhaltung zu etablieren und nicht so ein Bohei draus zu machen.

Publikumsbindung

Wollte heute Abend zur Impro-Show der Gruppe „…“ gehen, und habe es dann doch nicht getan. Warum nicht? Dachte erst, wegen dem Regen. Aber in Wahrheit, weil ich nichts wirklich Neues erwartet habe.
Das also ist entscheidend, um Publikum dauerhaft zu binden: immer neu, immer frisch bleiben, selbst auf Entdeckungsreise gehen. Höre nicht auf die erhitzten Zuschauer, die dir sagen, wie witzig dieses oder jenes Game war. Ich komme nur dann wirklich wieder, wenn ich nicht gelangweilt werde. Die Spieler sollen etwas riskieren – in der Art wie sie spielen, Geschichten erzählen, wie sie auftreten usw.

Löcher

Oft stehen Spieler einfach nur auf der Bühne rum, verziehen sich an den hinteren oder seitlichen Rand der Bühne.
Als Improspieler brauchen wir jedoch permanente Spielbereitschaft. Das heißt:
– ständige Bereitschaft, auf die Bühne zu gehen
– Bereitschaft zu definieren, zu etablieren, zu behaupten
– Bereitschaft, das Spiel mitzuspielen
– Bereitschaft zu akzeptieren
Fehlt diese Spielbereitschaft entstehen „Löcher“. Als Zuschauer hat man das Gefühl, die Spieler wüssten nicht, was sie da tun. Im schlimmsten Fall kommunizieren die Spieler, dass es ihnen unangenehm ist, auf der Bühne zu stehen.

Es geht nicht darum, ob eine Szene langsam oder schnell gespielt wird. Man sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass langsame Szenen eine ganz besondere Portion der inneren Spannung brauchen, die sogenannte inner action (Viola Spolin). Auch wenn man gemeinsam den Ort, die Handlung, die Personen usw. definiert, muss dem Spiel selbst eine Kraft innewohnen, die kommuniziert, dass jeder weiß, was er tut.
– Klarheit der Gesten
– Klarheit der Handlungen
– und vor allem Kraft der Emotion

Die Bereitschaft, das Spiel des anderen mitzuspielen, führt im besten Falle zum kinetischen Tanz. Ein Spielzug ergibt automatisch den nächsten, eben so wie bei einem gemeinsamen Tanz.

Mitspielbereitschaft bedeutet nicht Lauerhaltung. Genau so, wie ich mitspiele, muss ich auch jederzeit bereit sein zu definieren, den ersten Satz zu sagen, das erste (vielleicht blinde) Angebot zu machen.

Je größer meine Mitspielbereitschaft ist, um so stärker bin ich mit meinem Focus am Spielgeschehen, und zwar auch als Spieler, der gerade nicht auf der Szene ist, so wie ein Basketballspieler, der jederzeit eingewechselt werden kann. Und in dieser Mitspielerhaltung, bin ich auch bereit, jedes Angebot zu akzeptieren, auf jedes in der Luft liegende Spiel einzusteigen usw.

Unterrichten III

Beim Unterrichten bevorzuge ich das Bild des Basketballteams. Alle müssen

  •   in ständiger Bereitschaft sein, den „Ball“ (d.h. das Angebot) zugespielt zu bekommen
  •  jederzeit bereit sein, den „Ball“ weiterzuspielen, d.h. fortführende Angebote machen („Yes, and..“) und dafür wachsam sein, dass der Ball auch aufgefangen werden kann 
  •  sich als Team verstehen: Nur gemeinsam schaffen wir es.
  • hellwach bleiben, um zu lernen oder jederzeit einzuspringen. Das gilt besonders auch für die Spieler auf der „Reservebank“, d.h. Zuschauende im Workshop oder im Off stehende Mitspieler.

Moderation im Dunkeln

Glücklicherweise fällt mir das Anmoderieren im Dunkeltheater von Mal zu Mal leichter. Selbst wenn einige ordinäre Frauen-Grüppchen oder vorlaute Witzbolde im Publikum sitzen. Es hilft, sich vorzustellen, es sei alles ein großer Spaß (was es ja dann auch ist).
 nicht zu sehr auf die „witzigen“, unsachlichen Zwischenrufe eingehen, denn die kommen in der Regel von Witzbolden und bringen uns nicht voran. Wenn man darauf eingeht, dann möglichst nicht inhaltlich.

  •  nicht sagen, wie lange es dauern wird,
  •  Scherze nicht runterrattern,
  •  keine Insidergags und keine zu anspruchsvollen Scherze.
  •  immer wieder: Publikum an die Hand nehmen.
  •  Klarheit des sprachlichen Gestus (dann kann man sich sogar versprechen, ohne dass es auffällt)

Funny Games IV

„Meine Spiele sind mehr als bloß ein Haufen Übungen. Richtig angewendet sind sie ein Lernsystem, das die intuitive Kraft des Einzelnen erreichen und sein Genie freisetzen kann.“ (Viola Spolin in Janet Coleman: „The Compass. The Improvisational Theatre That Revolutionized American Comedy“)