Begegnung am Bahnhof Zoo

Zum Bahnsteig hoch! Mir schmerzten schon die Beine,
so rannte ich. Die Türen gingen zu.
Der Zug fuhr fort, doch ich war nicht alleine.
Am andern Ende dieses Bahnsteigs: Du.

Ein Lächeln, so als kennte man sich ewig.
Drei Stunden, und dann kommt die nächste Bahn.
Spaziern im Zoo. Und vor dem Puma-Käfig
hast du den Tau gewischt aus meinen Haarn.

Du schautest auf den Grund von meinem Wesen.
Ich weiß, ich sah auch deine Seele klar.
So wie verbotnes Tagebücherlesen,
so nackt, so tief und ungeheuer wahr.

Die Zeit! Der Zug! Vorbei am lila Flieder.
Den Bahnsteig hoch! Zum Abschied schnell umarmen.
„Am Sonntag hier!“ Ich sah dich nie mehr wieder.
Und ach, ich kannte nicht mal deinen Namen.

Auf der Suche nach dem Glück

Klar: Wir können unser Glück nicht halten.
Glücklich werden können wir versuchen.
Glück ist flüchtig. Und bald ist’s beim Alten:
Dass wir jedem unsrer Tage fluchen.

Weiser scheint’s, mit Glücklichsein zu starten.
Denn das Werden ist im Sein bereits verborgen.
Vorteil: Ich muss gar nicht lange warten,
ob das Glück kommt vielleicht übermorgen.
Jeder Tag ist meines Glückes Garten,
find mein Glück ich selbst in meinen Sorgen.

Benefiz-Shows

Es mag hart klingen, aber Benefiz-Shows sind in den allermeisten Fällen eine Katastrophe. Das hat folgenden Grund: Bei Benefiz-Veranstaltungen versuchen die Veranstalter meistens eine riesige Menge an Künstlern zu gewinnen. Am besten viel, am besten alles, am besten zugleich. Oder sie sind so sehr mit ihrem politischen oder sozialen Anliegen beschäftigt, dass ihr nur noch eine kleine Rolle spielt. Die Folge ist häufig ein organisatorisches und technisches Chaos. Da das Geld als Druckmittel fehlt, sehen sich manche Veranstalter nicht mehr an Vereinbarungen gebunden.

„Ihr müsst jetzt doch parallel zur Band spielen. Aber das stört euch doch nicht, oder? Improvisiert doch einfach, höhöhö.
Es gibt zum Essen doch nur noch kaltes Chili con carne.
Ich weiß, wir hatten Headsets vereinbart, aber ich kann jetzt den Olli nicht erreichen.“

Macht Ausnahmen nur dann, wenn es sich um professionelle Veranstalter handelt, die solche Shows mehrfach organisiert haben und wenn es nicht parallele (musikalische) Veranstaltungen gibt.
Und wer eine Benefiz-Show obendrein Open Air spielt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein hohes Lehrgeld zahlen.

Richtig popichtig

Fein geblasen die Oboe!
Stolz neigt sich der Oboist.
Kein Verriss ihm heute drohe,
weil’s so hübsch geraten ist.

Und der Kritiker nückt wüchtig:
„Sein Spiel war heute ziemlich gut.
Jeder Ton präzis und richtig,
wie man’s mit Oboen tut.“

Doch war Richtigkeit im Grunde
nie des Oboisten Ziel.
Spiel’n wir frei wie junge Hunde,
finden wir den eignen Stil.

Der Erfahrungssammler

Wieviel darf ich aus dem reichen Leben kosten?
Tausend Früchte werden überall serviert.
Ja, was ist schon Leben, wenn man’s nicht verziert?
Muss mich ganz trainieren, will ich nicht verrosten.

Bereist die Welt – den Norden, Süden, Westen, Osten.
Erfahrung auf Erfahrung hab ich aufgetürmt.
Wer mich aufgehalten, dem hab ich gezürnt.
Und so finde ich mich auf verlornem Posten.

Erfahrungen hort’ ich wie einen Haufen Plunder.
Ungeordnet bleiben eitle Sensationen.
Wollte ich in diesem Chaosleben wohnen?

Wie genießt man nur des Lebens wahre Wunder?
Innehalten nach dem allzu wilden Tanz.
Der Schmetterling ahnt nichts von seiner Eleganz.

Wannisanmannanmann

(Später Nachtrag zu H. Grönemeyers Reflexionen)

Bist ein Mann, wenn ohne Zagen
du erträgst des Tages Plagen?

Schlägt ein Mann, wenn’s sein muss, frisch
die Faust recht laut mal auf den Tisch?

Oder gilt dem Manne Achtung,
der sich still übt in Betrachtung?

Oder ist nur der ein Mann,
der alles fließen lassen kann?

Doch bisweilen denk ich schlau:
Man ist’s durch Gegenteil – die Frau.

O du heilige Antike

Wenn die Griechen Felder pflügten,
sind sie da in Togen rumgeeiert?
Wurden Gladiatoren angefeuert?
Im alten Rom? Auch wenn sie nicht siegten?

Jeder zweite Römer war ein Krieger,
jeder zweite Grieche Philosoph.
Für die Zivilisation schön doof:
Am Ende blieben die Barbaren Sieger.

Jerusalem, Athen und Babylonien.
Sie hatten’s schwer, doch heute ham wir’s schwerer.
Pyramiden, Rad, Theater, Geld,
mediterranes Wetter, schöne Welt.
Wir finden unser Selbst in jener Ära.
Oder sind’s nur unsre Projektionen?