Schehrezâd erzählt in der ersten Nacht

Die Geschichte vom Kaufmann und dem Dämon

  • “Es wird berichtet”

so beginnt Schehrezâd distanziert sich wieder vornehm vom Erzählten. Eine Habitus, der bei unseren Lesungen gar nicht funktionieren würde. Umgekehrt ist anzunehmen, dass Schehrezâd, wenn sie sich gegenüber dem König erdreistete, eine putzige Loser-Geschichte aus ihrem Leben zu erzählen, am nächsten Morgen geköpft würde.

Ein Kaufmann wirft, nachdem er eine Dattel verspeist hat, ihren Stein fort. Da erscheint ein Dämon mit gezücktem Schwert und will ihn töten, denn er habe mit dem Dattelstein seinen Sohn umgebracht.
Man fragt sich, was das für Dämonen sind, die einerseits durch Dattelsteinwürfe zu töten sind, andererseits mit Schwertern hantieren.
Der Kaufmann legt sein Leben in die Hand Gottes und rezitiert ein sechzehnversiges Gedicht, das im Deutschen in Hexametern wiedergegeben wird. Seine Message: Es gibt schöne und weniger schöne Tage, daran kann man nichts ändern. Eigenwilliges Verspaar:

  • Und siehst du nicht, wie im Meere die Leichen nach oben treiben,
    Die kostbaren Perlen aber tief im Grunde bleiben?

Da muss ich passen: Weder das eine noch das andere habe ich je mit eigenen Augen gesehen. Allerdings: Als ich im Jahr 2004 in Sharm el-Sheik die Gelegenheit hatte zu schnorcheltauchen, erspähte ich, kurz bevor mir die Luft knapp wurde, eine im Durchmesser 30 Zentimeter große Muschel. Neugierig, ob sie vielleicht eine Perle barg, tippte ich sie an, und sie schnappte sofort zu. Wäre meine Reaktion etwas langsamer gewesen, hätte ich den Rest meines Lebens auf die oberen zwei Glieder meines Zeigefingers verzichten müssen oder hätte die Perle am Grunde lassen müssen und wäre Jahre später als Leiche nach oben getrieben.

  • Als nun der Kaufmann diese Verse gesprochen hatte, sagte der Dämon zu ihm: “Kürze deine Worte”

Das lag mir gerade auf der Zunge.

  • “bei Allah, ich muss dich töten.”

Doch der Kaufmann erbittet sich, ähnlich wie Damon (!) in Schillers “Bürgschaft” ein paar Tage Zeit, um seine Angelegenheiten zu ordnen.

  • “Allah ist Bürge für das, was ich sage”

“Ihn magst du, entrinn ich, erwürgen”, sagt der Freund bei Schiller. Allah hingegen wird wohl auch für einen Dämon nicht so leicht zu erwürgen sein.
Er klärt nun also seine Angelegenheit und kehrt mit einem Leichentuch (!) in den Garten zurück.

  • Und jener Tag war der Beginn des neuen Jahres.

sic!

Ein alter Scheich mit einer gefesselten Gazelle kommt des Wegs, dem der Kaufmann seine Geschichte berichtet.

  • “eine gar seltsame Geschichte, würde sie mit Sticheln in die Augenwinkel gestichelt, so wäre sie eine Warnung für jedermann, der sich warnen ließe.”

Dieses Bild taucht hier zum ersten Mal auf. Es ist zu bescheuert, als dass man es sich vorstellen kann. Ich tippe auf einen Reim im Arabischen.
Dazu kommen ein Scheich mit zwei schwarzen Windhunden und einer mit einer hellbraunen Mauleselin.
Allen wird des Kaufmanns Geschichte berichtet.

  • doch doppelt erklärt, das ist nichts wert, die ihr dies hört!

Auch gut.
Der erste Scheich versucht, sich ein Drittel des Blutes des Kaufmanns zu erkaufen, falls dem Dämon, der gerade auftaucht, die zu berichtende Geschichte gefällt. Dieser willigt ein.
Quasi eine offene Wiederholung des Motivs der Rahmenhandlung: Geschichte gegen Leben.

Die Geschichte des ersten Scheichs

  • “Die Gazelle ist meine Base.”

So so. Und seine Ehefrau obendrein. Aber auch gleichzeitig eine Hexe, die die Nebenfrau und deren Sohn in Rinder verzaubert. Die Färse wird geschlachtet. Und nun ist der Sohn – das laut schreiende Kalb dran.

  • “Da trat ich zu dem Kalb, das Messer in der Hand.” – –
    Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann und sie hielt in der verstatteten Rede an.

Guter Cliffhanger. Auf Dinazâds Lob hin, deutet sie noch an:

  • “Was ist all dies gegen das, was ich euch in der nächsten Nacht erzählen könnte, wenn der König mein Leben zu schonen geruhte.

Unschön klingendes Wort für den unschönen Job Nebenfrau: Kebse.

Die 1. Nacht
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