Die Geschenke der Gesandten an den König bestehen aus

fünfzig der erlesensten Mädchen aus Griechenland und aus fünfzig Mamluken und Gewändern aus Brokat und mit Gürteln aus Silber und Gold; jeder Mamluk trug in seinem Ohr einen goldenen Ring mit einer Perle, die tausend Goldstücke wert war. Die Mädchen waren gleichfalls geschmückt, und sie trugen Stoffe, die sehr viel Geld wert waren.

Der König berät sich nun mit seinen Wesiren. Der älteste unter ihnen namens Dandân46 rät ihm zu, das Heer auszurüsten und den König von Konstantinopel zu unterstützen, unter anderem,

weil der König von Griechenland dir Geschenke gesandt hat, die du angenommen hast.

Geschenke als Erpressung. Keine verlorengegangene Praxis, sondern selbst in scheinbar unkomplizierten Zusammenhängen wie auf Studentenpartys zu beobachten: Man bringt eine Flasche Wein als Geschenk mit und erkauft sich durch dieses Geschenk das Recht, mitzusaufen. In familiären und intimen Beziehungen wird es noch komplizierter. Je liebevoller und ausgesuchter das Geschenk, umso höher die Erwartungshaltung. Der Fluch der Geschenke-Reziprozität.
Auf unserer Tour durch Sibirien werden wir mit Werken der örtlichen Autoren beschenkt – fast alles Dichterinnen. Glauben die wirklich, wir könnten das alles lesen und verstehen oder würden uns da durcharbeiten? Allein in Omsk ein halbes Kilo Gedichte:

Der König erwidert lobend:

“Von deinesgleichen sollten die Könige sich Rat holen, und es erscheint mir angebracht, dass du die Vorhut des Heeres führst.”

Ob das wirklich eine Ehre ist für einen Mann in dem Alter? Aber man wünschte es sich schon für jeden, der zum Krieg rät, egal ob sie Cheney, Wolfowitz, Huntington oder auch Dandân heißen.

Man stellt ein Heer von zehntausend Reitern zusammen plus Fußvolk und Tross.

Als drei Tage verstrichen waren, zog das Heer in die Vororte der Stadt Bagdad.

Wozu? Um zu lagern?

Dann zieht man los und eilt 21 Tage lang. Das Heer lagert in einem Flusstal. Da man sich in der Nähe zum Feind befindet, kundschaftet Scharkân die Lage persönlich aus. Irgendwann wird er müde und schläft ein, während das Pferd weitergeht. Zu Mitternacht bemerkt er, dass er sich in der Nähe eines Klosters befindet. Dort spielen zehn Mädchen miteinander

Die Wiese strahlt in herrlichem Glanze
Der weißen Jungfrauen dort.
Noch lieblicher wird ihre Schönheit und Anmut
Durch sie, der herrlichen Tugenden Hort.
Jede der Jungfrauen nimmt gefangen
Durch zarte Bewegung und Blicke so weich.
Sie lassen Haare herunterhangen
Dichten Trauben der Reben gleich.
Sie bezaubern mit ihren Augen,
Senden treffsicher Pfeile aus.
Sie schreiten dahin, und sie besiegen
Mannenführer, erprobt im Strauß.

Strauß?

Eine von ihnen sagt auf arabisch (!):

“Beim Messias, nein, das ist von euch nicht fein. Aber jede, die von euch noch ein Wort spricht, werfe ich zu Boden und binde ihr die Hände auf dem Rücken mit ihrem eigenen Gürtel zusammen.”

was sie auch tatsächlich tut. Da tritt ein altes Weib hervor

und sagte wie im Zorn zu ihr: “Du Metze, freust du dich, wenn du die Mädchen zu Boden wirfst? Siehe, ich bin ein altes Weib, und doch habe ich sie vierzigmal geworfen! Was hast du also zu prahlen? Aber wenn du die Kraft hast, mit mir zu ringen, dann tue es; dann werde ich dich fassen und dir den Kopf zwischen die Füße legen.”

46 Dandân (= دندان) bedeutet “Zahn” und war das erste Wort, das ich auf Persisch konnte, nachdem Ralf aus dem Wörterbuch ein Wort herausgesucht hatte, das meinem Namen ähnelte.

46. Nacht
Markiert in:             

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert