Maischberger: Wer talkt ist immer der Dumme.

Seit 8 Monaten zum ersten Mal wieder deutsches Live-Fernsehen geschaut. Eine Maischberger-Talkshow zum Thema Arbeit und Einkommen mit dem Titel “Wer arbeitet, ist der Dumme”. 


Und was hat es mir oder irgendeinem Deutschen, der diese Show gesehen hat, gebracht? Wird irgendwer zu irgendeinem Thema seine Meinung geändert haben?
Aus den Talkshow-Schnipseln, die ich hier und da auf Videoplattformen gesehen habe, schließe ich, dass diese Sendungen überhaupt nicht mehr anders ablaufen: Zu viele Gäste, zu wenige qualifizierte Statements.
Wir sehen:
Heinrich Alt, Mitglied im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit: Seine Mission in dieser Sendung besteht darin, den Mitarbeitern dieses Apparats hervorragende Arbeit zu bescheinigen und jede Kritik an der Arbeitsweise dieses Monstrums abzubügeln.
Markus Söder, Bayrischer Finanzminister, der sich für die Sendung offenbar dadurch qualifiziert ist, dass er vor ein paar Jahren sich zu Karneval als Punk mit dem extrem originellen und realistischen T-Shirt-Spruch “Haste mal einen Euro” verkleidet hat.
Katja Kipping, Parteivorsitzende der Linken, setzt sich für das bedingungslose Grundeinkommen ein.  Söder fährt ihr immer wieder herablassend über den Mund. Und Kipping kann es leider nur verbal ausgleichen, nicht aber körpersprachlich. Die angezogenen Ellbogen senken ihren Status, sie lässt sich rückwärts ins Sofa plumpsen wie ein Teenager, wenn man sie anspricht, wendet sie sich ab und macht sich Notizen. Und auch ihr geglättetes Sächsisch schmerzt. “Ich fande…”
Ralph Boes überrascht mich zunächst (habe erst 1/2 Stunde nach Beginn der Sendung eingeschaltet). Sein “Brandbrief” und die Aktion “Sanktionshungern” waren an Pathos und Selbstgerechtigkeit kaum zu überbieten. Nun sitzt er ruhig da, und hört einfach nur zu. Der Schneidersitz, den zu thematisieren Söder sich nicht zu blöd ist, verstärkt das in sich Ruhende noch. Er lächelt entspannt. Als Maischberger ihn irgendwann etwas fragt, wird er, nachdem er gerade den zweiten Satz begonnen hat, von vier Leuten gleichzeitig unterbrochen. Das geschieht immer wieder, und als er dann aus der Haut fährt, wird klar, warum er dort im Schneidersitz hockt: Selbstbändigung.
Heidi Ralfs ist Putzfrau, die hauptsächlich Gedanken äußert wie “Das sehe ich nicht ein.” und “Warum soll ich hier…, während andere immer nur…”
Gisela Muth, eine Kosmetikproduzentin und, wie ich auf ein paar Websites erfahren kann, “Society-Lady”, was wohl soviel bedeutet wie, dass man auf teuren Partys mit wichtigen Leuten fotografiert werden darf, ohne etwas geleistet zu haben. Ihre Funktion in dieser Sendung besteht wahrscheinlich darin, durch ihr geliftetes und aufgespritztes Botox-Monster-Face TV-Zapper in Stocken zu bringen. Thematisch hat sie so viel mit dem Thema zu tun, als dass sie auch Angestellte hat, wie uns Tante Maischberger ins Gedächtnis ruft.
Maischbergers Funktion: Dramatisch gucken, bescheidwisserisch tun, Gesprächsteilnehmer provozieren.

Genügen bei einem solchen Thema nicht drei bis vier Teilnehmer? Personen, die nicht nur ihre persönliche Agenda durchkämpfen, sondern die zuzuhören verstehen, die ihre Argumente mit mehr als nur Emotionalität (“Das muss man doch wohl noch sagen dürfen!” und “Das kann man doch keinem zumuten!”) untermauern? Warum nicht zwei Philosophen und zwei Ökonomen zu Worte kommen lassen, die aber nichts mit irgendwelchen Parteien zu tun haben? Aber dann wäre wohl Maischberger überfordert.

Visualisierung

In anderem Zusammenhang habe ich von der Technik der Visualisierung gelesen. Mir ist dabei klar geworden, dass ich das gerade im Improtheater schon seit meiner Anfängerzeit benutzt habe:
Ich stelle mir z.B. mit geschlossenen Augen eine für mich typisch schwierige Impro-Situation vor und spiele mögliche Szenarien durch.
Auf diese Weise habe ich Games erfunden, Langformen, ganze Workshop-Einheiten und Show-Formate.
Die beste Zeit dafür: Im Mittags-Halbschlaf dösend.
Man mag einwenden, das widerspreche dem Impro-Gedanken, nichts vorauszuplanen. Aber ich plane nicht Szenen oder Storys voraus, sondern Möglichkeiten des Geistes und des Körpers, sich in bestimmten Situationen zu verhalten.