Träume, ich liefe den Marathon in Badehose.

Passend zur Diskussion bei der Chaussee und zum gegenwärtigen Thema in "Schmidt liest Proust" das Gespräch von Gottschalk und Reich-Ranicki:

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Di, 29.8.06

Die Anfrage, ob ich eventuell als Comedian und Animateur auf der Internationalen Flugausstellung auftreten möchte, habe ich nach kurzem Zögern zugesagt, schon weil ich wissen will, ob ich das kann und um Neues auszuprobieren. Werde nervös und notiere Gag-Ideen übers Fliegen, Flugzeuge usw. Erst als zwei Tage später de Absage kommt, wird mir klar, dass IFA die Abkürzung für Internationale FUNKausstellung ist.
Verabschiede mich von 37 Vinylplatten, die ich bei Ebay anbiete. Spiegellektüre. Interview mit Rushdie, der wohl anscheinend von seinen Ausflügen ins konservative Lager kuriert ist. Hat man tatsächlich als Liberaler eine so andere Wahrnehmung, nur weil man in den USA wohnt, so dass man wirklich glauben konnte, die Invasion in den Irak war gerechtfertigt?
Stelle Youtube-Video über die Räumung der Yorckstr. 60 ein.

 

U. erzählt, Oma gebe jetzt schon ihr Geld an uns, da sie es "mit warmen Händen" geben möchte. Eine Formulierung, die mich zutiefst irritiert, da sie sofort das Gegenbild – die kalten Hände eines Toten – evoziert.
Schmerzen in den Beinen. Hoffe, es ist kein Muskelfaserriss, der den Marathon verderben würde.

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Elitismus läge "an den Mitmenschen, die sich disqualifizieren". Wovon? Disqualifiziert sich etwa ein Kind durch seine Unwissenheit. Qualifiziert es sich wiederum durch seine Neugier? Für wen zählt man selber zum Mob?
J.S.: "Irgendwann wird mich die Anstrengung aber überfordern, die man aufbringen muss, um nicht elitär zu wirken." Vielleicht ist das der Punkt, an dem einen so ein Gleichmut befällt, dass diese Kategorien irrelevant werden.

Baron de Guermantes war einst "tonangebend": "Ob er zum Kuchenessen anstatt eines Löffels eine Gabel benutzte oder ein selbsterfundenes Essgerät, das er für seinen persönlichen Gebrauch bei einem Goldschmied hatte herstellen lassen, es war von dem Augenblick an nicht mehr erlaubt, anderes zu verwenden." Ist das nun bewundernswert, wenn das die "tonangebende" Leistung der kulturellen Elite ist?

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Mi, 30.8.06

Anfrage einer jungen Designerin, fürs Dunkeltheater ein Corporate Design zu erstellen – kostenlos. Wer weiß, wen wir drauf eingegangen wären, würden wir heute vielleicht noch regelmäßig spielen?
Vor dem Auftritt in die Sauna, so dass es mir gelingt, mich so zu entspannen, dass ich die Negativität meiner Kollegen auf der Bühne mit einem Lächeln wegstecke.

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J.S: "Ich kann für Menschen erst etwas empfinden, wenn sie etwas preisgegeben haben, was sie an sich nicht verstehen." Die große Leistung von Jochen und Stephan bei der Chaussee – immer wieder die eigenen Schwachstellen sichtbar zu machen, ohne dabei peinlich zu sein. In dieser Schonungslosigkeit sind diese beiden die einzigen Lesebühnenautoren, die dazu in der Lage sind.

Marcel erkennt, dass "Frauen auf Männer, mit denen sie leben, verfeinernd einwirken können." Und wieweit ist das umgekehrt der Fall?

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Do, 31.8.06

Im Theater sei eingebrochen worden, es fehlen Kasse, Lichtpult, Boxen. Wir suchen die Schuld zunächst bei uns – haben wir nicht abgeschlossen? Aber die Diebe kamen über den Hof.
Chaussee mit vielen guten Beiträgen, aber irgendwie nicht richtig rund. Jeder ein bisschen für sich. Nach dem Yorckstraßen-Video kommt tatsächlich in der Pause ein Hausbesetzer-Typ auf mich zu, der mich auffordert, mich zu positionieren. Immer wieder interessant, dass Ambivalenz für viele nur schwer auszuhalten ist.

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J.S.: "Bücher sind wie Gesprächspartner, die nicht weglaufen können, die Leser bürden ihnen ihr Seelenleben auf, und ihre Identifikation mit dem Buch ist vielleicht eine genauso fehlgeleitete Projektion wie die eines Stalkers mit seinem Opfer."

M.P.: "Ich befand mich in einer jener Perioden der Jugend, die, nicht von einer speziellen Liebe beherrscht, allem offen stehen."

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Fr, 1.9.06

Mit seinem Vorschlag, den Eintrittspreis auf 4 Euro bei der Chaussee zu erhöhen, löst J. eine längere interne Debatte aus. Am Ende entscheiden wir mit 4:2 Stimmen dafür.
Meine Stimme immer noch angegriffen vom stimmlich ungestützten Schreiausbruch auf der Bühne am Mittwochabend.
Bei einigen Impro-Spielern sehe ich schon vor der Show, wenn sie unfokussiert sind.

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Auf einer Party trifft Jochen den "Sänger einer Rockband, die man als Jugendlicher gehört hat."
Wer mag es sein? Von den Ostdeutschen könnte es eigentlich nur eine Band aus dem Untergrund sein. Eine Band wie Rockhaus hätte Jochen schon aus Peinlichkeitsgründen nie gehört. Eigentlich kommt nur Frank Trötsch in Frage.

Es deutet sich an, Marcel könnte eines Tages einen Roman schreiben.

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Sa, 2.9.08

Ein Tag ohne Einträge in meinem Tagebuch.Coaching der Peperonis und anschließend Kantinenlesen überfordert meine Kondition.

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Jochen schwänzt die Proustlektüre wegen eines Fußballturniers.

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29.8.-2.9.06
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