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Mi, 25.10.06
Anfrage einer Filiale der Bausparkasse Schwäbisch Hall für eine Impro-Show mit der BÖ. Ob die Spieler nicht auch ein Fuchskostüm anziehen könnten, das wäre doch witzig. Bin ich zu preußisch oder zu unschwul, um diese Art von Humor verstehen zu können? Trotz meiner Liebe zur Schauspielerei sind „witzige Kostüme“ oder gar Mottopartys gar nicht meine Sache.
Die BfA will Dokumente, damit ich Rente bekomme. Eigentlich keine üble Sache, aber instinktiv hält man solche Schreiben für eine Zumutung. Da ich nicht zu irgendwelchen Behörden laufen will, um mir die Echtheit der Kopien zu bestätigen, packe ich eine ganze Menge Originale mit rein: SV-Ausweis, Wehrdienstausweis.
Abends Show mit den Unexpected Productions. Zwei nette Langformen – ein Harold, ein Thread. Allein die Anwesenheit lockerer, cooler Amis macht einen locker und cool. Randy Dixon bräuchte kein Warm Up, sagen seine Kollegen-Schüler-Jünger. Was wir im Improtheater oft vergessen – es geht ja auch um das Warm Up im ursprünglichen Sinne – Stimme, Körper.
Mail: Sie können doch keine Heizung ins Ambulatorium einbauen. Die technischen Details werden mitgeliefert. Schön, da mach ich schnell noch ne Schornsteinfegerausbildung mit Zusatzqualifikation Maurer, dann dürfte das ruckzuck gehen.
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Eine Liste von ca. 40 Gegenständen, die in Jochens Haushalt nicht einwandfrei funktionieren. Davon zum Zeitpunkt der Lektüre bei mir ebenfalls defekt:
– Im CD-Player schleifen die CDs.
– Der Reißverschluss der Winterjacke ist seit zwei Jahren kaputt.
Wozu brauche ich eigentlich noch den CD-Player, wo ich sowieso 95% meiner Musik als mp3 höre? Ein Zugeständnis an eine alte Technologie. Irgendwann werden unsere Enkel sich die CD-Player-Ungetüme anschauen so wie wir die gigantischen Radios, auf denen die Namen von Städten zu lesen waren, die man von nur anderen Radios kannte, wie Hilversum.
Die Salons stehen zueinander in Konkurrenz. Wie stark mag der Neid tatsächlich sein? J.S.: „Salons haben ihre Biografie.“ So wie die Lesebühnen?
M.P.: „So findet sich jede Epoche in neuen Frauen, in einer neuen Gruppe von Frauen personifiziert, die, aufs engste mit den letztaufgetauchten Gegenständen der Neugier verknüpft, in ihren Toiletten einzig und gerade in diesem Augenblick wie eine unbekannte Gattung erscheinen, die aus der jüngsten Weltkatastrophe hervorgegangen ist.“
Do, 26.10.06
Eine junge Übersetzerin macht mir ein gutes Angebot für die Übersetzung meines Impro-Blogs. Leider immer noch zu teuer.
Manchmal bekommt man Anfragen, ohne dass klar wird, auf welches meiner Tätigkeitsfelder sie sich beziehen, z.B. Anrufe: „Hallo, muss ich bei Ihnen reservieren?“, und ich frage mich, ob sie Bö, Dunkeltheater, Chaussee, Kantinenlesen oder einen meiner Kurse meinen. Eine seltsame Mail trifft diesmal ein: Eine Veronique Hübner spricht mich als Seminarleiter an und ich versuche herauszufinden, was sie von mir will: Mich als Seminarleiter buchen? Einen Kurs? Ein Coaching? Entertainment? Erst am Schluss lässt sie die Katze aus dem Sack: Ich soll ihr Kneipentouren abkaufen.
Der Literatur- und Comedy-Veranstalter R. versucht, sich bei den Lesebühnenautoren dadurch beliebt zu machen, dass er ihnen ihre Gage nicht zahlt.
Einen äußerst gut besuchten Abend bei der Chaussee der Enthusiasten verderben wir uns, indem wir vorher streiten, was dem Publikum natürlich nicht verborgen bleibt.
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Gastbeitrag von Kathrin Passig, die sich angesichts der Aufgabe, Jochen Schmidt zu sein, „mutlos und überfordert“ fühlt.
Der gesamte Artikel dann aber eher ein Beitrag zum Thema Prokrastination, der eher in das Oeuvre Robert Naumanns als in das Schmidts passt.
Immerhin, so deutet sie an, werden wir bei ihr mit weniger Fehlern der Groß- und Kleinschreibung zu rechnen haben.
Wie soll man bei der Lektüre eines Buches mit Namen umgehen, von denen man nicht weiß, wie sie ausgesprochen werden? Gibt man ihnen einen eigenen Klang, riskierend, er könnte falsch sein?
Angesichts Marcels Großmutter treten „die Frauenangelegenheiten jetzt erst einmal in den Hintergrund“ (K.P.) Ist das nicht eine etwas sexistische Aussage, impliziert doch Passig mit dieser Aussage, die Großmutter sei keine Frau.
Fr, 27.10.06
Lange Autofahrt nach Würzburg. Wir geben uns die größte Mühe, den damit verbundenen Stress nicht aneinander auszulassen. Ich bin kein guter Navigator, aber Steffi verlässt sich auf mich. In Würzburg reißen dann doch die Nerven.
Der Abend aber belohnt uns mit einer sehr schönen Impro-Show. Da keiner der Bö-Leute mitfahren konnte (bis auf Topi, der aber in die Organisation eingebunden war), spielen wir mit Robert Munzinger meine neue Langform „4.000 Hubschrauber“. Wobei ich eigentlich ziemlich sicher bin, dass es dieses Format in irgendeiner Weise schon geben muss. Bin auch nicht scharf auf Copyright wie andere Leute in der Szene. Mit großem Abstand gewinnen wir den „Goldenen Pudel“ für die beste Langform.
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„Jochens Liste lässiger Gesten enthält einen groben, überhaupt nicht entschuldbaren Fehler: ‚Der Special Agent, der mit beiden Händen den Revolver haltend, eine Seitwärtsrolle aus der Deckung heraus macht, und auf der anderen Seite des Flurs an die Wand gekauert, achtlos das leere Magazin wegwirft.‘ Ein Revolver hat kein Magazin, das man wegwerfen könnte.
Dies wollte ich schreiben, bevor ich nun erfuhr, dass es tatsächlich Schnellladerevolver gibt, deren Magazin man mit lässiger Geste in die Ecke befördern kann. Was geschieht eigentlich mit all den in die Ecke geworfenen Magazinen, wenn der Kampf vorbei ist? Müssen sich dann die Putzfrauen drum kümmern? Oder die Witwen der Erschossenen?
Erinnerungen an Marcels Großmutter. Gierig, etwas aus einem letzten Foto herauszulesen, das sie von sich machen ließ, als es zu Ende ging, verliert es sein Konturen. Das Starren macht uns blind.