Sa, 2.12.06
Schöne Probe zu viert mit Robert Munzinger. Das Gefühl des "Alles-ist-möglich" wird wieder geweckt.
Seit langem mal wieder auf eine Rezension gehört und lese jetzt "Rehe am Meer" von Ralf Rothmann. Beeindruckend. Obwohl aus dem Ruhrgebiet, wagt er sich an Ostberliner Themen und trifft es ziemlich genau. Außerdem Sinn für überraschende Bilder und die Poesie der Lücke.
Kantinenlesen. Einer der wenigen unangenehmen Abende seit langem. Schon im ersten Teil kann sich … nicht zurückhalten und beleidigt nun nicht mehr nur die Kollegen, sondern auch das Publikum. Ich versuche, das Ganze runterzuspielen, funktioniert aber auch nicht. Er steigt, wie er später schreibt, aus.
In der Kneipe mit X. Ich will gar nicht über unsere sich nun seit 2 Wochen hinziehende Auseinandersetzung sprechen. Aber er fängt von selber mit einem langen verärgerten Monolog an, den das ganze Kneipenpublikum mitgenießen darf.
kein Eintrag bei Jochen
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So. 3.12.06
Beginne den Tag, wie der gestrige endete: Mit Kopfschmerzen.
Stelle Chaussee-CDs mit den Aufnahmen der letzten Monate zusammen.
Auch das Moskitonetz, das ich 1997 in New York im "Little peaceful military store" gekauft hatte und das mir wenig später in Ghana so geholfen hat, habe ich nun bei Ebay verkauft. Hätte ich dieses Teil mein Leben lang als Erinnerung an die drei Monate mit mir herumschleppen sollen – von Keller zu Keller? Auch die Spikes, mit denen ich 1987 meinen persönlichen Rekord von 12,1 Sekunden gelaufen bin.
Abends im Sofa-Varieté. Äußerst wohlwollendes Publikum, das sogar noch den abgestandendsten Gags Respekt zollt. Dennoch wissen die Zuschauer schon zu differenzieren. Allerdings wird das Varieté immer mehr zu einem Treffen der Berliner Akrobatik-Schüler, eingesprengselt die üblich verdächtigen Friedrichshainer Open Stage Hopper B. und L.
(Wir befinden uns wieder in zeitlicher Übereinstimung zwischen Blog und Buch)
Jochen veröffentlicht netterweise die Kontaktanzeige eines eine Russin suchenden Franzosen, die er an der Pinnwand des Sprachenzentrums gefunden hatte. Aber was macht Jochen sonntags im Sprachenzentrum? Oder sollte er die Anzeige etwa geklaut haben? Oder fotografiert?
"So einfach kann es sein, zwei Menschen glücklich zu machen!", schreibt er. Dabei müssten ja, zumindest im Schmidtschen Universum, die Probleme jetzt erst richtig losgehen.
Swann ist tot.
Marcel ist eifersüchtig.
Bergotte gibt mehr Geld "für kleine Mädchen" aus als Multimillionäre es täten, um sich von den Freuden und Enttäuschungen, die sie bescheren, inspirieren zu lassen. Eine Kalkulation, die so Jochen, aufgehen sollte.
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Mo, 4.12.06
Halsschmerzen sind schlimmer geworden, und im Laufe des Tages entwickelt sich eine ordentliche Erkältung. Tonsiotren hilft nichts.
Jochens spannende Idee, die Chaussee realitymäßig zu dokumentieren, ist die beste Idee seit langem, kommt aber zum falschen Zeitpunkt.
Am Abend sitze ich im indischen Restaurant, um mir Spielregeln für die 1001-Nacht-Lektüre auszudenken und stelle fest, dass ich, wenn ich mich an das Tempo „Eine Nacht pro Tag“ halte, 41 Jahre alt sein werde, wenn ich damit fertig bin. Ist es das wert? [Nachtrag 2008: Dass ich das schaffen würde, wäre heute eine äußerst optimistische Annahme.]
Ich muss einen Weg finden, mit den Anlässen umzugehen, die meine Tagesstruktur zerreißen – Reisen, Feiern und sogar der Donnerstag.
Nachdem er sich zehn Folgen von Curb Your Enthusiasm auf einen Rutsch angeschaut hat, offenbart Jochen, dass es genau das sei, wovon er immer geträumt habe: "sein Leben in eine Sitcom [verwandeln] und wird reich mit seinen Ticks und seiner sozialen Ungeschicklichkeit reich werden. Er will die Idee für die Chaussee umsetzen (s.o.).
M.P./J.S.: "Aber andererseits hatte ich auch wie am Nachmittag das Gefühl, daß ich eine Frau bei mir zu Hause vorfinden und bei der Heimkehr nicht die beschwichtigende Kräftigung durch Einsamkeit würde erfahren können." Ein echter Proust-Satz, aber würde ich ihn vorlesen, würden die Zuschauer lachen."
Eine Fußnote Prousts breitet sich über vier Seiten aus und deutet an, was normalerweise ausgespart würde. Mit anderen Worten, das Buch wäre normalerweise fünfmal so dick, könnte man meinen. Aber wer weiß, wessen Stil Proust hier zitiert. Auch Flann O’Brien gibt sich in "Der dritte Polizist" immer ausufernderen Fußnoten hin, bis es völlig absurde Ausmaße annimmt und die in den Fußnoten aus Anmerkungen langsam entwickelte Story droht fast, die Haupthandlung aufzufressen.
Di, 5.12.06
Stampit, der Selbstfrankierservice der Post, der einem von Ebay nahegelegt wird, ist furchtbar. Elendes Hin- und Hergewurschtel mit der Ausdrucksrichtung. Verliere 8 Euro. Das kann man ja auch reklamieren. Aber dieser ganze Aufwand ist doch höher, als wenn man beim nächsten Mal wieder Briefmarken kauft.
Exemplarisch für Wie man es lieber nicht mit uns versuchen sollte, eine Anfrage an die Chaussee von einem Herrn aus Potsdam, der uns mit seinem Kompagnon "in Berlin mal was um die Ohren hauen möchte". Ihr Programm bestehe "aus eigenen Texten und "trashigen" Ergänzungen, also Weihnachtsrezepte und Schrott in der Art." Ich biete trotzdem das Offene Mikro an.
Übungen im Positivdenken, als der Fuß umknickt. Was hätte alles schlimmer kommen können. Die Aufzählung des Grauens endet mit dem superlativen Horror: "Ich könnte im Ruhrgebiet geboren sein, hinter einer Autobahnschallschutzmauer, als fünfter Sohn des Betreibers einer Bowling-Bahn."
Marcels Eifersucht nimmt nun wirklich die Züge einer Krankheit an. Er verbietet Albertine zu einem Treffen mit den Verdurins, reist selbst dort an, und stellt fest, dass auch die "fatalen Mädchen" anwesend sind.
Er zweifelt an Albertines Tugend, was ihn in den Eifersuchtswahn treibt. Aber wäre sie tugendsam, wäre sie für ihn langweilig.
So wie auch mich das Thema langsam ermüdet.