Den Aufräum-Anfall darf ich nicht ungenutzt aussitzen. Ich entrümple wieder meine Wohnung, das letzte Mal hab ich das vor zwei Jahren gleich nach dem Umzug getan und habe dann, als Jochen und ich im Frühjahr 2007 nach Russland fuhren, damit aufgehört. Wie aber wird man den alten Kram los? Müll? Manches hat einem ja wenigstens ein bisschen etwas bedeutet, man hofft, jemand anders könnte damit noch was anfangen, aber im Freundeskreis herumzufragen und das zu verschenken, ist auch mühselig, also Ebay. In den letzten Wochen habe ich verkauft:
– Eine zum letzten Geburtstag bekommene Hörbuch-CD. Ich behalte nur noch sehr wenige CDs, meistens solche, die mir sehr am Herzen liegen – Tom Waits, Fiona Apple, Kurt Schwaen, Laura Veirs – und die ein schönes Booklet haben – Johnny Cashs American Songbook. Für den Sound gibt es raumsparendere Speichervarianten. Hörbücher höre ich ohnehin so gut wie nie. Vielleicht eine Berufskrankheit. Wenn man pro Woche 25 Texte hört, und das schon über 10 Jahre, bedarf es einer gewissen Mühe, sich dafür frisch und offen zu halten. Und mit "Schauspieler lesen Klassisches” kann man mich ohnehin jagen. Immerhin – ich weiß, wo ich nachhören kann (dies nur für den höchst unwahrscheinlichen Fall, dass die Schenkerin der Hörbuch-CD diesen Blog liest).
– CD Nneka: "No Longer". Neu erworben, hübsches Cover, ansonsten s.o.
– WISO Sparbuch 2009 – Steuererklärung 2008. Ist wahrscheinlich demnächst auch dran. Unter Lesebühnenkollegen gelte ich deshalb bestimmt als Streber. Wahrscheinlich wird jetzt ein Steuerberater arbeitslos. Aber das muss ja nichts schlechtes sein.
– Fuji FinePix Digitalkamera – Nachdem ich Steffi eine schöne neue Kamera zum Geburtstag geschenkt hatte, verkaufe ich ihre alte. Darf man das? Ist aber auch schon wieder ein Jahr her.
– Externe Festplatte 160 GB. Eine riesige externe Festplatte, die nur mit externer Stromquelle funktioniert, ist für jemanden, der nur mit Laptop arbeitet, unhandlich. Außerdem wächst mein Speicherbedarf exponentiell, zum Glück parallel zur Speicherfähigkeit neuer Medien. (Das Angebot bestimmt die Nachfrage??)

Und jetzt laufen die Auktionen weiter:
CD Buddy Rich vs. Max Roach. Diese Platte hat mich Jazz gelehrt. (Die CD brauchte ich allerdings nur mal kurz.)
97 Buttons "amnesty international". Was wollten wir damals damit machen? Verkaufen? Unters Volk bringen? Die Dinger sind ein wenig veraltet, da sie das alte Logo benutzen. Auffällig ist natürlich die Zahl 97. Einen Button hatte ich. Haben wir die beiden anderen, die noch zur Hundert fehlen, tatsächlich für 1 DM verkauft?
37 Yuan, 1,72 Pfund, 10 Rappen und 1,10 Rubel. Andere heben ihr Geld für etwaige spätere Reisen auf oder werfen es in die riesigen Boxen am Flughafen, wo für humanitäre Aktionen (meist irgendwas mit Kindern) gesammelt wird. Für das Eine lasse ich mir meine Wohnung nicht mehr verramschen. Für das Andere habe ich meistens keine Zeit, denn die Boxen stehen meistens an Stellen, wo man es eilig hat, zum nächsten Flugsteig zu kommen oder das Portemonnaie ist in der falschen Tasche.
Gregory Bateson: "Geist und Natur". Empfehlung von Stephen Nachmanovitch. So verpeilt war ich letzten Frühling, dass ich es doppelt kaufte, einmal bei Amazon, einmal bei unserem armen alten Buchhändler in der Plesserstraße, der mir so leid tut, dass er seine vergilbenden Bücher im Schaufenster immer auswechseln muss, ohne sie verkauft zu haben.
Eine Kirgisische Filzkappe. Ein Geschenk meines russischen Freundes V. Nett gemeint, aber obwohl ich ein Mützen-, Kappen- und Hüte-Narr bin, werde ich dieses Ding wohl doch nie tragen. Und Andenken habe ich viele andere von V.
Russisches Holzgeschirr und Matroschka-Set. Von meiner Oma 1981 aus der Sowjetunion mitgebracht. Es soll ja Leute geben, die sich so etwas nicht nur in ihre verstaubenden Vitrinen stellen, sondern damit auch essen. Von meiner Oma fand ich es beachtlich, dass sie 36 Jahre nach ihren schlimmen Erlebnissen wieder nach Russland reiste. Und das Land sogar mochte.
Karl May: "Winnetou II" (das Buch, in dem Old Shatterhand mit den Pfählen in die Wüste geführt wird und sich dann als Regenmacher erweist), "Winnetou III" (in dem Winnetou stirbt und Christ wird). Ich fürchte, ich werde beides nicht los. Diese Bücher waren ja im Osten absolute Raritäten, und gerade als ich aus dem schlimmsten Karl-May-Alter raus war, kamen sie im Osten in den Buchhandel. Bei Ebay bringen selbst die gut erhaltenen nur mit Glück 1 oder 2 Euro.
Deckenlampe Cittra von Ikea. Nachdem ich jahrelang einfach nur eine 100-Watt-Lampe in den nackten Flur gehängt hatte, leistete ich mir, als ich einen Job und etwas Geld hatte, eine schöne Lampe.
Garderobe mit Spiegel schwarz. Beides hing schon im Flur meiner Großeltern in Ebersbach, und ich verbinde sogar einen bestimmten Geruch damit – Kleidung, Kohleofenwärme, Schnee, Außen-WC und eben den typischen Wohnungsgeruch meiner Großeltern, dieses Spezielle, das der Wohnung einer bestimmten Person anhaftet, manchmal auch einer Familie. Wenn ein Familienmitglied auszieht, nimmt es ein Geruchselement mit, das man in dessen neuer Wohnung wiederfindet, vom Gesamtgeruch der alten Wohnung wird dieses subtrahiert, wenn auch nur allmählich. Der Geruch meiner Schwester, ihres Mannes und ihres Kindes brauchte fast vier Monate, um sich aus der Wohnung, die wir dann bezogen hatten, zu verabschieden.
Mini-Volleyball. Im Alter von 13 bis 16 Jahren spielte ich jede Woche Volleyball. Ich beneidete immer die, die lässig einen eigenen Volleyball mitbrachten, weil der "sich besser spielte". Am Strand waren Volleyballbesitzer sowieso die Kings. Und so investierte ich ganze 70 Mark in dieses Lässigkeits-Accessoire, das dann so lässig auch wieder nicht war, da ich mir eben nur einen Mini-Volleyball leisten wollte, den ich seit über 25 Jahren höchstens zwei Mal benutzt habe. Aber gelernt habe ich dadurch, dass man Lässigkeit nicht kaufen kann, zumindest dann nicht, wenn man pfennigfuchserisch mit Geld umgeht. Eine 70 Mark teure Lektion. (Wie man Accessoire auf Anhieb richtig schreibt, werde ich in diesem Leben hingegen wohl nicht mehr lernen.)
Eine sehr gute R&B-CD (auch ein Geschenk), von der ich mich nur ungern trennte, aber Not kennt kein Gebot.
Eine echte Sichel. In meiner Russlandphase hielt ich es irgendwann mal für eine witzige Idee, über meine Tür einen Hammer und eine Sichel zu hängen. Ich setzte alle möglichen Leute in Bewegung, um mir eine echte Sichel zu beschaffen. Als ich sie dann hatte, sah es doch irgendwie blöd aus. Vor drei Jahren hatte ich schon mal versucht, sie zu verkaufen. Ohne Erfolg. Ich hoffe nur, dass der Ersteigerer, wenn es ihn denn gibt, kein "The fog"-Fan ist.
Harman Kardon Multimedia HD720 CD Player. Eigentlich ein audiophiles Gerät für Leute, die glauben, der Sound würde sich verbessern, wenn die Ausgänge des CD-Players mit Gold veredelt würden. Ich kann ihn nicht gebrauchen, weil er meine mp3s nicht abspielt. Jetzt habe ich mir ein kleines tragbares Gerät gekauft, und ich werde mich umgewöhnen müssen, denn irgendetwas tief in mir, sagt mir, dass Audio-Geräte groß, schwer und schwarz sein müssen, wenn sie was taugen.
Ein olles Sideboard aus DDR-Zeiten, das schon meinen Eltern als Ablage diente und eigentlich rather unsexy ist. (Bisher 0 Beobachter)
Ein Gutschein der Deutschen Bahn über 50 Euro, den ich netterweise vom Kundenservice für eine zuviel gekaufte Fahrkarte bekommen habe, den ich aber nicht einlösen mag. Tatsächlich steht der Preis schon acht Stunden vor Auktionsende bei 48,53 Euro. Der Gewinner hätte also 1,49 Euro gewonnen. Wieweit würde ich selber bieten?

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Di, 16.1.07

Anfrage für einen Auftritt von "Paula P.", die es schon seit fast zwei Jahren nicht mehr gibt. Ich sage trotzdem zu. [Nachtrag 2009: Nicht wissend, dass auch "Die Bö" diesen Auftritt kaum überleben wird.]

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Jochen leidet am absehbaren Ende der Lektüre. Wie sähe das Leben in einem Jahr aus, wenn es ihn dann noch gäbe? Depressiv oder Luhmannianer? Zumindest das Luhmannprojekt scheint eingeschlafen zu sein. Falls er es in Angriff genommen haben sollte, um seinen Kummer damit abzutöten, war es auch die falsche Wahl der Waffen. Eines von Luhmanns eher unscharfen Büchern. Ich finde seine Werke überhaupt erst ab den 90ern lesbar, so alt musste er werden, um locker und souverän mit der eigenen Begrifflichkeit umzugehen. Was er in den ihm verbleibenden Jahren dann noch geschaffen hat, dafür bräuchten andere sechs Leben.
Das Happy End sei "in unserer Kultur desavouiert". Jochen zitiert Dido und Aeanas, Werther, Jesus. Dabei wird doch gerade die Jesus-Geschichte in "unserer Kultur" als Happy End angesehen, denn sie endet ja nicht mit der Annaglung, sondern der Auferstehung (was eigentlich noch märchenhafter als die 1001 Nacht Geschichten ist). Ich würde es sogar anders herum sehen: Es ist fast unmöglich geworden, noch eine echte Tragödie zu erzählen. Selbst "Schindlers Liste" endet happyendig. Und in der Literatur? Kann man da überhaupt vom Happy End sprechen? Stammt der Begriff nicht aus der Film-Welt? Rasches Wiki-Googeln ergibt: Ja. Und: Es ist ein Schein-Anglizismus.

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J.S.: "Viele Jahre hat Marcel im Sanatorium verbracht, nun kehrt er zurück nach Paris." Hab ich was verpasst? Wo sind wir? Wann sind wir?
J.S.: "Unterwegs zu einer Soirée des Prinzen von Guermantes erreicht er im Wagen die Champs-Elysées." Ich muss mir auf den letzten Metern eingestehen, dass ich immer noch nicht verstanden habe, welche Rolle der Adel im Frankreich der Jahrhundertwende spielt, ich hatte immer angenommen, die wären alle geköpft oder enttitelt worden. Aber wenn ich ehrlich bin, könnte ich das nicht einmal von Deutschland sagen. Aber wahrscheinlich läuft es auf genau das, was Marcel beschreibt: Salons unterhalten, Kunst fördern, Stil und Haltung bewahren, obszön reiche Stiftungen für kleine, aber enorm wichtige Zwecke gründen, Wagner-Opern besuchen.
J.S./M.P.: In einer Kutsche sitzt ein Mann mit weißem Haar und langem, weißem Bart, es ist Charlus, der sich nach einem Schlaganfall aufrecht zu halten bemüht, "wie ein Kind, das man zum Bravsein ermahnt hat." Noch ein Geständnis: Alle paar Seiten vergesse ich, wer wer war. Aber von Zeit zu Zeit wird’s einem wieder erklärt. Also Charlus – der masochistische Opa, der darunter leidet, dass man ihn nur noch als Opa wahrnimmt, obwohl er, wie wahrscheinlich jeder Opa, an der Opa-Tragik leidet, sich immer noch wie 25 zu fühlen.

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Mi, 17.1.07

Anscheinend ist Jochen sehr in Sorge, dass die Videoprojektionen für die Weltchronik nicht funktionieren. Man spürt die Nervosität in den scheinbar harmlosen Fragen zu Technik.
Zwei Mails, die zeigen, dass ich schon wieder ungefragt in Newsletter-Verteilern gelandet bin. In einem wird der scheinbar individuelle Empfänger angeduzt, obwohl sämtliche hundert Empfänger sichtbar sind.

Ein knappes Jahr ist vergangen, seit ich den Waschtrockner gekauft habe. Kurz vor Garantieablauf gibt er auf, der türkische Händler holt ihn zur Reparatur ab und sagt dabei Freundlichkeiten in angepisstem Ton. Wir bemühen uns, das als interkulturelle Missverständnisse einzuordnen.

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Überraschende Behauptung bei Jochen: "Die Welt der Kneipentische, von deren Schätzen ich aufgrund meiner angeborenen Alkoholunverträglichkeit leider immer weitgehend ausgeschlossen geblieben bin." Dabei gibt es unter den Lesebühnenautoren nur wenige, die keinen Alkohol trinken, davon die meisten, weil sie trocken bleiben wollen. Und außer mir wohl niemanden, der erst nach der Lesung trinkt.
Wo Jochen Wörter zum ersten Mal aufschnappt – Bestseller, Macke, urst, Lunte, Rowdy, feuchter Kehricht, Bastonade, Oxer, Striptease.
"Urst" habe ich ebenfalls im heute nicht mehr gebräuchlichen Zusammenhang "Ditt is urst!" gehört. Im Kindergarten, wo ich auch das erste Mal von "echten Steinen" erfuhr. Spezialisten erkannten sogar den Unterschied zwischen "Feuersteinen" und "echten Steinen". Ich gehörte nicht zu ihnen. Das Mosaik, aus dem Jochen, wie ich auch, von der "Bastonade" las, ist übrigens auch Schuld daran, dass ich, wenn ich nicht aufpasse, mir beim Wort "Türke" immer einen Menschen mit Turban vorstelle – ein Opfer der Prototypensemantik oder der Schablonenhaftigkeit der DDR-Comics?

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J.S./M.P.: "Analyse der Natur des Glücks, die ihm die Madeleine-Eindrücke verschaffen, nämlich daß er in ihnen "die Essenz der Dinge genießen konnte, das heißt außerhalb der Zeit."
So weit, so gut; aber er geht einen Schritt weiter – das momentane Erleben zählt gar nicht: "Alle anderen Vergnügungen, wie große Gesellschaften oder Freundschaft, sind nur Täuschung. Wer mit Freunden redet, erliegt dem Irrtum eines Narren, "der etwa glauben würde, die Möbel könnten leben und mit ihm sprechen.""
Abgesehen davon, dass auch das Mit-Möbeln-Sprechen ein Quell der Freude sein kann, (warum sollten Madeleine-Eindrücke weniger närrisch sein?) Es ist alles eine Frage der Bewusstheit der Wahrnehmung. Bin ich wach genug beim Imaginieren, beim Bücherlesen, beim Sprechen mit Freunden. All das kann oberflächliches Plappern, dümmliches Entertainment oder dunkles Starren bleiben – oder eben produktives, buntes Leben.

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Do, 18.1.07

Logge mich in einem Mieterforum ein. Die Türen dieser Wohnung treiben mich in den Wahnsinn. Mindestens ein Mal am Tag stoße ich mir den Kopf auf dem Weg ins Bad, ins Schlafzimmer oder ins eigene Zimmer. Ich habe das Gefühl, geduckt durch meine eigene Wohnung zu laufen. Angeblich ist das aber meine Sache. Wenn ich die Wohnung bei Besichtigung so akzeptiert habe, muss der Vermieter nichts ändern. Heißt das, die Vermieter könnten theoretisch auch 1 Meter hohe Türen einbauen?
Robert hat erst PC-Probleme, die es ihm verbieten, Musik aufzulegen. Dann gesundheitliche Probleme, die es ihm verbieten vorzulesen. Ein starker Wind pumpt sich auf zum Orkan. Stephan, der den kürzesten Weg zum RAW hat, befürchtet (zu Recht?), davongeweht zu werden ("von einem von einem baum erschlagenen oder weggewehten stephan habt ihr ja auch nichts"). Sind wir anderen zu leichtsinnig? In Darmstadt hatten wir auch bei Orkan gelesen. Man geht immer davon aus, dass Brände, Überschwemmugen, Orkane, Erdbeben in anderen Teilen dieser Welt stattfinden, so als ginge es einen nichts an, was die Natur da an Kapriolen vollzieht. Jochen dazu: "daß wegen sturm veranstaktungen ausfallen habe ich noch nie gehört." Volker: "absagen wegen Sturm? So ein Blödsinn." Im U-Boot wird berichtet: "Alle kommunalen
Sportstätten inklusive Schwimmbäder sind geschlossen worden und die TU hat auch sämtliche Sportkurse abgesagt.", "Laut Spiegel herrscht auf den Berliner Straßen eine gespenstische Leere.", "dass die BVG um 20 Uhr ihren Betrieb einstellt".
Y. lädt wieder zu einer seiner Shows ein. Es kling fröhlich, verbindlich. Es wänken 50 Euro. Er ahnt wohl nicht, was jeder weiß.
Am Abend tatsächlich nur 65 Zuschauer, aber doch noch halbwegs unterhaltsam.

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J.S.: "Im Internet-Café ganz allein, der Wind reißt die Türen auf. Korrigiere meinen Proust-Eintrag, während der Betreiber höllisch laut Death Metal hört, als könnte die Welt nicht untergehen, solange solche Musik läuft."
Und von all meinen Freunden wäre Jochen der einzige, dem es, wenn er allein im Internet-Café sitzt, peinlich wäre, den Betreiber zu bitten, seine Höllenmucke leiser zu drehen.
Jochen wird zum Klassentreffen eingeladen. Das erstaunlich mangelhafte Gedächtnis der Mitschüler. Ich weiß noch genau, wann wer in unsere Klasse kam und uns wieder verließ, ich weiß sogar noch, wer uns wann in welchem Fach unterrichtete. Aber ein paar Lücken habe ich auch: Wer hat uns in Geschichte und in der 5. unterrichtet? Wie hieß noch mal die attraktive ESP-Lehrerin? Und der witzige Astronomie-Lehrer? Die Hefter alle weggeschmissen, bis auf die aus der Ersten, die meine Notizen ob ihres Niedlichkeitswerts behielten.

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Prousts Fokus auf die Erinnerung als wesentlichen Teil des Selbstbewusstseins ist inspirierend, die Ausschließlichkeit provokant: "nicht die alten Bücher wieder in die Hand nehmen, weil "solche vom Geiste hinterlassenen Bilder vom Geiste ausgelöscht werden. Den alten schiebt er neue unter, die nicht mehr die gleiche Macht der Wiederauferweckung haben." Das war immer meine Angst, neue Bilder über die alten zu legen." Aber selbst die alte Erinnerung wird geformt, wie uns die neuere Psychologie und Hirnforschung lehrt. "Zeitzeugen" sind deshalb für Historiker meist ein Greuel, weil sie oft mehr verfälschen als zur Wahrheit beitragen. Man könnte es auch so sehen: Goethe hat es nicht verdient, dass seine Gedichte nur von Schulkindern gelesen werden. Und ich schulde es mir selbst, neu zu lesen. Denn die Zeit und das Erzählen filtern ebenfalls. Wenn ich alte Zeitschriften in die Hände bekomme oder Bücher lese oder oder oder, es ist doch ernüchternd, manchmal heilsam, manchmal schmerzhaft, zu sehen, wie einen die Erinnerung trog.

16.1.-18.1.07
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