475., 476., 474. Nacht

475. Nacht

Da die belagerten Christen nun den tapferen Muslim gefangen halten, beraten sie, wie sie mit ihm umgehen sollen, da er zu schön sei, um getötet zu werden. Am liebsten würden sie ihn zum Christentum bekehren, aber wie? Einer der Ritter schlägt vor, ihn mithilfe seiner Tochter zu verleiten, denn

“Die Araber haben eine heftige Leidenschaft für die Frauen, und da ich eine Tochter von vollkommener Lieblichkeit besitze, so wird er, wenn er sie sieht, durch sie verführt werden.”

Tatsächlich ist der gefangene Muslim hingerissen, aber als er sah,

was ihm drohte, nahm er seine Zuflucht zu Allah dem Erhabenen, wandte seinen Blick ab, widmete sich der Andacht zu seinem Herrn und begann den Koran herzusagen.

Und so wendet sich der Trick des christlichen Ritters gegen ihn. Sie bittet:

“Erkläre mir den Islam!”

Er lehrt sie alles Grundlegende, woraufhin sie ihn ehelichen will, was wegen fehlender Morgengabe und zweier Zeugen nicht möglich ist. Daraufhin ersinnt sie einen Fluchtplan. Sie lässt ihrem Vater ausrichten, der Muslim sei zur Konvertierung und zur Ehe bereit, will aber aus Gründen des Anstands dies nicht dort tun, wo sein Bruder starb, also müsse das in einem anderen Ort geschehen.

Dies ist mal ein selten gelungenes Mittel des Storytelling - die Wiedereinführung. Wozu sonst war der gefallene Bruder zu Beginn der Geschichte erforderlich?

Der Vater willigt ein, und in dem Dorf nutzen die beiden die Gelegenheit zur Flucht.

*

476. Nacht

Als die beiden Flüchtigen am Morgen ihre religiöse Waschung vornehmen, hören sie Pferdegetrappel und Waffenrasseln.

Da rief er: “Das sind die Nazarener, die uns verfolgen!”

Sie redet ihm Mut zu, und so finden sie Zuflucht im Gebet und die Heerschar erweist sich als von Allah gesandte Engel, die den beiden Trost spenden.
Der Kalif und Feldherr Omar ibn el Chattâb betet an diesem Morgen nur kurz und verlautbart dann:

“Lasst uns hinausgehen, dem jungen Ehepaare entgegen!” Da verwunderten die Gefährten sich und konnten seine Worte nicht verstehen.

Kurz darauf trifft das Paar in Medina ein.

Omar ibn el-Chattâb werden also hiermit prophetische Fähigkeiten zugeschrieben, die seine Heiligkeit unterstreichen.
(Übrigens war es dieser Kalif, der den "Steinigungsvers" in den Koran einfügte, um die weiterhin bestehende Praxis der Steinigung religiös zu rechtfertigen.)

Die beiden feiern Hochzeit und:

Dann ging der junge Held zu seiner Gemahlin ein, und Allah der Erhabene schenkte ihm Kinder von ihr.

*

477. Nacht

Und nun lebten sie immerdar herrlich und in Freuden, bis Der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt, und der die Freundesband zerreißt. Ferner wird erzählt

*

Die Geschichte von der Christlichen Prinzessin und dem Muslim

Sîdi Ibrahim el-Chauwâs

[unklar, wer das sein soll]

berichtet, einmal dem Bedürfnis, ins Land der Ungläubigen zu reisen, nicht widerstanden haben zu können. Am Tor einer ihrer Hauptstädte empfangen ihn schwarze Sklaven mit ehernen Keulen, die ihn fragen, ob er Arzt sei, was er bejaht.
Sie erwidern, des Königs Tochter sei krank. Aber wenn einer sich als Arzt ausgebe und sie nicht heilen könne, müsse er sterben.

Was er gewinnt, falls er sie heilt, wird nicht verraten.

Er geht zum König und lässt ihn zu ihr ein. Dabei spricht sie die Verse.

 

“Öffnet die Tür; denn der Arzt ist gekommen!
Schaut auf das seltne Geheimnis in mir!
Oft ist der Nahe doch weit in der Ferne;
Oft ist der Ferne doch nahe bei dir.
Wahrlich, ich lebte bei euch nur als Fremdling;
Jetzo will Gott seinen Trost mir verleihn.
Uns hat die Glaubensgemeinschaft verbunden;
Freund mit dem Freunde; sind wir im Verein.
Als er mich in seine Nähe gerufen.
Hielten die Tadler und Späher uns fern.
Lasst euer Schelten, hört auf, mich zu tadeln!
Weh euch, ich antworte doch nicht, ihr Herrn.
Mich kümmert nicht das Flüchtige, das Unzulängliche;
Mein Ziel ist nur das Bleibende, das Unvergängliche.”

Es wäre interessant, dieses Gedicht mit dem Original zu vergleichen. Zu Beginn werden die Daktylen noch einigermaßen durchgehalten. Am Ende holpert er sich so durch. Absicht oder Zufall?

Es stellt sich heraus, dass der Christin vor vier Jahren die klare Wahrheit [Allah] offenbar wurde.

Wie das geschehen ist, bleibt unklar.

Als ein greiser Diener nach der Unterredung von Arzt und Christin hinzutritt, sagt diese:

“Er hat die Krankheit erkannt und das Heilmittel gefunden.”

Sollen wir am Karfreitag die Beine still halten? 457., 458., 459., 460., 461. Nacht

Erst zwanzig Jahre nach der Wende erfuhr ich von einer Kollegin vom sogenannten Tanzverbot, das in Hessen am Karfreitag herrsche. Bei aller Überraschung tat ich das damals als lokale Rechts-Schrulle ab. Man stößt ja immer wieder mal auf antiquierte Paragrafen, die noch irgendwo herumgeistern und die keinen interessieren, einfach weil sie so gut wie nie zur Anwendung kommen. Aber ich musste erstaunt feststellen, dass es diese seltsame Regel nicht nur in Hessen gibt, sondern in allen Bundesländern. Teilweise durchaus restriktiv und extensiv: Manchmal sind Sportveranstaltungen verboten, in einigen Bundesländern, wie Nordrhein-Westfalen auch Kabarett-Shows und Komödien. Die Restriktionen sind nicht auf Karfreitag beschränkt. In Bayern darf am Aschermittwoch nicht getanzt werden. In Baden-Württemberg ist Tanzen für achtzehn Tage im Jahr untersagt. Das schließt ein: Neujahr, Heilige Drei Könige, Himmelfahrt, Pfingstmontag (Haben die Jünger zu Pfingsten nicht auch getanzt?).

Eine ausführliche Liste der “stillen Feiertage” geordnet nach Bundesländern findet sich hier.
In Berlin betrifft das Verbot den Karfreitag, den Volkstrauertag und den Totensonntag, jeweils zwischen 4 und 21 Uhr. Bei den letzten beiden weiß ich nie, wann sie stattfinden. Ich höre immer nur am jeweiligen Tag im Radio davon.
Betroffen sind übrigens auch “in Räumen mit Schankbetrieb musikalische Darbietungen jeder Art”. Und das betrifft mich nun persönlich. Mit ein bisschen mehr Geld in der Tasche oder einer robusten Rechtsschutzversicherung würde ich mich da gern mal selbst anzeigen und mich dann bis nach Karlsruhe durchklagen. Die Polizei in Berlin scheint das Ganze auch eher locker zu nehmen. Mir ist zumindest kein Fall bekannt, wo eine Party gesprengt wurde.
Für den diesjährigen Karfreitag kündigt die zitty ca. 75 Partys an. (Konzerte und Theaterstücke mit Musik nicht eingerechnet.) Davon fängt ein Viertel zur inkriminierten Zeit vor 21 Uhr an. Sollte man die alle mal anzeigen, um die Debatte mal voranzutreiben?
Zur Klarstellung: Es ist ja völlig in Ordnung, die Stille des Karfreitags der christlichen Minderheit in Berlin zu schützen. Und ich hielte es auch für unangemessen, an diesem Tag ein Straßenfest vor einer Kirche auszurichten. Aber warum sollte ein Christ (wieviele Christen halten sich eigentlich an das Gebot der Stille?) davor geschützt werden, wenn in einem “Raum mit Schankbetrieb” Musik dargeboten wird? Welches Szenario schwebte da dem Gesetzgeber vor Augen? Der arme Christ will am Karfreitag noch ein Bierchen trinken gehen, da betritt er die Fire Bar Mitte und muss zu seinem Schrecken feststellen, dass in diesem Musik-Schuppen die Daddy’O-Party läuft? Oder soll hier vielmehr ein angenommener Wert allen Nicht-Christen aufgezwungen werden, in der faulen Annahme, Deutschland sei christlich?
In einer mir bekannten Comedy-Truppe wurde letztens diskutiert, ob man am Karfreitag den Black-Humor-Abend spielen dürfe. Sie entschieden sich dagegen, mit der Begründung, es könne die Gefühle der Religiösen verletzen. Wie zum Donner sollte das gehen? Kann man sich einen hypersensiblen Christen vorstellen, der am Karfreitag in eine “Black Humor Show” geht und sich dann wundert, dass dann genau das aufgeführt wird? Wer wegen der Ermordung seines Heilands traurig ist, geht doch nicht tanzen oder in eine Comedy-Show. Schlimmer noch als die rechtlichen Vorschriften, die, wie ich unrecherchiert vermute, noch aus der Weimarer Republik oder gar dem 19. Jahrhundert stammen, ist das vorauseilende Katzbuckeln gegenüber religiösen Gefühlen von nicht einmal anwesenden Personen.
In welcher rechtlichen Welt leben wir denn, wenn religiöse Gruppen Handlungen von Personen juristisch verbindlich vorschreiben können? Ich möchte ja bezweifeln, dass die Mehrheit der deutschen Christen diese Gesetze für angemessen halten. Niemand, der nicht tanzen will, wird durch eine Tanzveranstaltung gestört. Niemand, dem am Karfreitag nicht nach Komödien zumute ist, wird gezwungen, sich solche anzuschauen, noch wird seine Religionsausübung in irgendeiner Weise dadurch gemindert, dass jemand anders irgendwo tanzt oder sich amüsiert, während unser Christ betet.
Wir haben es hier nicht einmal mit einem ethischen oder juristischen Dilemma zu tun. Anders gesagt: Wir müssen nicht einmal die Rechte des stillesuchenden Christen gegen die Rechte aller anderen – also der Nicht-Christen und der Christen, die am Karfreitag keine Stille suchen – abwägen. Es ist die in Westdeutschland im Grunde seit der Gründung der Bundesrepublik bestehende Annahme, das Land sei irgendwie christlich verfasst, die uns immer wieder mit abstrusen Normen konfrontiert. Da werden Paragraphen im Nachhinein so eng konstruiert, dass auch ja keine muslimische Lehrerin mit den Schülern konfrontiert wird. Nonnentrachten und Kruzifixe hingegen waren jahrzehntelang kein Problem. Dass zur Religionsfreiheit auch die negative Religionsfreiheit gehört (grob gesprochen: das Recht, von Religion in Ruhe gelassen zu werden), wird immer wieder von Gesetzgebern ignoriert. Mit dem Problem konfrontiert, berufen sie sich dann gern auf die “christliche Prägung” des Abendlandes. Abgesehen von der Fraglichkeit dieser Terminologie (Was heißt “Prägung”?, Hat nicht auch gerade die Aufklärung das “Abendland” geprägt?) – wir haben eine ziemlich moderne Verfassung und Rechtsordnung. Wo will man denn hin?
***
457. Nacht
Nach nur wenigen weiteren Antworten gibt sich der Astronom (/Astrologe) geschlagen und gibt sein Gewand ab. Harûn er-Raschîd lässt den Philosophen antreten. Dieser fragt ein paar Definitionen ab: Zeit, Unglaube usw. Daraufhin auch noch Fragen zum Islam, die eher wie Rätsel anmuten:
“Nenne mir die fünf, die da aßen und tranken und doch nicht aus Lenden und Mutterleib hervorgegangen waren.” “Adam, Simeon, die Kamelin des Sâlih, der Widder Ismaels und der Vogel, den Abu Bakr der Wahrhaftige in der Höhle sah.”

Es folgen echte Rätsel und Knobelaufgaben, die die Bezeichnung “Philosophie” nicht verdienen.

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458. Nacht

Nach einigen weiteren Rätseln gibt auch der “Philosoph” auf und legt sein Gewand ab.
Schließlich muss en-Nazzâm, der Statthalter er-Raschîds in Basra, selbst ins Gefecht mit Tawaddud.

“Bei Allah”, rief er, “wahrlich, ich werde dich sicher besiegen und zum Gerede der Leute machen, auf dass man von Geschlecht zu Geschlecht über dich spricht!” Die Sklavin antwortete ihm: “Tu Buße im voraus für deinen Meineid!”
Mit der religiösen Beteuerungsformel seines Schwurs lehnt sich en-Nazzâm tatsächlich weit aus dem Fenster.

Auch seine Fragen sind eher banale Fragen zur Heiligen Schrift oder gleichen Rätseln:

“Tu mir kund, welches dein Anfang und dein Ende ist!” “Mein Anfang ist ein Tropfen schmutziger Flüssigkeit, mein Ende ist ein Leichnam, der Verwesung geweiht. Mein Anfang ist Staub, und mein Ende ist Staub, wie der Dichter gesagt hat:

Aus Staub geschaffen wurde ich zum Menschen
Und ward in Frag und Antwort sprachgewandt;
Ich kehre heim und bleibe in dem Staube,
Dieweil ich früher aus dem Staub entstand.”
(…) “Sage mir, welches Weib wurde allein vom Manne und welcher Mann allein vom Weibe geboren.” “Eva von Adam und Jesus von Maria.”
Dass die Muslime die Jungfrauengeburt der Christen akzeptieren, war mir bis eben neu. Sure 3,47. Oder hier der Wiki-Artikel.
Weiter geht es mit Rätseln und Fragen auf dem Niveau von Kreuzworträtsel-Wissen:
“Wieviel Worte sprach Gott zu Mose?”
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459. Nacht

Weiter mit Rätseln und Vers-Rätseln.

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460. Nacht

Schließlich stellt en-Nazzâm ihr eine Falle:

“Sage mir, wer ist vortrefflicher, Alî oder el-Abbâs?”
Es liegt nahe, Alî zu antworten, aber mit dieser Antwort könnte sie den Kalifen Harûn er-Raschîd beleidigen, der praktisch ein Nachfolger des el-Abbâs ist und zur Dynastie der Abbasiden gehört.
Er-Raschîd bemerkt ihr Zögern und erlässt ihr die Antwort. Nachdem en-Nazzâm ihr gut zwanzig Fragen am Stück gestellt hat und sie diese am Stück beantwortet, muss auch er sein Gewand ablegen.
Und er [der Beherrscher der Gläubigen] ließ Meister des Schachspiels, des Kartenspiels und des Tricktrackspieles kommen.
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461. Nacht

Sie spielen drei Mal Schach. Einmal schnell, einmal langsam, und einmal gibt Tawaddud ihm Vorsprung, indem sie ohne Dame, ohne den rechten Turm und ohne den linken Springer antritt. Sie gewinnt jedes Mal mit den schwarzen Figuren.
Auch den Tricktrack-Spieler schlägt sie.

Tricktrack - eine alte Form des Backgammon
Da stand er auf, indem er unverständliche Worte in fränkischer Sprache murmelte, und sagte dann: “Bei der Gnade des Beherrschers der Gläubigen: ihresgleichen gibt es in der ganzen Welt nicht wieder.”
Schließlich betört sie noch alle mit Gesang und dem Spiel auf einer alten, ausgeleierten Laute, der sie aber bezaubernde Töne entlockt.
Der Kalif schenkt ihrem Herrn hunderttausend Dinare und gewährt ihr eine Gnade. Sie erbittet sich die Freiheit, und auch dies wird ihr gewährt mit fünfzigtausend weiteren Dinaren obendrein.

411., 412., 413., 414. Nacht

411. Nacht

Man begräbt die beiden, und der Erzähler berichtet, die Jungfrau sei seine Tochter und der Jüngling sein Neffe gewesen. Auf die Frage, warum er sie nicht vermählt habe, antwortete er:

"Ich fürchtete mich vor Schimpf und Schande; und jetzt bin ich beidem verfallen."

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Die Geschichte von dem irrsinnigen Liebhaber

Abu el-Abbâs el-Murrabâd erzählt von einer Reise nach el-Barîd. Er macht eine Pause in Hesekiel an dem berühmten Kloster, und er hört, darin lebten Irre.
Er betritt das Kloster, und drinnen sitzt ein "Irrer", der die ganze Zeit in Versen von seiner verlorenen Liebe klagt.
Abu el-Abbâs el-Murrabâd meint kalt:

"Sie ist gestorben." Da verfärbte sich sein Antlitz, er sprang auf und rief: "Woher weißt du, dass sie tot ist?" Ich antwortete: "Wenn sie noch lebte, so hätte sie dich nicht so allein gelassen."

Das sieht der Irre ein, legt sich hin und stirbt. Voller Schrecken begräbt man ihn.

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412. Nacht

Als Abu el-Abbâs el-Murrabâd nach Bagdad zurückkehrt, berichtet er die Geschichte dem Kalifen el-Mutawakkil.

Und er sprach zu mir: "Was hat dich dazu bewogen? Bei Allah, wenn ich nicht wüsste, dass du um ihn trauerst, so würde ich dich um seinetwillen strafen!" Und er trauerte um ihn den ganzen Tag über.

El Mutawakkil war ein Kalif aus dem 9. Jahrhundert n.Chr., von dem es auch ein Hunde- und Falkenbuch gibt, das man noch heute erwerben kann. Abu el-Abbâs el-Murrabâd ein damaliger Sprachgelehrter aus Basra.

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Die Geschichte von dem Prior, der Muslim wurde

Abu Bakr Mohammed ibn el-Anbari ist ebenfalls in christlichen Regionen unterwegs. Er rastet beim Lichterkloster nahe Ammûrija. Die Mönche dort sind äußerst gastfreundlich, er wird vom Prior Abd el-Massih empfangen.

Abd el-Massih = "Knecht des Messias"

Am nächsten Tage verließ ich sie, nachdem ich bei ihnen solche Eifer in der Andacht und solche Frömmigkeit gesehen hatte wie sonst noch nie.

Im Jahr darauf trifft er den Prior bei der Pilgerfahrt in Mekka. Dieser berichtet ihm, was zu seiner Konversion geführt hat:
Im Dorf verliebte sich ein muslimischer Jüngling in eine christliche Jungfrau, der immer an derselben Stätte sitzenblieb, um sie sehen zu können. Die Christen

hetzten die Dorfbuben wider ihn, und die warfen so lange mit Steinen auf ihn, bis sie ihm die Rippen zerbrochen und den Kopf eingeschlagen hatten.

Der Prior nimmt sich seiner an und pflegt ihn.

***

413. Nacht

Nachdem die Jungfrau ihn so sieht, bekommt sie doch Mitleid mit ihm:

"Willst du nicht meinen Glauben annehmen, auf dass ich dich mit dir vermähle?" Doch er reif: "Allah verhüte, dass ich den Glauben an die Einheit ablege und mich der Vielgötterei ergebe." Da sprach sie: "So komm zu mir herein, tu mit mir, was du willst, und geh dann in Frieden deiner Wege!" "Nein", erwiderte er, "ich will nicht zwölf Jahre der Anbetung zunichte machen durch die Lust eines einzigen Augenblicks." Darauf sagte sie: "So geh alsbald von mir fort!" Doch er entgegnete: "Das erlaubt mir mein Herz nicht."

Das ist sozusagen der Kern der Geschichte: Der Bursche hält alle Arten von Demütigungen und Schmerzen um der Liebe willen aus. Aber sein Glaube geht ihm noch darüber.

Bei ihrer nächsten Aktion töten ihn die "Dorfbuben".
Die Jungfrau, von schlechtem Gewissen geplagt, träumt nun, dass ihr der Weg ins Paradies versperrt würde, und man gibt ihr im Traum zwei Äpfel.

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414. Nacht

Einen isst sie, den zweiten findet man bei ihr am nächsten Morgen.

Von nun ab enthielt sie sich des Essens und des Trinkens, und als die fünfte Nacht kam, erhob sie sich von ihrem Lager und wanderte zu dem Grab jenes Muslims. Dort warf sie sich nieder und starb.

Es entsteht ein Streit darüber, ob die Christen oder die Muslime sie bestatten dürfen, und als vierzig Mönche es nicht vermögen, ihre Leiche vom Grab des Jünglings fortzuziehen, einer der muslimischen Scheiche die dann liebevoll mit einem Leichentuch fortträgt, sind die Christen konvertiert:

"Fürwahr, die Wahrheit verdient es, dass man ihr folge."

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Die Geschichte der Liebe von Abu Isa zu Kurrat el-Ain

Abu Isa, Sohn von Harûn el-Raschîd, verliebte sich in die Sklavin Kurrat el-Ain und diese sich in ihn. Beide tun ihr Geheimnis nicht kund.

Das tat er, weil er stolz und von hohem Ehrgefühl beseelt war, denn er hatte sich die größte Mühe gegeben, sie von ihrem Herrn zu erwerben, aber es war ihm nicht gelungen.

So entschließt er sich zu einer List: Er überredet den Kalifen el-Mamûn dazu, seine Befehlshaber auf die Probe zu stellen,

"so würdest du erkennen, wer eine edle Gesinnung hat und wer nicht."

404., 405., 406. und 407. Nacht

404. Nacht
Die Rechtfertigung des Lehrers ist vielleicht auf Arabisch lustig:
“Ich war in jenem Moment erregt, und meine Gedanken waren beschäftigt, und als ich las, der Kohlendämpfer sei in eine Decke eingewickelt, da meinte ich, er sei tot und man hätte ihn ins Leichentuch gehüllt.” Die Frau, die den Betrug nicht durchschaute, sprach zu ihm: “Du bist entschuldigt”, nahm den Brief und ging ihrer Wege.
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Die Geschichte von dem König und der tugendhaften Frau
“Ein König” zieht verkleidet aus und kommt in ein Dorf, wo er eine Frau um Wasser bittet. Als er sie sieht, will er sie verführen, doch sie reicht ihm, während er wartet, ein Buch, in welchem vor Sünden gewarnt wird.
Die Ausgangssituation klingt eigentlich wieder sehr nach Harûn er-Raschîd, aber vielleicht hat der Erzähler das dann doch anonymisiert, um den Herrscher nicht in zu sündhaftem Licht stehenzulassen.
Da erschauderte er und bereute seine Absicht vor Allah, dem Erhabenen.
Als sie am Abend ihrem Mann von der Begegnung erzählt, ergreift den die Eifersucht und
er wagte es nicht mehr, ihr zu nahen.
Die Verwandten der Frau klagen darüber beim König in einer Metapher: Was solle mit einem Mann geschehen, der das gepachtete Land nicht besät. Der Mann wiederum rechtfertigt sich damit, dass der Löwe das Feld betreten habe. Der König wiederum versteht den Wink:
“Du da, der Löwe hat ja dein Land nicht betreten; es ist noch gut zur Saat, drum säe darauf.”
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Der Bericht von Abd er-Rahmân el-Maghribi über den Vogel Ruch
Ein Mann aus dem Volk der Maghribi, den man “den Chinesen” nennt (weil er lange auf den chinesischen Meeren unterwegs war), ist im Besitz eines Federkiels aus dem Flügel des Vogels Ruch.
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405. Nacht
Im folgenden wird beschrieben, wie die Matrosen ein Ei zerschlagen und riesige Federn und Fleischteile aus dem Küken des Ruch herausnahmen. Der erwachsene Vogel nahm einen Felsen, und nur durch geschickte Segelmanöver konnten sie dem fallengelassenen Stein ausweichen.
Das ganze erinnert sehr an Sindbad, und die Schlachtung des Eis kann man in der sonst recht freien Sindbad-Adaption “Sindbads siebte Reise” bewundern. Online hab ich keinen Clip davon gefunden, nur den anschließenden Kampf Sindbads mit dem Vogel:
 
Wer vom Fleisch des Vogels esse, bekomme keine grauen Haare.
Und dies ist nur eins der größten Wunder.
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Die Geschichte von Adî ibn Zaid und der Prinzessin Hind
En-Numân ibn el-Mundhir hat eine Tochter namens Hind.
Als eines Tages der Prinz Adî ibn Zaid nach Hira kommt, verliebt sie sich in ihn und er in sie, ohne dass sie sich wirklich begegnen.
Ihr meine Freunde, erweist mir große Güte
Und lenket eure Schritte zum Land der Täler hin;
Geleitet mich zu Landen, in denen Hind verweilet;
Dann geht und bringt die Kunde von meinem treuen Sinn.

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406. Nacht
Nach vielem Hin und Her durch die Vermittlerin Mârija – einer Freundin Hinds – kommen die beiden mit dem Segen von König Numân zusammen.
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407. Nacht

Nach drei Jahren aber ergrimmte der König wieder Adî und ließ ihn töten.

Daraufhin lässt Hind Kloster bauen, in dass sie sich zurückzieht bis zu ihrem Tod.
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Die Geschichte von Dibil el-Chuzâi und der Dame und Muslim ibn el-Walîd
Die Geschichte wird aus der Perspektive des Dichters Dibil el-Chuzâi (auch al-Khuzai einem Dichter des 9.Jh. n.Chr. erzählt.
El-Chuzâi steht am Tor von el-Karch, als eine wunderschöne Frau an ihm vorbeigeht, die ihn betört und der er mit dem Vers begegnet:
Aus meinem Auge fließt ein Strom von Zähren;
Und Schlaf will meinem Lid sich nicht gewähren.
Sie antwortet spontan
Das ist dem Mann ein leichtes, wenn die Glut
Aus wunden Augen ihn zur Liebe lud.
So geht es hin und her zwischen den beiden, und gerade dem Dichter imponiert die spontane Dichtkunst dieser Frau, die er einlädt, ihm zu folgen, was sie auch überraschenderweise tut. Da er aber kein Haus hat, bittet er seinen Freund Muslim ibn el-Walîd, ihm das Gastrecht zu gewähren. Dieser sagt zu. Da er aber nichts zu essen zuhause hat, schickt er el-Chuzai mit einem Tuch zum Markt, dass dieser verkaufen und vom Erlös Essen kaufen soll, was der auch tut.
Als er jedoch zurückkommt, nimmt ihm Muslim ibn el-Walîd die Speisen ab, schlägt ihm die Tür vor der Nase zu und höhnt:
“Wer ist es, der diesen Vers gedichtet hat:
Ich schlief in ihrem Arm; indes mein Freund
War trüb im Herzen und an Gliedern rein – ?”
Die Antwort el-Chuzâis:
“Er, der am Gürtel tausend Hörner hat,
die höher ragen als ein Götzenschrein.”
El-Chuzâi endet die Geschichte damit, dass er die Frau nie wieder sah und er noch heute Groll im Herzen verspüre.
***
Die Geschichte von Ishâk aus Mosul und dem Kaufmann
Ishâk ibn Ibrâhim aus Mosul berichtet, eines Morgens des Kalifenpalastes überdrüssig geworden zu sein, weshalb er beschloss auszureiten und seine Diener anwies, niemandem zu sagen, wohin er geritten sei. So reitet er durch die Straßen, bis er nach zur Straße el-Haram kommt.
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392. Nacht

Ich kann die Faszination der Katholiken für ihre Religion schon verstehen: So viel undurchschaubarer Hokuspokus, unerklärlicher Sinn und Rituale, die ihren Sinn erst dadurch erhalten, dass man auch auf Nachfrage keine nachvollziehbare Antwort bekommt. Man fühlt sich wieder ein wenig wie ein Fünfjähriger, der ein seltsames Märchen in altertümlicher Sprache erzählt bekommt: “Vor langer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, …”
Und nun ist der Papst abgetreten. Fast ein säkularer Akt. Wir erinnern uns noch an den röchelnden Johannes Paul II., der sich in seinem Todesjahr zu Ostern noch mal ans Fenster gewagt hat, um den Segen zu sprechen zu probieren. Man hörte nur ein Grunzen, und die Welt der Katholiken fand ihn so würdevoll und charismatisch.
Diese Würde konnten sie ihm freilich nur im Nachhinein verleihen. Es gab den sportlichen Karol, den Karol, der im Laufschritt eilen musste, sonst hätte er seine eigene Wahl verpasst, den ersten Papst, der um die Welt düste.
Aber einen röchelnden Benedikt, das wollte Ratzinger weder den Mit-Katholiken noch sich selber antun. Bei ihm hätte man bestenfalls Mitleid empfunden.
Und was wird nun, da der Alte zurückgetreten ist, aus dem Fischerring? Zerbrechen darf man ihn erst nach dem Tod des Papstes, aber darf Ratze ihn behalten? Muss man noch “Papst” zu ihm sagen, so wie man zu Ex-US-Präsidenten auch immer noch “Mr. President” sagen sollte, wenn man einen knietiefes Fettnapf zu vermeiden sucht.
Achso, der Fischerring:

So sah das Teil von Leo XIII. aus.
 
Und so Leo XIII. selber, der erste Papst, von dem es Film- und Audio-Aufnahmen gab.
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392. Nacht
Jahja nimmt die Kunde vom mit dem Gelde fortgelaufenen Bettler leicht:
“Bei Allah, hätte er auch sein ganzes Leben bei mir verweilt, bis ihn der Tod ereilt, ich hätte ihm nie meine Spende entzogen, noch ihn um die Wohltat meiner Gastfreundschaft betrogen.” Keine Zahl kann die Vorzüge des Barmekiden umfassen, und ihre Eigenschaften waren so herrlich, dass sie sich nicht beschreiben lassen. (…)
Die Güte fragt ich: Bist du frei? Sie sagte Nein,
Ich muss dem Sohne Châlids, Jahja, Sklavin sin.
Drauf ich: Bist du gekauft? Sie sagte: Das sei fern!
Als seiner Väter Erbe diene ich ihm gern.
Die Geschichte von Mohammed el-Amîn und Dscha’far ibn Mûsa
Dscha’far ibn Mûsa el-Hâdi besitzt eine schöne Lautenspielerin, auf die Mohammed el-Amîn, der Sohn Zubaidas, ein Auge geworfen hatte. Er bittet Dscha’afr, sie ihm zu verkaufen. Dieser erwidert:
“Du weißt, es geziemt sich nicht für Männer meines Ranges Sklavinnen zu verkaufen und um Nebenfrauen zu feilschen. Wäre sie nicht in meinem Hause aufgewachsen, so würde ich sie dir als Geschenk übersenden.”
Eines Tages speisen und zechen die beiden zusammen, und die el-Badr el-Kabîr spielt für die beiden. Da macht Mohammed den Dscha’far betrunken und nimmt die Schöne mit sich.
Aber er streckte nicht die Hand nach ihr aus.
Als ob das jetzt noch glaubwürdig wäre.
Als Dscha’far den Besuch erwidert, lässt Mohammed die Sklavin für die beiden spielen. Dscha’far unterdrückt seinen Zorn. Daraufhin belohnt Mohammed el-Amîn seinen Freund, indem er dessen Boot voller Silber, Gold, Rubinen und Juwelen füllen lässt.
Solcherart sind die edlen Taten der Vornehmen – Allah habe sie selig.
Die Geschichte von den Söhnen Jahjas ibn Châlid und Sa’id ibn el-Bâhili
Diese Geschichte wird von Sa’id ibn ek Bâhili selber erzählt.
Als Sa’id einmal in Not gerät, wendet er sich an den Weisen Abdallâh ibn Mâlik el-Chuzâ’i, der ihm rät, sich an die Barmekiden zu wenden.
Von diesem Weisen war bereits in der 306. Nacht die Rede.
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346. – 356. Nacht

Nestbau nennt man das jetzt wohl. Seit meinem zwanzigsten Lebensjahr immer aus Kompromissen zwischen Geldbeutel, Ererbtem und Ansätzen eigenen Geschmacks lebend. Die Wohnung ist ja groß genug, aber das Verrücken der tatsächlichen Möbel ist doch etwas anderes als das Hin und Herschieben von Schnipseln auf Millimeterpapier. Umso schlimmer, wenn man sich andauernd sorgen muss, dass etwas kaputtgeht, wovon man bei den schwedischen Möbeln ja ohnehin schon ausgeht, aber dass der in der Annahme, Altes sei stabiler, gekaufte Antikschrank das labilste aller Gegenstände ist, kann einen schon zum Weinen bringen. Im Moment besteht der einzige Grund, dass ich ihn nicht weiterverkaufe, darin, dass Uli für mich bis tief ins Brandenburgische mit mir und einer Robbe gefahren ist. Nachts.
Wie machen das eigentlich die Vögel bei ihren Nestern? Das hat denen doch auch keiner gezeigt.

**

Ähnlich wie der Hauptmann von Bulak stellt sich nun auch bei Hauptmann von Kûs heraus, dass er mit Zinn, Kupfer und Glaswaren betrogen wurde.

Mit dieser Pointe erscheint die Erzählung eigentlich nur als Variation der anderen.

***

Die Geschichte von Ibrahim ibn el-Mahdi und dem Kaufmanne

Der Kalif el-Mamûn bittet seinen OnkelIbrahim ibn el-Mahdi:

"Erzähle uns das Wunderbarste, das du je erlebt hast."

Es folgt die Geschichte. Ibrahim geht eines Tages spazieren und gelangt an einen Ort, wo es nach Speisen riecht,.

Wie ich nun zufällig den Blick hob, entdeckte ich ein Gitterfenster und hinter ihm eine Hand und ein Handgelenk, wie ich es noch nie gesehen hatte.

Einen zufällig vorbeikommenden Schneider fragt er nach dem Eigentümer des Hauses.

Er heißt Soundso, Sohn des Soundso, und er verkehrt nur mit Kaufherren.

Und als auch noch zwei hohe Gäste im Begriffe, sind heranzureiten, fragt er den Schneider auch nach deren Namen. Mit diesen Informationen behauptet er gegenüber den beiden Kaufleuten, den Hauseigentümer zu kennen. Zu dritt gehen sie ins Haus, und der Hausherr glaubt wiederum, Ibrahim sei ein Freund der beiden Kaufleute. Die vier beginnen ein Wetttrinken. Schließlich tritt eine schöne Sklavin ein.

Und sie griff zur Laute, begann zu singen und ließ dies Lied erklingen:

Ist’s denn nicht wunderbar, dass ein Haus uns umschließet,
Und dass du mir nicht nahst, dein Mund kein Wörtlein sagt?
Die Augen melden nur der Seelen heimlich Sehnen;
Sie künden, wie die heiße Glut an Herzen nagt.
Und blicke geben Zeichen, Augenbrauen nicken,
Und Lider brechen, während Hände Grüße schicken.

Dies kann unser Gast natürlich nur als Zeichen verstehen. Er provoziert sie:

"Dir fehlt noch etwas, Mädchen!"

Sie wirft die Laute fort, und er singt, als eine neue Laute gebracht wird, ein Lied, das ihr sein Erkennen signalisiert. Dem Hausherrn wird nun klar, dass er es mit einem höheren Herrn zu tun hat und fragt nach seinem Namen.

Wegen der Fähigkeit zum Saitenspiel?

Sowie er meinen Namen erfuhr, sprang er auf.

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347. Nacht

Die Sängerin ist aber noch nicht die Sklavin "mit dem Handgelenk". Man lässt alle Sklavinnen kommen, aber die, welche Ibrahim sucht, ist nicht darunter. Jetzt wird’s heikel; denn die einzigen verbliebenen Frauen sind Schwester und Weib des Kaufmanns. Die Schwester ist’s.

Zum Glück, muss man wohl sagen…

Die Hochzeit wird mit zwanzigtausend Goldstücken Morgengabe und den Kaufleuten als Trauzeugen geschlossen.

Und bei deinem Leben, o Beherrscher der Gläubigen, er sandte sie mir mit einer so großen Ausstattung, dass unser Haus trotz seiner Größe sie kaum fassen konnte.

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Die Geschichte von der Frau, die dem Armen den Almosen gab

Ein König verbietet in seinem Reich das Almosengeben bei der Strafandrohung des Handabschlagens.

Er kann wohl kaum muslimisch sein, da hier das Almosengeben eine derfünf Säulen des gottgefälligen Lebens ist.

An das Haus einer Frau kommt ein Bettler und bittet um Almosen.

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348. Nacht

Wie es so kommt: Sie gibt ihm zwei Brote, der König erfährt davon und lässt ihr die Hände abschlagen.
Als sich der König nach einer Weile vermählen will, berichtet ihm seine Mutter:

"Unter meinen Sklavinnen ist ein Weib wie kein schöneres gefunden werden kann; doch sie hat einen großen Fehler." – "Als er fragte: "Was ist denn das?", erwiderte sie: "Ihr sind die Hände abgeschlagen."

Tatsächlich heiratet er sie, doch die anderen Frauen des Königs werden neidisch auf sie und verleumden sie als Ehebrecherin, woraufhin er das arme Weib von seiner Mutter in die Wüste schicken lässt. Sie wandert

mit dem Knäblein auf der Schulter.

Von dem zuvor keine Rede ist.

Als sie sich beim Trinken am Bach überbeugt, fällt das Kind hinein.

Da kamen plötzlich zwei Männer vorbei, die angesichts ihres Kummers für sie beten. Und ruckizucki hat sie sowohl Hände als auch Knäblein wieder.

"Wir sind deine beiden Brote, die du dem Bettler geschenkt hast. Das Almosen war ja der Grund, dass deine Hände abgeschlagen wurden. Doch nun lobe Allah den Erhabenen, der dir deine Hände und dein Kind zurückgegeben hat!"

In ihrer Botschaft: Vertraue auf Gott! erinnert die Geschichte an eine Mischung aus Allerleirauh und Hiob.

***

Die Geschichte von dem frommen Israeliten

Unter den Kindern Israels lebte einmal ein frommer Mann.

Ein bemerkenswerter Anfang. Bislang war in den 1001 Nächten nur wenig Gutes über Juden zu lesen.

Dieser Mann ist Baumwollspinner und seine Erlöse aus dem Verkauf des Garn genügen irgendwann nicht mehr.

Nun besaßen sie noch einen geborstenen Holznapf und einen Krug.

Diese hofft er, verkaufen zu können.

Während er so im Basar dastand, kam zufällig ein Mann an ihm vorbei, der einen Fisch trug.

*

349. Nacht

Der Fisch stinkt und ist aufgedunsen, aber sie gehen trotzdem den Handel ein. Angewidert macht sich die Familie daran, den Fisch aufzuschneiden. Darin aber finden sie eine Perle.

Das meldeten sie dem Ältesten, und der sprach: "Schaut nach! Wenn sie durchbohrt ist, so gehört sie einem anderen Menschen; ist sie aber noch undurchbohrt, so ist sie eine Gnadengabe, die euch Gott der Erhabene schenkt."

Tatsächlich ist sie undurchbohrt. Der Baumwollspinner erhält dafür siebzigtausend Dirhems und gibt einem Bettler die Hälfte davon. Dieser erwidert:

"Behalte dein Geld, nimm es wieder. Gott gesegne es dir. Wisse, ich bin ein Bote Gottes, er hat mich zu dir gesandt, um dich zu prüfen!" Nun rief der Israelit: "Gott sei Lob und Preis!" Und er lebte immerdar mit den Seinen in aller Lebensfreude, bis er starb.

Anscheinend kommen wir nun von der Hauptmann-Schelmen-Reihe zu den Almosen-Anekdoten.

***

Die Geschichte von Abu Hassan ez-Zijâdi und dem Manne aus Chorasân

Abu Hassan ez-Zijâdi berichtet.

Ob dieser Abu Hassan ez-Zijâdi eine historisch reale Person ist, erfahren wir nicht.

Als er in Not gerät und Bäcker und Krämer bereits bei ihm seine Schulden eintreiben wollen, kehrt ein Pilger aus Chorasân bei ihm ein, der zehntausend Dirhems bei ihm lagern will. Kehre er nicht mit der Karawane zurück, so möge er das Geld behalten.

Ich aber ließ die Geschäftsleute kommen und bezahlte alle meine Schulden.

Die Geschichte wird ihr von Schehrezâd unterbrochen, und nach meinen bisherigen Erfahrungen ist alles möglich: Die Veruntreuung wird bestraft oder verziehen oder gar noch durch das Schicksal belohnt.

*

350. Nacht

Tatsächlich gibt Abu Hassan ez-Zijâdi das Geld aus:

"Bis er zurückkehrt, wird Allah uns schon etwas von seiner Gnade zuteil werden lassen." Aber kaum war ein Tag verronnen, da kam der Diener wieder zu mir herein und meldete: "Dein Freund aus Chorasân steht an der Tür."

Eine kurze Pilgerfahrt war das wohl.

Grund: Der Vater ist gestorben. Er vertröstet den Pilger, er müsse das Geld erst holen, verschwindet aber nachts auf seinem Maultier und reitet ziellos durch Bagdad. Eine Menge fragt ihn, ob er Abu Hassan ez-Zijâdi kenne.

"Der bin ich", antwortete ich ihnen.

Man bringt ihn zum Kalifen el-Mamûn, und jetzt erfahren wir, dass er

einer von den Rechtsgelehrten und von den Kennern der Überlieferungen

ist. El-Mamûn gesteht, in der Nacht von einer Traumstimme geplagt worden zu sein, die ihm sagte:

"Hilf Abu Hassan ez-Zijâdi!"

Der Kalif schenkt ihm dreißigtausend Dirhems. Abu Hassan ez-Zijâdi will nun die zehntausend an den Chorasânier zurückgeben, doch dieser erlässt ihm die Summe, als er die Geschichte vernommen hat.

*

351. Nacht

Am nächsten Tag erhält er

Die Urkunde der Bestallung als Kadi für den Westbezirk der heiligen Stadt Medina vom Tor des Friedens.

***

Die Geschichte vom Armen und seinen Freunden in der Not

Ein Mann gerät in Bedrängnis, leiht sich von seinen Freunden fünfhundert Dinare und beginnt Handel als Juwelier.

Wie er dort in dem Laden saß, kamen drei Männer zu ihm und fragten ihn nach seinem Vater. (…) "Hat er denn keine Nachkommen hinterlassen?"

Klingt fast wie die drei Weisen aus dem Morgenlande.

Sie sagen, sie hätten den Vater gekannt und von ihm Geld geliehen, dass sie ihm nun zurückgeben wollten. Er will seine Schuld, doch der Freund erlässt ihm die Schuld und gibt ihm einen Brief mit auf den Weg, den er aber erst zuhause öffnen soll.

Die Männer, die dir nahten, die waren von den Meinen:
Mein Vater, Vetter, Oheim, er Salih Alis Sohn.
Und was du bar verkauftest, das kaufte meine Mutter;
Das Geld und die Juwelen sandt ich dir all zum Lohn.
Nicht um dich zu verletzen, bin ich so verfahren:
Ich wollte die Gefahr der Schande dir ersparen.

***

Die Geschichte von dem reichen Manne, der verarmte und dann wieder reich wurde

Ein reicher Mann aus Bagdad verliert sein Geld,

und er konnte sein Dasein nur durch schwere Arbeit fristen.

In der aktuellen Ausgabe des Philosophie Magazin wird ausgiebig diskutiert "Macht Arbeit glücklich"? Darin finde ich eine Stelle von Aristoteles, in der es heißt: "Als eine banausische Arbeit… hat man jene aufzufassen, die den Körper oder die Seele oder den Intellekt der Freigeborenen zum Umgang mit der Tugend und deren Ausübung untauglich macht. Darum nennen wir alle Handwerke banausisch, die den Körper in eine schlechte Verfassung bringen, und ebenso die Lohnarbeit. Denn sie machen das Denken unruhig und niedrig." Dies ist ein Gedanke, den der 2007 verstorbeneMichael Stein in seinem Gebet gegen die Arbeit so formuliert hat:

Arbeit, Geissel der Menschheit.
Verflucht seist du bis ans Ende aller Tage.
Du, die du uns Elend bringst und Not.
Uns zu Krüppeln machst und zu Idioten.
Und schlechte Laune schaffst und unnütz Zwietracht säst.
Uns den Tag raubst und die Nacht.
Verflucht seist du!
Verflucht!
In Ewigkeit.
Amen.

**

Im Traum weist ihm eine Stimme, sein Glück läge in Kairo. Er reist tatsächlich dorthin und legt sich in der Nähe einer Moschee schlafen. Im Haus nebenan wird eingebrochen, man verhaftet ihn als vermeintlichen Dieb, prügelt ihn und wirft ihn ins Gefängnis. Dem Wachhauptmann, der ihn befragt, erzählt er die Geschichte seines Traums. Der Hauptmann lacht ihn daraufhin aus,

so dass man seine Backenzähne sehen konnte,

das wäre ja ein schönes Glück gewesen. Er selber habe dreimal im Traum ein Haus in Bagdad gesehen, in der und der Straße, wo ein Schatz vergraben sei, aber sei klug und würde nie auf solche Träume etwas geben. Er entlässt ihn.

Und dies ist vielleicht eine der fiesesten Unterbrechungen Schehrezâds.

*

352. Nacht

Natürlich findet er den Schatz und ist ein gemachter Mann.

Ein starker Mythos mit einer guten Klammer, was ja sonst nicht so sehr die Stärke dieser Erzählungen ausmacht.

 

***

Die Geschichte von dem Kalifen El-Mutawakkil und der Sklavin Mahbuba

Unter den Hunderten Sklavinnen des KalifenEl-Mutawakkil ala-llâh befindet sich eine Mulattin aus Basra;

die übertraf alle an Schönheit und Lieblichkeit, Anmut und Zierlichkeit.

Eines Tages überwirft er sich mit ihr und verbietet allen, mit ihr zu sprechen. Doch schon bald träumt er, sich mit ihr versöhnt zu haben, und eine Dienerin flüstert ihm zu, Gesang aus ihrem Zimmer vernommen zu haben. Durch ihr Lied wird ihm klar, dass sie denselben Traum wie er gehabt haben muss.

Von den Armuts- und Almosenanekdoten also zu den Traumgeschichten.

Die beiden versöhnen sich.

Versöhnung in Leibeigenschaft!

*

353. Nacht

Als El-Mutawakkil stirbt, ist die Sklavin Mahbûba die einzige, die ihn nicht vergisst. Als sie schließlich auch stirbt, wird sie neben ihm begraben.

Und seine Frau?

***

Die Geschichte von Wardân dem Fleischer mit der Frau und dem Bären

Bei Wardân, einem Kairoer Fleischer kauft eine Frau jeden Tag ein Schaf für zweieinhalb Dinare und lässt es von seinem Diener forttragen, der ihm berichtet, sie würde außerdem auch bei anderen Händlern

Zukost zum Fleisch, ferner Früchte und Kerzen, und (…) bei einem Christenkerl zwei Flaschen Wein.

Dies alles müsse er zum Garten des Wesirs tragen, woraufhin ihm die Augen verbunden würden, man ihn weiter führe und er alles abstelle, bis man ihn zurück führe. Am nächsten Tag folgt der der Fleischer Wardân dem Träger und der Dame.

354. Nacht

Wardân sieht, dass Träger und Dame keinesfalls, wie man annehmen könnte, in den Garten des Wesirs gehen, sondern in eine Steinwüste, dort in eine Höhle, die unter einer Falltür aus Messing versteckt ist. Die Dame entlässt den Träger, während sich Wardân hinter einem Fenster versteckt. Er sieht, dass sie all das Essen für einen Bären zubereitet, dem sie sich schließlich hingibt:

Sie gewährte ihm das Beste, was den Menschenkindern gehört.

So kann man es natürlich auch ausdrücken.

Als die beiden

es zehnmal getan hatten,

legen sie sich zum Schlafen nieder und Wardân schlachtet den Bären.

Interessantes Detail: In Ägyptengibt es überhaupt keine Bären.

Als sie erwacht, ist sie erbost und macht ihm ein Angebot.

*

355. Nacht

"Willst du auf das hören, was ich dir sage und dadurch gerettet werden und bis zum Ende deiner Tage in Reichtum leben? Oder willst du mir zuwiderhandeln und dadurch dich ins Verderben stürzen?"

Die Bedingung lautet:

"Töte mich!"

Nach einigem Hin und Her willigt er ein

und sie fuhr hinab zum Fluche Allahs und der Engel und aller Menschen.

Noch in der Wüste wird er von zehn Männern überrascht, die sich als Gesandte des Kalifenel-Hâkim bi-amri-llâh erweisen.

Eine seltsame Begegnung, den gerade dieser Kalif (den die Drusen später als Gott verehrten) führte ein striktes Alkoholverbot auch gegen die Christen ein. Und wie wir oben erfahren haben, kaufte der Träger Wein bei einem "Christenkerl". Was weiß ich sonst ohne Wikipedia von den Drusen? Dass sie im Libanon leben und ihre Milizen von einem Mann mit dem schönen Namen Dschumblat geführt wurden. Nachschlagen zeigt, dass in ihrer Religion das Konzept von Parallelwelten eine große Rolle spielt.

Man kehrt samt Kalif zurück zur Höhle und Wardân darf so viel vom Schatz behalten, wie er mitnehmen kann. Er eröffnet einen neuen Laden im Basar.

Dieser Basar aber ist noch bis auf diesen Tag vorhanden, und er ist bekannt als Wardâns Basar.

***

Die Geschichte von der Prinzessin und dem Affen

Die Tochter eines Sultans ist in einen Schwarzen verliebt, der ihr das Mädchentum nimmt.

Und sie entbrannte in solcher Lust, dass sie die Trennung von ihm nicht eine Stunde ertragen konnte.

Wieder eine schöne Rassismusspielart. Der Schwarze ist bedrohlich, weil er die Lust im Mädchen weckt. Aber es kommt noch besser:

Ein Affenführer kommt am Palast vorbei. Sie zwinkert diesem zu, er befreit sich und klettert zu ihr empor. Fortan lebt er in ihrem Zimmer, trinkt, isst und schläft mit ihr.

*

356. Nacht

Die Tochter erfährt von den Mordplänen ihres Vaters, verkleidet sich als Mamluk und flieht nach Kairo, wo sie täglich bei einem Fleischer Fleisch kauft, was diesem seltsam vorkommt.

Dem Leser auch. Es wirkt wie eine Variation der vorigen Geschichte.

Auch dieser Fleischer tötet das Tier. Aber diesmal nicht die Frau, sondern nimmt sie mit zu einem alten Weib. Diese bereitet ein Gebräu aus Essig undSpeichelwurz, dessen Dampf der Frau in den Unterleib steigt, woraufhin ein schwarzer und ein gelber Wurm herausfallen.

Die Alte sprach aber: "Der eine ist durch die Lust mit dem Neger entstanden, der andere durch die Lust mit dem Affen."

Schlimmer geht’s wohl kaum.

 

321. Nacht.

Die Entlarvung des Christen erhöht Zumurruds Ansehen beim Volk:

"Dieser König ist ein Seher, der in der Welt nicht seinesgleichen hat." Darauf gab die Königin den Befehl, der Nazarener solle geschunden werden, seine Haut solle mit Häcksel ausgestopft und über dem Tor zu dem Platze aufgehängt werden; ferner solle man eine Grube draußen vor der Stadt graben und darin sein Fleisch und seine Knochen verbrennen, und dann solle man Schmutz und Unrat auf ihn werfen. "Wir hören und gehorchen!", sprachen ihre Mannen, und sie taten mit dem Christen alles, was sie ihnen befohlen hatte.

Auch diese Lektion aus dem Politikerhandbuch scheint sie gelernt zu haben: Irgendwann dem Volk zeigen, dass man in der Lage ist, hart durchzugreifen und das Exempel am besten an einem Außenseiter statuieren.

Als sie zum dritten Mal die Tafel richtet, erkennt sie in der Menge den Kurden Dschawân, der sich genau an den von allen gemiedenen Platz des Christen setzt und obendrein auch die Hand nach der Schüssel süßen Reis ausstreckt.

Der Haschischkerl, von dem wir auch schon erzählt haben, saß neben ihm; und als er sah, dass der Kurde die Schüssel an sich heranzog, lief er von seinem Platze fort, der Haschischrauch entwich aus seinem Kopfe, und er setzte sich weit weg, indem er rief: "Nach dieser Schüssel gelüstet mich nicht mehr!" Doch der Kurde Dschawân streckte die Hand nach der Schüssel aus in Gestalt einer Rabenklaue, schöpfte mit ihr und zog sie geballt zurück, so dass sie einem Kamelshufe glich.

314. Nacht

Alî Schâr lässt sich nun überreden zu essen. Und der Christ holt eine Banane hervor, die er in zwei Hälften teilt.

In die eine tat er gesättigtes Bendsch, das mit Opium vermischt war und von dem ein Quentchen einen Elefanten hätte umwerfen können.

Schneewittchen?

Diese Hälfte gibt er Alî Schâr mit den Worten:

"Mein Gebieter, bei der Wahrheit deines Glaubens, nimm dies!"

Alî Schâr fällt sofort in Ohnmacht.

Sobald der Nazarener das sah, sprang er auf seine Füße so schnell, wie ein grindiger Wolf aufspringt oder wie ein plötzlicher Spruch aus dem Richtersmund erklingt.

Er läuft nach Hause zu seinem Bruder, der der erfolglose Bieter auf die Sklavin Zumurrud gewesen war. Dieser hatte sich nur nach außen als rechtgläubiger Muslim ausgegeben ("Raschîd ed-Dîn"). Und sein jüngerer Bruder hatte ihm nun versprochen, diese zu rauben.

Sein Name aber war Barsûm.

Er lässt sie entführen und beschimpft sie zu Hause:

"Du Metze, du schamloses Geschöpf, du wirst schon sehen, wie ich dich strafe! Beim Messias, bei der Jungfrau, wenn du mir nicht gehorchst und meinen Glauben nicht annimmst, so werde ich dich wahrlich mit allen Folterqualen strafen."

Sie jedoch ruft, bei allen Foltern das islamische Glaubensbekenntnis.

Interessant wäre, aus welcher Zeit diese Geschichte nun stammt bzw. entsprechend religiös eingefärbt wurde.
Bemerkenswert: Der Christ wird "Nazarener" genannt.

312. Nacht

Außerdem besorgt er, auf ihren Auftrag hin,

Speisen und Trank für drei Dinare

sowie Seide, Silber-, Gold und Seidenfäden, denn wie schon auf dem Marktplatz verkündet, ist sie eine geschickte Stickerin.
Doch zunächst wird gegessen, getrunken und

Darauf gingen sie zum Ruhelager und genossen einander; und sie verbrachten die Nacht eng umschlungen hinter dem Vorhange.

Am nächsten Tag macht sie sich ans Werk und bestickt die Seide mit Tierbildern,

es blieb kein einziges Tier der ganzen Welt übrig, das sie nicht darauf abgebildet hätte.

Alî Schâr möge dieses Tuch verkaufen, aber nicht an einen Vorübergehenden,

denn das würde zur Folge haben, dass wir voneinander getrennt werden.

Doch auf dem Markt wird er von einem Christen mit immer höheren Preisen gedrängt, so dass er es ihm schließlich verkauft. Nach dem Deal verfolgt der Christ ihn auch noch:

"Du Nazarener, was ist’s mit dir, dass du hinter mir hergehst?"

Wird "Nazarener" eigentlich als Schimpfwort gebraucht?

Seine Ausrede, er habe am Ende der Straße zu tun, scheint durchsichtig, als er ihm bis zur Wohnung folgt und Alî um ein Glas Wasser bittet.

268. Nacht – Eigenwilliges Naschwerk und Leopardenschlüpper für österreichische Experimental-Oboistinnen

Helge Schneider: "Ich bin kein Kirchist."

**

Im April 2007 durfte ich mit Jochen Schmidt nach Sibirien reisen. Den Bericht darüber habe ich bisher bei der Chaussee der Enthusiasten vorgelesen, aber sonst noch nicht veröffentlicht. Es ist an der Zeit.

Сибирь занимает большую территорию I
Eigenwilliges Naschwerk und Leopardenschlüpper für österreichische Experimental-Oboistinnen

 

Man hatte die Hoffnung ja schon längst aufgegeben, dass sich ein Goethe-Institut-Knecht finden würde, der die Chaussee der Enthusiasten auf eine Lese-Tour nach Russland einladen würde. Dabei lag es ja auf der Hand: Kurze, leicht übersetzbare, aber anspruchsvolle Geschichten, vorgetragen von anmutigen Autoren, die aus ihrem Russland-Faible nie einen Hehl gemacht hatten, sondern ihn wie einen Pionierwimpel vor sich hertrugen. Was hatte ich nicht alles getan: Ich hatte dem Institut ein Chaussee-der-Enthusiasten-Buch und einen ganzen Stapel unserer Hefte geschickt, auf unsere erfolgreichen Auftritte in Amsterdam und Lille verwiesen, meine Scham überwunden und schlechten Gewissens eine von mir einmal verlassene Freundin wieder angerufen, von der ich wusste, dass sie jemanden kannte, der jemanden kannte, der im russischen Goethe-Institut arbeitete, wir hatten uns sogar nach einer Moskauer Straße benannt. Stattdessen setzte man in Moskau lieber darauf, Dichterinnen, die vor 10 Jahren mal bei einem Provinz-Poetry-Slam den dritten Platz belegt hatten, oder gar österreichische Experimental-Oboistinnen wieder und wieder ins Russenreich zu karren, weil das ja die anderen Goethe-Institute auch so praktizierten. Und so kam die E-Mail mit der Einladung nach Sibirien etwas unerwartet. Sie hatten den Zeitpunkt gut abgepasst. Ich war knapp unter Vierzig, und so konnten sie mich noch unter der Kategorie “Junger Schriftsteller” ankündigen, aber dieses Etikett gilt in Deutschland vielleicht für jeden, bei dem man sich noch keine Gedanken machen muss, mit welchen Vorrichtungen man den Rollstuhl auf die Bühne gehievt kriegt.
Ich arbeitete an einer Übersetzung, trat viermal pro Woche auf, unterrichtete 2 Improvisationsheaterklassen, ermunterte meine an Frühschwangerschaftskotzerei leidende Schwester, und vertröstete meine Gefährtin Woche für Woche, Regale, Lampen, Lichtschalter, Vorhänge und Bilderrahmen anzubringen, die seit unserem Einzug vor 3 Monaten immer noch vorwurfsvoll im Korridor standen. Kein günstiger Zeitpunkt, um sich nach Sibirien zu verpissen. Aber Russland war ein Magnet für mich, es zog mich an und stieß mich ab. Ich hatte mich Anfang der 90er mit jungen Moskauer Punkbands befreundet, wir waren viermal auf die Krim gereist, ich hatte 1991 den Putsch gegen Gorbatschow live vom Fenster eines Freundes miterleben dürfen, und ebenso die Beschießung des Parlaments zwei Jahre später, ich hatte eine russische Patentochter, die ich fast nie sah, meine Mutter war in russischer Kriegsgefangenschaft entstanden, ich liebte russische Musik und das raue russische Essen, und ich verabscheute die “russische Seele”, die die russischen Rohlinge immer dann aus dem Sack ließen, wenn sie ihre Grobheit in Wodka ertränkt hatten, dann aber nicht etwa zärtlich wurden, sondern schlicht zur allergröbsten Grobheit nicht mehr in der Lage waren. Kurz gesagt: Ich musste nach Sibirien.
***
Als ich in der Abreisenacht rucksackbeladen und wegen eines Auftritts leicht verspätet, um 23.30 Uhr vom Bahnhof Treptower Park meinen Reise- und Lesebegleiter Jochen Schmidt auf dem Handy anrufe, damit er die Damen auf dem Flughafen davon abhalten möge, das Check In zu früh zu beenden, ich würde mich schon beeilen, wundere ich mich über die fehlenden Flughafen-Hall-Geräusche am anderen Ende der Leitung. Schmidt ist noch nicht einmal aus seiner Wohnung gegangen, und so bleibt es mir überlassen, die Damen auf dem Flughafen zur Verlängerung des Check In zu Jochens Gunsten überreden.
Wir sind die letzten Passagiere, bei der Sicherheits-Überprüfung nimmt man uns schon nicht mehr ernst und schäkert untereinander, nicht wissend, dass aufmerksame Schriftstellerohren die Metalldetektorpforte durchqueren. Der Dialog in diesem Setting zwischen der einen Politesse an der Durchleuchtmaschine und der anderen mit der ulkigen Detektorlupe könnte der Beginn eines Tarantino-Films sein:
“Wat willste denn da nach Thailand extra nô Hemden mitnehmen?”
“Na, een T-Shirt dô wenigstens!”
“Nö, da loofen wa dô alle nackee rum! Ne Zahnbürschte und ‘n Leoparden-Schlüppa, dit muss reichen.”
“‘n Leoparden-Schlüppa? Du hast ‘n Leoparden-Schlüppa! Ick fasset nich!”
Wir müssen weiter, dürfen nicht mehr mitlauschen, aber im Geiste drehe ich den Film weiter: Nach uns letzten beiden Passagieren kommt noch der Sky-Marshall angehetzt, bei dem (wie immer) der Alarm piept. Er lässt (wie immer) einen flotten Spruch fallen, man kichert. Im Flugzeug stellt er sich heraus, dass der Sky-Marhall selber ein Entführer ist. Cut! Zeitsprung. Er wurde von seinem sadistischen SM-Partner dazu gezwungen. Cut! Der Pilot vertuscht seit Jahren seine starke Sehbehinderung, aber er hängt an dem Job wegen der nymphomanischen Stewardessen. Als der kriminelle Sky-Marshal droht, dem Piloten die Augen auszustechen, lacht der nur, da das für ihn ja keinen Unterschied mehr macht. Das Flugzeug landet nun immer wieder auf verschiedenen Flughäfen in aller Welt, kein Land fühlt sich zuständig, und kein Innenminister nirgends will die Befreiung der Geiseln unternehmen, da das Risiko zu klein ist, und man sich somit keine Lorbeeren als harter Bulle verdienen kann. Inzwischen ist der sadistische Partner des Sky-Marshalls in Thailand angekommen, wo er sich zu seiner eigenen Überraschung, nicht mit einer Thai-Prostituierten, sondern einer deutschen Touristin vergnügt, in die er sich verliebt hat. Sie belustigen sich im Swimmingpool des Hotels, doch als er sie dort für seine Sado-Spielchen ausnutzen will, wehrt sie sich. Am nächsten Morgen findet das Personal seine Leiche auf dem Grund des Swimmingpools. Sie stellen fest, dass er mit einem Leoparden-Schlüppa erwürgt wurde.
***
Wir heben ab, Jochen setzt sich seine Schlafmaske auf und klemmt sich Ohropax in die beiden dafür vorgesehenen Körperöffnungen. Mit diesen Utensilien, die für ihn so wichtig sind wie für Asthmatiker ihr Spray, eliminiert er zwei wichtige Wahrnehmungsformen, und glaubt irrigerweise, ihre Benutzung garantierten ihm Schlaf.
Um drei Uhr nachts wird das Frühstück serviert. Und während ich wieder einmal meine Knie abwechselnd in den Gang, in Jochens Magengrube und gegen die Rückenlehne meines Vordermanns platziere, frage ich mich, ob diese Nahrungsersatzverabreichung auf kurzen Flügen nicht lediglich dazu dient, die Fahrgäste bei Laune zu halten, da sie sich sonst wie Kinder benehmen: Ich muss mal, ich will was zu trinken, mir ist warm, ich muss mal, wann sind wir endlich da, nein der da hat angefangen, wieso darf ich mir denn keine Mütze aus dem Security-Prospekt basteln?
 

***

Die Prinzessin spricht zu einer Begleiterin

"Du hast mich aufgeheitert, Zubaida!"

Und so erkennt Alâ ed-Dîn, dass diese Zubaida seine Gattin ist, die doch eigentlich tot sein müsste.
Die Prinzessin fährt fort, Zubaida zu trösten, Alâ ed-Dîn sei

in dieser Kammer dort und hört, was wir reden."

Sie rennen auf einander zu und sinken ohnmächtig zu Boden. Es stellt sich heraus, dass eine im Dienst der Prinzessin stehende Dämonin in den Körper von Zubaida gefahren war und Zubaida auf diese Weise zur Prinzessin gelangte.

Deus ex machina.

Dieser Prinzessin war durch ihre Großmutter geweissagt worden, sie würde eines Tages Alâ ed-Dîn heiraten.
Alâ ed-Dîn geht auf das Angebot ein, vorausgesetzt, sie ist Muslimin. Das ist sie tatsächlich, denn sie

las die vier Bücher, die Tora, das Evangelium, die Psalmen und den Koran.

Das hat sie bekehrt. Zubaida nimmt das neuerliche Eheversprechen ihres Gatten klaglos hin.
Außerdem klärt ihn die Prinzessin über die Vorgänge in Bagdad seit seiner Abreise auf. Den fünfeckigen Zauberstein habe sie übrigens von ihrer Großmutter, und sie hatte ihn Alâ ed-Dîn zukommen lassen Der Kapitän war einer ihrer Verehrer, den sie losschickte, um Alâ ed-Dîn nach Genua zu holen. Ihr Vater wiederum hat eine große Angst vor Alexandriern, die er alle hinrichten lässt, da ihm durch seine Mutter geweissagt wurde, er würde durch einen Mann aus Alexandrien getötet.

Man ahnt schon, wer ihres Vaters Mörder sein wird.

Am Abend betäuben sie den König mit Wein und Bendsch, fesseln ihn und geben ihm

das Gegenmittel gegen Bendsch.

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267. Nacht – Angeostetwerden und Karl der Dicke

Text der Woche:

Wie ich mal vom ewigen Angeostetwerden die Nase voll hatte

Mal wieder auf den Fernsehturm gehen müsste man. Warum lässt man sich als Berliner den Aufenthalt in den hier doch in üppiger Zahl verteilten annehmbaren Sehenswürdigkeiten vermiesen durch die Gegenwart Bekannter dritten Grades, die meistens über eine Nervigkeitswucht ersten Grades verfügen? Ich war noch nie ohne Begleitung von Touristen oder Berlin-Neulingen am Brandenburger Tor oder auf eben auf dem Fernsehturm. Ich besitze gar keinen Fernseher mehr. Bekommt von dem Fernsehturm-Eintrittsgeld das Fernsehen womöglich etwas ab? Dann spare ich mir den schönen Ausblick. Nicht dass ich auch noch schuld bin an dem Dreck, der da produziert wird. Hinterher will wieder keiner etwas gewusst haben. Wenn mich dereinst meine Enkel fragen: Großvater, was hast du damals getan, gegen den TV-Wahn, dann werde ich mich outen müssen, auf dem Fernsehturm gewesen zu sein. Und mehr noch – dass ich selber ein Kulturschaffender gewesen bin, der diesen ganzen Wahnsinn mit am Laufen gehalten hat. Die Kulturindustrie wurde von den Herrschenden geschaffen, um am Abend das erstarrte Grinsen der Verkäuferinnen aufzulockern. Hoppla, da habe ich mich wohl ein bisschen veradornoisiert. Horkheimer, Adorno, Brecht, Eisler – die ganze deutsche 40er-Jahre-Emigranten-Truppe – sie alle waren deutsche Angepisstheit gewohnt und konnten sich nicht vorstellen, warum Verkäuferinnen freiwillig lächeln könnten. Sie versuchten, mit ihren Dramen, Gedichten und theoretischen Abhandlungen den amerikanischen Kapitalisten die Lächel-Maske vom Gesicht zu zerren, die Verhältnisse zu enthüllen. Doch die Amis zuckten nur mit den Schultern – das wussten sie schon lange, und lächelten trotzdem.
Die Oberlächler sind bekanntlich die Ost-Asiaten, die einen hierzulande Geborenen oft regelrecht wahnsinnig machen mit ihrer Lächlerei. Der West-Asiate hingegen wohnt im Iran und in Afghanistan und wirkt auf uns grimmig, weil wir in ihm den Islamisten vermuten, der er manchmal auch ist. Der Ex-Vietnamese Thich Nhat Hanh – einer der Chef-Lächler und auch im Westen populären Zen-Meister – meint, dass das Lächeln einerseits, wenn man glücklich ist, von selber komme. Andererseits könne man auch sein eigenes Glück herbeiprovozieren, einfach in dem man lächle. Die Mitteleuropäer – von schlechtem Wetter und einer leidenden Religions-Ikone geprägt, wollen immer nur heulen. Und wenn man einem von ihnen sagt: "Du bist lustig", nippt der an seinem Bier und sagt: "Bin ich nicht."

 

Jetzt sieht es so aus, als wolle ich Lächelei auf religiöse Ursachen zurückführen. Schnickschnack! Die größten Lächler leben auf den Philippinen und in Indonesien – Katholiken und Moslems also. Also was nun? Ist der Wohnort das entscheidende Kriterium, oder wirken die Asiaten womöglich nur so, als ob sie lächeln, und in Wirklichkeit haben sie nur ein breites Gesicht? Auf diese Rutschbahn, die direkt in die Rassistenvorhölle führt, möchte ich mich auch nicht setzen.
Auf eine Rutschbahn der etwas anderen Art hätte mich kürzlich beinahe ein Experiment geführt. Improvisationstheater, mit dem ich mich nun schon seit einigen Jahren beschäftige, macht sich die Klarheit einer einfachen Regel zunutze: "Sag einfach Ja." Dahinter steckt die Idee: Wer Nein sagt, gewinnt Sicherheit. Wer Ja sagt, gewinnt Abenteuer. Was geschieht nun, so mein Gedanke, wenn man mal eine Woche lang übermäßig oft bejaht statt verneint. Ein kleines Spiel mit mir selbst: Jasagen in Situationen, die ich sonst instinktiv verneinen würde. Erstaunt hat mich dabei eigentlich, wie selten ich Angebote verneine. Immerhin war ich netter als sonst, und zwar auch zu Grobianen und hatte Glück, dass mich meine Freundin nicht darum bat, ihre Putzarbeiten zu übernehmen. Und doch gab es ein Ansinnen, auf das ich trotz meines Experiments nicht einging: Einer Dame, von der ich auf einer Party eine halbe Stunde lang angeostet wurde, meinen Personalausweis zu zeigen, um die Echtheit meines Vornamens zu beweisen, da im Osten ihrer besoffenen Meinung nach dieser Name nicht existierte. Überhaupt muss die Anosterei ein Ende haben. Ich will:
– keine Komplimente dafür, dass ich aus dem Osten bin und schon gar nicht dafür dass man mir das ansieht
– keine Vorwürfe dafür, dass ich eine Band, einen Film, einen thüringischen Dichter oder Liedermacher nicht kenne, weil ich den doch kennen müsse, wenn ich aus dem Osten käme.
– nicht darüber belehrt werden, wie man dies oder jenes früher im Osten genannt habe und ob ich denn nun schon völlig verwestlicht sei, weil ich Führerschein sage
– nicht, dass man mir unterstellt, ich hätte gern "Als ich fortging" von Karussell gern gehört, das hätten wir doch alle gern gehört.
– nicht hören, die NVA sei doch eine lustige Truppe gewesen.
– nicht, dass man mir sagt, im Osten hätte keiner Ost-Jeans getragen, das sei peinlich gewesen.
Ich musste Ost-Jeans tragen, weil ich zu den wenigen Ostlern gehörte, die weder Westverwandte hatte noch Ostverwandte, die in der Partei waren. Weder hatte ich was mit der Opposition zu schaffen, noch ging ich drei Jahre zur Armee. Ich war nicht in der Kirche und trotzdem sangen wir zuhause nicht die Ost-Weihnachtslieder, sondern die religiösen. Ich war in der FDJ, aber nicht in der DSF. Ich habe nie Urlaub in Bulgarien gemacht. Ich war weder Fan von Kurt Demmler, noch von Stephan Krawczyk. Obwohl wir nur 300 Meter von der Hauptzentrale der Staatssicherheit wohnten, habe ich von deren Aktivitäten nie etwas mitbekommen. Ich bin einmal wegen Verdacht auf Republikflucht verhaftet worden, wäre aber trotz meines extremen DDR-Frusts nicht einmal im Herbst 89 auf die Idee gekommen zu flüchten.

***

Alâ ed-Dîns Laden indessen scheint weniger gut zu laufen:

Der hatte inzwischen alles verkauft.

Als besonders cleverer Händler wurde er uns auch nicht eingeführt.

Das Letzte, was ihm bleibt, ist ein geschliffener fünfeckiger Stein mit Zaubernamen und Zeichen. Reiben bringt hier allerdings gar nichts. Und so verkauft er das Ding einem europäischen Konsul.

Anscheinend war "Konsul" zeitweise im arabischen Raum eine allgemeine Bezeichnung für reiche Europäer.

Der Konsul bittet Alâ ed-Dîn, mit auf sein Schiff zu kommen, wo er das Geld aufbewahre. Dort betäubt er ihn mit Scherbett, in welches Bendsch gemixt wurde.
Das Schiff legt ab und der "Konsul" ist in Wahrheit ein Kapitän, der auf der Reise auch noch

ein Schiff mit vierzig muslimischen Kaufleuten

plündern lässt. Sie erreichen Genua.

Was wiederum ein Hinweis dafür sein könnte, dass es sich doch um einen Konsul handelt, da dies in Genua ein Titel von Staatsbediensteten war.

Der Kapitän/Konsul schenkt einer verschleierten Dame den Stein. Die vierzig muslimischen Kaufleute werden zum "König der Stadt" geführt.

Völlig unklar, wer hier gemeint ist. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Karl der Dicke(römischer Kaiser zur Zeit Harûn er-Raschids) als König von Genua bezeichnet wird. Wahrscheinlicher ist ein bürgerliches Stadtoberhaupt oder eben die reine Phantasie beim Zurechtspinnen dieser Geschichte.

Man fragt jeden der muslimischen Kaufleute, woher er komme. Und jeder antwortet:

"Aus Alexandrien."

Daraufhin lässt man sie köpfen.

Seltsam, dass sich niemand bemüht, die Antwort zu variieren. Auch Ala ed-Dîn nicht,

der auch hingerichtet werden soll, doch da greift eine Alte ein, die den König daran erinnert, er habe ihr einen Gefangenen zur Klosterarbeit versprochen. Der König überlässt ihr nun Alâ ed-Dîn, und dieser soll übermäßig Frondienste für die Kirche tun. Dies überlastet ihn dermaßen, dass er sich fast lieber hinrichten lassen will. Aber die Kloster-Chefin gibt ihm den Rat, mit einem Kreuzstab durch die Stadt zu ziehen und durch diese Autorität könne er reich und arm, hoch und niedrig zur Arbeit für die Kirche verdonnern.
Dies geht eine Weile gut. Eines Tages beurlaubt ihn die Alte, da die Tochter des Königs zur Kirche wallfahren möchte und ihr niemand im Wege stehen soll. Aber Ala ed-Dîn  verbirgt sich hinter einer Mauer, um die Prinzessin Husn Marjam zu beobachten. Er verliebt sich in sie.

Vergessen sind Zubaida und Jasmin. Letztere immerhin der Grund, warum er in dieser Situation steckt.
Als König von Genua wird nun "Johannes" genannt.… Weiterlesen

102. Nacht

Dhât ed-Dawâhi hatte, so erfahren wir, dem König Afridûn über ihre Listen benachrichtigt, so dass das christliche Heer die verbliebenen Moslems herfiel.

Und die Dreigötterverehrer schauten gierig auf das Volk des Glaubens drein.

Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Dreifaltigkeitslehre wird durchaus auch nicht von allen Christen anerkannt.

Nach der Schlacht beschließen die Christen, den Moslems ein Angebot zu machen, die Sache im Zweikampf zu entscheiden.

Dies kennen wir schon aus der 90. Nacht.

Die Christen sind sich ihrer Sache sicher und saufen die ganze Nach hindurch.
Afridûn selbst tritt zum Kampf gegen Scharkân auf.

Unklare Waffe: Speer aus Chalandsch 102

Scharkân saß auf einem edlen braunen Pferd, das war tausend Goldstücke wert.

Erinnert an den Gag von Helge Schneider über das wertvolle Klavier, das "über tausend Mark" gekostet habe.

…und so kämpften sie unverwandt, bald angreifend, bald zurückgewandt, spielend und in ernstem Ringen.

Das Wort Spielen mag in diesem Zusammenhang auffallen. Aber wer einen spielerischen Geist sein eigen nennt, wird auch angesichts des Todes spielen. (Stephen Nachmanovitch)

Afridûn bemerkt, dass Scharkân doch nicht so leicht zu besiegen ist, wie er dachte und packt ihn bei der Ehre:

"Ich sehe, dein Tun ist nicht preisenswert, dein Kampf ist nicht wie der eines Fürsten bewährt, sieh, wie dein Volk dich gleich einem Sklaven ehrt."

Der billigste Kindertrick, auf den aber ein so kindischer Brüllaffe wie Scharkân natürlich hereinfällt.

Tatsächlich dreht sich Scharkân zornig nach seinem Volk um und Afridûn nutzt den Moment, um seinen Wurfspieß zu schleudern. Im letzten Moment weicht Scharkân aus, aber an der Haut geritzt sinkt er zu Boden in Ohnmacht. Afridûn glaubt, der Sieger zu sein. Doch Dau el-Makân schickt Reiter zu Hilfe.

Klarer Bruch der getroffenen Vereinbarung. Aber Verträge mit Christen gelten hier wohl nichts.

Das scharfe jemenische Schwert tat gute Arbeit.

Schwerter aus dem Jemen?

 

 

102 Möglicherweise ist damit Khalanj (Birkenholz) gemeint.

90. Nacht

Die Story nimmt immer mehr Elemente von Ilias an – der Schlacht um Troja: Detaillierte Beschreibung der Kämpfe, Übergang zu versartiger Erzählung, die Story selbst: Es geht um die Entführung einer Jungfrau und die sich daran anschließenden politischen und familiären Verstrickungen. Nur die Anzahl der Helden ist überschaubar geworden. Die der Gottheiten sowieso. Spielten diese in der Ilias ja die entscheidende Rolle, sind sie hier quasi zum ideologischen Bezugsrahmen zusammengeschmurgelt. In der Schlacht um Troja agieren die Menschen eher als Schachfiguren der Götter. Hier erkennen sie ja eigentlich an, dass sie zum selben Gott beten, nur halten sie die Art der Verehrung des jeweils anderen für pervertiert und nennen einander absurderweise "ungläubig".

Lukas, der Christenheld,

den sie auch "Das Schwert des Messias" nannten,

tritt nun gegen Scharkân an, nicht ohne zuvor den Gaumen mit Mist bestrichen zu bekommen. Er schleudert seinen Speer auf Scharkân, der ihn im Flug auffängt, zurückwirft und seinen eigenen hinterherschickt,

und der traf ihn mitten auf das Zeichen des Kreuzes, das auf seiner Stirn war, worauf Gott seine Seele in das Höllenfeuer stieß.

Anscheinend waren diese Art von Zweikämpfen, die stellvertretend für das gesamte Heer stattfanden, im Altertum nicht unüblich. Im Gegensatz zu David & Goliath oder auch der Episode aus Troja, wird in unserer Geschichte der Krieg weitergeführt:

 


Zweikampf-Szene aus Hollywoods Troy: "Is there no-one else?… Weiterlesen

89. Nacht

Auf Radio Eins haben sie die unsäglichen Traumdeutungen des Psychoanalytikers Dr. Claus Braun wieder ins Programm genommen, dessen Deutungen jedem seriösen Analytiker die Haare zu Berge stehen lassen. Ich glaube, für so etwas ist mal der Begriff "Küchenpsychologie" geschaffen worden: Ohne die Hintergründe oder gar den Alltag zu kennen, bastelt er – gewieften Astrologen gleich – die narrativen Elemente des Traums neu zusammen. Die Frage ist ja, ob man Träume überhaupt "deuten" kann, nur weil das schon immer so gemacht wurde. Es gibt bisher wenig Evidenz dafür, dass Träume im Freudschen Sinne uns Botschaften über das Unbewusste geben oder gar (so C.G. Jung) ein Weg zu unserem wahren Ich seien. Die bisher einzige empirisch halbwegs belegbare Funktions-Hypothese ist, dass Träume ihren Anteil zur Entstehung unseres Gedächtnisses haben (z.B. höherer REM-Anteil bei Kleinkindern). Ansonsten scheinen die Träume nur wenig zu bedeuten, zumal sich Trauminhalte erst beim Aufwachen ergeben, sozusagen in das emotionale Erleben hineingedeutet werden: Z.B. Ich bekomme im Schlaf aus physiologischen Gründen einen Wadenkrampf, was mir Angst verschafft – ich generiere den passenden Trauminhalt: Ein übles Monster sticht mir in die Wade. Dass natürlich Sachverhalte, die uns gedanklich an jenem Tag sehr beschäftigen oder die überhaupt eine große Rolle in unserem Leben spielen, zu Trauminhalten werden, ist klar, aber die Pathologisierung der Träume, wie es die Analytiker tun, scheint mir zu sehr ihrem professionellen Bedürfnis zu entspringen. Aber nur wenige Menschen können diese Art "Sinnlosigkeit" ertragen: "Es muss doch etwas bedeuten!" Tatsächlich kann es uns regelrecht quälen, wenn wir erkennen müssen, dass Ereignisse sinnlos sind, nicht-kausal usw.

***

Der hinterlistigen Dhât ed-Dawâhi ist es nun zu verdanken, dass 50.000 Mann übers Meer fahren, sich am "Berg des Rauchs" 89 verstecken und von dort den kämpfenden Muslimen in den Rücken fallen.
Die Schlacht geht los, von Dau el-Makân und Scharkân angeführt mit ca. 120.000 Mann,

während die Ungläubigen sechzehnhunderttausend zählten.

Was soll das für eine Streitmacht gewesen sein?

Scharkân wird seinem Ruf als Kriegsheld gerecht:

Er tobte unter den Tausenden und stritt, so furchtbar anzuschauen, dass Säuglingen davon die Haare ergrauen.

In dieser ersten Schlacht siegen die Muslime, und König Afridûn verspricht, nun den ruhmreichen Lukas, Sohn des Schamlût, einzusetzen und alle Emire

mit dem heiligen Weihrauch zu weihen. Der Weihrauch aber, den er meinte, bestand aus den Exkrementen des Großpatriarchen, des Lügners und Leugners. […] Die Patriarchen vermengten ihn mit ihren eigenen Exkrementen, da die des Großpatriarchen für zehn Provinzen nicht genügten. […] Und die mächtigsten Könige taten ein wenig davon in die Augensalbe und heilten damit Krankheit und Kolik.

Das eigentlich Erstaunliche ist hier nicht die groteske Beleidigung des Großpatriarchen, sondern dass sie seinem Kot tatsächlich heilende Wirkung zugestehen.

 

89 Ich glaube nicht, dass damit der Djebel Dukhan gemeint ist, da dieser im Bahrain liegt, während hier wohl eher das Mittelmeer gemeint ist. Aber welcher Vulkan?

89. Nacht

Am Montag wache ich reuevoll erst um 11.30 Uhr auf. Um mal ein bisschen sozial zu sein, habe ich mich am Vorabend auf eine Spielerunde eingelassen, die dann bis 2.30 Uhr austrullerte. Hätte ich nur daran gedacht, dass ich mich am nächsten Tag mit den Enthusiasten treffe. Volker, hat einen besseren Vietnam-Imbiss vorgeschlagen, bei dem man bis auf einen Tisch eigentlich nur essen und schnell wieder gehen will – Feng-Shui-Logik von Imbiss-Restaurants. Gutes Essen, aber kaum einer richtig entspannt. Jochen mit halbem Ohr ständig telefonkonferierend, Volker leidet an Hexenschuss. Immerhin mal wieder nettes Beisammensein.


Bohni


Dan Richter


Robert Naumann


Stephan Zeisig


Jochen Schmidt

 


Volker Strübing

 

 

Den Rest des Tages verbringe ich damit, die berühmte Restaurant-Szene aus "The Godfather" zu untertiteln. Die Figuren Michael Corleone und Virgil Sollozzo sprechen sizilianisch, und bisher war man auf Vermutungen angewiesen.

 

 

***

Um seinen Bruder zu testen, erkundigt sich Scharkân bei ihm nach dem Heizer. Dau el-Makân antwortet, er würde ihn nach der Schlacht gegen die Christen für seine Taten belohnen.

Dafür dass er so viele Leiden ertragen hat, lassen sie den armen Heizer ganz schön lang auf seine Belohnung warten.

Man rüstet sich zum Kampf, und Dau el-Makân verabschiedet sich von seiner im fünften Monat schwangeren Frau.

So schnell kann’s gehen. Anscheinend leidet hier ein wenig das Erzähl-Timing der Geschichte.

Der Wesir Dandân übernimmt das syrische Heer, Rustem die Dailamiten 88 , Bahrâm die Türken.

Von Rustem und Bahrâm ist vorher noch keine Rede gewesen.

Das Heer zieht los, und als man die Grenze zu Griechenland erricht, flieht das arme Volk nach Konstantinopel.

Wir können also von argen Plünderungen ausgehen.

Auf Anraten der alten Dhât ed-Dawâhi reist König Hardûb mit ihr zu König Afridûn nach Konstantinopel, um diesem seine Tochter Sophia zurückzubringen. Nun rüstet er selbst zum Kampf und erhält Unterstützung von seinen christlich-europäischen Kollegen:

Zu ihnen stießen die Franken aus allen Ländern: Franzosen, Deutsche, Ragusaner, Zaranesen 88b, Venezianer, Genuesen und all die Heerscharen der Bleichgesichter 88a.

Die erste Schlacht führt der Wesir Dandân mit den syrischen Truppen.

Nun erhoben die Christen ihr Feldgeschrei: "O Jesus, o Maria o Kreuz!" – das verdammet sei – und stürmten gegen den Wesir Dandân und seine syrischen Heere an.

Klingt als Schlachtruf ziemlich seltsam. In Kreuzzügen des 11. Jahrhunderts benutzten die Christen "Deus vult!"

 

88 Mit den Dailamiten sind wahrscheinlich die Perser gemeint. Genau gesagt ist Dailam eine Gebirgsregion im Iran. Ich vermute, es könnte auch sein, dass mit "Dailamiten" auch eine Art persische Elitetruppe bezeichnet wird.

88a  Bleichgesichter? Man fragt sich, ob hier der Übersetzer bei Karl May abgeguckt hat.

88b Evtl. sind hier die Sardinier gemeint. Auffällig, dass ja vor allem italienische Städte genannt werden, die mit den Arabern im 9. Jahrhundert (also zu der Zeit, da unsere Geschichte wahrscheinlich spielt) im Krieg lagen.

86. Nacht

Tatsächlich übergibt der König der Alten seine Nebenfrau Sophia. Die Alte übergibt ihm nun einen versiegelten Becher, den er am dreißigsten Tag austrinken soll.

Aha, die Süßspeisen und das Wasser im Krug waren also völlig harmlos. Offenbar ging es der alten Dhât ed-Dawâhi damit nur darum, den König auszutesten und ihn unvorsichtig werden zu lassen. Er hätte ja auch jemand anderen die Süßspeise oder das Wasser vorkosten lassen können. Erst als sie ihn völlig auf ihrer Seite hat, gibt sie ihm das Gift im Becher.

Der Wesir Dandân berichtet weiter, dass er und die Bediensteten zunächst vermuteten, der König schliefe, dann hoben sie die Tür aus den Angeln, fanden die Leiche und im Deckel des Bechers die Nachricht der alten Dhât ed-Dawâhi, die es nicht bei der Begründung für diese arge Rache belässt, sondern obendrein Krieg ankündigt:

"… vernichtet sollt ihr werden bis auf den letzten Mann, keine Menschenseele bleibt von euch übrig dann, keiner, der ein Feuer anblasen kann, es sei denn er bete das Kreuz und den Gürtel 86 an."

So beendet der Wesir Dandân seinen Bericht. Dau el-Makân verleiht dem Wesir und den Emiren Ehrengewänder und belässt sie in ihren Ämtern. Den Tribut aus Damaskus schüttet er unter den Truppen aus.

Natürlich, um sich die Loyalität dieser Männer zu sichern. Stellt sich nur die Frage, wo er an dieser Stelle die Ehrengewänder aufgetrieben hat.

 

86 Offenbar bezieht sich diese Anspielung darauf, dass Christen in der Zeit seit Kalif Al-Muttawakil gezwungen wurden, Umhänge und Gürtel zu tragen. Aus den Schutzbefohlenen Dhimmi wurden somit sichtbar Ausgegrenzte. Die Vorstellung, Christen würden den Gürtel anbeten und dies von anderen verlangen, ist natürlich absurd, aber die Vorstellung, sie würden das tun, eine interessante Folge dieses Diskrimierungsgebots.

68. Nacht

Scharkân liest weiter im Brief seines Vaters, welcher den Verlust seiner Kinder beklagt:

Ihr Bild entschwindet nie, nicht eine einz’ge Stunde
Im Herzen wies ich ihm den Platz der Ehren zu.
Wär Hoffnung nicht auf Heimkehr, ich lebte keine Stunde.
Wär nicht das Bild des Traumes, ich fände keine Ruh.

Beachtlich das originelle Reimpaar Stunde/Stunde.

Als Scharkân das Schreiben gelesen hatte, da grämte er sich um seinen Vater, aber er freute sich um den Verlust seines Bruders und seiner Schwester.

Scharkân besucht nun seine Schwester/Gemahlin Nuzhat ez-Zamân, die gerade im Geburtstuhl  saß und entbunden hat, um ihr den Brief zu zeigen. Seine Freude über die neugeborene Tochter, der man erst am siebten Tage nach der Geburt einen Namen geben will (denn "Das ist der Brauch unter den Menschen") 68, währt nur so lange, bis er den Juwel
an deren Hals sieht,

eins von den dreien, die Prinzessin Abrîza aus Griechenland mitgebracht hatte.

"Woher hast du das Juwel, Sklavin?"

Erst jetzt platzt es aus Nuzhat ez-Zamân heraus:

"Schämst du dich nicht, mich Sklavin zu nennen? (…) Ich bin Nuzhat ez-Zaman!"

Als er diese Worte hörte, fasste ihn ein Zittern und er ließ den Kopf zu Boden hängen.

Depression ist für Scharkân eine eher untypische Reaktion. Bisher reagierte er auf unschöne Nachrichten eher explosiv.

 

68  Für die Katholiken hingegen scheint es ja eher wichtig zu sein, die Taufe möglichst schnell über die Bühne zu bringen, damit, falls das Kind stirbt, es nicht ungetauft im Fegefeuer landet. Sollte der Säugling ungewöhnlich schwach sein, kommt sogar eine Nottaufe in Betracht.

47. Nacht

Wirklich kämpfen die beiden, und zwar auf Wunsch der Alten hin sogar nackt, lediglich ein Tuch zwischen die Beine gezogen. Die junge Maid ist stärker als das alte Weib. Sie

hob sie mit beiden Händen hoch; die Alte aber rang, um sich aus ihren Händen zu befreien, und dabei fiel sie auf den Rücken. Da ragten ihre Beine hoch in die Luft, und deutlich waren ihre Haare im Mondschein zu sehen; und sie ließ zwei gewaltige Winde fahren, von denen der eine den Staub auf der Erde aufwirbelte, während der andere bis zum Himmel dampfte.

Nach einem etwas schwer verdaulichen Mahl geschah mir in der Schule ähnliches, als wir Judo kämpfen mussten. Allerdings verhalf mir dieses versehentliche Hilfsmittel zu einer guten Note, da ein Gegner seine Umklammerung löste und ich ihn daraufhin überwältigen konnte (falls meine Winde das nicht schon erledigt hatten).

Die alte Dhât el-Dawâhi bleibt besiegt liegen, während die Maid sich wieder anzieht.

Als nun die Mädchen gefesselt am Boden lagen und die Maid allein dastand, sprach Scharkân bei sich: "Jeder Zufall hat seinen Grund. Es war doch nur mein Glück, dass mich der Schlaf überfiel und das Ross mich hierher trug; vielleicht sollen diese Maid und die anderen, die bei ihr sind, noch meine Beute werden."

Etwas unangemessen wild reitet er mit gezücktem Schwert und "Allah ist der Größte" brüllend, auf das Mädchen zu, das natürlich ob dieser Grobheit etwas erstaunt ist und ihm eröffnet, dass, sobald sie einen Schrei ausstoße, 4.000 Krieger zur Stelle sein würden.
Scharkân, immer noch etwas deppert, fordert die 10 Mädchen als Beute. Das Mädchen schlägt vor, miteinander zu ringen. Wer gewinnt, bekommt den anderen als Beute. Scharkân ist einverstanden, mit der Bedingung, dass er sich loskaufen würde. Das Mädchen nimmt ihm einen Eid über die Vereinbarung ab.
Die Schönheit des Mädchens blendet Scharkân. Sie ruft ihm zu

"Oh Muslim herbei, und lass uns ringen, ehe der Morgen anbricht!", und streifte den Ärmel in die Höhe, der frischem Rahm gleich war, so dass die ganze Wiese durch seine Weiße hell ward; und Scharkân war geblendet.

Tatsächlich werden seine Glieder angesichts ihrer Schönheit so schwach, dass es für sie ein Leichtes ist, ihn zu werfen und sich auf ihn zu setzen. Sie schenkt ihm das Leben.

Scharkân stand auf und schüttelte den Staub von seinem Kopfe gegen die Geschöpfe aus der krummen Rippe47.

Dann fordert er sie ein zweites Mal heraus, da er, wie er meint nicht wegen ihrer Stärke sondern wegen ihrer Schönheit besiegt worden war. Das Mädchen ist einverstanden, löst aber zuvor die Fesseln der anderen 10 Griechinnen, die den Kampf nun aus sicherer Entfernung beobachten, den Scharkân, wie zu erwarten, wieder verliert. Und beim dritten Mal ebenso, obwohl ihm die Maid die wichtigsten Künste und Kniffe des Ringkampfes in Erinnerung ruft:

  • Finte

  • Vorgriff

  • Armgriff

  • Fußgriff

  • Schenkelbiss

  • Fußstoß

  • Beinverschluss

Scharkân gesteht ihr nun, verliebt zu sein und bittet darum, sie begleiten zu dürfen. Sie gewährt es ihm, und reiten über eine Zugbrücke ins Kloster. Scharkân glaubt nun, das Kameradschaftsrecht als auch das Gastrecht genießen zu dürfen. Er bittet sie, mit ihm

in das Land des Islam zu ziehen.

Sie ärgert sich über diese Grobheit und wirft ihm vor, sie betrügen zu wollen, denn dort käme sie nicht nur in Sklaverei, sondern auch in Konkubinenschaft.47a Die Maid lässt nun ihren ganzen Ärger heraus und offenbart, dass sie weiß, dass muslimische Reiter das Land überfallen haben.

nicht wie ein königliches Heer, sondern wie Horden, die sich zusammengerottet haben.

Auch von des Königs Sohn Scharkân habe sie gehört

"Ich wollte nur, dass der Messias ihn in meine Hände gäbe, in ebendiesem Kloster, dann träte ich ihm in Manneskleidung entgegen und würde ihn gefangennehmen und in Fesseln legen."

Bemerkenswert: Dies ist die erste Geschichte, in der das Christentum (noch?) nicht verächtlich gemacht wird. Im Gegenteil: Der Moslem erscheint als einfältiger Grobian. Die Christin als stark, schön und gewitzt. Außerdem bleibt die Kritik am Islam unwidersprochen stehen.

 

47 Anspielung auf Schöpfungsgeschichte. Moses 2.21,22

47a Anspielung auf Koran Sure 4, Vers 3, 28/29