Sollen wir am Karfreitag die Beine still halten? 457., 458., 459., 460., 461. Nacht

Erst zwanzig Jahre nach der Wende erfuhr ich von einer Kollegin vom sogenannten Tanzverbot, das in Hessen am Karfreitag herrsche. Bei aller Überraschung tat ich das damals als lokale Rechts-Schrulle ab. Man stößt ja immer wieder mal auf antiquierte Paragrafen, die noch irgendwo herumgeistern und die keinen interessieren, einfach weil sie so gut wie nie zur Anwendung kommen. Aber ich musste erstaunt feststellen, dass es diese seltsame Regel nicht nur in Hessen gibt, sondern in allen Bundesländern. Teilweise durchaus restriktiv und extensiv: Manchmal sind Sportveranstaltungen verboten, in einigen Bundesländern, wie Nordrhein-Westfalen auch Kabarett-Shows und Komödien. Die Restriktionen sind nicht auf Karfreitag beschränkt. In Bayern darf am Aschermittwoch nicht getanzt werden. In Baden-Württemberg ist Tanzen für achtzehn Tage im Jahr untersagt. Das schließt ein: Neujahr, Heilige Drei Könige, Himmelfahrt, Pfingstmontag (Haben die Jünger zu Pfingsten nicht auch getanzt?).

Eine ausführliche Liste der „stillen Feiertage“ geordnet nach Bundesländern findet sich hier.
In Berlin betrifft das Verbot den Karfreitag, den Volkstrauertag und den Totensonntag, jeweils zwischen 4 und 21 Uhr. Bei den letzten beiden weiß ich nie, wann sie stattfinden. Ich höre immer nur am jeweiligen Tag im Radio davon.
Betroffen sind übrigens auch „in Räumen mit Schankbetrieb musikalische Darbietungen jeder Art“. Und das betrifft mich nun persönlich. Mit ein bisschen mehr Geld in der Tasche oder einer robusten Rechtsschutzversicherung würde ich mich da gern mal selbst anzeigen und mich dann bis nach Karlsruhe durchklagen. Die Polizei in Berlin scheint das Ganze auch eher locker zu nehmen. Mir ist zumindest kein Fall bekannt, wo eine Party gesprengt wurde.
Für den diesjährigen Karfreitag kündigt die zitty ca. 75 Partys an. (Konzerte und Theaterstücke mit Musik nicht eingerechnet.) Davon fängt ein Viertel zur inkriminierten Zeit vor 21 Uhr an. Sollte man die alle mal anzeigen, um die Debatte mal voranzutreiben?
Zur Klarstellung: Es ist ja völlig in Ordnung, die Stille des Karfreitags der christlichen Minderheit in Berlin zu schützen. Und ich hielte es auch für unangemessen, an diesem Tag ein Straßenfest vor einer Kirche auszurichten. Aber warum sollte ein Christ (wieviele Christen halten sich eigentlich an das Gebot der Stille?) davor geschützt werden, wenn in einem „Raum mit Schankbetrieb“ Musik dargeboten wird? Welches Szenario schwebte da dem Gesetzgeber vor Augen? Der arme Christ will am Karfreitag noch ein Bierchen trinken gehen, da betritt er die Fire Bar Mitte und muss zu seinem Schrecken feststellen, dass in diesem Musik-Schuppen die Daddy’O-Party läuft? Oder soll hier vielmehr ein angenommener Wert allen Nicht-Christen aufgezwungen werden, in der faulen Annahme, Deutschland sei christlich?
In einer mir bekannten Comedy-Truppe wurde letztens diskutiert, ob man am Karfreitag den Black-Humor-Abend spielen dürfe. Sie entschieden sich dagegen, mit der Begründung, es könne die Gefühle der Religiösen verletzen. Wie zum Donner sollte das gehen? Kann man sich einen hypersensiblen Christen vorstellen, der am Karfreitag in eine „Black Humor Show“ geht und sich dann wundert, dass dann genau das aufgeführt wird? Wer wegen der Ermordung seines Heilands traurig ist, geht doch nicht tanzen oder in eine Comedy-Show. Schlimmer noch als die rechtlichen Vorschriften, die, wie ich unrecherchiert vermute, noch aus der Weimarer Republik oder gar dem 19. Jahrhundert stammen, ist das vorauseilende Katzbuckeln gegenüber religiösen Gefühlen von nicht einmal anwesenden Personen.
In welcher rechtlichen Welt leben wir denn, wenn religiöse Gruppen Handlungen von Personen juristisch verbindlich vorschreiben können? Ich möchte ja bezweifeln, dass die Mehrheit der deutschen Christen diese Gesetze für angemessen halten. Niemand, der nicht tanzen will, wird durch eine Tanzveranstaltung gestört. Niemand, dem am Karfreitag nicht nach Komödien zumute ist, wird gezwungen, sich solche anzuschauen, noch wird seine Religionsausübung in irgendeiner Weise dadurch gemindert, dass jemand anders irgendwo tanzt oder sich amüsiert, während unser Christ betet.
Wir haben es hier nicht einmal mit einem ethischen oder juristischen Dilemma zu tun. Anders gesagt: Wir müssen nicht einmal die Rechte des stillesuchenden Christen gegen die Rechte aller anderen – also der Nicht-Christen und der Christen, die am Karfreitag keine Stille suchen – abwägen. Es ist die in Westdeutschland im Grunde seit der Gründung der Bundesrepublik bestehende Annahme, das Land sei irgendwie christlich verfasst, die uns immer wieder mit abstrusen Normen konfrontiert. Da werden Paragraphen im Nachhinein so eng konstruiert, dass auch ja keine muslimische Lehrerin mit den Schülern konfrontiert wird. Nonnentrachten und Kruzifixe hingegen waren jahrzehntelang kein Problem. Dass zur Religionsfreiheit auch die negative Religionsfreiheit gehört (grob gesprochen: das Recht, von Religion in Ruhe gelassen zu werden), wird immer wieder von Gesetzgebern ignoriert. Mit dem Problem konfrontiert, berufen sie sich dann gern auf die „christliche Prägung“ des Abendlandes. Abgesehen von der Fraglichkeit dieser Terminologie (Was heißt „Prägung“?, Hat nicht auch gerade die Aufklärung das „Abendland“ geprägt?) – wir haben eine ziemlich moderne Verfassung und Rechtsordnung. Wo will man denn hin?
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457. Nacht
Nach nur wenigen weiteren Antworten gibt sich der Astronom (/Astrologe) geschlagen und gibt sein Gewand ab. Harûn er-Raschîd lässt den Philosophen antreten. Dieser fragt ein paar Definitionen ab: Zeit, Unglaube usw. Daraufhin auch noch Fragen zum Islam, die eher wie Rätsel anmuten:
„Nenne mir die fünf, die da aßen und tranken und doch nicht aus Lenden und Mutterleib hervorgegangen waren.“ „Adam, Simeon, die Kamelin des Sâlih, der Widder Ismaels und der Vogel, den Abu Bakr der Wahrhaftige in der Höhle sah.“

Es folgen echte Rätsel und Knobelaufgaben, die die Bezeichnung „Philosophie“ nicht verdienen.

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458. Nacht

Nach einigen weiteren Rätseln gibt auch der „Philosoph“ auf und legt sein Gewand ab.
Schließlich muss en-Nazzâm, der Statthalter er-Raschîds in Basra, selbst ins Gefecht mit Tawaddud.

„Bei Allah“, rief er, „wahrlich, ich werde dich sicher besiegen und zum Gerede der Leute machen, auf dass man von Geschlecht zu Geschlecht über dich spricht!“ Die Sklavin antwortete ihm: „Tu Buße im voraus für deinen Meineid!“
Mit der religiösen Beteuerungsformel seines Schwurs lehnt sich en-Nazzâm tatsächlich weit aus dem Fenster.

Auch seine Fragen sind eher banale Fragen zur Heiligen Schrift oder gleichen Rätseln:

„Tu mir kund, welches dein Anfang und dein Ende ist!“ „Mein Anfang ist ein Tropfen schmutziger Flüssigkeit, mein Ende ist ein Leichnam, der Verwesung geweiht. Mein Anfang ist Staub, und mein Ende ist Staub, wie der Dichter gesagt hat:

Aus Staub geschaffen wurde ich zum Menschen
Und ward in Frag und Antwort sprachgewandt;
Ich kehre heim und bleibe in dem Staube,
Dieweil ich früher aus dem Staub entstand.“
(…) „Sage mir, welches Weib wurde allein vom Manne und welcher Mann allein vom Weibe geboren.“ „Eva von Adam und Jesus von Maria.“
Dass die Muslime die Jungfrauengeburt der Christen akzeptieren, war mir bis eben neu. Sure 3,47. Oder hier der Wiki-Artikel.
Weiter geht es mit Rätseln und Fragen auf dem Niveau von Kreuzworträtsel-Wissen:
„Wieviel Worte sprach Gott zu Mose?“
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459. Nacht

Weiter mit Rätseln und Vers-Rätseln.

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460. Nacht

Schließlich stellt en-Nazzâm ihr eine Falle:

„Sage mir, wer ist vortrefflicher, Alî oder el-Abbâs?“
Es liegt nahe, Alî zu antworten, aber mit dieser Antwort könnte sie den Kalifen Harûn er-Raschîd beleidigen, der praktisch ein Nachfolger des el-Abbâs ist und zur Dynastie der Abbasiden gehört.
Er-Raschîd bemerkt ihr Zögern und erlässt ihr die Antwort. Nachdem en-Nazzâm ihr gut zwanzig Fragen am Stück gestellt hat und sie diese am Stück beantwortet, muss auch er sein Gewand ablegen.
Und er [der Beherrscher der Gläubigen] ließ Meister des Schachspiels, des Kartenspiels und des Tricktrackspieles kommen.
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461. Nacht

Sie spielen drei Mal Schach. Einmal schnell, einmal langsam, und einmal gibt Tawaddud ihm Vorsprung, indem sie ohne Dame, ohne den rechten Turm und ohne den linken Springer antritt. Sie gewinnt jedes Mal mit den schwarzen Figuren.
Auch den Tricktrack-Spieler schlägt sie.

Tricktrack - eine alte Form des Backgammon
Da stand er auf, indem er unverständliche Worte in fränkischer Sprache murmelte, und sagte dann: „Bei der Gnade des Beherrschers der Gläubigen: ihresgleichen gibt es in der ganzen Welt nicht wieder.“
Schließlich betört sie noch alle mit Gesang und dem Spiel auf einer alten, ausgeleierten Laute, der sie aber bezaubernde Töne entlockt.
Der Kalif schenkt ihrem Herrn hunderttausend Dinare und gewährt ihr eine Gnade. Sie erbittet sich die Freiheit, und auch dies wird ihr gewährt mit fünfzigtausend weiteren Dinaren obendrein.

260. Nacht – Sarah Palin: Pro Gun + Pro Death

Mit zwanzig Ideen morgens aufgewacht, nachdem ich am Abend zuvor im Wikipedia-Artikel über Bipolarität gelesen hatte, dass sich in der Phase der Manie die Gedanken überschlagen…
Die scheinbar unaufwändigste versuche ich dann umzusetzen, aber dieser kleine billige hat mich doch mehrere Stunde gekostet. Ach was, ich will mich gar nicht beklagen.

 
Pro Death

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Alâ ed-Dîns Aufstieg schreitet fort. Der Hauptmann der Sechzig stirbt kinderlos, und der Kalif macht ihn zu seinem Nachfolger und Erben:

"Begrab ihn in der Erde, und nimm alles was er an Sklaven, Sklavinnen und Dienern hinterlassen hat."
Darauf schwenkte er das Taschentuch.

Womit die Versammlung beendet ist.

Kurze Zeit darauf verlässt Zubaida, die Lautnerin, ihn nachts,

um ein Bedürfnis zu verrichten,

sie schreit kurz auf und stirbt.

Praktischerweise kurz nachdem er vom Schwiegervater offiziell anerkannt wurde.

Der Handlungsverlauf wird wieder einmal unübersichtlich. Eben dachte man noch, eigentlich sei mit der Hochzeit alles aus, aber anscheinend hatte Schehrezâd noch nicht genug vom Rumspinnen…

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211. Nacht – Grundrechte

Regal Menschenrechte

Elftes Buch von links

Till Müller-Heidelberg u.a. (Hg.): „Grundrechte-Report 2001. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland“

Erworben: 2001
Status: Fast alle Artikel vollständig gelesen.
Erster Satz: „Dies sind Meldungen aus einer Woche im Oktober 2000: Unbekannte haben in der Nacht zum Freitag, dem 6. Oktober, zwei Bransätze auf das Gelände eines Asylbewerberheims in einer südpfälzischen Gemeinde geworfen, teilte die Polizei mit.“
Kommentar: Als Mitglied der Humanistischen Union bekomme ich die jährlichen Grundrechte-Reporte praktisch im Abo. Die Themen ändern sich nur unwesentlich, die konkreten Anlässe schon.

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Hajât en-Nufûs empfindet Mitleid mit Budûr, holt eine junge Taube und

schlachtete sie über ihrem Hemde und befleckte sich mit dem Blute…

König Armanûs lässt ein großes Fest feiern.

Ein Entjungferungsfest nach der Hochzeit?

König Schehrimân zur gleichen Zeit betrauert seinen Sohn:

Das Volk der Liebe hab ich immer getadelt;
Da musste ihre Süße und Bitterkeit mir nahn.
Ich trank in vollen Zügen den Becher der Härte;
Und ihrem Herrn und Diener wurd ich ein Untertan.
Das Schicksal schwor, es wolle unsrer Trennung walten;
Und jetzo hat das Schicksal seinen Schwur gehalten.

Gefällt mir.

Man findet die Überreste der Kleider des Prinzen und die Fleischklumpen. Der König weint.

Auch die Krieger weinten mit ihm; (…) und sie streuten sich Staub auf das Haupt.

Eine anscheinend sehr verbreitete Tradition, die ich nie verstanden habe.

144. Nacht – Homer

Der noch farblich sortierte Bereich Belletristik geht in die Rubrik Dichtung über. Das elfte Buch von rechts

Homer: Ilias

Erworben: 1989 in einer Berliner Buchhandlung
Status: Erstes bis fünftes Buch gelesen. Dann aufgegeben.
Erster Satz: „Den Zorn des Peliden Achilleus besinge, Göttin, den verfluchten Zorn!“
Kommentar: Ja, schön geschrieben. Ja, Weltliteratur. Aber will man sich wirklich durch all diese Schlachtbeschreibungen durcharbeiten? Und dann bekommt man nicht einmal die gesamte Story geliefert? Bekanntlich endet die Ilias nicht mit der berühmten Holzpferd-Episode und der Einnahme der Stadt, sondern mit nur mit dem Besuch des Priamos bei Achilleus. Jetzt könnte man einwenden, die Lektüre der Ilias sei dann aber immer noch ergiebiger als dieser endlose, in die Erzählungen der Tausendundein Nächte eingebaute Roman. Und dem hätte ich nichts zu entgegnen außer, dass wir inzwischen bei der vorletzten Nacht dieser etwas zähen Story angekommen sind.

***

Man feiert ausgiebig.

Eine Weile lebten sie so dahin.

Bemerkenswert immer wieder, wie der Erzähler zwischen plaudernder Weitschweifigkeit und bürokratischer Erzähleffizienz pendelt.

Ein Kaufmann kommt klagend an den Hof, man habe ihn, der schließlich einen Freibrief des früheren Vizekönigs von Damaskus Scharkân habe, überfallen.

Wir ahnen bereits, dass es der Kaufmann ist, der damals Nuzhat ez-Zamân aus den Fängen des Beduinen befreite.

Mit einer Ritterschar begeben sich die Könige ins Tal, wo die verbliebenen Räuber lagern und nehmen drei Anführer gefangen.
Man gibt den Anführern eine Chance zu überleben, wenn sie gute Geschichten aus ihrer Zeit erzählen. Allerdings entblödet sich der dümmste von ihnen nicht, ausgerechnet die Episode zu erzählen, in der er Nuzhat ez-Zamân raubte. Keine Frage – Nuzhat ez-Zamân zückt bereits ihr Schwert, doch man möchte ihm noch eine allerletzte Chance geben, und so erzählt er seine Geschichte,

Die Geschichte des Beduinen Hammâd

Eine dürre Geschichte, die ich so zusammenfasse:

Der Räuber Hammâd geht mit Spießgesellen auf Jagd, trifft auf einen Prinzen und seine Schwester, die er rauben will. Der Prinz erschlägt im Kampf einen Ritter nach dem anderen, lässt aber unverständlicherweise den Anführer leben und gewährt ihm Gastrecht, das er missbraucht: Er tötet den Prinzen im Schlaf. Daraufhin stürzt sich dessen Schwester ins Schwert.

Die gehässige Art und Weise, wie hier im ganzen Roman über die Beduinen geschrieben wird, lässt diese Geschichte unter dem Blickwinkel betrachten, dass Beduinen sogar das heilige arabische Gastrecht missbrauchen.

Ende

Natürlich war es eine Dummheit von Hammâd zu glauben, sich ausgerechnet mit einer derartigen Geschichte das Leben zu erkaufen. Und so tötet ihn Nuzât ez-Zamân.

137. Nacht

Tâdsch el-Mulûk feiert einen Monat lang Hochzeit mit Dunja.

und sie lebten hinfort immerdar herrlich in Freuden, bis der Zerstörer aller Wonnen zu ihnen kam.

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Fortsetzung der Geschichte des Königs ibn en-Nu’mân und seiner Söhne.

Der Wesir Dandân hat seine Geschichte beendet, und allgemein wird festgestellt, dass man ja nun schon seit vier Jahren vor Konstantinopel lagert, die Truppen murren. Und Dau el-Makân beginnt, sich nach Weib und Kind zu sehnen.

Alles gute Gründe für die Beendigung eines jeden Krieges.

Man zieht also zurück nach Bagdad

Die Daheimgebliebenen scharten sich um die Heimkehrenden, und jeder Emir ging in sein Haus. Der König aber zog zu seinem Schlosse und begab sich zu seinem Sohne Kân-mâ-kân, der nun schon sein siebentes Lebensjahr vollendet hatte und bereits auszureiten pflegte.

Hab ich da etwas in der Zeitrechnung versäumt? Ich denke, es waren nur vier Jahre vor Konstantinopel?

Meinen ersten alleinigen Ausritt habe ich übrigens mit 9 Jahren gewagt. Das Fahrrad hatten mir meine Eltern zum Geburtstag mit der Bedingung geschenkt, ich dürfe mich damit nur durchs Wohngebiet bewegen. Also in den Grenzen Wilhelm-Guddorf-Str./Frankfurter Allee/Harnackstr.


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Sorina Albrecht überredete mich, die Spritztour auszuweiten, und so radelten wir bis zum Tierpark, und da die Straße „Am Tierpark“ damals noch nicht so dicht befahren war wie heute, erlaubten wir uns, singend schöne Schlängellinien mit unseren Fahrrädern auf der Schnellstraße zu fahren. Der Weg nach Hause gestaltete sich ein wenig schwierig, da wir ein wenig die Orientierung verloren hatten. Als ich gegen 20 Uhr zuhause eintraf wurde der Ärger meiner Eltern nur unwesentlich von ihrer Erleichterung mich wohlbehalten wiederzusehen relativiert. Mein Vater hatte bereits die Jacke angezogen, um die Polizei zu verständigen, meine Schwester hatte durch eine Lippenverletzung den Stress in der Familie noch befördert. Seltsamerweise wurde die Beschränkung aufs Wohngebiet nach diesem Vorfall nicht etwa verschärft, sondern aufgehoben. Komisch, diese Erwachsenen.

Der Heizer, der Dau el-Makân damals so viel geholfen hatte, soll nun endlich seinen Lohn erhalten.

Nun war jedoch der Heizer dick und fett geworden, und sein Gesicht wie der Bauch eines Delphinen gar. Auch war er stumpfen Geistes geworden, da er sich nie von der Stätte, an der er sich befand, gerührt hatte.

Nach einigem Hin und Her, Nichtwiedererkennen, zu bescheidene Bitten usw. macht man ihn zum Statthalter von Damaskus.

Max Weber unterscheidet drei Typen legitimer Herrschaft: rationale, traditionale und charismatische Herrschaft. Womit mag man es hier zu tun haben? Das Charisma eines Delphinbauchs.

Er möge, so Dau el-Makân beim Abschied, sich binnen zwei Jahren zum Kampf gegen die Ungläubigen bereitmachen.

Ein fetter Heizer als Heerführer?

Kudija-Fakân, die Tochter Scharkâns, wird von Dandân, der den Heizer zur Amtseinsetzung begleitete nach Bagdad zurückgebracht. Sie und Kân-mâ-kân wachsen gemeinsam auf.

Nur zeigte es sich, dass Kudija-Fakân umsichtig und verständig war und auf den Ausgang einer Sache achtete, während Kân-mâ-kân großherzig und freigebig war.

Nach weiteren vier Jahren setzt Dau el-Makân, der inzwischen Todesahnungen hat, seinen Sohn zum Sultan ein und bestellt den Oberkammerherrn zum Vormund über ihn.
Außerdem werden Kân-mâ-kân und Kudija-Fakân miteinander verheiratet,

was beachtlich ist, da Kudija-Fakân ja schon immerhin die Tochter von Bruder und Schwester war. Aber Vermeidung von Inzucht wird in dieser Geschichte und überhaupt in der damaligen islamischen Aristokratie nicht groß geschrieben.

Dau el-Makân spürt den Tod kommen und beauftragt nun seinen Sohn, die Rache für Scharkân zu übernehmen und Dhât ed-Dawâhi zu bestrafen.
Als Dau el-Makân nach vier Jahren Krankheit stirbt, setzt das Volk von Bagdad Kân-mâ-kân ab.

Historisch ziemlich unwahrscheinlich, dass das „Volk“ daran einen Anteil gehabt haben soll. Eher die Würdenträger und Machthaber, die um ihre beim Oberkammerherrn erworbenen Privilegien fürchten.

Kân-mâ-kâns Mutter, die Witwe von Dau el-Makân, wendet sich nun ihrer Trauer an Nuzhat ez-Zamân, ihre Schwägerin, die ihr Ehrenkleider und eine Wohnung in ihrem Schloss zuweist.… Weiterlesen

33. Nacht

Der Bruder des Barbiers ergeht sich weiter in wilden Phantasien über seinen künftigen Reichtum und seine Brautnacht:

„… spricht sie zu mir: ‚Mein Gebieter, um Allahs willen, verweigere nicht, den Becher aus der Hand deiner Sklavin zu nehmen, denn siehe ich bin deine Magd!‘ Ich aber spreche nicht zu ihr, und sie bittet mich inständig, ihn doch wirklich zu trinken; und sie hält ihn mir an die Lippen. Ich aber schüttle ihr die Faust vorm Gesicht und stoße sie mit dem Fuß und mache so!“

Und da geschieht es – die gesamte Glassammlung geht zu Bruch wie in einem Laurel-und-Hardy-Film.

Aus diesem Grunde raten Anlageberater auch immer zu Diversifizierung des Kapitals.33**

Darauf, o Beherrscher der Gläubigen, schlug er sich ins Gesicht, zerriss seine Kleider33 und prügelte sich. (…) Siehe, da kam eine schöne Dame.

Man kann die Gefahr schon riechen. Ich warte noch auf die Erzählung, in der ein plötzlich auftauchende Dame wirklich Glück verheißt.

Moschusduft strömt von ihr aus.33*

Als sie den Glashändler jammern sieht, schenkt sie ihm fünfhundert Dinare, um ihn zu trösten. Kurz darauf taucht beim ein altes Weib auf, um bei ihm vorm Rak’a die religiöse Waschung vorzunehmen. Aus Dank leitet sie ihn ins Haus der Dame. Eine griechische Sklavin (!) öffnet, die Dame erscheint, und die beiden tändeln, bis sie kurz verschwinden muss. Ein riesiger schwarzer Sklave erscheint.

Da packte ihn der schwarze Mohr, zog ihm die Kleider aus und schlug ihn immerfort mit der flachen Seite seines Schwerts. Als der elende Neger meinte, es sei mit ihm zu Ende, hörte mein Bruder ihn rufen: „Wo ist das Salzweib?“

Ein Weib streut daraufhin Salz in seine Wunden, während er sich tot stellt. Das „Kellerweib“ (= die Alte) erscheint und wirft ihn

auf einen Haufen von Ermordeten.

Nach zwei Tagen flieht er, verkleidet sich als Perser, nimmt ein Schwert mit, dass er unter seinen Kleidern verbirgt und lässt sich von der Alten noch einmal in den Palast führen. Dort köpft er den Sklaven, das Salzweib und das Kellerweib. Das Mädchen hingegen berichtet, zufällig in die Fänge dieser Strolche geraten zu sein. Es zeigt ihm die Schatzkammer, deren Inhalt wohl von den Ermordeten stammt, doch als er Träger kommen lässt, um en Schatz fortzuschaffen, ist das Mädchen verschwunden. Stattdessen kommen Wachen, die ihn vor den Präfekten führen. Dieser begnadigt den Bruder, nachdem er die Geschichte erzählt, verbannt ihn aber aus der Stadt. Und auf seinem Weg fangen ihn Räuber, die ihm die Ohren abschneiden.

Das hätte nicht sein gemusst.

Des Barbiers Erzählung von seinem sechsten Bruder

Zur Orientierung

Schehrezâd
    –> Die Geschichte des Buckligen
                  –> Die Geschichte des Schneiders
                             –> Die Geschichte des Barbiers
                                          –> Des Barbiers Erzählung von seinem sechsten Bruder

Der sechste Bruder des Barbiers kam in Zeiten der Armut an das Haus eines Barmekiden, um zu betteln. Dieser bitten ihn einzutreten, und nachdem er von dessen Armut erfährt,

legte er Hand an sein Kleid, zerriss es33 und rief: „Wie! Bin ich in einer Stadt, in der dich hungert? So etwas kann ich nicht ertragen!“

Er ruft nun nach Essen, welches aber nicht erscheint. Der Bruder aber, um den Gastgeber nicht zu beleidigen, tut so, als äße er. Das ganze zieht sich über mehrere Menügänge:

  • Säuberungswasser

  • Weißbrot

  • Fleischpastete

  • Küken mit Pistazienfüllung

  • Waffeln mit Moschus und Ambra

  • Mandeln

  • Wein

Da er sich nun verspottet fühlt, spielt der Bruder, nachdem der „Wein“ serviert wurde, den Betrunkenen und schlägt ihm ins Gesicht. Der Gastgeber besitzt Humor:

„Lange habe ich die Menschen zum besten gehabt und meinen Freunden Streiche gespielt, aber nie noch habe ich einen getroffen, der Geduld und Witz genug hatte, um auf meine Launen einzugehen, außer dir.“

Er verleiht ihm ein Ehrengewand.33und macht ihn zu seinem Freund. Als er jedoch zwanzig Jahre später stirbt, erbt der Bruder zunächst alles, doch dann zieht der Sultan das Vermögen ein, und so – allen Vermögens beraubt – flieht er und wird von Beduinen überfallen, die ihm aus Ärger über mangelnde Beute die Lippen abschneiden. Dies hält aber die Gattin des Häuptlings nicht davon ab, mit ihm anzubändeln,

als plötzlich der Beduine hereintrat. Wie er meinen Bruder erblickte, schrie er ihn an: „Weh dir, verfluchter Schurke, willst du jetzt noch meine Frau verführen?“ Und er zog ein Messer hervor und schnitt meinem Bruder die Rute ab.“

Über Umwege gelangt auch dieser Bruder zu seinem Bruder, der ihn versorgt.

Ende der Geschichten der Barbierbrüder.

Der Kalif verbannt den Barbier lachend aus seiner Stadt.

(Vorher wollte er ihm noch Ehrengewänder schenken!)

Als ein neuer Kalif den Thron besteigt, kehrt er zurück und findet seine Brüder tot.

Ende der Geschichte des Barbiers

Die Gesellschaft sperrt den Barbier wegen Geschwätzigkeit ein.

***

Der König von China ist erfreut über die Geschichte des Schneiders und befiehlt, den Barbier aus seinem Verlies zu befreien.

33 Bisher an dieser Stelle unerwähnt: Das ständige Zerreißen der eigenen Kleider in Momenten der Verzweiflung, das wie ein erzählerischer Kontrast zum Verleihen von Ehrengewändern in Situationen großer Ehrbezeugung steht. Man fragt sich – ist der Wert der Kleider so gering, dass sie ständig zerrissen und verschenkt werden oder ist er umgekehrt sehr hoch, und das Zerreißen und Verschenken deshalb ein hoch dramatischer oder erhabener Akt?
Das Verschenken des Ehrengewand (Gala, Hil’a) kann als typische muslimische Tradition (wenn auch mit Ursprüngen aus vorislamischer Zeit) betrachtet werden. In den Erzählungen aus 1001 Nacht geht meist nicht die konkrete Bedeutung hervor, die sich ja im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat – reine Ehrenbezeugung, Gewand mit Schmuck und Waffen als Auszeichnung für Amtsträger, das Gewand als Amtsgewand usw. (Näheres: Springberg-Hinsen, Monika: „Die Hil’a Studien zur Geschichte des geschenkten Gewandes im islamischen Kulturkreis.“
Das Zerreißen der Kleider hingegen scheint aus der jüdischen Tradition zu stammen. Während heute viele islamische Theologen das Zerreißen der Kleider als übermäßige Trauer und Zeichen mangelnden Glaubens ansehen (angeblich verabscheute der Prophet diese Form der Trauer), ist doch festzuhalten, dass die Tradition zumindest aus dieser Ecke herrührt.

33* Moschusduft wird zu jener Zeit aus einer Drüse des Moschusochsen gewonnen. Eine goldene Nase haben sich damit die Perser verdient, an deren Reichsgrenze das arme Tier lebte, bevor es geschlachtet wurde.

33** Unser Glashändler macht aus unternehmerischer Sicht so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann:

  • Er setzt auf ein wenig gewinnträchtiges Produkt: Glas

  • Er setzt auf ein risikobelastetes Anlageprodukt.

  • Er diversifiziert nicht seine Anlage – umso schwerer trifft der Verlust.