Ist die Presse die vierte Gewalt oder vielleicht doch das Militär, wie Eisenhower befürchtete, als er, der General, zum Ende seiner Amtszeit vor dem militärisch-industriellen Komplex warnte? Die Bedeutung des Militärs in den USA ist schwer zu übersehen. Michael Moore legt inBowling for Columbine den Verdacht nahe, dass es sowohl in der Politik als auch im Zivilleben in den USA mehr als anderswo eine aggressive Mentalität gebe, die es rational erscheinen lasse, erst zu schießen und dann zu fragen. Als ich vor einem Jahr ein kleines Anti-Sarah-Palin-Trash-Video bei Youtube postete, bekam ich innerhalb weniger Tage so viele Klicks wie selten auf ein Video, vor allem von Waffen-Fans. Einer meinte sogar, er würde sich freuen, wenn mal bei ihm eingebrochen würde, dann könnte er endlich eines dieser Einbrecher-Arschlöcher abknallen.

Aber wahrscheinlich macht man es sich zu leicht, wenn man die Gewaltfrage einfach unter "Mentalität" subsumiert. Wie geht ein Land damit um, dass es die militärische Kraft hat, seine Ressourcen tatsächlich zu verteidigen, dass es um militärischen Schutz gebeten wird, dass es durch das Militär zumindest theoretisch in der Lage ist politisch anderswo Einfluss auszuüben? Wo ist die Bremse eingebaut, dass man sagt: Wir könnten’s, aber wir tun’s nicht, auch wenn wir dafür einen hohen politischen Preis zahlen.
Der Vater unserer Gastgeberin ist Vietnam-Veteran in Massachusetts. Er leidet unter psychologischen Traumata, die zu jener Zeit nicht oder nur unzureichend behandelt werden konnten. Mit seiner Familie spricht er nicht über seine Erlebnisse. Er sieht es nun als seine Pflicht an, jungen Irak-Veteranen zu helfen, über ihre psychologischen Probleme hinwegzukommen. Wenn er eines Tages stirbt, wird er beerdigt werden auf dem Arlington Friedhof, der zufällig gleich zwei Bus-Stationen von hier entfernt ist.
U-Bahnhof Pentagon. Was man bei der Erwähnung des 11. September 2001 doch immer wieder vergisst, ist der Anschlag aufs Pentagon. Dabei war es erst der Einschlag des Flugzeugs ins Pentagon, der wirklich dem Letzten (also mir) klar machte, dass es ein politischer Anschlag war.

Der Friedhof von Arlington. Wer bleibt hier unberührt? Im üblichen Souvenirshop Bücher, Abzeichen, Orden, Fähnchen usw. Und im Hintergrund Videos mit der gänsehaut-machenden Streichern, die dann, wenn’s richtig pathetisch werden soll mit Hörnern zugedröhnt werden.
Aber wie soll man hier nüchtern bleiben? Mein schöner Pazifismus kommt ins Wanken. Wie soll sich ein Land verteidigen, das auf keine Kulturnation-Legende zurückblicken kann, dessen Geschichte eine Geschichte der Einwanderung ist? Ein Land, das seine krasse individualistische Grundideologie immer wieder mit einem gehörigen Schuss Republikanismus und Verfassungspatriotismus konterkarieren muss, wenn es nicht zerfallen soll. Woher soll man Rekruten nehmen, wenn es keine Wehrpflicht gibt? Nur aus dem Heer der Notleidenden fischen, die aus lauter materieller Sorge zur Armee gehen? Oder den Schießwütigen das Schießen überlassen? Wieviel Respekt soll man jenen erweisen, die ihr Leben riskiert haben, und zwar nicht für eine historisch noble Sache, wie die Normandie-Invasion, sondern für zweifelhafte Unternehmen wie in Vietnam, Grenada, Irak? Verdienen sie nicht sogar noch mehr Respekt. Wieviel Loyalität muss eine Regierung von den Truppen erwarten können? My country – right or wrong. Und wo muss die Courage des Einzelnen einsetzen, sich dem Befehl zu verweigern? Wie gelingt es einem Land, Soldaten zu rekrutieren, deren Einwanderungsgeschichte nicht einmal eine halbe Generation zurückliegt?
Die durch Jahreszahlen angedeuteten Schicksale: Ein Oberst, 1879 geboren 1939 gefallen. Seine Frau, 1880 geboren, lebte danach noch 40 Jahre. Die Soldaten, die mit nicht einmal 20 Jahren starben, die Tage, die ein Schicksal bedeuten: Normandie-Landung. Oder auch ein Monat: April 1945. Tough luck.

Spaziergang über die Arlington Memorial Bridge bis hin zum Lincoln Memorial.
Der Potomac River ist die einzige Einflugschneise für Flugzeuge. Ziemlich gruslig bei der niedrigen Flughöhe und angesichts der in unmittelbaren Nähe befindlichen Regierungsgebäude. Steffi kann es kaum fassen. Tatsächlich erfahren wir am Abend, dass gerade heute ein Flugzeug vom Kurs abgekommen ist.
Lincoln Memorial. Eigentlich kann eine Besichtigung schöner nicht sein. Es ist Sommer, der Ort des Gedenkens wird von jungen Leuten okkupiert, interessierte Touristen, eine schöne Aussicht auf den Park, ein überteuerter Imbiss, ein Getränk, Ausruhen.

Ich blättere in The Supreme’s Greatest Hits und lerne: Einige Themen ziehen sich immer wieder durch die Geschichte der amerikanischen Rechtsprechung. Jedes Mal muss neu justiert werden. Scheinbar kleine Fälle bringen gesellschaftliche Verhältnisse ins Wanken: Das Verhältnis Religion/Staat, Rassismus und Diskrimierung, Regierung und Wirtschaft, die Freiheit der freien Rede.

Die Jogger wirken hier, ebenso wie in Chicago, als seien sie auf der Flucht. Ich vermute, sie müssen ihre halbe Stunde Mittagspause effektiv nutzen und peitschen sich auf diese Art durch die Stadt. Die Männer hier ebenfalls gern mit freiem Oberkörper, auch wenn ihre irischen Vorfahren sie mit extrem heller Haut versorgt haben, die sie hierzulande eben zum Redneck werden lässt.
Das Lincoln Memorial wird vereinnahmt von jedem, der in Sachen Bürgerrechte unterwegs ist. Auch die Gay Rights werden im Museum erwähnt. Nur die Waffennarren scheinen einen Bogen um diese Stätte zu machen, vor der auch Martin Luther King seine berühmte Rede hielt. Lincoln und King – beide Opfer von Schusswaffen. Das schreckt dann vielleicht selbst diejenigen ab, die behaupten, ihre Waffen nur für die Jagd zu brauchen.

Nachdem ständig neue Denkmäler hochgezogen wurden und man vor lauter historischer Bedeutsamkeit in der Stadt kaum noch gehen kann, hat die Stadtverwaltung vor ein paar Jahren einen Denkmal-Stop verhängt.

Englisches Restaurant mit Rachels Freund und dessen Gang.
Händetrockner sind schon eine seltsame Erfindung. Zum ersten Mal hab ich wahrscheinlich um 1977 einen tschechischen im Betrieb meiner Mutter gesehen. Der brauchte ungefähr eine halbe Minute, bis die Hände einigermaßen trocken waren. Und selbst heute gibt es Trockner, die einem die Hände eher erhitzen statt sie wirklich zu trocknen. Hier gibt es ein schönes gezieltes Gebläse. Man steckt die Hände in einen breiten Spalt und innerhalb von fünf Sekunden sind sie trocken. Schneller als ein Handtuch. Die Technologie ist da, und trotzdem werden wir uns weiter mit den ollen Hand-Gar-Geräten rumschlagen müssen, einfach weil es den meisten Klo- und Restaurantbetreibern scheißegal ist.


Fototermin bei Scientology.

Wie kann man eine Lebensplanungs-Diskussion unter Freundinnen führen und gleichzeitig "Dr. House" gucken? Liegt es wirklich an der vielgerühmten Multitaskingfähigkeit der Damen oder ist ihnen letztlich sowohl das eine als auch das andere ziemlich egal?


 

24. April 2009
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Ein Kommentar zu „24. April 2009

  • 2009-06-22 um 07:41 Uhr
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    Dein Anti-Sarah-Palin-Trash-Video ist ziemlich cool. Ist schon ziemlicher Hohn, für das Leben zu sein und gleichzeitig für Waffen. Aber besonders die Kommentare haben mich teilweise sehr verstört. Was für ein merkwürdiges Bild einige Leute von Europa haben und wie aggressiv fast jeder einzelne reagiert hat. Man kann sicher nicht sagen, daß die Kommentatoren repräsentativ für die USA stehen, aber wenn schon allein diese aggressiven Menschen Waffen besitzen, macht mir das ernsthaft Angst!

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