Es wäre noch mal schön auszuprobieren, wieviel Schattenseiten man dem Helden mitgeben kann, damit er fürs Publikum noch erträglich ist. Oder anders gefragt: Kann der Held ein ausgemachtes Arschloch sein?
Meine Vermutung ist: Es hängt von der Zeit ab, die man für die Story zur Verfügung hat. In “Rain Man” ist der von Tom Cruise gespielte Charlie Babbitt ein unangenehmer Kerl, aber natürlich ist er der Held (und nicht der autistische Bruder Raymond!), denn er ist es, der sich wandelt. (Raymond wäre wie Heidi oder Vito Corleone eine Engelsgestalt.)
Die Frage tauchte vor einer Weile auf, als in einer mittellangen improvisierten Szene (15 Minuten) die eigentlich sympathische Heldin auf einmal nach der Hälfte der Story missgünstig und rassistisch wurde. Ich denke, in dem Moment hatte sie die Sympathien des Publikums verspielt. Und schlimmer noch: Wenn sie sie nicht verspielt hat, erschiene die sympathische Figur wie ein Vorwand, Rassismen und Missgunst zu äußern.

Der Held, dieses Arschloch
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2 Kommentare zu „Der Held, dieses Arschloch

  • 2012-08-01 um 09:58 Uhr
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    intuitiv würde ich mal sagen, es funktioniert nur von "unreife, daher fiese hauptfigur" hin zu "gereifte, daher weise und gutmütige hauptfigur". es kann aber auch sein dass man die schattenseite der hauptfigur erst später kennenlernt, aber i.d.R. ist es dann etwas aus der Vergangenheit des Helden, dass er selbst bereut (Brügge sehen und sterben, Last Samurai, etliche andere). Typisches Beispiel: "Ist für den (ggf. unbeabsichtigten) Tod von XY verantworlich."

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  • 2012-08-01 um 19:03 Uhr
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    In "Kriegerin" ist die Heldin so richtig scheiße, und man hofft eigentlich die ganze Zeit nur, dass sie mal ein Einsehen hat, sich ändert… Deshalb fiebert man schon mit ihr mit. In "Shame" spielt Michael Fassbender ebenfalls eine ziemlich gefühlskalte Sau, trotzdem ist er der Held und man hofft einfach, dass sich irgendwas für ihn ändert. Wenn das nicht geschieht (oder nur angedeutet wird, wie bei "Shame" der Fall), ist man enttäuscht – zumindest geht es mir so. Ich frage mich dann: Wozu habe ich fast zwei Stunden im Kino verbracht? Oder, wie Lee White mal in einem Workshop sagte: Wenn ich deprimierte Menschen sehen will, brauch ich nur in den Spiegel zu gucken 😉

    Ich habe ganz klar die Erwartung: Ein Held, der richtig fies ist, muss sich ändern. Schattenseiten kann er trotzdem viele haben, wie die Filme von Guy Ritchie und Tarantino ja gut vormachen (klauen, hehlen, lügen, rumhuren, diskriminieren – da ist ja das volle Programm am Start).

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