Stalin und ich 7 – Dada, Lenin und die rollenden Köpfe

1918 – Dada und Lenin

Das Machtvakuum, das die Bolschewiki betraten, muss surreal gewirkt haben. Aus dem Smolny heraus "regierten" Lenin und sein engster Kreis (Trotzki, Swerdlow, Stalin) per Dekret. Keiner von ihnen besaß administrative Erfahrungen. Stalin, der zum Kommissar für Nationalitätenfragen ernannt wurde, hatte kein Ministerium zu übernehmen, sondern nur einen leeren Schreibtisch. Swerdlow blieb Generalsekretär. Trotzki wurde Kommissar für äußere Angelegenheiten. Seine Versuche, das Ministerium zu übernehmen (und zwar Gebäude und Personal) blieben erfolglos. Man wies ihn ab, das Personal desertierte.

Mehrfach wurde bereits auf den Zufall hingewiesen, dass Lenin in derselben Züricher Straße wohnte, in der sich auch das dadaistische Café Voltaire befand. Hatte Dada (Da-da = Ja-ja) einen Einfluss auf Lenin? Kotkin meint, wenn es keinen direkten Einfluss gab, so war es doch eine krasse Koinzidenz. Das Spiel mit Bedeutungen, die Improvisation mit Vorhandenem, die Kreation im totalen Lärm, das Handeln in Chaos und Anarchie: Einige Gewerkschaften standen auf Konfrontation mit den Bolschewiki, Deutschland machte sich bereit, Russland zu erobern, Lenin wurde später im Sommer 1918 durch ein Attentat schwer verletzt.
Kotkin spricht Lenin sogar einen Hang zum Chaos zu: Je chaotischer das gesellschaftliche Chaos, umso wichtiger die sozialistische Revolution, so sein Kalkül.

In 1918, the world experienced the pointed irreverence of Dada as well as an unintentionally Dada-esque Bolshevik stab at rule, performance art that involved a substantial participatory audience. At the center, Lenin persisted in his uncanny determination, and Stalin hewed closely to him. Stalin assumed the position of one of Lenin’s all purpose deputies, prepared to take up any assignment.

1918 hörte Lenin auf, die Pariser Commune als Vorbild für die sozialistische Revolution anzusehen. Die Mehrheitler waren in der Minderheit und Feinde ringsum. Das tendenzielle Belagerungsdenken, das überall Feinde wittert, wurde zur geistigen Grundhaltung der Partei und ihres Führers. Direkt nach der Revolution favorisierte die Mehrheit der Sozialisten (auch die Mehrheit der Bolschewiki) noch eine gemeinschaftliche Regierung aller Sozialisten. Aber Lenin, Trotzki und Stalin widersetzten sich diesem mehrheitlichen Begehren der Parteimitglieder, die in Kamenew ihren prominentesten Fürsprecher hatten. Seine weitergehenden Verhandlungen mit den Menschewiki und Sozialrevolutionären brandmarkt Lenin als Verrat.

Lenin erweist sich hier im Grunde als völlig politikunfähig. Nicht einmal in engsten Kreisen ist er zu Kompromissen, Verhandlungen oder Zugeständnissen fähig. Seine Ich-oder-Nichts-Politik erinnert in diesem Punkt fatal an Nikolaus II. Dass er und seine Truppe den politischen und militärischen Kampf doch gewinnen ist eine Mischung aus Charisma, dadaistischer Improvisationsfähigkeit, militärischem Geschick Trotzkis und ungeheurem Glück.

Es ist ein im übrigen ein ironischer Zug, dass die Bolschewiki eigentlich aus historisch-marxistischer Sicht die Rechts-Abweichler waren. Die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre waren es, die eine von den Arbeitern getragene Revolution forderten. Lenin und seine Anhänger verfochten den elitären Gedanken einer elitären Partei-Avangarde. Diesen Gedanken formuliert Kotkin zwar nicht aus, aber wir finden ihn zum Beispiel bei Chomsky.

 

Lenins Charisma erweist sich so groß, dass Sinowjew und Kamenew klein beigeben und eigentlich die Interessen der Parteimehrheit verraten. Kotkin meint, dass, wenn Kamenew an dieser Stelle Machtwille bewiesen hätte, die Geschichte einen völlig anderen Verlauf hätte nehmen können.

Der Petrograder Sowjet, der den Rat der Volkskommissare überwachen soll, wird von Trotzki, Lenin und Stalin kurzerhand entmachtet, indem sie sich selbst in ihm als stimmberechtigt ansehen. Die restlichen Bolschewiki kuschen vor ihnen. Und dies ist der Anfang vom Ende der Sowjetmacht in ihrem ursprünglichen Sinne.

Währenddessen zerfällt Russland als Staat. Die nationalen Randgebiete machen den Anfang und sagen sich los, die baltischen Staaten, Ukraine, Georgien, Armenien, Aserbaidschan. Manchen davon gelingt es für immer: Polen, Finnland.
Die Bolschewiki sehen keinen Grund, sich den Grundgesetzen der Wirtschaft zu beugen. Anstatt sich wenigstens hier vorübergehend einige Loyalitäten zu sichern, raubt der Finanzminister kurzerhand eine Bank aus und legt Lenin 5 Millionen Rubel auf den Tisch.

Um die Jahreswende nehmen Bauernaufstände und Streiks von Staatsangestellten zu. Die Tscheka unter Dzershinsky zeigt nun ihre Zähne: Sie rekrutiert zunehmend unter Kriminellen und beginnt eine Hetzjagd auf Gewerkschaftler. Wer nicht auf Linie der Bolschewiki ist, steht unter Verdacht, mit dem alten System zu sympathisieren, was Grund genug für Verhaftungen ist. Und ab Februar 1918 reklamiert die Tscheka für sich das Recht auf standrechtliche Erschießungen.

Die Wahlen vom November erweisen sich für die Bolschewiki zwiespältig: Die große Mehrheit in Russland wählt links, aber nicht-bolschewistisch, dafür aber entscheiden die Bolkschewiki die Wahlen für sich in Petrograd und Moskau.

Die Sozialrevolutionäre klagen:

"Wer sieht denn nicht, dass das, was wir haben, kein Sowjet-Regime ist, sondern die Diktatur von Lenin und Trotzki und dass ihre Diktatur auf den Bajonetten der von ihnen getäuschten Arbeiter und Soldaten liegt!"

Muss man noch sagen, dass die Zeitung, die dies veröffentlichte, kurz darauf geschlossen wurde?

Die erste Konstituierende Versammlung dauerte einen Tag, danach wurde den Delegierten der Zutritt verwehrt. Zehntausende Petrograder, unter ihnen viele Fabrikarbeiter protestierten dagegen, und die Bolschewiki ließen auf sie schießen.

Es war das erste Mal seit Februar und Juli 1917, dass Zivilisten in russischen Städten aus politischen Gründen niedergeschossen wurden, aber den Bolschewiki ließ man das durchgehen.

Das legendäre "Dekret über den Frieden" war natürlich eine zweischneidige Angelegenheit, das wusste auch Lenin. Würde man von heute auf morgen

"die Bajonette in die Erde stecken",

würde Russland überrollt. Aus der Not geboren, weckte es Begeisterung bei der kriegsmüden russischen Bevölkerung. Aber Deutschland war ebenfalls an einem Waffenstillstand gelegen, da es überall an der Front zu Verbrüderungen kam und der Regierung Nahrung und Ausrüstung ausgingen.
Die erste Delegation, die Lenin zu den Waffenstillstandsverhandlungen schickte, muss ein Haufen krasser Provokateure gewesen sein:

Karl Radek rief den deutschen Soldaten noch aus dem Zug zu, sie sollten sich gegen ihre Armeeführung erheben. Er blies den deutschen Verhandlern den Rauch seiner Zigarre demonstrativ ins Gesicht und provozierte mit der geäußerten Hoffnung auf eine baldige Revolution in Deutschland, nicht gerade eine geschickte Verhandlungstaktik, wenn man das Gegenüber dazu bringen will, durch den Krieg gewonnenes Territorium zurückzugeben und auf Reparationen zu verzichten. Lenin pfiff die Truppe zurück und setzte seinen zweiten Mann ein – Trotzki. Die Verhandlungen liefen zäh, und Trotzki zog sich zur Verhandlung mit Stalin zurück, die auf eine Debatte des Zentralkomitees. Trotzkis Position, auf Zeit zu spielen und auf eine Revolution zu hoffen, setzte sich gegen die realistische (Stalin) und die radikale (Bucharin) durch. Aber die deutsche Heeresleitung hatte die Faxen dicke. Das Ende vom Lied: Die Deutschen setzten im Februar zum Angriff an.
Innerhalb kürzester Zeit erobern die Deutschen praktisch aus der Eisenbahn heraus Minsk, Mogiljow und Narva. Petrograds Untergang und damit die Niederlage der Bolschewiki schien unmittelbar bervorzustehen.

In Qoqand wird inzwischen von muslimischen Führern die Autonomie ausgerufen, da die Sowjets den Muslimen kein Mitspracherecht einräumen wollen. Die Stadt wird belagert und nach vier Tagen eingenommen. 14.000 Muslime werden umgebracht. Nahrungsmittel werden requiriert, was eine der ersten Hungerkatastrophen zur Folge hat, in deren Folge fast eine Million sterben oder nach China fliehen.

Die Deutschen nähern sich Petrograd auf 150 Kilometer. Das Zentralkomitee und selbst Lenin wissen nicht, wo ihnen der Kopf steht. Die erhoffte und beschworene deutsche Revolution bleibt aus. Lenin willigt in den Diktatfrieden ein, und hier ist selbst Stalin nicht mehr ganz auf seiner Seite. Und so kapituliert Russland schließlich per Funkspruch. Was Stalin Kerenski einst vorwarf – zu desertieren und die Hauptstadt den Deutschen zu überlassen, das tut er nun selbst, mit Lenin und der gesamten bolschewistischen Führungstruppe: Sie verlagern ihren Sitz nach Moskau. Für immer.
Stalin heiratet kurz vor seiner Abreise Nadja Allilujewa, die ihn vor der Revolution oft heimlich beherbergte.

Die dadaistischen Improvisationsfähigkeiten der Bolschewiki werden an den Rand ihrer Möglichkeiten getrieben. Geschützt von lettischen Grenadieren, die aus bizarren Gründen zu den Bolschewiki halten, erreicht Lenin Moskau. Nach nur einer Woche nimmt man den Kreml in Anspruch, vertreibt die verbliebenen Nonnen und Mönche aus dem anliegenden Kloster und richtet sich ein.
In dem Gerangel um annehmliche Wohnungen und Arbeitsräume muss Stalin sich geschlagen geben und kleinere Zimmer in Kauf nehmen.

Das mitgereiste Sowjet-Zentralkomitee ratifiziert im März die Kapitulation, mit knapper Mehrheit. Swerdlow war es gelungen, einige Oppositionelle auf die Seite der Bolschewiki zu ziehen. Weder gelingt es den Bolschewiki die Entente auf ihre Seite zu ziehen, von der die als deutsche Spione gehalten werden, noch können sie die abtrünnigen Gebiete halten. Stalin widerruft das Selbstbestimmungsrecht der Völker, wenn es "seine revolutionäre Bedeutung" verliert.

Julius Martow, Führer der Menschewiki, gräbt unterdessen Stalins Vergangenheit als Bandit aus und erhält dafür ein Parteiverfahren (sie sind alle noch Mitglieder derselben Partei), das für ihn zunächst glimpflich endet – mit einer Rüge. Aber Stalins Vergangenheit ist nun Thema geworden.

Die Menschewiki wurden uns in der DDR als Reformisten und als Verräter dargestellt, die "mit den Herrschenden" Burgfrieden schließen wollten. Wie lange sie sich noch über den Tisch ziehen ließen, wäre eine Tragödie für sich, wenn man nicht auch annehmen könnte, dass sie selbst radikal bis unter die Nägel waren.

Eine Bedrohung der kuriosen Art stellten die tschechischen Legionäre dar, die nach der Gefangennahme hin und her verfrachtet wurden – von Kerenski im Krieg eingesetzt, sollten sie von den Bolschewiki vertragsgemäß an die Entente ausgeliefert werden, diese aber zögerten. Und es genügte ein kleiner Anlass, dass die Legionäre revoltierten und kurzerhand einen Großteil der sibirischen Eisenbahn unter ihre Kontrolle brachten.

Sie eroberten ein größeres Territorium als irgendwer sonst während des 1. Weltkriegs.

Um nicht auch noch Moskau zu verlieren, schicken die Bolschewiki Stalin nach Zarizyn, um diesen strategischen Verkehrsknotenpunkt, zu halten und für die Bolschewiki nachhaltig zu sichern. Es wurde sein erster großer Auftrag, der ihm viele Kontakte bescherte, aber auch seine Rolle im Regime entscheidend aufwertete.

Unterdessen trachten Lenins Finanziers, die kaiserlichen Deutschen, das Reich durch "leichten militärischen Druck" zu stürzen. Mit Leichtigkeit erobern sie mehrere russische Provinzen, darunter am 1. Mai 1918 Sewastopol auf der Krim. Die Russen revanchieren sich, indem sie über ihre Botschaft in Berlin Geld an die deutschen Sozialdemokraten liefern, in der Hoffnung, dort doch noch eine Revolution auszulösen.

Dieser Vorgang entbehrt nicht einer gehörigen Ironie. Es wirkt beinahe, als flösse das Geld, das der Kaiser ein Jahr zuvor Lenin gab, nun zurück an die deutschen Radikalen geht, mit anderen Worten, als hätte der Kaiser seinen eigenen Untergang finanziert.

Und bei all dem zerfleischen sich die Revolutionäre gegenseitig. Oder besser gesagt: Die Bolschewiki arbeiten weiterhin an ihrer Monopolstellung. Die Sozialrevolutionäre werden im Juni 1918 aus dem zentralen Exekutivkomitee geworfen und ihre Zeitungen geschlossen. Maria Spiridonova, die Führerin der linken Sozialrevolutionäre unternimmt einen clever ausgeführten Putschversuch. Sie lässt den deutschen Botschafter ermorden, um Deutschland zu einem Krieg gegen die Bolschewiki zu provozieren. Und die (sozialrevolutionär dominierte) Tscheka, die eigentlich die Revolution schützen soll, verhaftet ausgerechnet ihren Führer Felix Dzershinski. Die Macht hatte auf der Straße gelegen wie wenige Monate zuvor in Petrograd.

Aber den linken Sozialrevolutionären fehlte das Entscheidende: Der Wille.

Als die tschechischen Truppen sich Jekaterinburg nahen, wird die Romanow-Familie abgeschlachtet.

Und dann geschieht im August 1918 das legendäre Attentat, das eigentlich das Schicksal der Revolution hätte besiegeln müssen: Lenin wird nach einer Rede vor Moskauer Arbeitern (Fragen werden nur schriftlich zugelassen und letztlich nicht mal beantwortet) am Ausgang niedergeschossen, angeblich von der fast blinden Fanny Kaplan, die kurz darauf hingerichtet wird.

Die Hölle brach los, und Hunderte politische Gefangene in Petrograd (meist Angehörige der zaristischen Verwaltung), wurden kurzerhand zu Geiseln erklärt und erschossen. Das bolschewistische Experiment war von Anfang an ein wahnwitziger Versuch gewesen, der zu jedem Punkt kurz vorm Scheitern stand, aber in 1918 war ein Tiefpunkt erreicht, den die Bolschewiki mit großangelegtem Terror zu übertünchen versuchten. Und das war erst der Anfang.

Arbeit

Diskussion mit meinem Kollegen Jochen Schmidt über Arbeitszeiten, die Vereinbarkeit mit dem Familienleben und darüber, was wir überhaupt zum Bereich Arbeit zählen. Jochen Schmidt zählt im Grunde jedes Telefonat dazu, jeden Spaziergang, aus dem sich möglicherweise produktive Recherche ergibt und auch jede Lektüre, nicht aber E-Mails, reine PR usw.
Am schwierigsten abzugrenzen sind wohl die Tätigkeiten, in denen sich PR und schwatzhaftes Social Networking überlappen (also vor allem Facebook) und jede Art von Kunst-Konsum, den man eigentlich als berufliche Weiterbildung aber auch als reines Entertainment verbuchen könnte (vor allem Lesen, aber auch Theaterbesuche, von Kino, Videos und Youtube ganz zu schweigen).
Seit zwei Jahren notiere ich mir täglich sämtliche Arbeitstätigkeiten. Und ich bin in Bezug auf Entertainment eher radikal: Ich weiß, dass ich mich zum Beispiel mit Lesen auch ganz gut vor schwierigeren Dingen drücken kann. Ich notiere mir also meine Lesezeit, rechne sie aber nicht der reinen Arbeit an.
Ich unterteile die “reine” Arbeitszeit in

  1. Schreiben (Unterkategorien: a) Kurze Texte für Lesebühnen, b) langfristige Projekte sowie c) Blogs, Tagebuch und dergleichen)
  2. Verwaltung (Unterkategorien a) E-Mails, b) Werbung, c) Telefonate und Organisation)
  3. Shows
  4. Training (Unterkategorien a) Improtheater-Proben und b) Musizieren)
  5. Improtheater-Unterricht

Für 2015 läuft es hinaus auf 23% Schreiben, 29% Verwaltung, 33% Shows, 5% Training, 11% Unterricht. Ich rechne für 2016 mit einer Verschiebung Richtung Schreiben, da mit der Auflösung der Chaussee der Enthusiasten fast ein Drittel meiner Shows wegfallen.
(Man könnte argumentieren, dass das Musizieren, was bei mir seit vier Jahren hauptsächlich auf Klavierspielen hinausläuft, für meine sonstige Arbeit eigentlich völlig nutzlos ist, da ich wohl nie damit auftreten werde. Eigentlich könnte ich es auch wegen seiner meditativen Funktion in meine Sport-Tabelle eintragen. Aber dagegen sträube ich mich dann doch.)

Seit einem Jahr habe ich das Programm Rescuetime auf meinen Rechner installiert, das mir gnadenlos Auskunft gibt über mein Computer-Nutzungsverhalten. Das Programm berechnet alle 15 Minuten eine Aktualisierung der aktuellen Tätigkeiten und nimmt automatisch Kategorisierungen vor: Produktiv, sehr produktiv, neutral, ablenkend, sehr ablenkend. Die Kategorien lassen sich auch ändern. Es funktioniert auch offline, wenn man nur ab und zu täglich mit dem Computer ins Internet geht, um online abzugleichen.

Übrigens lag die Versuchung nahe, die Fahrtzeiten zu Shows und Workshops in die Arbeitszeit einzubeziehen, vor allem wenn man für einen zweistündigen Workshop noch eine gute Stunde Fahrtzeit braucht. Die Erwägung, dass Angestellte das auch nicht dürfen, gab den Ausschlag dagegen.

(Über meine Haushalts- und Familienzeiten, meine Lektüre und den Sport führe ich separate Tabellen. Und wie die Arbeit an diesen Tabellen einzuordnen ist, darüber bin ich mir sehr unsicher.)

Feedback in Workshops

Feedbacks in Workshops sind eine höchst sensible Angelegenheit.
Es gibt Lehrer- und Schülertypen, die zu Feedback höchst unterschiedliche Auffassungen haben.
Da wären zunächst einmal Lehrer, die überhaupt kein Feedback geben. Sie füttern die Klasse mit Übungen und Games und vertrauen darauf, dass die Freude am Spiel sich durch gute Games ohnehin einstellt und sich durch die Freude am Spiel und dem Fokus des Games ohnehin ein Lerneffekt einstellt. Dieser Lehrertyp ist gut vereinbar mit Schülern, die das Ganze lediglich des Spaßes halber machen und solche, die zum langsamen und sanften Lernen neigen. Schüler, die aber rasch lernen wollen und die Feedback brauchen und wollen, fühlen sich bei solchen Lehrern oft unterfordert.
Dann gibt es Lehrer, die vor allem positives Feedback geben. Diese Lehrer finde ich besonders in Anfänger- und Mittelstufen-Kursen geeignet. Besonders Anfänger, die ein Problem damit haben, überhaupt aus sich herauszukommen, die mit mangelndem Selbstbewusstsein kämpfen und ihrer eigenen Stimme nicht vertrauen, kann mit der Methode der positiven Verstärkung enorm geholfen werden.
Und es gibt Lehrer, die Kritik äußern. Kritik ist ab einem bestimmten Niveau unerlässlich, wenn man irgendwie vorankommen will. Die Frage ist nur: Wie wird die Kritik geäußert? An welcher Stelle? Was genau wird kritisiert?
Man wird sich einig sein, dass eine “Falsch! Falsch! Falsch!”-Kritik überhaupt nichts bringt. Auch der Lehrer sollte sich darüber klar sein, dass es ein Richtig und Falsch in der Improvisation nicht gibt. Allenfalls gibt es zu feiernde “Fehler” innerhalb eines Games (zum Beispiel wenn der Buchstabe im Buchstabenvermeidungsspiel fällt). Alles andere sind Effekte, die sich so oder so erzielen lassen. Man kann ausprobieren, was passiert, wenn man eine Szene positiv oder negativ anfängt. Man kann ausprobieren, was passiert, wenn einer der Spieler ab und zu blockiert. Bestimmte Impro-Muster tendieren zu bestimmten Effekten. Und so wird man feststellen, dass es einfacher ist, eine Szene zu entwickeln, wenn sie positiv startet. Das heißt aber nicht, dass es anders nicht möglich ist. Diese Kontingenz muss der Lehrer markieren oder zumindest im Bewusstsein der Schüler mitschwingen lassen: Wir probieren hier etwas aus. Wenn er das nicht tut, fühlt sich der Schüler nur noch als ausführende Marionette der Anweisungen eines unduldsamen Regisseurs.
Sehr schwierig ist es, eine Szene zu unterbrechen, die das zu übende Format sprengt oder in der die Aufgabe aus den Augen verloren geht, die aber dennoch irgendwie “im Flow” ist. Hier reinzugrätschen oder gar den Schülern Formulierungen in den Mund zu legen, ist absolut kontraproduktiv. Die Szene sollte sanft und lobend angehalten (nicht unterbrochen) werden. (Eventuell kann man sie auch einfach für beendet erklären und einen Applaus einfordern.) Eventuell ist Sidecoaching möglich, allerdings müsste auch das möglichst sanft geschehen. Wenn man hier im Flow der Schüler atmet, kann man durchaus auch Anweisungen geben wie “Sag einfach Ja.” oder “Beschütze sie.” usw. Keinesfalls sollte man wie ein cholerischer Fußballtrainer seine Anweisungen reinbrüllen oder gar sie für die einzig mögliche Option halten.

Als Schüler sei man flexibel: Hole aus jedem Lehrer heraus, was möglich ist. Sei nicht zu scheu, deinem Lehrer Feedback zu geben. Egal, was für einen Namen er hat, ihr seid zwei erwachsene Menschen, die sich respektvoll gegenüber treten. So wie du ein Recht auf Feedback hast, so hat er auch eins.
Und auch: Wenn dir die Feedbacks und Aufgaben zu viel werden, gib Bescheid. Dafür sind Lehrer oft blind.