In ihrem Blog-Eintrag vom 23. August 2017 wirft die Berliner Impro-Schauspielerin Claudia Hoppe die Frage auf, wie weit sich die heitere Sicherheit des Improvisierens in den Alltag übertragen lässt. Während wir beim Improtheater-Spielen, insbesondere bei Proben und Workshops, eine sichere Sphäre erschaffen, in der das Scheitern nicht nur toleriert, sondern geradezu gefeiert wird, trifft das ja, so Claudia Hoppe sinngemäß, im Alltag nicht zu: Wir stehen unter Beobachtung, werden kritisiert, und Scheitern ist oftmals eben keine Option.
Ich denke, dass sie hier ein wichtiges, heikles Problem anspricht, mit dem wir als Improspieler immer wieder konfrontiert werden: Auf der Bühne sind wir angstfrei und spontan, und vielleicht können wir den einen oder anderen Aspekt des Improvisierens auch in den Alltag retten, aber letztendlich strampeln wir uns ab wie die meisten anderen auch.
Allerdings haben wir eine Kleinigkeit unseren nicht-improvisierenden Mitmenschen voraus: Die Techniken und Geisteshaltungen, mit dem Scheitern kreativ umzugehen.
Allerdings ist die bewusste Übertragung des Impro-Handwerks nicht ganz so einfach wie man sich das manchmal denkt. Und das beginnt schon beim Improtheater selber. Ja, ein Improtheater-Workshop schafft im Idealfall eine sichere Sphäre. Man kann sich „freispielen“, Dinge ausprobieren, die sich am Ende vielleicht als völlig hirnrissig erweisen, man kann Unkorrektes sagen, ohne dass es einem übelgenommen würde.
Sobald wir als Improspieler auf die Bühne gehen, verlassen wir den sicheren Raum schon ein kleines Stück: Schließlich gibt es keine Garantie dafür, dass das Publikum uns für unsere Aufführung lobt. Eine schlechte Szene zu spielen und darüber herzlich zu lachen, ist das Eine. Aber was ist, wenn man einen ganzen Abend schlecht improvisiert hat? Was, wenn weder das Publikum noch die Mitspieler etwas mit der Leistung anfangen konnten (und du selber vielleicht auch nicht)?
Ich denke, dass Improvisation uns allenfalls die Geisteshaltung lehren kann, mit dem Scheitern umzugehen. Wir selber müssen es ausprobieren. Immer und immer wieder. Es ist nicht etwas, das man einmal gelernt hat und dann beherrscht. Wir selber schaffen uns unsere sichere Sphäre. Wir selber können die Heiterkeit des Scheiterns nach und nach ausdehnen. Wenn ich weiß, dass ich im Kurs ein Quatschlied enthusiastisch improvisieren kann, woraufhin alle klatschen, traue ich mich das vielleicht auch auf der Bühne. Und wenn es dort ein paar Mal funktioniert hat, werde ich nicht verzweifeln, wenn ich beim zehnten Mal keinen Applaus bekomme, sondern im Gästebuch steht: „Ihr seid so peinlich.“

Das Scheitern lernt man nicht nur im watteweichen Impro-Workshop, sondern gerade dadurch, dass man es mit in die harte, kritische Welt mitnimmt. Wenn es mir gelingt, nach und nach die verschiedenen Facetten des Lebens spielerisch aufzufassen, dann verliert das Scheitern seinen Schrecken. Eine Szene ist nur eine Szene. Eine Show ist nur eine Show. Ein Bewerbungsgespräch ist nur ein Bewerbungsgespräch. Eine Liebesnacht ist nur eine Liebesnacht. Und ja: Auch das Leben ist eben nur das Leben. Wir können ihm nichts abverlangen, wir können aber spielen mit dem, was es für uns bereithält. Das ist die so schwer umzusetzende Lektion die wir für den „Alltag“ aus unserem Improtraining herausziehen können.
Impro im Alltag – eine Antwort auf Claudia Hoppe
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Ein Kommentar zu „Impro im Alltag – eine Antwort auf Claudia Hoppe

  • 2017-08-23 um 17:15 Uhr
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    Lieber Dan, danke für Deine Antwort und Deinen Kommentar! Ich habe meinerseits noch eine kurze Replik geschrieben: http://claudiahoppe.com/2017/08/23/so-jetzt-ma-hosen-runter/#comments

    Und, während mir das Thema weiterhin geistig auf der Zunge zergeht, ist mir aufgefallen, was mich an der Sache so wurmt – vielleicht ist das auch nur mein persönliches Empfinden / meine persönliche Wahrnehmung, aber sei's drum: Zwei Dinge:

    a) Impro – und hier gerade die "angewandte Improvisation" wirbt oft damit, dass mit ihr Haltungen aus der (angewandten) Improvisation in den Alltag übertragen werden können. Dieser Übertrag funktioniert aber m.E. nicht so einfach, sondern erfordert viel, viel Arbeit, viel Gewahrsein und viel Reflektion, Veränderungswillen, Mut und Disziplin, weit über den Impro-Workshop hinaus. Es läuft nicht so: Einmal einen AI Workshop gemacht, und schon läuft der Hase.

    b) Als Impro-Unterrichtende erwecken wir glaube ich schnell den Anschein, dass wir das, was wir unterrichten, selbst bereits beherrschen / praktizieren, also quasi "einen Schritt weiter" sind. Unterrichtete erwarten von uns deshalb möglicherweise ein "Wie" (wie geht das, wie komme ich auch dorthin, wie kann ich das in MEINEN Alltag übertragen), im Sinne eines Rezeptwissens. Dieses "Wie" bin ich jedoch nicht in der Lage, zu liefern, und das frustriert mich (ganz abgesehen von der Faktenlage, dass ich mich eben nicht diesen wunderbaren Schritt weiter fühle; Noni Höfner hat das in ihrem Seminar zum provokativen Arbeiten so schön gesagt: "Idealerweise hat der Therapeut eine Woche Entwicklungsvorsprung vor dem Klienten." Und mehr ist es auch kaum.)

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