Ich halte, das muss ich hier mal feststellen, Adobe für schlimmer als Microsoft. Nicht nur der Speicherplatz und Nerven fressende Acrobat Reader, auch die anderen Programme sind teuer und/oder zeitraubend und umständlich. Zusatzfunktionen muss man bezahlen – mit Geld, Zeit, Nerven.
Hier will ich mal den kleinen, schnellen, besseren pdf-Reader Foxit loben.

So, 24.12.06

Alle Jahre wieder die Frage – Welche Lesebühne kriegt Weihnachten/Silvester ab? Diesmal hat es die Reformbühne erwischt, die die Singles mit Texten trösten muss. Wie man das beim Frühschoppen, der sich ja immer als Alternative zum sonntäglichen Gottesdienst verstanden hat, handhabt, weiß ich nicht. Vielleicht gehen da ja auch Familien hin – und hinterher gibt’s Bescherung?
K. scheint vom Schlagabtausch über Y. so mitgenommen zu sein, dass er aus der Mailingliste der Lesebühnen aussteigt.
Ob ich mich denn freue, endlich mit meiner Freundin zusammenzuziehen, werde ich von allen (auch ihr natürlich) gefragt. "Wehe wenn nicht!", höre ich heraus. Und so kann ich nicht anders als einsilbig antworten.
Wieder wache ich viel zu früh auf. Dabei fahren nur wenige Autos, und die Verkehrsgeräusche könnte man auch als das Rauschen des ein paar hundert Meter entfernt liegenden Meeres interpretieren. Ich stoße mir weiterhin den Kopf an den zu niedrigen Türen. Ob ich die Vermieter zu einem mietergerechten Umbau zwingen kann? Im Internetcafé finde ich ein Mietrechtforum. Man kommt sich bemitleidet vor, zu Heiligabend im Internetcafé zu sitzen. Ich verschwinde schnell, bevor der Betreiber glaubt, ich sei so einsam wie der Typ an dem anderen PC, der sich mit Ballerspielchen tröstet.
Will sehen, ob ich ohne PC auskomme und in den nächsten Wochen nur noch am Laptop arbeiten. Verfrachte alle Dateien (seitdem haben die meisten meiner alten PC-Ordner hier das Erstellungsdatum 24.12.06). Außerdem:
– Im Zimmer etwas Struktur geschaffen
– 5 Regale aufgestellt
– drei davon ca. zur Hälfte eingeräumt
– Kommode aufgestellt
– Waschmaschine angeschlossen
Was für ein Jahresabschluss. Kein ruhiger Rückblick wie sonst, wenn ich mir 1 Woche Zeit nehme. Aber wenigstens ein Tag. Man bemitleidet mich, dass ich am Heiligabend hier allein rumwurschtle. Unnötig. Meine kleinen Momente der Einsamkeit (nicht nur des Alleinseins) – ich brauche sie doch immer wieder.

*

Annett Gröschner übernimmt den Eintrag an Jochens Stelle.
Vor sechs Jahren war Jochen noch überrascht, als ich sie zum Kantinenlesen eingeladen hatte, und beneidete mich um diesen Kontakt…

Annett besaß lange Zeit eine Uhr der Zeitschrift "RUND", und ich glaube zunächst an eine Verwechslung mit der DDR-Jugend-Musik-Sendung, die trotz ihrer West-Importe alle paar Monate, wie Status Quo oder Rosetta Stone öde und peinlich war.
Wir erfahren, dass sie sich während des Schreibens auf der Insel Magdeburger Werder befindet. (Wie kam das Buch auf die Insel? Hat Jochen deswegen am Vortag Stress gehabt, weil er extra bis dorthin musste?) Als Kind habe ich es mir immer sehr romantisch vorgestellt, auf einer Insel zu wohnen. Und eigentlich immer noch. Jeden Morgen löst man das Ruderboot vom Steg und macht sich auf dem Weg zum anderen Ufer, denn nur dort gibt es Bäcker, Schule, Kino, Kneipe. Die Insel ist ein Paradies für sich. Der Postbote kommt mit dem Tretboot. Größere Wasserfahrzeuge legen nur an, wenn jemand stirbt oder umzieht. IKEA liefert nicht auf Inseln. Man muss sich die Möbel aus dem zimmern, was auf der Insel wächst, d.h. man darf nur so viel Holz verbrauchen, wie auch wieder nachgewachsen ist. Da darf man sich freilich nicht vertischlern. Das erste Stück muss passen und gut aussehen. Werbeklingler gibt es keine. Autos sowieso nicht. Man ist für seine Insel verantwortlich wie der kleine Prinz für seinen übersichtlichen Planeten.
Übers Schlussmachen per Handy bei Jugendlichen: "Mich wundert, dass es neben JA und NEIN und ICH KOMME ERST UM… nicht schon die vorformulierte Antwort LASS UNS FREUNDE BLEIBEN in diesen Handys gibt." In dem Alter will man doch nicht unbedingt Freunde bleiben, oder? Das kommt doch erst in den 20ern. Und später legt sich auch das wieder. Aus den Augen, aus dem Sinn. Ich war ja bei einem Date 1999 noch so höflich, mich noch ein zweites Mal zu treffen, um ihr den Korb zu geben, was sie natürlich doppelt verärgerte, das hätte ich doch auch telefonisch erledigen können, jetzt habe sie extra einen Nachmittag frei genommen.
Annett Gröschner feiert mit der Familie Weihnachten. Bescherung traditionell: "Wir müssen uns dem Alter nach aufstellen und dürfen im Gänsemarsch ins Weihnachtszimmer." Unklare Praxis: Die Schwester "macht die Weihnachtsmusik an (Jauchzet, frohlocket…)" und "singt". Singt sie zur von ihr selbst angemachten Weihnachtsmusik?

M.P.: "… ich beneidete ein armes Mädchen, dem das Fehlen aller Verbindungen und sogar eines Telegraphenbüros lange Monate des Träumens nach einem Kummer schenkt, den es nicht mit künstlichen Mitteln zu betäuben vermag." Das erinnert schon sehr an den Character Kloß von Volker Strübing, der unglücklich ist, wenn er nicht unglücklich sein darf, der am Boden zerstört ist, wenn das Glück irgendwo droht. Was wäre das Äquivalent zu einem Telegraphenbüro? Ein T-Com-Laden? Da könnte man sich heute eine ordentliche Portion Kummer besorgen. Oder doch ein Internet-Café, das durch seine Verbindungen in alle Welt jegliches Träumen zerstört?
Annett über die Grundhaltung Marcels: "Er hegt eine Verachtung für Frauen, die sich von ihm trennen, um dan doch wieder zurückzukehren, und himmelt jene an, die ihn für immer verlassen." Sein Fokus: I’m not OK, you’re not OK, wie es Psychologen heute sagen würden.
Bemerkenswerte Beobachtung (A.G.): "Albertine hat eben für sich in Anspruch genommen, genauso zu leben wie die Männer. Zur Strafe musste sie, da ist der Roman noch ganz neunzehntes Jahrhundert, wie Effi Briest und Anna Karenina sterben, zu allem Überfluss auch noch bei einem Reitunfall, diese böse Amazone, bevor sie, wie in der letzten Depesche angekündigt, zum Helden zurückkehren konnte, reuig versteht sich."

***

Mo, 25.12.06

Happy Family Fotos per Mail von W., der anscheinend von seiner Frau verlassen wurde. Alle lächeln, aber es wirkt traurig, wie vertrieben. Selbst der Weihnachtsbaum sieht aus wie gefunden.
Beim Geschenke verpacken fühle ich mich immer noch wie im Werkunterricht. Die Resultate wirken nur im Ausnahmefall nicht grotesk. Finde Utas Geschenk nicht. Treffe mich mit ihr am Bahnhof Schöneweide, von wo wir früher immer nach Löbau (und von dort weiter nach Ebersbach) gefahren sind. Der Geruch, die Säulenverzierungen – meine Madeleines.
Begrüße Nils mit "Flatt-flatt", meinem kleinen Schlüssel zu seinem Herzen.
Ausgerechnet ich, der ich mich immer so schwer tue, Geschenke zu finden, habe vergessen, dass man sich dieses Jahr nichts schenken wollte.
Als wir nach dem Spaziergang durch Schildow zurückkommen schaut die Familie Winnetou II, während Nils schläft. Wusste nicht mehr, dass da so viel Geballer dabei war. Oma schaltet anscheinend ihr Hörgerät aus. Der junge Terence Hill, sehr unschuldig. Nach all den Jahren erkennt man viel eher das Geschauspielere der Komparsen und Nebendarsteller zu sehen. Herausragend aber Kinski: "Die Sonne brannte mir aufs linke Ohr und ich zählte bis 820." "Diese roten Teufel!"
Zuhause wieder allein. Gehe noch ins Kino, sondern lese den Schimmelreiter.

*

J.S.: "Zur Sedierung morgens ein bisschen Latein."
Was Jochens Latein, ist mir das Klavier. Ich übe nun seit gut anderthalb Jahren jeden Tag zehn bis zwanzig Minuten, ohne mich mit Anfängerstücken aufzuhalten, Mozartsonaten. Bis zum März 2008 war es der langsame Satz der Sonata Facile, den ich dann doch, ohne dass ich vorher etwas von Fingersätzen oder linker Hand gewusst hätte, recht passabel spielen konnte. Nun habe ich seitdem den Allegro-Satz der B-Dur-Sonate KV 333 vor mir und muss sagen, dass ich mich da wohl verhoben habe. Der langsame Satz der F-Dur-Sonate KV 280 (eigentlich f-moll) wäre natürlich auch sehr schön, aber den Tag mit diesem traurigen Stück zu beginnen, würde mich binnen Kurzem in einen Marcel verwandeln.
Familie Schmidt in der Kirche, die ewig verzögerte Gemeinde. Für einen Musiker muss es der Horror sein, in einer evangelischen Gemeinde Orgel spielen zu müssen, es sei denn, man hat die Chance, in Chicago in einer schwarzen evangelikalen Community zu grooven.
Jochen gibt die Überlegung, gute Kunstwerke entstünden unter Leidensdruck, Anlass, über die Entstehung der tschechische Kinderfilme zu spekulieren.
Kunstwerke, die ich nie verstanden habe: Tschechische Kinderfilme. Diese Märchenadaptionen, die Huckleberry-Finn-Adaption, die offenen Enden von Kinderfilmen, der unlustige Pan Tau, ich konnte nur mit den Schultern zucken. Vielleicht müsste ich das mal einer Revision unterziehen. Bemerkenswerte Ausnahme: "Sechs Bären und ein Clown". Ein Zirkusdirektor wird überredet, den Bärendompteur Cibulka mitsamt den Bären rauszuschmeißen und stattdessen Schweine in den Zirkus zu nehmen. Cibulka und die Bären werden von fünf Freunden in die Schule gelotst, wo sie sich verstecken und ein schönes Chaos anrichten.

Jede Handlung erinnert Marcel an die Tote.
Marcels Kundschafter Aimé erfährt von einer Wäscherin, dass Albertine sie "gebissen" habe, woraufhin dieser "ihre Fähigkeiten" (J.S.) überprüft. (Hamse nu oder hamse nich?)
Eine selbständig lebensfähige Sentenz sei: "Man kann von einem Leiden nicht genesen, wenn man es nicht in ganzer Stärke durchlebt." Diesen Satz schrieb ich nach dem Tod von R. 1992 fast wörtlich in mein Tagebuch, aber ist er wahr? Was heißt schon "genesen"? Gemessen an Marcel/Kloß wäre es ja das Letzte, was er wollte.

24.-25.12.06
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