Fortsetzung Daily Rituals. How Great Minds Make Time, Find Inspiration, and Get To Work.
Fast alle Schreibenden brauchen “Ein eigenes Zimmer”, wie Virginia Woolf bemerkt, die aus der Perspektive der bürgerlichen Frau des beginnenden 20. Jahrhunderts schreibt. Wie bereits gestern hier schon bemerkt, gehörte Jane Austen zu den Ausnahmen, die so multitaskingfähig waren, einerseits zu schreiben und dabei die offene Tür im Blick zu behalten, um etwaige Störer rechtzeitig zu erspähen. Ähnlich ist die Situation beim Schreiben in der Bahn und in Cafés. Ein Kollege berichtete, er würde sogar beim Fernsehen schreiben (ob er dann mehr als nur Tagebuchnotizen schrieb, weiß ich allerdings nicht).
Für mich ist es schwierig zu schreiben, wenn ich menschliche oder maschinelle Geräusche höre. Cafés kommen insofern für mich nur dann infrage, wenn keine Musik läuft und das Gebrabbel der anderen Gäste und des Personals so leise ist, dass ich sie durch Ohrstöpsel ausblenden kann. Im Moment z.B. sitze ich in einem kleinen Kaufhallen-Café, das vom Rest des Markts separiert ist, aber während ich diesen Satz schreibe, kommt ein älterer jovialer Typ herein, der sich nur rufend zu verständigen vermag. Die Konzentration leidet. Allerdings hält sich die künstlerische Kreativität, die dieser Text benötigt, auch in Grenzen. Prosa, Drama oder Lyrik wären in der Situation kaum möglich. Zuhause kann ich schreiben, wenn das Kind schläft oder nicht da ist. Selbst wenn die Gattin sich um es kümmert, ist mein Gedanke dann doch bei ihm, vor allem wenn es jammert oder weint.
Im Park oder Wald zu schreiben, ist mir im Sommer manchmal möglich, wenn es irgendeine Art von Tisch gibt. Auf Knien bringe ich nur Notizen zustande.

Joan Miró (1893-1983)
Um sich vor Depressionen zu bewahren, trieb Miró exzessiv Sport: Boxen, Seilspringen, Schwedische Gymnastik, Laufen, Schwimmen. Im Sommer floh er die Stadt.
6 Uhr aufstehen und frühstücken. Von 7-12 Arbeiten. Leichtes Mittag. Sport. “Mediterranes Yoga”. 5 Minuten Nickerchen. 14 Uhr Freunde, Briefe, 15-20 Uhr Arbeiten.
Er hasste soziale Ereignisse. “Scheiße! Ich verabscheue diese Eröffnungen und Parties total! Sie sind kommerziell, politisch, und alle reden viel zu viel. Sie gehen mir auf die Titten!”

(Können Maler länger als Schriftsteller? Oder anders gefragt: Erfordert das Schreiben eine höhere Konzentration?)

Gertrude Stein (1874-1946)
Aufstehen gegen 10 Uhr. Schreiben oft im Freien. Kaum mehr als eine halbe Stunde pro Tag.

Ernest Hemingway (1899-1961)
Aufstehen zwischen 5:30 und 6 Uhr, auch nach starkem Trinken. Danach gleich Schreiben bis mittags. Danach sei man “leer und wird wieder gefüllt”.
Hemingway führte eine Liste über seinen Wörter-Output.
Die Geschichte mit den 20 gespitzten Stiften ist eine Legende. “Ich glaube nicht, dass ich je zwanzig Stifte besessen habe.”

Henry Miller (1891-1980)
Als junger Mann schrieb er von Mitternacht bis zum Morgen. Das änderte er in den 30ern in Paris.
Später meinte er, alles, was am Nachmittag geschrieben würde, sei unnötig und kontraproduktiv.
“Ich denke, man sollte von der Schreibmaschine aufstehen und immer noch was zu sagen haben.”

F.Scott Fitzgerald (1896-1940)
Ähnlich wie Austen versteckte Fitzgerald sein Schreiben während seiner Armeezeit hinter einem Buch “Small Problems for Infantry“. Als das aufflog, schrieb er an Wochenenden. Danach schrieb er eher undizipliniert, auf Inspirationen wartend. Romane produzierte er in Schreibanfällen.
Droge: Gin, die ihn letztlich zerstörte.

William Faulkner (1897-1962)
Unterschiedliche Tagespläne. Meist morgens. Aber während seiner Zeit als Nachtschicht-Kraftwerksaufseher an der Uni, schrieb er nachmittags.
Er schrieb gern in der Bibliothek und da diese keinen Schlüssel hatte, entfernte er jedes Mal den Türknauf und nahm ihn mit sich.
Droge: Whiskey am Abend. Widersprüchliche Angaben, ob er beim Schreiben trank.

Arthur Miller (1915-2005)
Meistens morgens, aber ohne echte Routine. Das Geschriebene wird hinterher zerrissen. Es sei denn, es bleibt wirklich etwas hängen. Er sah sich wie ein Mann, der mit einem Eisenstab durch einen Sturm voller Blitze spaziert. (Die Blitze sollen wohl die Eingebungen sein, nicht die Zerreiß-Prozeduren.)

Benjamin Britten (1913-1976)
Arbeitsbeginn 9 Uhr bis Mittag. Nachmittags Briefe oder Spaziergänge, dabei Pläne machen, was als nächstes gearbeitet werden soll.
Morgens kaltes Bad, abends warmes Bad.

Arbeitsroutinen von Künstlern IV – Orte der Kreativität
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