Wenn wir die Zuschauer nach Vorschlägen fragen, wollen wir natürlich am liebsten Dinge hören, die wir vorher noch nicht zu hören bekamen, die unsere Assoziationskanäle öffnen, kurz – die uns inspirieren!
Stattdessen hört man aber im Improtheater immer wieder dieselben Vorschläge.
„An welchem Ort soll die Szene spielen?“ – „Paris!“
„In welcher Beziehung stehen diese beiden zueinander?“ – „Geschwister!“
„Nennen Sie mir einen Beruf!“ – „Klempner!“
Vorschläge dieser Art werden eingerufen, wenn
1. die Zuschauer dazu aufgefordert werden, rasch das zu sagen, was ihnen als erstes durch den Kopf geht und
2. die Fragen so gestellt werden wie oben.
Vorschläge wie Paris und Klempner sind im Grunde Prototypen für das, was wir erfragen.  Paris ist einfach der Ort, der den meisten als hoch assoziative Stadt als erstes einfällt (und ist übrigens auch im englischen Sprachraum die geographische Ortsvorgabe Nummer Eins).
Fragt man nach „Berufen“, hört man als Antwort fast immer Handwerksbezeichnungen. Auch wenn es inzwischen in Deutschland wahrscheinlich wesentlich mehr Informatiker als Klempner gibt, hängen die alten Berufsbezeichnungen tief in unserem kollektiven Bewusstsein fest, abgesehen davon, dass der Durchschnittszuschauer meist einen Installateur meint, wenn er von Klempner spricht.
Die regelmäßige Antwort „Geschwister“ erklärt sich dadurch, dass zwei Schauspieler, die mit der gleichen Haltung auf der Bühne stehen, eine Art Ähnlichkeit suggerieren, wie man sie eben von Geschwistern kennt. (Oft hört man auch „Zwillinge!“)
Wie lösen wir nun dieses Problem?
Da wir die Zuschauer ja auch nicht ewig grübeln lassen wollen oder ausgesprochen „originelle“ Vorschläge brauchen, hilft es auch nichts, ihnen zu sagen, sie sollen uns mit etwas „besonders Schönem“ inspirieren. Vielmehr sollten wir uns fragen:
Was wollen wir wirklich vom Publikum hören?
Wenn wir uns darüber vor der Show Gedanken machen, so werden wir nämlich sehen, dass uns Städtenamen in der Regel so gut wie gar nichts bringen, da wir ja eigentlich einen Schauplatz für die Szene brauchen.  Die einfachste Lösung besteht also darin, genau das zu fragen: „An was für einem Schauplatz soll diese Szene spielen?“
Wenn man die berufliche Tätigkeit (oder die beruflichen Ziele) einer Figur erfragen will, hilft es, sich die Realität zunutze zu machen: Man kann die Zuschauer nach ihrer Tätigkeit fragen. Aber auch das kann einengen: Erstens scheuen sich viele Zuschauer, ihre berufliche Tätigkeit oder ihre Studienrichtung zu nennen, weil sie fürchten, veralbert zu werden oder weil sie ihre Tätigkeit (im Vergleich zum aufregenden Leben eines Impro-Schauspielers) für langweilig halten. Und zweitens kann das wiederum einengen, wenn das Publikum eher homogen ist.
Ich rate daher dazu, bei Vorschlägen, die eine Figur ausstatten sollen, einen kleinen Umweg zu gehen. Man fordert das Publikum kollektiv auf: „Denken Sie an eine Freundin oder einen Verwandten.“ Nachdem man zwei Sekunden gewartet hat, kann man verschiedene Zuschauer einzeln fragen:
Wie heißt Ihre Person mit Vornamen?
Und Ihre mit Nachnamen?
Wie alt ist die Person, an die Sie gedacht haben?
Was arbeitet, lernt oder studiert sie?
Was macht sie liebenswert?
Ist sie liiert?
Hat sie Kinder?
usw.
Eventuelle Ungereimtheiten lassen sich ausgleichen: Wenn die Person 52 Jahre alt ist und die nächste Zuschauerin antwortet: „Meine Freundin studiert Veterinärmedizin“, dann ist unsere Figur eben schon Veterinärmedizinerin.
Die Frage nach Schauplätzen lässt sich auf ähnliche Weise personalisieren:
Wenn Sie an Ihre Jugend denken: An welchem Ort in ihrer Stadt hielten Sie sich gerne auf?
Wo lesen Sie gern?
Hatten Sie als Kind ein Versteck?
Ebenso für Gegenstände:
Liegt etwas im Kofferraum Ihres Autos, was nicht dahin gehört?
Haben Sie in der letzten Zeit etwas bei Ebay verkauft?
Für Überschriften:
Wie heißt der Titel des Stücks, das sie als letztes auf ihrem Musik-Player gehört haben?
Für Dialogzeilen:
Schlagen Sie eine zufällige Seite Ihres Romans auf und lesen Sie den ersten Satz in wörtlicher Rede laut vor.
Die Vorschläge, die man auf diese Weise erhält, sind dreidimensional und wirken weniger „ausgedacht“.
Bleibt zu klären: Wie gehen wir mit dem Problem um, dass wir für „Beziehung zwischen zwei Personen“ häufig „Geschwister“ hören? Auch das können wir personalisieren: „Denken Sie bitte an eine Person, die Sie persönlich kennen. (kurze Pause) In welcher Beziehung stehen sie zu ihr?“
Ich halte dieses persönliche Fragen überdies auch für eine gute Klammer zum Publikum. Wenn ein Vorschlag, der aus der persönlichen Erfahrungswelt kommt, auf der Bühne umgesetzt wird, entsteht eine Doppelbindung zum Publikum.

Mittel gegen häufige Vorschläge – Fragen personalisieren
Markiert in:     

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert