In Rechtfertigungs-Games rechtfertigen wir logischerweise sofort und ohne Umstände.
Ansonsten hängt der Zeitpunkt des Rechtfertigens davon ab, mit wieviel Unsicherheit die Spieler und die Zuschauer leben können. Schauen wir uns diese kleine Szene an.

Frau und Mann. Beide schauen Richtung Publikum.
Sie: Bist du dir sicher, Bertram, dass du kündigen willst?
Er: Ja, Evi. Es ist Zeit für eine Veränderung. Amsel!
Sie: Du würdest mir die gesamte Verantwortung aufhalsen.
Er: Du bist nun lange genug dabei. Blaumeise! Blaumeise! Sperling!
Sie: Ich habe nicht dein Talent und deinen Blick.
Er: Das Einzige, was dir fehlt, ist Selbstvertrauen. Blaumeise! Eichelhäher!

Wie lange halten die beiden diesen Dialog durch, ohne aufzulösen, warum Bertram am Ende jedes Satzes Vogelarten nennt? Als Zuschauer können wir mit der zunächst etwas bizarren Situation durchaus eine Weile leben (vielleicht sogar länger als die Spieler auf der Bühne). Wenn allerdings die Szene vorbei ginge, ohne dass das seltsame Verhalten Bertrams aufgelöst würde, wären wir irritiert.  Das heißt, beiden dürfte klar sein, dass eine solche Verhaltensweise einer Auflösung bzw. Rechtfertigung bedarf. Aber wann? Das hängt letztlich vom Vertrauen der Spieler und dem Verlauf der Szene ab.
Ein gut eingespieltes Paar oder sehr erfahrene Spieler können die Sache erst einmal laufen lassen, bis sich ein organischer Moment findet. Wenn wir uns aber unsicher sind und außerdem zusätzliche unbekannte Variablen hinzukommen, die das Ganze unübersichtlich werden lassen, rechtfertigen wir lieber schnell.
In dem genannten Beispiel wäre anzunehmen, dass der Spieler des Bertram zumindest eine Vorstellung davon im Kopf hat, was sein Angebot bedeuten könnte. Als Mitspielerin kann ich in diesem Fall etwas entspannen und schauen, ob er es nicht selbst auflöst. Umgekehrt sollte der Bertram-Spieler aufmerksam sein und darauf achten, ob sein doch recht seltsames Angebot verstanden und aufgenommen wird. Falls die Mitspielerin nicht weiter darauf eingeht, könnte es sein, dass das Angebot nicht angekommen ist oder sie einfach auf einen Zug von ihm wartet.


Sie: Ich habe nicht dein Talent und deinen Blick.
Er: Das Einzige, was dir fehlt, ist Selbstvertrauen. Blaumeise! Eichelhäher!
Sie: Du bist es, der mir fehlen wird, Bertram.
Er: Evi, ich bin verheiratet. Sperling! Amsel! Ich korrigiere: Sperling! Star! Vierter Mai, Tegeler See, 12:10 Uhr. Ende der Vogelzählung. (Drückt auf den Knopf seines Diktiergeräts.)

(Wird fortgesetzt.)

Rechtfertigen im Improtheater (4) – Wann rechtfertigen wir?
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