Erzähler und Lächlerin

Im Restaurant, da sitzt ein Typ,
der hat sich selbst am liebsten lieb.
Die Frau, die mit am Tische sitzt,
recht höflich ihre Ohren spitzt.
Doch bald schon lächelt sie gequält,
da er ja nur von sich erzählt.
Wie er einmal beim Attaché…
Sie rührt gelangweilt im Kaffee.
… und mit dem Botschafter per Du.
Sie lächelt, doch sie hört kaum zu,
und sieht ihn freundlich dabei an,
wenn er erzählt, der Gockelhahn.

Solche Frau’n ich nicht versteh.
Zieh ihm eine rein und geh!

Spielplatz April Ungemütlich

Eine kühle Brise weht durch den Spielplatz.
Im feuchten Sand ein verlornes Muschelförmchen.
Lustlos wird die Babyschaukel ausprobiert.
Die Hose eingesaut beim Rutschen,
was der Mutter egal ist,
weil ihr alles egal ist,
weil sie müde ist,
keine Türkin.
Ein Zweijähriger hackt auf die Buddelumrandung.
„4. Dezember 19..“ Granit.
Friedhofsschrott.
Musste das jemand in einem Amt genehmigen?
Schaut dieser Jemand jetzt aus dem Fenster und
sieht denselben Nieselregen
wie ich?

Ein feines Mahl

Sanfter Dampf dem Barschfilet entweicht.
Schwarzgrün schlängelt sich die Algenpasta.
Ein 12er Sauvignon passt fast ins Raster,
wenn man gleich vor dem Barsch ihn reicht.

Die Nudeln weich, der Wein wirkt heut recht leicht,
den Gaumen kitzelt’s wie ein böses Laster.
Mango-Mousse in Schal’n aus Alabaster.
Und endlich dem Gourmet ein „Öps“ entschleicht.

Aus der Küche dringt profanes Klirr!
„Die Rechnung bitte, wenn ich mich nicht irr.“
Aus der Tür mit Männlein – dumpfer Mief.

„Nun komm, Schatz!“ – „Warte doch, dein Hut sitzt schief.“
Am Taxistand Gedrängel und Gewirr.
Der Koch wischt drinnen Gräten vom Geschirr.

An den Narren

Woher kommt die Zuversicht?
Woher kommt die Blindheit?
Alt, und kennst das Leben nicht,
steckst du in der Kindheit.

Mutig sollen wir dich nennen
und wir täten’s auch,
könnten wir nur mal erkennen:
Geist führt deinen Bauch.

Dumme Taten schaden doppelt,
wenn ein Mächtiger sie tut.
Kopf und Herz und Hand entkoppelt.
Leichtsinn ist des Dummen Mut.

Schnurzgedicht

Ich kannte mal ein Mädchen,
das war so schlau und schön,
aus einem Schweizer Städtchen.
Wer könnt da widerstehn.

So stilvoll und bescheiden,
so herzlich und so nett.
Und jeder konnt sie leiden
und wollt mit ihr ins Bett.

Dann lernte sie mich kennen
und fragte mich recht lieb:
„Komm, willst du mit mir pennen?“
„Nee. Du bist nicht mein Typ.“

Am Ende noch mal kurz:
(Ich hoff, ihr könnt’s erfassen.)
Man muss zusammenpassen.
Der Rest ist ziemlich schnurz.

Bewunderung einer Schauspielerin

Ich weiß, wo sich des Schreitens Anmut
paart mit irrem Spieldrang hellen Geistes.
Sie mimt, die Kartoffeln zu wässern auf leerer Bühne
– Greisin im Garten, gehasst vom Sohn.
Wo lockend lächelnd die kindhafte Dame
ihr Recht aufs Paradies zu erwirken sucht,
dann auf dem U-Bahn-Sitz röchelt.
Und selbst als alle lauthals klagen
ihr Leid über ’ne tote Ballerina,
bleibt ihr Schweigen am Grabe kräftiger.
Grazer Witz zerstäubt.
Des Zaubers Wirken wagt man nicht zu stören.
Gefesselt vom Wogen des Todesspiels.

Einer

Ach, könnt’ mein Auge lächeln mit der Welt.
Die Tränen rinnen.
Und nichts, nichts kann ich
heute beginnen.

Ach, graden Rückens lief ich gern durchs Leben.
Ich wandre gebeugt.
Von Gram und Schwächlichkeit
mein Gehen zeugt.

Ach, könnt ich freien Herzens singen.
Ich bleibe stille.
Und so auch ich die Welt
mit Unglück fülle.

Besitz-Anzeige

Besitze einen Ahornschrank
und fünftausend Bücher,
Kleidung, Nahrung, eine Bank
und Geschirrhandtücher.

Besitze Geld und auch zwei Brillen
und wahrscheinlich Bürgerrechte.
Ich besitze einen Willen.
Aber ist’s der echte?

Tauch ich abends in den Fluss
bin ich ganz befreit.
Alles Haben, alles Muss
nimmt hinweg die Zeit.

Übung in Zuversicht

Narzissen trotzen letzter Kälte.
Die Ringeltaube legt ihr Ei.
Der Winter bricht nun ab die Zelte.
Die Zeit der Düsternis – vorbei.

Die Birken hinterm Schrottplatz grünen.
April wagt kecke zwanzig Grad.
Mein Zug fährt sicher auf den Schienen.
Auf Feldern keimt die erste Saat.

Wenn Hass und Trug den Tag versauen,
dann such ich mir Stabilität
und lerne so erneut Vertrauen
und Hoffnung, ohne die nichts geht.

Volksbank

Taxi-Halte. Die Volksbank. KW.
Ich wart auf den Zug. Im Pappbecher Tee.
Ein klingelnder Kasten im Bahnhofs-Bistro.
im Brandenburger Nirgendwo.
Düdelidüt und Klackerdiklocker,
So lockt die Box den alten Zocker.
Das Gerät wird gefüttert. Seine Nahrung sind Münzen.
Mit Lebenszeit zahlt der Alte die Zinsen.
Das Geld reicht dreißig Minuten lang.
Gleich ist es alle. Er schielt schon zur Bank.

Optionen

Habe hundert Möglichkeiten,
durch den heutgen Tag zu gleiten.
Habe tausende Optionen,
mich minütlich zu belohnen.

Und es quält mein ganzes Denken:
Wie könnt ich mich jetzt beschenken?
Solches Suchen rasch ermüdet,
ohne dass der Geist befriedet.
Er soll in der Ruhe wohnen.
Frieden heißt: Sich zu beschränken.

Gehört der Islam zu Deutschland?

Gehört der Islam zu Deutschland?
Der böse salafistische,
die Frauen verhüllende?
Nein, der nicht.

Oder der richtig böse wahabistische,
der die Menschen nicht singen lässt,
der die Scharia einführen will,
über die wir wissen,
dass von Händeabhauen und Steinigen die Rede ist?

Oder der unsagbar böse Islamisten-Islam,
der Flugzeuge in Hochhäuser steuert,
der Karikaturisten ermordet,
der Journalisten enthauptet,
der ein neues altes Kalifat errichten will?
Nein, der gehört auf gar keinen Fall
zu Deutschland.

Und der schiitische Islam und der sunnitische Islam,
gehören die zu Deutschland?
Na gut,
aber die Moschee bitte nicht in der Innenstadt.

Und Frauen mit Kopftuch,
das gehört nicht zu Deutschland.
Und sich zu Boden werfen beim Beten.
Und dass die Frauen von den Männern getrennt beten.

Und in Neukölln sprechen schon fast alle türkisch.
Nee, arabisch. Sollnse ruhig.
Aber ein bisschen Anpassung
ist doch nicht zu viel verlangt.

Wenn wir da runterfahren,
müssen wir uns auch anpassen.

Oder dieser Bushido…
Gut, der ist hier geboren.
Ach, ist er gar nicht?
Siehste!

Und der Katholizismus,
gehört der zu Deutschland?

Der bayrische,
der an jedem Bergpfad die Holzskulptur eines am Foltergerät Gestorbenen errichtet?
Der sich klammheimlich dem Bundesverfassungsgericht widersetzt
und die Kruzifixe in den Schulen hängen lässt?
Ja, irgendwie schon.
Ist ja bayrisch.
Und Bayern gehört zu Deutschland, oder nicht?
Na ja, wie die da sprechen, hahaha.
Ist das noch Deutsch? Hahaha.

Aber Plattdeutsch verstehste noch weniger,
wenn du nicht selber Plattdeutscher bist.

Oder die Sorben.
Ja, die Sorben, das ist ein Spezialfall.
Aber katholisch sind die auch.
Und die Beichte?
Und das Zölibat?
Schon noch Teil des Abendlandes, oder?

Und der Protestantismus?
Ja, Luther!
Ja, Reformation!
Ja, Johann Sebastian Bach!
Ja, dreißigjähriger Krieg.
Ja, heute keine Revolutionskriege mehr.

Ja, und die Methodisten?
Na ja…
Und die Baptisten?
Und die Sieben-Tags-Adventisten?

Und die Freikirchler,
die sich auf den Boden werfen?
Die englisch singen?

Und die Zeugen Jehovas?
Die sehen auch so aus, als ob sie Kleidungsvorschriften haben für die Frauen.
Und Frisurvorschriften für die Männer.
Aber klar! Das sind ja auch Deutsche.
Schon immer gewesen.

Und der Atheismus?
Die Aufklärung?
Ja, das muss man den Atheisten zugestehen.
Karl Marx, DDR-Geschichte,
das kann man jetzt nicht leugnen.

Aber wenn die nicht glauben wollen, bitteschön.
Man muss ja auch nicht auf die Bibel schwören.
Und in Ostdeutschland glauben die sowieso alle nichts.
Aber Weihnachten und Ostern!
Das wird dann gerne mitgenommen.
Das ist jetzt zwar nicht christlich-jüdisches Abendland im engeren Sinne, aber…

Apropos.
Die Juden.
Oh, ich hab’s befürchtet. Jetzt hat er Juden gesagt.
Natürlich gehört das Judentum zu Deutschland.
Ideell gesehen, weil,
so viele Juden gibt’s ja nicht mehr in Deutschland.

Und die orthodoxen,
deren Frauen sich die Köpfe rasieren müssen?
Und dass die Frauen von den Männern getrennt beten.
Und immer diese unvorteilhaften Kleidungs- und Frisur-Vorschriften.
Und hebräisch.
Na, die Bibel.
Die Bibel.
Also das gehört schon irgendwie zu Deutschland.

Und der Antisemitismus?
Gehört der auch dazu?
Zur christlich-jüdischen Tradition?
Ist Antisemitismus nicht die eigentlich christlich-jüdische Tradition in Deutschland?

Und die Nazis?
Gehören die zu Deutschland?
Man will ja nicht die Geschichte vertuschen.

Und Punkrock!
Gehört Punkrock zu Deutschland?
Und Pfingsten?
Was ist mit Pfingsten?
Und der Pfingstmontag!
Dieser bizarrste unter den Feiertagen.
War das nicht, als sich die Jünger beim Beten zu Boden warfen?
Und in Zungen redeten?

Und Alkoholismus?
Gehört der zu Deutschland?
Und Satanismus?
Und Waldorf-Schulen und Montessori-Kitas?
Und Fußball?
Und Basketball?
Und American Football?
Und klassisches Ringen?
Und American Westling?
Und Ikea?
Und kein Schnee im Januar?
Und Bundestag?
Und schlechter Kaffee?
Und Cappuccino?
Und Döner?
Und Wer wird Millionär, Supermodel oder wird hier rausgeholt?
Und Mallorca?
Und Dazugehören?
Gehört Dazugehören zu Deutschland?

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