Vor einiger Zeit brachte ich die beiden hervorragenden Impro-Instrumental-Musiker H. und Z. zusammen. Beide hatten Großes voneinander gehört und erwarteten Großes voneinander. Die drei Stücke, die sie dann live performten, waren nicht schlecht, aber sicherlich unter ihrem Niveau. Hinterher beschwerten sich beide unabhängig voneinander, der andere wäre nicht richtig auf ihn eingegangen, beide fühlten sich in eine bestimmte Richtung gepusht. Interessanterweise habe ich, mit beiden schon im Duett musiziert – dilettierend auf Bass bzw. Klavier. Und hier war alles wunderbar: Die Musiker richteten sich nach mir, dem Schwächeren. Der Grund für dieses seltsame Verhalten war mir bis gestern etwas unklar.
Christina Schneider, der ich diese Geschichte erzählte, meinte gestern: Vielleicht hatten sie ja zu viel Respekt voreinander, in dem Sinne, dass sie fürchteten, ihre eigenen Schwächen könnten zutage treten. Vielleicht meinten sie, sich voreinander als Künstler rechtfertigen zu müssen. Das Ego tritt wieder der Kunst in den Weg.
Sehen ohne zu sehen
Eine Hürde, die sich Impro-Schülern nach einer gewissen Zeit in Szenen stellt: Sehen ohne zu sehen. Das heißt: Der Impro-Spieler sieht ein Angebot, soll aber character-adäquat so reagieren, dass seine Figur es nicht sieht.
Beispiel: Ich sehe (als Spieler), dass ich bestohlen werde. Als Character lasse ich mich bestehlen, um die Szene voranzutreiben.
Frauenstimmen
„Frauen: Wenn wir in Szenen emotional werden, schrauben wir unsere Stimmen oft so hoch, dass nur noch Hunde sie hören können. Übt eure Medea-Stimme. Sie startet im Mittelpunkt der Erde und bricht aus dir heraus wie ein Vulkan.“ (Carol Hazenfield in Acting on impulse. the art of making improv theater)
Stille
„Wenn das Publikum still ist, dann hast du es.“ (Randy Dixon)
Das ist weniger banal als es scheinen mag. Jeder möge sein Ego hier prüfen.
Kultur des Scheiterns
Die britischen Luftschiffe Anfang des 20. Jahrhunderts sollten gigantisch werden. Man ließ den Konstrukteuren kaum Raum zum Probieren und Scheitern. Der Flug des größten Luftschiffes, das bis Indien fliegen sollte, endete in Frankfurt/Main. „Die Luftschiffe scheiterten, weil sie nicht scheitern durften.“
Dass Google zu den Überlebenden der Dotcom-Blase gehört, kann erklärt werden mit dem großen Spielraum fürs Scheitern, der in diesem Unternehmen selbstverständlich ist. „80 Prozent aller Google-Erfindungen enden als Flop.
„Amy Edmondson fordert eine Kultur der psychologischen Geborgenheit: Mitarbeiter müssen wissen, dass Fehler sie nicht in Gefahr bringen. Nur dann sei es möglich, von den Fehlern zu lernen und gescheiterte Projekte abzubrechen (anstatt sie monatelang weiterzuführen, weil es niemand wagt, das Scheitern einzugestehen).“
[Nach den Katastrophen in südkoreanischen Maschinen in den 80ern und 90ern begann man zunächst die Hierarchien zwischen Pilot und Kopilot abzubauen, indem man auf das neutralere Englisch umschaltete und eine sach-orientierte Sprache einforderte. siehe Malcolm Gladwells „Blink!“] „Solche Fehlerfreundlichkeit ist in den meisten Organisationen die Ausnahme.“
„Wenn Scheitern routinemäßig bestraft wird, reagieren Mitarbeiter mit ‚Verantwortungsdiffusion‘. Da werden Papiere dann zehnmal abgezeichnet, oder es sitzen 20 Menschen in einem Meeting, für das es eigentlich nur zwei Mitarbeiter brauchte.“
Dirk Baecker: „Wir denken in Resultaten, nicht in Prozessen. Im Prozess spielen Fehler und mögliche Fehler eine entscheidende Rolle, aber im Endergebnis werden sie vergessen.“
„Unsere Fehler lehren uns Demut und, im Umkehrschluss, Toleranz. Wie könnten wir andere aufgrund ihrer Fehler verdammen, wenn wir selbst ständig Fehler machen?“
Aus Jürgen Schaefer: „Fehler? Falsch! Warum auch Irrtümer uns im Leben voranbringen“ in GEO 03/2012
389. Nacht
Doch wenn mein Gut sich mehrt, ist jedermann mein Freund.
Wie mancher wurd mein Freund nur um des Geldes willen
Und ward zuletzt, als mich das Geld verließ, mein Feind!
Aus der italienische Filmkomödie Der gezähmte Widerspenstige ging der Ruf „Die Tür! Die Schuhe! Das Fenster!“ in den ostdeutschen Sprachgebrauch ein. Warum in den ostdeutschen? Weil die westdeutsche Synchronisation viel umständlicher (und weiter weg vom lakonischen Original) war. Diese DEFA-Synchronisation kann auf DVD leider nicht kaufen.
Am nächsten Tag zweifelt er nun wieder an der Realität und beschimpft seine Mutter, die ihm davon berichtet, dass man ihr hundert Dinare entsandt und die Scheiche gepeitscht habe:
Oder haben wir es mit dem Matthäus-Effekt zu tun („Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat“ Mt 25.29)?
Öffentlich reden
Tips von Caroline Goyder
1. Hab das, was du zu sagen hast, klar und einfach im Kopf. Es geht nicht darum, die Dinge präzise wie im Skript zu sagen, sondern sich mit an wenigen einfachen punkten entlangzuhangeln. Nutze Mind Maps.
2. Sag, was du sagen wirst. Sag es ihnen. Sag, was du gesagt hast. Wiederholung in Reden ist sinnvoll, da die Zuhörer das Gesagte behalten sollen.
3. Einführung, 1. Punkt, 2. Punkt, 3. Punkt usw., Schluss. (Orientierung für die Zuhörer)
4. Betrachte dein Publikum als Freunde; dann entspannt sich dein Gesicht, und die Zuhörer entspannen sich ebenso.
5. Hummeltechnik: Teile ein großes Publikum in verschiedene „Sträuße“ ein. Dein Blick ist wie eine Hummel, die bald auf diesem, bald auf jenem Strauß landet.
6. Formuliere knapp und präzise, statt lang und umständlich. Sei im Moment des Gedankens, den du gerade formulierst.
7. Fokussiere auf das Publikum, mit dem du zu tun hast. Der Gedanke kann sein: Wie kann ich euch helfen.
http://youtu.be/qsz6_c68mXg
387. – 388. Nacht
387. Nacht
In der Nacht, als Mus’ab zu ihr einging, ließ er erst nach der siebenten Umarmung von ihr ab.
Man lobt ihn dafür. Eine andere tadelt Aischa bint Talha dafür, zu stöhnen, sich zu bewegen und regen, wenn er sie nach der Heimkehr umarmt. Sie darauf:
"Eine Frau soll ihrem Mannes alles bringen, was sie vermag, an Erregungen und an wunderbaren Bewegungen." Ich erwiderte: "Es wäre mir lieber, wenn das des Nachts geschieht." Doch sie sagte: "Das ist so bei Tage; bei Nacht tue ich noch mehr. Denn wenn er mich sieht, so wird seine Begierde erregt, und er wird von Verlangen bewegt."
***
Die Verse des Abu el Aswad
Abu el-Aswad 387 kauft sich eine schielende Sklavin, und die Leute reden bei ihm schlecht über sie. Er darauf:
Man tadelt sie bei mir; doch ist an ihr kein Tadel,
Nur dass in ihren Augen vielleicht ein Flecken liegt.
Wenn auch in ihren Augen ein Tadel ist, so ziert sie
Ein schlanker Leib, der sich auf schweren Hüften wiegt.
387 Der Dichter Abu el-Aswad ed-Du’ali gilt als Begründer der arabischen Grammatik. Man schreibt ihm auch die Hilfs- und Vokalisierungszeichen zu.
***
Die Geschichte von Harûn er-Raschîd und den beiden Sklavinnen
Der Beherrscher der Gläubigen ruht zwischen zwei Sklavinnen aus Kufa und Medina, die ihm Hände und Füße kneten,
so dass seine Ware sich aufrichtete.
Sie streiten anhand überlieferter Propheten-Aussagen darüber, wer darüber nun verfügen dürfe. Die Medinerin zitiert:
"Wenn jemand einen Sterbenden ins Leben zurückruft, so gehört der ihm und seinen Nachkommen."
Die Kufierin:
"Das Wild gehört dem, der es fängt, nicht dem, der es aufstört."
***
Die Geschichte von Harûn er-Raschîd und den drei Sklavinnen
Die folgende Geschichte ist im Grunde eine Wiederholung des Motivs, die die vorige zu überbieten sucht.
Diesmal stammen die Sklavinnen aus Mekka, Medina und dem Irak.
Da streckte die Medinerin die Hand nach der Rute aus und brachte sie dazu, dass sie sich erhob.
Die Medinerin rechtfertigt sich mit einer über drei Ecken überlieferten Aussage Mohammeds:
"Wer totes Land lebendig macht, dem gehört es."
Die Mekkanerin zitiert den Spruch aus der vorigen Geschichte:
"Das Wild gehört dem, der es fängt, nicht dem, der es aufstört."
Da stieß die Irakerin beide weg und rief: "Dies gehört mir, bis euer Streit entschieden ist."
Bemerkenswert, dass hier Harûn er-Raschîd überhaupt nichts zu melden hat. Derart derbe wurde in den Erzählungen die Überlieferung der Prophetenaussagen auch nicht verspottet.
***
Die Geschichte vom Müller und seinem Weibe
Ein Müller besitzt einen Esel und eine Mühle. Er liebt sein Weib, das ihn hasst. Sie wiederum liebt den Nachbarn, der sich jedoch von ihr fernhält. Dem Müller wird eines Nachts im Traum verkündet, unter einer Stelle im Geleise des Esels sei ein Schatz vergraben.
*
388. Nacht
Die Frau des Müllers verrät jedoch das Geheimnis an den Nachbarn. Gemeinsam graben sie und finden tatsächlich den Schatz, können sich aus Misstrauen nicht einigen, wie sie ihn aufteilen wollen. Schließlich erschlägt der Nachbar die Müllersfrau, kommt aber nicht mehr dazu, sie zu verbergen, so bleibt sie halb verscharrt in der Schatzgrube.
Am nächsten Tag mahlt der Müller, doch der Esel sträubt sich immer an einer Stelle im Geleise, und so sticht ihn der Müller mit dem Messer, bis er umfällt und stirbt.
Er findet dort nun die Leiche seiner Frau in der Schatzgrube. Frau tot, Esel tot, Schatz fort.
All das geschah nur deshalb, weil er seinem Weibe sein Geheimnis verraten und es nicht für sich behalten hatte.
Seltsam, wie die Geschichte aus einem Beziehungsdrama in eine Kriminalgeschichte und dann in eine bloße Lehr-Anekdote rüberschliddert.
***
Die Geschichte von dem Dummkopf und dem Schelm
Zwei Schelme beobachten einen Dummkopf, der mit einem Esel seines Wegs dahingeht. Einer stiehlt den Esel, der andere steckt den eigenen Kopf in die Schlinge. Und als der Dummkopf sich umdreht, erzählt er ihm die Geschichte, seine Mutter habe ihn wegen Ungehorsam und Trunkenheit vor Jahren verflucht und Allah ihn daraufhin in einen Esel verwandelt.
"Heute jedoch hat meine Mutter sich meiner erinnert, und da ihr Herz von Sehnsucht nach mir erfüllt ist, so hat sie für mich gebetet, und Allah hat mich wieder zu einem menschlichen Wesen gemacht, so wie ich es früher war."
Aus Barmherzigkeit lässt ihn der Dummkopf frei:
"Um Gottes willen, mein Bruder, sprich mich von den Sünden frei, die ich an dir begangen habe durch das Reiten und alles andere."
Nach langer Zeit der nichtstuenden Reue begibt sich der Dummkopf zum Markt, um sich einen neuen Esel zu kaufen. Zufällig steht sein eigener wieder zum Verkauf. Er flüstert ihm ins Ohr:
"Weh dir, Unseliger, du bist wohl, wieder trunken nach Hause gekommen und hast deine Mutter geschlagen! Aber, bei Allah, ich kaufe dich nie wieder!"
Eine Anekdote, die mir bekannt vorkommt. Haben wir sie mal im Schul-Unterricht behandelt?
***
Die Geschichte von dem Kadi Abu Jûsuf und der Herrin Zubaida
Harûn er-Raschîd findet auf seinem Ruhelager ein
frisches Gerinnsel
und verdächtigt seine Hauptfrau Zubaida des Ehebruchs. Kadi Abu Jûsuf soll es richten. Der entdeckt ein Fledermausnest an der Decke:
"O Beherrscher der Gläubigen, die Fledermaus hat die gleiche Flüssigkeit wie der Mensch; dies da ist die Flüssigkeit einer Fledermaus."
Rhythm is it – Vom Übersetzen langer Texte
„Bis ich sein Spiel mit dem Text, das Ineinander-Gleitenlassen der Textebenen, besser verstand. Und mit der Zeit zu verstehen begann, dass es eine Rhythmusfrage war, ich musste mich dem Rhythmus des Originals überlassen und dann einen Rhythmus finden, der die analytische Struktur, die größere Explizitheit des Deutschen auffing und in Bewegung überführte.“ (Christina Viragh)
http://www.boersenblatt.net/520951/?t=newsletter
382. – 386. Nacht
382. Nacht
Abu Nuwâs vergnügt sich mit den Knaben bei Wein und Gesang.
Als aber die Trunkenheit den Abu Nuwâs übermannte, und er den Unterschied zwischen Hand und Haupt nicht mehr kannte, drang er mit Kuss und Umarmung auf die Jünglinge ein, legte Bein auf Bein hatte für Sünde und Scham keine Sinn und sprach diese Verse vor sich hin:
Vollkommne Freude bringet nur ein Jüngling,
Der trinkt in schöner Zeitgenossen Kreis.
Der eine singt ein Lied, der andre grüßt ihn.
Wenn er ihn mit dem Becher zu erquicken weiß.
Und hat er dann nach einem Kuss Verlangen,
So reicht ihm jener seine Lippe dar.
Gott segne sie! Schön war mein Tag bei ihnen;
Ein Wunder ist’s, wie er so herrlich war!
Nun lasst uns trinken, ob gemischt, ob rein.
Und wer da schläft, soll unsre Beute sein.
Für einen im Trunkesrausch Delirierenden improvisiert er doch noch recht flotte Verse.
Plötzlich tritt jedoch Kalif Harûn er-Raschîd hinzu, der am nächsten Tag seinem Schwertträger Masrûr befiehlt,
er solle dem Abu Nuwâs die Kleider herunterreißen, ihm den Packsattel eines Esels auf den Rücken binden, einen Halfter um seinen Kopf und einen Schwanzriemen um sein Gesäß legen und ihn so umherführen in den Gemächern der Sklavinnen.
*
383. Nacht
Der Kalif befiehlt außerdem, Abu Nuwâs anschließend das Haupt abzuschlagen.
Abu Nuwâs aber machte überall Scherze, und jeder, der ihn sah, gab ihm etwas Geld, so dass er mit vollen Taschen zurückkehrte.
Als Dscha’far der Barmekide hinzutritt und ihn fragt, was das soll, entgegnet er:
"Ich habe nichts verbrochen; ich habe nur unserem Herrn und Kalifen meine schönsten Verse als Geschenk dargebracht, und da hat er mir sein schönstes Gewand geschenkt."
Der Kalif lacht, begnadigt ihn zahlt ihm zehntausend Dinar aus.
Klassische Narrenfreiheit. Dem Dichter und Narren wird nur deshalb vergeben, weil er diese Narrenfreiheit auch bis ans Äußerste ausnutzt. Täte er es nicht, wäre er tot.
***
Die Geschichte von Abdallâh ibn Ma’mar und dem Manne aus Basra mit seiner Sklavin
Ein Mann aus Basra kauft eine junge Sklavin, die er erziehen und unterrichten lässt.
Er hing an ihr in leidenschaftlicher Liebe.
Aber als ihn die Armut bedrückt, meint sie zu ihm:
"Mein Gebieter, verkauf mich!"
Der Emir von Basra Abdallâh ibn Ma’mar kauft sie für fünfhundert Dinare, doch als er die Sklavin seufzend dichten hört,
rief er aus: "Bei Allah, ich will nicht zu eurer Trennung behilflich sein; denn ich weiß nun, dass ihr einander lieb habt. So nimm das Geld und die Sklavin, o Mann, und Allah gesegne dir beides!"
(…)
Und sie sind immerdar beieinander geblieben, bis der Tod sie geschieden hat – Preis sei Ihm, dem der Tod nicht naht!
Anscheinend nur eine Anekdote, um den Emir zu preisen.
***
Die Geschichte der Liebenden aus dem Stamme der Udhra
Ein Mann aus dem Stamme der Udhra verliebt sich unsterblich in eine Frau aus seinem Stamme, die ihn aber spröd zurückweist.
*
384. Nacht
Er verweigert die Nahrung, bis er im Sterben liegt. Erst dann besucht sie ihn.
"Hätte ich das gewusst, so hätte ich mich deiner Not angenommen und wäre nach deinem Wunsche zu dir gekommen."
Er stirbt nach dem Rezitieren:
Sie nahte sich, als schon der Tod uns beide trennte,
Und sie versprach Erhörung, als es nutzlos war.
Sie weint, fällt in Ohnmacht und stirbt drei Tage später,
und wurde in seinem Grabe bestattet.
***
Die Geschichte des Wesirs von Jemen und seines jungen Bruders
Der Wesir von Jemen, Badr ed-Dîn, hat einen schönen Bruder, den er behütet, allerdings verliebt sich der Scheich, der ihn unterrichtet, in ihn.
Die beiden verabreden sich eines Nachts heimlich, und der Scheich trinkt, schmust und singt mit dem schönen Jüngling. Der Wesir spürt sie schließlich auf, und als der Scheich ihn erspäht, singt er ihm zu
Er gab mir den Wein seiner Lippen zu trinken;
Mit Zierde des Wangenflaums trank er mir zu.
Und Wange an Wange, in meiner Umarmung,
Ging heute der Schönste der Menschen zur Ruh.
Der leuchtende Vollmond schein auf uns hernieder;
Nun bittet ihn: Sag es dem Bruder nicht wieder.
Die Güte des Herrn Badr ed-Dîn aber zeigte sich dadurch, dass er, als er diese Verse vernahm, ausrief: "Bei Allah, ich will euch nicht verraten!", und fortging, indem er die beiden ihren Freuden überließ.
***
Die Geschichte von dem Liebespaar in der Schule
Ein freier Jüngling und eine junge Sklavin besuchten einst die gleiche Schule; und der Jüngling wurde von der Liebe zu dem Mädchen ergriffen.
*
385. Nacht
Er schreibt ihr diese Verse:
Was sagst du nur von dem, der übergroße Liebe
Zu dir so krank gemacht, dass er ganz ratlos ist?
Es klagt das Leiden nun, in Sehnsucht und in Schmerzen;
Er kann nicht mehr verbergen, was ihm das Herz zerfrisst.
Sie antwortet ihm auf der selben Tafel darunter:
Wenn wir den, der da liebt, in seinem schweren Leid
Der Liebe schaun, so sei ihm unsre Huld geweiht.
Er soll den Liebeswunsch bei uns erfüllet sehn;
Und was geschehen soll, das möge dann geschehn!
Sowohl der Lehrer als auch der Herr der Sklavin finden ermutigende Verse. So schreibt letzterer:
Euch trenne Allah nie in eurem Leben;
Und wer euch feind ist, soll im Elend untergehn!
Jedoch der Lehrer ist, bei Gott, der größte Kuppler,
den meine Augen je in dieser Welt gesehn.
Er lässt den Kadi die Eheurkunde für die beiden schreiben, und das war’s.
***
Die Geschichte von el-Mutalammis und seine Weibe Umaima
Der Dichter el-Mutalammis flieht eines Tages vor der Tyrannei des en-Nu’man ibn el-Mundhir und muss dabei seine Gattin Umaima zurücklassen.
Nach einer Weile verheiratet man sie gegen ihren Willen, gerade an dem Tag als el-Mutalammis wieder zurückkehrt. Als sie unterm Baldachin traurig Verse über ihren verlorengegangenen Gatten rezitiert, ruft dieser zurück:
Ganz nah bei dir ihm Hause, o Umaima, wisse:
An jedem Halteplatz dacht ich in Treuen dein.
Der Bräutigam lässt dem anderen den Vortritt, natürlich in Bezug auf dessen Verse reimend:
Ich war im Glück; doch jetzo hat es sich gewendet;
Ein gastlich Haus und Raum schließt nun euch beide ein.
So verließ er die beiden und ging davon.
***
Die Geschichte von dem Kalifen Harûn er-Raschîd und der Herrin Zubaida im Bade
Harûn er-Raschîd lässt seiner Gattin einen Lustgarten mit einem baumumwachsenen Teich anlegen.
*
386. Nacht
Eines Tages, badet sie sich darin.
Sie blieb im Wasser, das nicht tief genug war, um den, der in ihm stand, ganz zu bedecken, aufrecht stehen, schöpfte mit einer Kanne aus reinem Silber und goss es über ihren Leib.
Der Kalif, als er hört, dass sie ein Bad nimmt, begibt sich zum Teich, um sie zu beobachten. Sie bemerkt ihn.
Aber aus Scham vor ihm legte sie ihre Hände auf ihren Schoß; freilich konnte sie ihn nicht ganz bedecken, da er so rund und groß war.
Wie bitte? Schwierig, etwas über derartige Schönheits-Ideale bei Google zu finden, ohne auf einschlägigen Seiten zu landen.
Der Kalif beginnt zu dichten:
Mein Aug erblickte, was mich traurig macht;
Und durch die Trennung ward mein Leid erfacht…
Allerdings kommt er mit seiner Dichtung nicht weiter und bitte also den Dichter Abu Nuwâs, das Gedicht zu vollenden.
Der natürlich wieder einmal vor das Problem gestellt wird, etwas Ungesehenes zu beschreiben und das Vermutete nicht benennen zu dürfen.
Er fährt also fort:
… von der Gazelle, die mich ganz bestrickt,
Als ich im Lotusschatten sie erblickt.
Und Wasser floss auf ihren Schoß, so klar,
aus einer Kanne, die von Silber war.
Als sie mich sah, da hat sie ihn bedeckt;
Doch ihre Hand hat ihn nicht ganz versteckt.
O könnte ich doch glücklich bei ihr sein,
Ein Stündlein oder auch zwei Stündelein.
Da lächelte der Kalif über seine Worte und machte ihm ein Geschenk; der Dichter aber ging erfreut von dannen.
***
Die Geschichte von Harûn er-Raschîd und den drei Dichtern
Wir beginnen klassisch:
Eines Nachts ward der Beherrscher der Gläubigen Harûn er-Raschîd von großer Unruhe geplagt.
Er begegnet einer betrunkenen Sklavin, deren Kleidung sich löst.
Er bat sie um ihre Liebesgunst; aber sie erwiderte ihm: "Lass mir bis morgen abend Zeit, o Beherrscher der Gläubigen! Ich bin nicht auf dich vorbereitet."
Als er sie am nächsten Tag zu sich bittet, lässt sie ihm ausrichten:
"Der helle Tag verwischt das Wort der Nacht."
Das ist nun aber wirklich beeindruckend: Die Sklavin kann den Wunsch des Beherrschers der Gläubigen abschlagen?
Drei Dichtern befiehlt er, daraus etwas zu dichten: er-Rakâschi, Abu Mus’ab und Abu Nuwâs.
Hier finden wir den Spruch: Ein Fluch von Abu Nuwâs in der Hölle enthält mehr Poesie als ein Lobspruch von er-Rakâschi im Himmel.
Nachdem sie ihre Arbeit getan haben, befiehlt der Kalif, den ersten beiden ein Geschenk zu machen, aber Abu Nuwâs den Kopf abzuschlagen, da er vermutet, der sei am Abend davor dabei gewesen. Der verteidigt sich, er habe den Inhalt nur aus dem Gesagten des Kalifen zusammengesetzt.
"Allah der Erhabene, der von allen die lauterste Wahrheit spricht, hat gesagt: Und den Dichtern folgen die Irrenden nach. Siehst du nicht, wie sie in jedem Wadi verstört umherlaufen, und wie sie reden, was sie nicht tun?"
Abu en-Nuwâs
Daraufhin lässt Harûn er-Raschîd ihm zwanzigtausend Dirhems auszahlen.
Die Impulsivität des Kalifen lässt ihn einem richtig ans Herz wachsen.
***
Die Geschichte von Mus’ab ibn ez-Zubair und Aischa bint Talha
Mus’ab ibn ez-Zubair verliebt sich in Aischa bint Talha.
Mus’ab ibn ez-Zubair war Heerführer des Gegenkalifen Abdallah ibn az-Zubair
Azza in Medina berichtet ihm:
"Ihr Antlitz ist schöner als die Gesundheit; sie hat große Augen und darunter eine Adlernase, glatte und runde Wangen und einen Mund gleich einer Blüte des Granatapfels. Ihr Hals gleicht einer silbernen Kanne, und darunter ist der Busen mit zwei Brüstlein, die wie ein Paar von Granatäpfeln sind; und weiter darunter hat sie einen schlanken Leib mit einem Nabel, der einem Elfenbeinbüchslein gleicht; Hüften hat sie wie zwei Sandhügel, und ihre Waden gleichen zwei Säulen aus Alabaster; doch ich sah, dass ihre Füße groß sind. Du wirst bei ihr die Zeit der Not vergessen." Nachdem Azza ihm Aischa mit solchen Worten beschrieben hatte, nahm Mus’ab sie zur Frau und ging zu ihr ein.
379. – 381. Nacht
379. Nacht
Die beiden Wesire der Könige Schâmich und Dirbâs ziehen nun gemeinsam los, um Uns el-Wudschûd zu suchen. Als sie die Insel Dschebel eth-Thekla erreichen, erklärt ihm Ibrahim, hier habe sich dereinst eine Dämonin niedergelassen, um mit ihrem menschlichen Liebhaber in Ruhe leben zu können. Wenn Seefahrer vorbeiführen, hörten sie das Wehklagen der Kinder. Der Eunuch öffnet dem Wesir das Schloss, und dieser erkundigt sich nach dem geistesentrückten Derwischmann im Hof, der natürlich kein geringerer ist als der gesuchte Uns el-Wudschûd. Wesir Ibrahim macht sich auf die Suche nach seiner Tochter, findet sie aber nicht und weint.
Wie er sich nun umwandte, sah er dort zwei Vögel, einen Raben und eine Eule; und da er ein böses Vorzeichen erkannte, begann er, in Seufzer auszubrechen.
Die Wesire geben nun die Suche auf, und in Erwartung seiner Entlassung zieht der Wesir des Königs Dirbâs zurück und nimmt den mutmaßlichen entrückten Derwisch als Glücksbringer mit.
*
380. Nacht
Uns el-Wudschûd erwacht auf dem Maultierrücken, ohne zu wissen, wo er ist. Der Wesir lässt ihn mit Zuckerscherbett und Rosenwasser aufpäppeln.
Als sie sich der Stadt nähern, wagt der Wesir nicht, sie zu betreten; doch Uns el-Wudschûd antwortet ihm:
"Fürchte dich nicht! Geh zum König und nimm mich mit dir; ich bürge dafür, dass Uns el-Wudschûd kommt."
Als er vor den König geführt wird und dieser ihn fragt, wo Uns el-Wudschûd weilt:
"An einer Stätte, die sehr nah ist."
Uns el-Wudschûd bleibt geheimnisvoll und lässt sich gut einkleiden, erst dann gibt er sich per Gedicht zu erkennen. Die beiden heiraten, und König Schâmich wird darüber informiert und antwortet:
"Dieweil die Eheurkunde bei dir vollzogen ist, geziemt es sich, dass die Hochzeit und Brautnacht bei mir gefeiert werden."
Die Karawane zieht nach Ispahan und
dann ging Uns el-Wudschûd zu El-Ward fil-Akmâm ein und umarmte sie.
Sie rezitieren und weinen,
umarmten sich von neuem, und so blieben sie eng umschlungen, bis sie ohnmächtig niedersanken.
*
381. Nacht
Es wird sieben Tage lang gefeiert. Und am siebenten Tag verteilten sie
Gaben an das Volk, Geld und Kleider, und machten reiche Geschenke. Darauf gab El-Ward fil-Akmâm den Befehl, ihr Bad zu räumen, und sie sprach zu Uns el-Wudschûd: "Du mein Augentrost, es verlangt mich, dich im Bade zu sehen; und wir wollen dort ganz allein sein.
Du der seit alter Zeit mein Herz gewann –
Das Alte geht im Neuen nicht verloren.
O du, der mein Alles in der Welt,
Ich habe keine Freund als dich erkoren.
Komm mit ins Bad, o du mein Augenlicht;
Lass uns den Himmel in der Hölle sehen!
Wir lassen Aloe und Nadd erglühen,
Bis uns die Düfte überall umwehen.
Verziehen sei dem Schicksal alle Huld!
Ich rufe dann, seh ich dich dort vor mir:
Glückauf, mein Lieb, und Segen sei mit dir!
Die Hölle steht als Bild fürs Feuer unterm Bad. Nadd ist eine Mischung aus Ambra, Moschus und Aloe. Wenn jemand aus dem Bad kommt, segnet man ihn.
***
Die Geschichte von Abu Nuwâs mit den drei Knaben und dem Kalifen
Abu Nuwâs allein daheim rüstet zu einem Gastmahl und lädt sich drei Knaben ein, die er zufällig auf der Straße trifft,
noch frei von Bärten, so schön, als wären sie Knaben aus den Paradiesesgärten; ihre Farben waren von verschiedener Art, doch ihre Reize waren gleichmäßig zart. An ihren biegsamen Gestalten wurden Hoffnungen entzündet, so wie ein Dichter von ihnen kündet.
Abu Nuwâs lockt sie mit Versen:
Kommt her zu mir, und geht zu keinem andern!
Mein Haus ist voll von feinstem Proviant.
Ich habe alten Wein von klarer Farbe,
Gekeltert von des Klostermönches Hand.
Auch hab ich feines Fleisch vom jungen Lamme
Und vielerlei Geflügel, das da fleugt.
So esst davon und trinket von dem Weine,
Dem alten, der die Sorgen uns verscheucht!
Vergnüget euch dann einer an dem andern,
Und lasst auch mich in eurem Kreise wandern!
Weil nun die Jünglinge von seinen Versen bezaubert waren, so entschlossen sie sich, seinem Wunsch zu willfahren.
376.-378. Nacht
An jene Zeit, da mir die Kraft der Jugend schwand,
Und den geliebten Freund; von Wuchse war er herrlich,
Und seine Schönheit verwirrte den Verstand.
Ach, wenn er in den Zweigen dort auf dem Hügel gurrte,
Dann galt die traute Stimme mir mehr als die Schalmei.
Allein der Vogler stellte ein Netz, und der Gefangne
Hub an und klagte laut: O, ließ er mich doch frei!
Ich hoffte wohl, er sei ein Mann der milden Sinnes
Beim Anblick meiner Liebe mit mir Erbarmen kennt.
Doch möge Gott den Mann erschlagen, da er grausam
Von dem geliebten Wesen auf ewig mich getrennt!
Nun wird in mir die Sehnsucht nach ihm noch immer größer.
Mich hat der Trennungsschmerz mit Feuersglut durchwühlt.
O Gott, behüte jeden, der fest in seiner Treue
Mit seiner Liebe ringt und meinen Kummer fühlt!
Und sieht er mich gefangen hier in dem Käfig mein,
So mög er für den Freund aus Mitleid mich befrein!
„Ich bin die Tochter Ibrahims, des Wesirs von König Schâmich.“
Schâmich weint beim Lesen des Briefs und lässt nach Uns el-Wurdschûd suchen, von dem man nun feststellt, dass er seit einem Jahr verschwunden ist.
Von Thelonious lernen…
1. Just because you’re not a drummer doesn’t mean that you don’t have to keep time.
2. Pat your foot and sing the melody in your head when you play.
3. Stop playing all that bullshit / those weird notes. Play the melody!
4. Make the drummer sound good.
5. Discrimination is important.
6. You’ve got to dig it to dig it, you dig?
7. All reet!
8. Always know… (Monk)
9. It must be always night, otherwise they wouldn’t need lights.
10. Let’s lift the bandstand!!!
11. Avoid the hecklers.
12. Don’t play the piano part. I’m playing that. Don’t listen to me. I’m supposed to be accompanying you.
13. The inside of the tune (the bridge) is the part that makes the outside sound good.
14. Don’t play everything (or every time). Let some things go by. (Always leave them wanting more.) Some music just imagined. What you don’t play can be more important than what you do.)
15. A note can be small as a pin or as big as the world. It depends on your imagination.
16. Stay in shape! Sometimes a musician waits for a gig, and when it comes he’s out of shape and can’t make it.
17. When you’re swinging, swing some more!
18. What should we wear tonight? SHARP AS POSSIBLE!
19. Don’t sound anybody for a gig. Just be on the scene.
20. You’ve got it! If you don’t want to play, tell a joke or dance, but in any case, you got it! (To a drummer who didn’t want to solo.)
21. Whatever you think can’t be done, somebody will come along and do it. A genius is the one most like himself.
22. They tried to get me to hate white people, but someone would always come along and spoil it.
370.-375. Nacht
Der Wohnungsumbau geht in die zweite Phase, im Volksmund auch Nestbau genannt. Und wieder einmal zeigt sich, dass all die Rumschieberei von millimetergenau ausgeschnittenen Schnipseln im Wohnungsmodell überhaupt nichts bringt, weil einem erst wenn sie nebeneinanderstehen klar wird, dass das Billy-Birke-Regal und die alte Nussbaum-Büchervitrine nicht zueinander passen. Die Couch vor dem Esstisch ebenfalls nicht. Und die Gattin darf nicht mit anpacken, da der Fötus sonst gestört werden könnte. Dabei ist das Leben ist kein Ponyhof, das sollte er jetzt schon lernen. Gibt’s diese bescheuerte Redensart auch für Jungen? Was der Ponyhof für die Mädchen, ist World of Warcraft für die Buben. Das reimt sich nicht einmal. Das Leben ist kein World of Warcraft? Das Leben ist keine Welt des Kriegshandwerks? Dabei ist doch genau das gemeint: Das Leben ist kein Ponyhof, sondern eine Welt des Kriegshandwerks. Oder wie James Brown einst sang: "This is a mahahan’s world!" Die Wohnung sieht aus wie nach einem Einbruch der Hell’s Angels. Und während ich die Bücher doch wieder alphabetisch einsortiere statt nach den Prinzipien Farbe oder Reihenfolge des Lesens frage ich mich, ob ich jemals die Bobrowski-Erzählung "Litauische Claviere", den Feuchtwanger-Roman "Die Jüdin von Toledo" anfangen oder das völlig zerschrotete Exemplar von Plenzdorfs "Die Legende von Paul und Paula" zu Ende lesen werde, das ich an der Stelle unterbrochen habe, wo der Film endet, also zur Hälfte. Die Bank, die ich mir schön zum Schreiben an den Tisch gestellt habe, ist inzwischen völlig verbaut. Trotzdem gelingt es mir, mich über die Stapel aus Büchern, Klamotten, Holzleim, Tüten, Haufen mit Ich-weiß-nicht-was, einem sensiblen Kaktus und Erdnussflips zu kämpfen, wobei ich hier und da etwas abbreche, Flüssigkeiten verschütte, die Verstrebungen der Bank zerbreche und am Ende meinen Kugelschreiber vergesse. Ich fühle mich wie Elvis kurz bevor er seinen Fernseher erschoss. In einer Verfilmung wird fiktionalisiert, der König des Rock hätte damals draufgehalten, weil man schlecht über ihn berichtet habe. Ich glaube aber, er habe seine eigene Fernsehsucht erschießen wollen, und mit ihr gleich seine Fresssucht, seine Medikamentensucht, seine Unfähigkeit, dem Leben noch Sinn abzutrotzen. Tick-tick-tick! Der 28. Februar neigt sich seinem Ende zu. Heute Nacht wird die Uhr 24 zurückgestellt. Warum brauchen wir einen 29. Februar, wenn wir den 28. zwei Mal erleben könnten. Bei der Sommerzeit-Umstellung ist das doch auch kein Problem. Die Am-29.-Februar-Geburtstag-Habenden taten mir sowieso immer leid. Sie taten mir auf jeden Fall leider als die 24.-Dezember-Kinder oder die 1.-Januar-Kinder. Erster Januar?, fragt sich vielleicht jetzt die Leserin? Ja, am 1. Januar ist der Feier-Drops gelutscht. Auf den Straßen riecht‘s nach Schießpulver, und Schneematsch, Hundemist und abgebrannte Silvesterraketen zeugen von der Traurigkeit dessen, was nach einer Feier verbleibt. Am 1. Januar wird die Brause-Aspirin getrunken, auf Sekt hat nun keiner mehr Appetit, mit Ausnahme der Sekt-Alkoholikerinnen, die an Neujahrskindergeburtstagen die einzigen Gäste sind. Hinter Sekt lässt sich der Alkoholismus am elegantesten verbergen. Sekt signalisiert: Ich trinke ja nur ein Gläschen, wenn’s was zu feiern gibt. Aber zu feiern gibt’s immer was, wie der Russe weiß: Jeshednewno prasdnik! Der Russe, der den Sekt übrigens Schampanskoje nennt und auch in Zeiten, in denen Fernreisen nichts besonderes mehr sind, Freunde und Verwandte mit Sekt zum Bahnhof bringt oder von dort abholt. Wenn wir alle vier Jahre zwei Mal den 28. Februar zählten, würde sich die Zahl der Depressionen bei den am 29. Februar geborenen reduzieren, da es eben bald keine am 29. Februar geborenen mehr gäbe. Dafür mehr Freude bei den 28.-Februar-Kindern, die ihren Geburtstag zwei Mal feiern dürften: Doppelt so viele Geschenke, doppelt so viele Kuchen und Luftballons, doppelt so viele "Hoch sollse leben!", ein Lied, das leider vom unsäglichen Häppi-Börsdeh überrannt wurde. Ich kenne niemanden, der am 29.2. Geburtstag hat. Nicht einmal einer meiner Facebook-Friends. Ich habe zurzeit 666 Freunde. Ein 29.2. kommt alle 1460 Tage. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer meiner Freunde am 29.2. Geburtstag hat? Mir fällt die Berechnung gerade nicht ein, außer dass es nicht 666 dividiert durch 1460 sein kann. Hilft es meinem Karma, diese Zahl schnell zu ändern? Den 666. Friend zu entfernen oder wahllos jemand anderen hinzufügen. Irgendjemand von den "Ich-hab-dich-bei-der-Lesung-gesehen-du-kennst-mich-nicht-aber-egal"-Anfragen? Oder soll ich der Nummer 666 Hörner anmalen und sie künftig meiden? Stattdessen werden die riesigen Pappeln in unserem Hof abgeholzt, damit dort ein Kindergefängnis für die Eigentumswohnungsbesitzer-Kinder gebaut werden kann. Ich fordere eine Frauenquote für den Holzfällerberuf. Die Linken haben aus Gründen der Frauenquote und des Antifaschismus Beate Klarsfeld fürs Bundespräsidenten-Amt nominiert, weil sie Kiesinger geohrfeigt und Nazis "gejagt" hat. Sie lebt seit 1960 in Paris. Vielleicht keine schlechte Idee – man müsste eben die Gesetzestexte nicht mehr ins Bellevue, sondern in die Rue la Boétie chauffieren. Im Gegensatz zum Stadtschreiber von Charlottenburg könnte sie sich ja aussuchen, wo sie wohnen wollte. Die Politik würde sich vielleicht etwas beruhigen. Aber dann – warum nicht gleich einen Politiker, der in Sambia lebt, oder in der Antarktis. Am besten aber – auf dem Mond.
**
370. Nacht
Dass sich die Prinzessin schon einigermaßen erholt zeigt, freut den griechischen König sehr. Und so willigt er ein, sie zum Ebenholzpferd zu führen, damit der prinz
dort den Teufel austreibe.
Vom Prinzen erfahren wir übrigens in einem Nebensatz, dass er
noch immer als Arzt gekleidet war.
Wir haben nie vorher gehört, woher er diese Kleidung erhalten habe, noch dass er mit dieser gewandert sei.
Die beiden heben ab,
und die Krieger starrten ihnen nach, bis er ihren Blicken entschwand. Der König wartete einen halben Tag lang. (…) Schließlich gab er die Hoffnung auf.
Es wäre freilich noch interessant zu wissen, welcher "König" das gewesen sein mochte. Da der Prinz an einer Stelle meint, Sassanidenprinz zu sein, wäre es durchaus möglich, dass wir es mit dem byzantinischen Reich zu tun haben. "Griechenland" also für "Christen" steht.
Der Prinz kümmert sich offenbar auch nicht darum, dass der "Weise" noch lebt, den der griechische König auf den Perser hetzen könnte.
In seiner Heimatstadt angekommen bereitet er
große Festmahle für das Volk der Stadt.
*
371. Nacht
Sein Vater aber zerbrach das Ebenholzpferd.
Seinem Schwiegervater im Jemen sendet der Prinz jährlich Geschenke und besteigt, als sein Vater stirbt, den Thron.
***
Die Geschichte von Uns el-Wudschûd und El-Ward Fil-Akmâm
Die Namen der 1001 Nächte tragen nur wenig zu unserer Namensfindung bei. Unsere Freunde und Verwandten würden wohl aufstöhnen, wenn wir unseren Sohn "Uns" nennen würden. Klingt ein wenig nach " Uns Uwe".
Die Tochter des Wesirs Ibrahim nennt sich El-Ward Fil-Akmâm. Sie ist schön;
doch liebte sie die Gelage und den Wein.
Beim jährlichen Schlagball-Spiel erscheint auch ein Jüngling namens Uns el-Wudschûd, und die beiden verlieben sich mit Blicken.
Die Wesirstochter improvisiert ein Gedicht, das sie auch zu Papier bringt und in dem es heißt:
Ja, du bist einzigartig unter allen Menschen;
"Du bist der Schönheit Herr", ist aller Zeugen Ruf.
Und deine Braue gleicht einem Nûn, dem schön geschriebenen;
Dem Sâd dein Augenstern, den der Allgüt’ge schuf.
Nûn:ن
Sâd: ص
Das Blatt hüllt sie
in ein Stück goldgestickter Seide und legte es unter ein Kissen.
Eine Kammerfrau entdeckt es und bietet ihr an, Liebesbotin zu spielen.
*
372. Nacht
Leider verliert die Kammerfrau eines Nachts einen der Briefe. Dieser wird von einem Eunuchen gefunden, der ihn dem Wesir übergibt, welcher
so bitterlich weinte, dass sein Bart von den Tränen benetzt ward.
Seine Gemahlin indes
hielt ihre Tränen zurück.
Doch der Wesir offenbart ihr, dass auch der Sultan Zuneigung zu Uns el-Wudschûd hege und er deshalb um sich selbst und um den Sultan fürchte.
Wird hier auf die Homosexualität des Sultans angespielt?
*
373. Nacht
Die Gemahlin antwortet dem Wesir:
"Warte, bis ich das Gebet um die rechte Leitung verrichtet habe!"
Nach zwei Rak’as schlägt sie ihm vor, der Tochter ein Schloss auf dem Berg Dschebel eth-Thakla im Meere von el-Kunûz zu bauen und sie dorthin zu verbannen.
Und fertig ist der Ausgangspunkt für eine Story der getrennten Geliebten. Das wird noch viele Ohnmachtsanfälle, Krankheiten und ausgeweinte Augen geben.
Mitten in der Nacht ruft der Vater zum Aufbruch, und schreibt Uns el-Wudschûd als Botschaft einen letzten Vers an die Tür. Die Karawane verschifft El-Ward Fil-Akmâm, und das Schiff wird auf Geheiß des Sultans nach Rückkehr der Leute verbrannt.
Uns el-Wudschûd jedoch findet die an ihn gerichtete Botschaft, wird wie von Sinnen, verkleidet sich und wandert aufs Geratewohl los. Als er endlich ruht, um zu trinken, nähert sich ihm ein Löwe.
Er wandte sich in die Richtung der heiligen Stadt und bereitete sich auf den Tod vor. Nun hatte er aber in den Büchern gelesen, dass der Löwe sich durch den, der ihm schmeichelt, betrügen lässt, da er durch freundliche Worte getäuscht und durch Lobsprüche besänftigt werden kann. (…) "O Löwe des Dickichts, du Leu der weiten Flur, du stolzer Held, du Meister, du Ritter, du Sultan der Tiere des Feldes, siehe, ich bin ein Liebender, verzehrt von der Sehnsucht Macht, von Liebe und Trennungsleid dem Tode nahe gebracht. (…)" Als der Löwe diese Worte vernahm, wich er von ihm zurück, setzte sich nieder auf seine Hinterbeine, hob seinen Kopf zu ihm empor und begann mit dem Schwanz zu wedeln und mit den Pfoten zu winken.
Uns el-Wudschûd improvisiert noch schnell ein Gedicht.
Als er diese Verse zu Ende gesprochen hatte, erhob sich der Löwe und kam auf ihn zu.
*
374. Nacht
Der Löwe führt Uns el-Wudschûd in die Steppe, wo er die Fußspuren der Entführer von El-Ward Fil-Akmâm findet. Er folgt ihnen bis ans Meer.
An jener Stätte gab er alle Hoffnung auf.
Er sieht keinen Menschen, und da er sich vor Tieren fürchtet,
stieg er auf einen hohen Berg,
wo er auf einen Einsiedler trifft, dem er sein Leid klagt. Dieser erwidert, er habe zwanzig Jahre lang keinen Menschen mehr gesehen, aber gestern eine Menge Leute,
die auf dem Rücken des Meeres gefahren sind.
Er rezitiert ein Gedicht, das mit folgenden Versen endet:
Drum hoffe in der Liebe auf Glück nicht ohne Qualen,
Da bei dem Glücke gleich das Unglück immer liegt.
Die Liebe hat bestimmt für ihrer Jünger Scharen:
Als Ketzerei verboten ist’s, sie nicht zu wahren.
*
375. Nacht
Nach den Versen umarmt der Einsiedler Uns el-Wudschûd, und beide weinen,
dass die Berge von ihren Klagen verhallten, und sie weinten so lange, bis sie beide in Ohnmacht sanken.
Sagte ich’s nicht?
Inzwischen ringt auch El-Ward Fil-Akmâm mit ihrer Einsamkeit. Sie lässt Vögel der Insel mit Schlingen fangen und sie in Käfige sperren, die sie an ihre Fenster hängt. Tag und Nacht rezitiert sie Gedichte.
Der Eremit indes rät unserem Helden, sich aus Fasern von Palmstämmen ein Netz zu flechten, in das er getrocknete Kürbisse legen soll. Auf dieses Floß soll er sich setzen.
"Fahre auf ihm mitten ins Meer hinaus, vielleicht wirst du dein Ziel erreichen; denn wer nicht wagt, kommt nicht ans Ziel."
Dies tut er,
und er lernte die Wunder und die Schrecken des Meeres kennen,
bis er schließlich starb und die Geschichte aus war. durstig und hungrig auf der Insel Dschebel eth-Thakla landet, wo er Wasser und Früchte findet. Schließlich gelangt er ans Schlosstor, wo er auf einen Eunuchen trifft, der ihn nach seiner Herkunft fragt. Sie stellen fest, dass beide aus
Ispahan
kommen.
Ispahan? In früheren Erzählungen war von Isfahan nicht in der französischen Schreibweise die Rede.
357. – 369. Nacht
Wird es eine solche Rolle spielen, ob Gauck Präsident wird oder nicht? An eine ähnliche Debatte erinnere ich mich nur zu Zeiten der Wahl von Roman Herzog, den man für einen erzkonservativen Hund hielt. Heute erinnert man sich noch an die Ruck-Rede, aber als konservativen Fuchs hat man ihn eher in seiner Zeit als Baden-Württembergischen Innenminister wahrgenommen. Was kann er schon tun? Dem Grundgesetz nach nicht viel. Seine Aufgaben und Befugnisse gleichen eher denen eines Notars. Aber natürlich befürchtet man reaktionäre Reden, die in pastoralem Geseiere ihre Wirkung entfalten. Herzog war als Konservativer viel zu liberal und reflektiert, als dass er in dieses Fettnäppfchen treten würde. Der Stern bezeichnet Gaucks "Eigensinnigkeit" als Vorteil für den Job. Seit wann wäre jemand für ein öffentliches Amt gerade durch ein Überwiegen des Eigensinns gegen den Gemeinsinn geeignet. "Eigensinnig und unbequem" – das war der österreichische Schnurrbartträger auch.
**
357. Nacht
Als sie von der Plage und ihrer Lust befreit ist, bleibt die Prinzessin bei dem jungen Mann
bis Der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt und der die Freundesbande zerreißt. Preis sei Ihm, dem Lebendigen, der nimmer vergeht, und bei dem die Herrschaft auf Erden und im Himmel steht.
***
Die Geschichte vom Ebenholzpferd
Ein König
Die Breslauer Ausgabe redet von Schapûr – also wird’s in Persien spielen.
hat drei Töchter und einen Sohn. Eines Tages kommen drei Weise zu Besuch, die drei Geschenke mitbringen: Einen goldenen Pfau, der zu jeder vollen Stunde mit den Flügeln schlägt und ruft.
Kuckucksuhren sind seit dem frühen 17. Jahrhundert bekannt
Ein Messinghorn, das die Feinde erkennt, und ein Ebenholzpferd, das es einen an jeden Ort durch die Luft trägt wohin man nur will. Den ersten beiden Weisen gewährt der König einen Wunsch und sie erbitten sich eine Prinzessin. Das Pferd hingegen soll vorher noch getestet werden – und zwar vom Prinzen. Dieser steigt auf und hat schon Angst um sein Leben.
358. Nacht
Doch dann erlernt er das Fliegen beim Fliegen. Er segelt irgendwann wieder zur Erde herab und landet in einer schön gebauten Stadt. Er fliegt auf eine Dachterrasse und schwört
"Wenn Allah, der Erhabene meinem Leben noch eine Spanne Zeit gewährt und mich wohlbehalten in mein Land und zu den Meinen zurückkehren lässt und mich mit meinem Vater vereint, so will ich diesem Weisen jede Wohltat gewähren…"
Im ganzen Schloss kann er jedoch keinen Mucks vernehmen.
359. Nacht
Doch gerade da gewahrt er
eine Mädchenschar, und unter ihnen eine Maid an Schönheit reich, mit einem Wuchse dem Alif gleich.
ا
Der Prinz überwältigt den Eunuchen. Und die Prinzessin, da sie glaubt, er sei der Sohn des indischen Königs, ist erstaunt; denn dieser soll dem Vernehmen nach hässlich sein. Schreiend und sich die Kleider zerreißend rennt der Eunuch zum König, um diesem von dem Zwischenfall zu berichten. Als dieser hinzutritt, bezeugen die Sklavinnen, dass sich unser Prinz nur sittlich betragen habe.
Nun konnte der König sich nicht mehr vor Eifersucht halten, aus Eifersucht um die Ehre seiner Tochter; er hob den Vorhang empor, trat mit dem gezückten Schwerte in der Hand ein und stürzte sich auf die beiden wie ein Wüstendämon.
Inzwischen beherrscht Schehrezâd die Cliffhanger aus dem Effeff.
*
360. Nacht
König und Prinz streiten um das Gastrecht und um die Ehre:
"Wahrlich, ich wundere mich über die Kürze deines Verstandes! Sag, kannst du dir für deine Tochter einen besseren Gemahl wünschen als mich?"
Erinnert an "The Godfather". Als Michael Corleone in Sizilien um Appolonias Hand anhält, tut er das so: "There are people who’d pay a lot of money for that information… But then your daughter would lose a father …instead of gaining a husband."
Doch er fordert den König noch mehr heraus, indem er meint, am nächsten Morgen allein gegen das gesamte Heer antreten zu wollen.
*
361. Nacht
Das Heer tritt an. König und Prinz ziehen aus,
bis sie zum Blachgefilde kamen.
Das Wort Blachgefilde taucht bei Goethe und in der Ilias-Übersetzung bei Homer auf. Die Bedeutung ist mir trotzdem unklar. Blache wird auch i.S.v. Zeltleinwand benutzt. Ergibt das einen Sinn?
Als der König ihm seine Rosse anbietet, entscheidet sich der Prinz aber natürlich für das
"auf der Dachterrasse",
und der König muss glauben, nun sei der Jüngling wirklich übergeschnappt, ein Glaube, der, als er das Pferd sieht, noch verstärkt wird.
*
362. Nacht
Der Prinz steigt auf in die Lüfte und verschwindet, woraufhin die Prinzessin in schlimme Trauer verfällt:
"Bei Allah, ich will keine Speise anrühren, keinen Trank trinken, bis Gott mich wieder mit ihm vereinigt hat."
*
363. Nacht
Der Prinz segelt zurück zu seinem betrübten Vater, der den dritten Weisen inzwischen in den Kerker hatte werfen lassen. Man holt ihn wieder heraus, gibt ihm
ein Ehrengewand der Genugtuung und erwies ihm höchste Huld; doch er gab ihm seine Tochter nicht zur Gemahlin. Darüber ergrimmte der Weise gewaltig.
Eine seltsame Anwandlung für einen Weisen.
Der Prinz fliegt nach kurzer Zeit wieder zurück in die Stadt, von der er erfahren hat, dass es San’â ( Sanaa) ist. Wieder ist sein Vater betrübt und schwört bei sich, das Pferd zu vernichten, sobald der Prinz heimkehrt.
*
364. Nacht
Der Prinz entführt heimlich die Tochter aus Sanaa und gibt nichts auf das Wehklagen ihrer Eltern. Immerhin ist die Prinzessin damit einverstanden. Er führt sie
in einen Kiosk, der für seinen Vater hergerichtet war. Dort ließ er das Ebenholzpferd an der Tür stehen,
um das Schloss für den Empfang herrichten zu lassen.
*
365. Nacht
Nach meiner Planung zu Beginn dieses Unternehmens, die Erzählungen der 1001 Nächte, endlich zu lesen, hätte ich bei dieser Nacht am 31.12.2008 angekommen sein müssen.
Man lässt alles herrichten, doch als der Prinz zum Kiosk zurückkommt, ist die Prinzessin verschwunden. Die Wächter meinen:
"Wir haben niemanden diesen Garten betreten sehen außer dem persischen Weisen, der hineinging, um Heilkräuter zu sammeln."
*
366. Nacht
Der Weise war einfach dem Wohlgeruch gefolgt, und als er das Pferd sieht,
untersuchte er alle seine Teile.
Ich kann mir nicht helfen, diese Geschichte klingt irgendwie nach Renaissance-Konstruktion. Andererseits waren die Moslems wohl lange Zeit Vorreiter auf dem Gebiet der Mechanik.
Er nähert sich der Prinzessin mit der Angabe, ein Herold des Prinzen zu sein, sie aber ist zunächst von deinem hässlichen Gesicht überrascht.
"Gerade um meines hässlichen Aussehens und meiner abschreckenden Gestalt willen hat der Prinz mich für die Botschaft ausersehen, da ihn die Liebe zu dir mit Eifersucht erfüllt hat."
*
367. Nacht
Der "Weise" entführt sie bis ins Land der Griechen;
dort ließ er sich auf eine grüne Wiese nieder, wo Bäche flossen und Bäume sprossen.
Zu seinem Pech ist der König des Landes gerade bei einem Jagdausflug.
Auch ein beliebtes erzählerisches Motiv, um dem Zufall auf die Sprünge zu helfen, wenn es darum geht, in die Nähe des Herrschers zu gelangen. Es findet sich auch in Noah Gordons Phantasie-Mittelalter-Orient-Roman Der Medicus.
Die Prinzessin berichtet dem griechischen König von ihrer Entführung. Dieser lässt den Weisen ins Gefängnis werfen.
Die Jungfrau aber und das Pferd nahm der König ihm fort, obwohl er nicht wusste, was es mit dem Pferde auf sich hatte. (…) Wenden wir uns nun von dem Weisen und der Jungfrau wieder dem Prinzen zu.
Typische Wendung, die für uns umständlich wirkt. Die moderne Erzählweise ist dann doch eher zeitlich linear. Perspektivsprünge finden, wenn sie denn vorkommen, selten zeitlich parallel statt.
Der Prinz also begibt sich auf die Suche nach ihr, selbst nach Sanaa, ohne etwas von ihr zu erfahren.
*
368. Nacht
Der Prinz gelangt schließlich auch nach Griechenland. Und am Stadttor nimmt man ihn fest, und er erfährt über das Vorgefallene,
das uns in indirekter Rede in aller Ausführlichkeit noch einmal berichtet wird.
*
369. Nacht
Gegenüber dem König behauptet der Prinz, Arzt zu sein. Der König ist darüber erfreut, da die Prinzessin seit ihrer Ankunft im Wahn liegt. Freilich nur im vorgetäuschten, um nicht dem König als Sklavin dienen zu müssen. Der Prinz meint, er müsse als erstes das Pferd untersuchen, da es mit der Krankheit der Prinzessin im Zusammenhang stehe. Er untersucht es natürlich nur, um zu sehen, ob es noch heil ist. Man führt ihn zur Prinzessin und flüstert weiht er sie in seinen Plan ein.
346. – 356. Nacht
Nestbau nennt man das jetzt wohl. Seit meinem zwanzigsten Lebensjahr immer aus Kompromissen zwischen Geldbeutel, Ererbtem und Ansätzen eigenen Geschmacks lebend. Die Wohnung ist ja groß genug, aber das Verrücken der tatsächlichen Möbel ist doch etwas anderes als das Hin und Herschieben von Schnipseln auf Millimeterpapier. Umso schlimmer, wenn man sich andauernd sorgen muss, dass etwas kaputtgeht, wovon man bei den schwedischen Möbeln ja ohnehin schon ausgeht, aber dass der in der Annahme, Altes sei stabiler, gekaufte Antikschrank das labilste aller Gegenstände ist, kann einen schon zum Weinen bringen. Im Moment besteht der einzige Grund, dass ich ihn nicht weiterverkaufe, darin, dass Uli für mich bis tief ins Brandenburgische mit mir und einer Robbe gefahren ist. Nachts.
Wie machen das eigentlich die Vögel bei ihren Nestern? Das hat denen doch auch keiner gezeigt.
**
Ähnlich wie der Hauptmann von Bulak stellt sich nun auch bei Hauptmann von Kûs heraus, dass er mit Zinn, Kupfer und Glaswaren betrogen wurde.
Mit dieser Pointe erscheint die Erzählung eigentlich nur als Variation der anderen.
***
Die Geschichte von Ibrahim ibn el-Mahdi und dem Kaufmanne
Der Kalif el-Mamûn bittet seinen OnkelIbrahim ibn el-Mahdi:
"Erzähle uns das Wunderbarste, das du je erlebt hast."
Es folgt die Geschichte. Ibrahim geht eines Tages spazieren und gelangt an einen Ort, wo es nach Speisen riecht,.
Wie ich nun zufällig den Blick hob, entdeckte ich ein Gitterfenster und hinter ihm eine Hand und ein Handgelenk, wie ich es noch nie gesehen hatte.
Einen zufällig vorbeikommenden Schneider fragt er nach dem Eigentümer des Hauses.
Er heißt Soundso, Sohn des Soundso, und er verkehrt nur mit Kaufherren.
Und als auch noch zwei hohe Gäste im Begriffe, sind heranzureiten, fragt er den Schneider auch nach deren Namen. Mit diesen Informationen behauptet er gegenüber den beiden Kaufleuten, den Hauseigentümer zu kennen. Zu dritt gehen sie ins Haus, und der Hausherr glaubt wiederum, Ibrahim sei ein Freund der beiden Kaufleute. Die vier beginnen ein Wetttrinken. Schließlich tritt eine schöne Sklavin ein.
Und sie griff zur Laute, begann zu singen und ließ dies Lied erklingen:
Ist’s denn nicht wunderbar, dass ein Haus uns umschließet,
Und dass du mir nicht nahst, dein Mund kein Wörtlein sagt?
Die Augen melden nur der Seelen heimlich Sehnen;
Sie künden, wie die heiße Glut an Herzen nagt.
Und blicke geben Zeichen, Augenbrauen nicken,
Und Lider brechen, während Hände Grüße schicken.
Dies kann unser Gast natürlich nur als Zeichen verstehen. Er provoziert sie:
"Dir fehlt noch etwas, Mädchen!"
Sie wirft die Laute fort, und er singt, als eine neue Laute gebracht wird, ein Lied, das ihr sein Erkennen signalisiert. Dem Hausherrn wird nun klar, dass er es mit einem höheren Herrn zu tun hat und fragt nach seinem Namen.
Wegen der Fähigkeit zum Saitenspiel?
Sowie er meinen Namen erfuhr, sprang er auf.
*
347. Nacht
Die Sängerin ist aber noch nicht die Sklavin "mit dem Handgelenk". Man lässt alle Sklavinnen kommen, aber die, welche Ibrahim sucht, ist nicht darunter. Jetzt wird’s heikel; denn die einzigen verbliebenen Frauen sind Schwester und Weib des Kaufmanns. Die Schwester ist’s.
Zum Glück, muss man wohl sagen…
Die Hochzeit wird mit zwanzigtausend Goldstücken Morgengabe und den Kaufleuten als Trauzeugen geschlossen.
Und bei deinem Leben, o Beherrscher der Gläubigen, er sandte sie mir mit einer so großen Ausstattung, dass unser Haus trotz seiner Größe sie kaum fassen konnte.
***
Die Geschichte von der Frau, die dem Armen den Almosen gab
Ein König verbietet in seinem Reich das Almosengeben bei der Strafandrohung des Handabschlagens.
Er kann wohl kaum muslimisch sein, da hier das Almosengeben eine derfünf Säulen des gottgefälligen Lebens ist.
An das Haus einer Frau kommt ein Bettler und bittet um Almosen.
*
348. Nacht
Wie es so kommt: Sie gibt ihm zwei Brote, der König erfährt davon und lässt ihr die Hände abschlagen.
Als sich der König nach einer Weile vermählen will, berichtet ihm seine Mutter:
"Unter meinen Sklavinnen ist ein Weib wie kein schöneres gefunden werden kann; doch sie hat einen großen Fehler." – "Als er fragte: "Was ist denn das?", erwiderte sie: "Ihr sind die Hände abgeschlagen."
Tatsächlich heiratet er sie, doch die anderen Frauen des Königs werden neidisch auf sie und verleumden sie als Ehebrecherin, woraufhin er das arme Weib von seiner Mutter in die Wüste schicken lässt. Sie wandert
mit dem Knäblein auf der Schulter.
Von dem zuvor keine Rede ist.
Als sie sich beim Trinken am Bach überbeugt, fällt das Kind hinein.
Da kamen plötzlich zwei Männer vorbei, die angesichts ihres Kummers für sie beten. Und ruckizucki hat sie sowohl Hände als auch Knäblein wieder.
"Wir sind deine beiden Brote, die du dem Bettler geschenkt hast. Das Almosen war ja der Grund, dass deine Hände abgeschlagen wurden. Doch nun lobe Allah den Erhabenen, der dir deine Hände und dein Kind zurückgegeben hat!"
In ihrer Botschaft: Vertraue auf Gott! erinnert die Geschichte an eine Mischung aus Allerleirauh und Hiob.
***
Die Geschichte von dem frommen Israeliten
Unter den Kindern Israels lebte einmal ein frommer Mann.
Ein bemerkenswerter Anfang. Bislang war in den 1001 Nächten nur wenig Gutes über Juden zu lesen.
Dieser Mann ist Baumwollspinner und seine Erlöse aus dem Verkauf des Garn genügen irgendwann nicht mehr.
Nun besaßen sie noch einen geborstenen Holznapf und einen Krug.
Diese hofft er, verkaufen zu können.
Während er so im Basar dastand, kam zufällig ein Mann an ihm vorbei, der einen Fisch trug.
*
349. Nacht
Der Fisch stinkt und ist aufgedunsen, aber sie gehen trotzdem den Handel ein. Angewidert macht sich die Familie daran, den Fisch aufzuschneiden. Darin aber finden sie eine Perle.
Das meldeten sie dem Ältesten, und der sprach: "Schaut nach! Wenn sie durchbohrt ist, so gehört sie einem anderen Menschen; ist sie aber noch undurchbohrt, so ist sie eine Gnadengabe, die euch Gott der Erhabene schenkt."
Tatsächlich ist sie undurchbohrt. Der Baumwollspinner erhält dafür siebzigtausend Dirhems und gibt einem Bettler die Hälfte davon. Dieser erwidert:
"Behalte dein Geld, nimm es wieder. Gott gesegne es dir. Wisse, ich bin ein Bote Gottes, er hat mich zu dir gesandt, um dich zu prüfen!" Nun rief der Israelit: "Gott sei Lob und Preis!" Und er lebte immerdar mit den Seinen in aller Lebensfreude, bis er starb.
Anscheinend kommen wir nun von der Hauptmann-Schelmen-Reihe zu den Almosen-Anekdoten.
***
Die Geschichte von Abu Hassan ez-Zijâdi und dem Manne aus Chorasân
Abu Hassan ez-Zijâdi berichtet.
Ob dieser Abu Hassan ez-Zijâdi eine historisch reale Person ist, erfahren wir nicht.
Als er in Not gerät und Bäcker und Krämer bereits bei ihm seine Schulden eintreiben wollen, kehrt ein Pilger aus Chorasân bei ihm ein, der zehntausend Dirhems bei ihm lagern will. Kehre er nicht mit der Karawane zurück, so möge er das Geld behalten.
Ich aber ließ die Geschäftsleute kommen und bezahlte alle meine Schulden.
Die Geschichte wird ihr von Schehrezâd unterbrochen, und nach meinen bisherigen Erfahrungen ist alles möglich: Die Veruntreuung wird bestraft oder verziehen oder gar noch durch das Schicksal belohnt.
*
350. Nacht
Tatsächlich gibt Abu Hassan ez-Zijâdi das Geld aus:
"Bis er zurückkehrt, wird Allah uns schon etwas von seiner Gnade zuteil werden lassen." Aber kaum war ein Tag verronnen, da kam der Diener wieder zu mir herein und meldete: "Dein Freund aus Chorasân steht an der Tür."
Eine kurze Pilgerfahrt war das wohl.
Grund: Der Vater ist gestorben. Er vertröstet den Pilger, er müsse das Geld erst holen, verschwindet aber nachts auf seinem Maultier und reitet ziellos durch Bagdad. Eine Menge fragt ihn, ob er Abu Hassan ez-Zijâdi kenne.
"Der bin ich", antwortete ich ihnen.
Man bringt ihn zum Kalifen el-Mamûn, und jetzt erfahren wir, dass er
einer von den Rechtsgelehrten und von den Kennern der Überlieferungen
ist. El-Mamûn gesteht, in der Nacht von einer Traumstimme geplagt worden zu sein, die ihm sagte:
"Hilf Abu Hassan ez-Zijâdi!"
Der Kalif schenkt ihm dreißigtausend Dirhems. Abu Hassan ez-Zijâdi will nun die zehntausend an den Chorasânier zurückgeben, doch dieser erlässt ihm die Summe, als er die Geschichte vernommen hat.
*
351. Nacht
Am nächsten Tag erhält er
Die Urkunde der Bestallung als Kadi für den Westbezirk der heiligen Stadt Medina vom Tor des Friedens.
***
Die Geschichte vom Armen und seinen Freunden in der Not
Ein Mann gerät in Bedrängnis, leiht sich von seinen Freunden fünfhundert Dinare und beginnt Handel als Juwelier.
Wie er dort in dem Laden saß, kamen drei Männer zu ihm und fragten ihn nach seinem Vater. (…) "Hat er denn keine Nachkommen hinterlassen?"
Klingt fast wie die drei Weisen aus dem Morgenlande.
Sie sagen, sie hätten den Vater gekannt und von ihm Geld geliehen, dass sie ihm nun zurückgeben wollten. Er will seine Schuld, doch der Freund erlässt ihm die Schuld und gibt ihm einen Brief mit auf den Weg, den er aber erst zuhause öffnen soll.
Die Männer, die dir nahten, die waren von den Meinen:
Mein Vater, Vetter, Oheim, er Salih Alis Sohn.
Und was du bar verkauftest, das kaufte meine Mutter;
Das Geld und die Juwelen sandt ich dir all zum Lohn.
Nicht um dich zu verletzen, bin ich so verfahren:
Ich wollte die Gefahr der Schande dir ersparen.
***
Die Geschichte von dem reichen Manne, der verarmte und dann wieder reich wurde
Ein reicher Mann aus Bagdad verliert sein Geld,
und er konnte sein Dasein nur durch schwere Arbeit fristen.
In der aktuellen Ausgabe des Philosophie Magazin wird ausgiebig diskutiert "Macht Arbeit glücklich"? Darin finde ich eine Stelle von Aristoteles, in der es heißt: "Als eine banausische Arbeit… hat man jene aufzufassen, die den Körper oder die Seele oder den Intellekt der Freigeborenen zum Umgang mit der Tugend und deren Ausübung untauglich macht. Darum nennen wir alle Handwerke banausisch, die den Körper in eine schlechte Verfassung bringen, und ebenso die Lohnarbeit. Denn sie machen das Denken unruhig und niedrig." Dies ist ein Gedanke, den der 2007 verstorbeneMichael Stein in seinem Gebet gegen die Arbeit so formuliert hat:
Arbeit, Geissel der Menschheit.
Verflucht seist du bis ans Ende aller Tage.
Du, die du uns Elend bringst und Not.
Uns zu Krüppeln machst und zu Idioten.
Und schlechte Laune schaffst und unnütz Zwietracht säst.
Uns den Tag raubst und die Nacht.
Verflucht seist du!
Verflucht!
In Ewigkeit.
Amen.
**
Im Traum weist ihm eine Stimme, sein Glück läge in Kairo. Er reist tatsächlich dorthin und legt sich in der Nähe einer Moschee schlafen. Im Haus nebenan wird eingebrochen, man verhaftet ihn als vermeintlichen Dieb, prügelt ihn und wirft ihn ins Gefängnis. Dem Wachhauptmann, der ihn befragt, erzählt er die Geschichte seines Traums. Der Hauptmann lacht ihn daraufhin aus,
so dass man seine Backenzähne sehen konnte,
das wäre ja ein schönes Glück gewesen. Er selber habe dreimal im Traum ein Haus in Bagdad gesehen, in der und der Straße, wo ein Schatz vergraben sei, aber sei klug und würde nie auf solche Träume etwas geben. Er entlässt ihn.
Und dies ist vielleicht eine der fiesesten Unterbrechungen Schehrezâds.
*
352. Nacht
Natürlich findet er den Schatz und ist ein gemachter Mann.
Ein starker Mythos mit einer guten Klammer, was ja sonst nicht so sehr die Stärke dieser Erzählungen ausmacht.
***
Die Geschichte von dem Kalifen El-Mutawakkil und der Sklavin Mahbuba
Unter den Hunderten Sklavinnen des KalifenEl-Mutawakkil ala-llâh befindet sich eine Mulattin aus Basra;
die übertraf alle an Schönheit und Lieblichkeit, Anmut und Zierlichkeit.
Eines Tages überwirft er sich mit ihr und verbietet allen, mit ihr zu sprechen. Doch schon bald träumt er, sich mit ihr versöhnt zu haben, und eine Dienerin flüstert ihm zu, Gesang aus ihrem Zimmer vernommen zu haben. Durch ihr Lied wird ihm klar, dass sie denselben Traum wie er gehabt haben muss.
Von den Armuts- und Almosenanekdoten also zu den Traumgeschichten.
Die beiden versöhnen sich.
Versöhnung in Leibeigenschaft!
*
353. Nacht
Als El-Mutawakkil stirbt, ist die Sklavin Mahbûba die einzige, die ihn nicht vergisst. Als sie schließlich auch stirbt, wird sie neben ihm begraben.
Und seine Frau?
***
Die Geschichte von Wardân dem Fleischer mit der Frau und dem Bären
Bei Wardân, einem Kairoer Fleischer kauft eine Frau jeden Tag ein Schaf für zweieinhalb Dinare und lässt es von seinem Diener forttragen, der ihm berichtet, sie würde außerdem auch bei anderen Händlern
Zukost zum Fleisch, ferner Früchte und Kerzen, und (…) bei einem Christenkerl zwei Flaschen Wein.
Dies alles müsse er zum Garten des Wesirs tragen, woraufhin ihm die Augen verbunden würden, man ihn weiter führe und er alles abstelle, bis man ihn zurück führe. Am nächsten Tag folgt der der Fleischer Wardân dem Träger und der Dame.
354. Nacht
Wardân sieht, dass Träger und Dame keinesfalls, wie man annehmen könnte, in den Garten des Wesirs gehen, sondern in eine Steinwüste, dort in eine Höhle, die unter einer Falltür aus Messing versteckt ist. Die Dame entlässt den Träger, während sich Wardân hinter einem Fenster versteckt. Er sieht, dass sie all das Essen für einen Bären zubereitet, dem sie sich schließlich hingibt:
Sie gewährte ihm das Beste, was den Menschenkindern gehört.
So kann man es natürlich auch ausdrücken.
Als die beiden
es zehnmal getan hatten,
legen sie sich zum Schlafen nieder und Wardân schlachtet den Bären.
Interessantes Detail: In Ägyptengibt es überhaupt keine Bären.
Als sie erwacht, ist sie erbost und macht ihm ein Angebot.
*
355. Nacht
"Willst du auf das hören, was ich dir sage und dadurch gerettet werden und bis zum Ende deiner Tage in Reichtum leben? Oder willst du mir zuwiderhandeln und dadurch dich ins Verderben stürzen?"
Die Bedingung lautet:
"Töte mich!"
Nach einigem Hin und Her willigt er ein
und sie fuhr hinab zum Fluche Allahs und der Engel und aller Menschen.
Noch in der Wüste wird er von zehn Männern überrascht, die sich als Gesandte des Kalifenel-Hâkim bi-amri-llâh erweisen.
Eine seltsame Begegnung, den gerade dieser Kalif (den die Drusen später als Gott verehrten) führte ein striktes Alkoholverbot auch gegen die Christen ein. Und wie wir oben erfahren haben, kaufte der Träger Wein bei einem "Christenkerl". Was weiß ich sonst ohne Wikipedia von den Drusen? Dass sie im Libanon leben und ihre Milizen von einem Mann mit dem schönen Namen Dschumblat geführt wurden. Nachschlagen zeigt, dass in ihrer Religion das Konzept von Parallelwelten eine große Rolle spielt.
Man kehrt samt Kalif zurück zur Höhle und Wardân darf so viel vom Schatz behalten, wie er mitnehmen kann. Er eröffnet einen neuen Laden im Basar.
Dieser Basar aber ist noch bis auf diesen Tag vorhanden, und er ist bekannt als Wardâns Basar.
***
Die Geschichte von der Prinzessin und dem Affen
Die Tochter eines Sultans ist in einen Schwarzen verliebt, der ihr das Mädchentum nimmt.
Und sie entbrannte in solcher Lust, dass sie die Trennung von ihm nicht eine Stunde ertragen konnte.
Wieder eine schöne Rassismusspielart. Der Schwarze ist bedrohlich, weil er die Lust im Mädchen weckt. Aber es kommt noch besser:
Ein Affenführer kommt am Palast vorbei. Sie zwinkert diesem zu, er befreit sich und klettert zu ihr empor. Fortan lebt er in ihrem Zimmer, trinkt, isst und schläft mit ihr.
*
356. Nacht
Die Tochter erfährt von den Mordplänen ihres Vaters, verkleidet sich als Mamluk und flieht nach Kairo, wo sie täglich bei einem Fleischer Fleisch kauft, was diesem seltsam vorkommt.
Dem Leser auch. Es wirkt wie eine Variation der vorigen Geschichte.
Auch dieser Fleischer tötet das Tier. Aber diesmal nicht die Frau, sondern nimmt sie mit zu einem alten Weib. Diese bereitet ein Gebräu aus Essig undSpeichelwurz, dessen Dampf der Frau in den Unterleib steigt, woraufhin ein schwarzer und ein gelber Wurm herausfallen.
Die Alte sprach aber: "Der eine ist durch die Lust mit dem Neger entstanden, der andere durch die Lust mit dem Affen."
Schlimmer geht’s wohl kaum.
Szenen retten
Wenn du in der Szene bist: Werde körperlich. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass zwei Improvisierer rumstehen und man ihnen beim Nachdenken zusieht. Sobald man nachdenkt, verharrt man in der Starre. Die Bewegung lässt die Blase platzen, in der wir uns bewegen, sie gibt unseren Mitspielern und uns selbst neue Impulse und fürs Publikum wird es in der Regel sofort interessant.
Wenn du außerhalb der Szene stehst: Frag dich, was würdest du als Zuschauer gerne sehen. Denk in Kontrasten: Sind die letzten drei Szenen gerade sehr düster gewesen, komm als happy Character rein. Waren die letzten Szenen langsam, dann bring Bewegung auf die Bühne. Beginne vielleicht mit einem komplett neuen Angebot, das zu einem neuen Game einlädt.
Im Notfall kannst du auch als Regisseur/Autor in die Szene gehen und die Schauspieler z.B. zu mehr Emotionalität auffordern oder eine szenische Anweisung geben: „10 Jahre später“.
Wenn alle Stricke reißen und sowohl Spieler als auch Publikum sich quälen, dann brecht die Szene gutgelaunt ab. Warum nicht? Ihr habt’s versucht. Das Publikum wird euch das verzeihen. Aber eine Stunde Komplettlangeweile, die ihr durchgezogen habt, nur weil „Langform“ auf dem Programm stand, die wird man euch nicht verzeihen.
336. – 345. Nacht
Ich habe 666 "friends" bei Facebook. Davon blende ich ca. die Hälfte aus. Vom Rest postet ein Drittel so gut wie nie. Vier Personen, die mich nicht kennen, habe ich "abonniert". So entsteht eigentlich eine hübsche personalisierte Tageszeitung. Nur – die Lektüre müsste man beschränken auf einmal pro Tag. Das Suchtpotential ist ja unbestreitbar.
Ab und zu schaue ich mir E-Mails von vor 10 Jahren an. Erstaunlich, wie oft darin "Microsoft" oder "Bill Gates" als das Synonym für das absolut Böse genannt werden. Wer redet heute noch von Microsoft? Facebook, Google und DER STAAT bedrohen unsere Daten, unsere Identität. Was wird uns in 10 Jahren ängstigen?
*
336. Nacht
Die Dicke beginnt ihren Beitrag zum Battle:
"Der Erhabene sprach: Und er brachte ein fettes Kalb. 336 (…)
Sag deinem Lieb Lebwohl! Die Karawane wandert;
Kannst du das Lebewohl ertragen, o du Mann?
Es ist, als sei ihr Gang im Hause ihrer Nachbarn
Der Fetten Gang; ihr haftet kein Fehl, kein Ekel an.
Und die Weisen sagen: Die Lust liegt in drei Dingen, Fleisch essen, auf Fleisch reiten und Fleisch in Fleisch stecken. Doch was dich angeht, du Dünne, so können deine Beine den Spatzenbeinen und den Ofenstochern gleich erscheinen; du bist ein kreuzförmiges Brett, ein Stück schlechten Fleisches ohne Fett."
Die Dünne rezitiert:
"Ich habe deinen Wuchs mit einem Rohr verglichen;
Ich habe mir dein Bild zum Stern des Glücks gemacht.
In heißer Leidenschaft bin ich dir nachgegangen
Voll Furcht, dass über dir ein böser Späher wacht.
Aber du da, du Fettwanst, wenn du issest, so frisst du nach Elefantenweise. (…) Lässest du Wasser, so spritzest du; lässest du Kot, so birst du, als wärst du ein Schlauch. (…)
So schwer wie die geschwollene Blase ist sie gar;
Zwei aufgetürmten Bergen gleicht ihrer Lenden Paar.
Schleppt sie im Land des Westens sich hin mit ihrem Schritt,
So bebt durch ihre Schwere sogleich der Osten mit."
*
337. Nacht
Die Gelbe:
"Ihr leuchtend Gelb ist wie der Sonne Strahlenschein;
und sie entzückt das Auge wie Golddinare fein.
Der gelbe Safran auch kann ihrem Glanz nicht gleichen.
Ja, selbst der Mond muss ihrer Schönheit weichen."
Die Schwarze rezitiert einen Dichter:
"Wer bringt mir eine Braune von vielbesungnem Wuchse,
Der braunen, schlanken Speere vom Samhar-Rohre gleicht,
it sehnsuchtsvollen Lidern und seidenweichem Flaume,
Die aus dem wunden Herzen des Liebsten nie entweicht?"
*
338. Nacht
Der Herr der Sklavinnen versöhnt sie wieder miteinander und beschenkt sie mit Gewändern und Juwelen.
Gibt es derartige Versöhnungsrituale auch bei Rap-Battles?
Als El-Mamûn diese Geschichte hört, begehrt er sofort diese Frauen und will sie ihrem Herrn abkaufen. Dieser willigt, als man ihm die Nachricht überbringt, tatsächlich ein. Doch nach einigen Wochen, in denen sich der Kalif mit den sechs Grazien vergnügt, reut es ihn und er schickt dem Kalifen ein Lied, der ihm die Sklavinnen zurückschickt und sechzigtausend Dinare obendrauf legt.
Fragen wir nicht, wie es den Sklavinnen bei solchem Hin und Her erging.
***
Die Geschichte von Harûn er-Raschîd, der Sklavin und Abû Nuwâs
Den Kalifen Harûn er-Raschîd plagt wieder einmal die Schlaflosigkeit und er wandelt durch seinen Palast, bis er an ein Gemach kommt, in dessen hinterem Ende er eine schwarze menschliche Gestalt entdeckt. Neben ihr einen Becher Wein.
Als der Beherrscher der Gläubigen das bemerkte, erstaunte er noch mehr in seiner Seele, und er sprach: "Gehört sich dergleichen für einen Schwarzen wie den da?"
Natürlich ist der Verstoß gegen das islamische Saufverbot Weißen wie dem Kalifen vorbehalten.
Drauf trat er näher an das Lager heran und sah, dass die Gestalt auf ihm eine schlafende Sklavin war, die ganz von der Fülle ihrer Haare bedeckt wurde.
Er küsst sie wach, und sie spielt auf einer Laute
einundzwanzig Weisen. Zuletzt kehrte sie zu der ersten Weise zurück.
*
339. Nacht
Die Sklavin berichtet, darunter zu leiden, dass sie, nachdem sie vom Sohn des Kalifen für zehntausend Dirhem gekauft worden war, dessen Ehefrau dafür sorgte, dass sie von seinen Gemächern ferngehalten würde. Der Kalif gewährt ihr eine Bitte:
"Ich erbitte mir von dir die Gnade, dass du morgen nacht bei mir verweilst."
"So Gott will."
Wie sah und sieht man eigentlich diese extreme Polygamie bei muslimischen Herrschern, wo doch der Koran von maximal vier Frauen spricht?
Am nächsten Morgen ruft Harûn seinen Dichter und Begleiter Abu Nuwâs zu sich, der aber in einer Schenke festgehalten wird, wo er tausend Dirhems für
einen schönen Knaben
ausgegeben hat. Der Kammerdiener, nachdem er die Schönheit des (Lust?)Knaben bei einer Art Striptease, der der Brautentschleierung nachempfunden wird 339, selber zuschauen konnte, zahlt die tausend Dirhem aus des Kalifen Kasse. Beide kehren zu diesem zurück, und dieser fordert vom Dichter:
"Sing mir ein Lied, in dem die Worte vorkommen: O Getreuer Gottes, was mag das sein?"
"Das klingt nach einem Lied" nennen wir das Impro-Spiel.
*
340. Nacht
Abu Nuwâs trägt dem Wunsch des Kalifen gemäß ein Lied vor, beschreibt darin jedoch genau dessen Erlebnis mit der schwarzhaarigen Sklavin in der letzten Nacht.
Da rief der Kalif: "Allah strafe dich! Es ist ja, als ob du bei uns gewesen wärest!"
Er führt ihn zur Sklavin und macht ihn dort betrunken,
bis er seiner Sinne nicht mehr Herr war (…) Nun befahl der Kalif der Sklavin, den Becher aus seiner Hand zu verstecken; sie nahm ihm den Becher ab und verbarg ihn zwischen ihren Lenden. Darauf aber zückte der Kalif das Schwert, stellte sich zu Häupten des Dichters auf und stach ihn mit der Schwertspitze (…): "Trage mir ein Lied vor und sage mir darin, wo dein Becher ist, sonst lasse ich dir den Kopf abschlagen."
Eigentlich hat Abu Nuwâs keine Chance; denn da er diese Körperstelle nicht benennen darf ist er so oder so des Todes.
Was ich sage, das ist seltsam;
Die Gazelle war der Dieb!
Sie stahl meines Weines Becher,
Als aus ihm ein Zug mir blieb.
Sie verbarg ihn an dem Orte,
Der das Herze mir betört.
Ihn nenn ich aus Furcht nicht, weil er
Dem Kalifen angehört.
Verärgert und verwundert beschenkt Harûn seinen Dichter mit tausend Dinaren, und damit endet diese "Geschichte".
***
Die Geschichte von dem Manne, der die Goldene Schüssel stahl, aus der er mit dem Hunde gegessen hatte
Ein Mann gerät in tiefe Armut und verlässt Frau und Kind. In einer fremden Stadt folgt er einer Schar vornehmer Leute zu einem Palast, dessen Herr umringt wird von Dienern und Eunuchen,
als ob er einer von den Söhnen der Wesire wäre.
Eine interessante Form der Prachtbeschreibung: Es ist weder der Herrscher noch der Wesir, aber immerhin ein Wesirsohn. Oder sollten Wesirsöhne bekannt für ihre Prunksucht gewesen sein?
*
341. Nacht
Schließlich taucht ein vornehmer Mann mit vier Hunden an diesem Hof auf, die er aus goldenen Schüsseln fressen lässt. Der Arme kann sich vor Hunger kaum zurückhalten, aber es überwiegt die Furcht vor den Hunden.
Doch plötzlich sah einer der Hunde ihn an, und da Allah dem Tiere Kenntnis von dem Zustande des Armen verliehen hatte,
Der Arme isst von der Schüssel, und als er fertig ist, schiebt ihm der Hund die Schüssel zu. Der Alte nimmt sie mit, verkauft sie in der Stadt und aus dem Erlös treibt er Handel, so dass sich sein Wohlstand vermehrt. Eines Tages sagt er sich:
"Ich muss nun zu jener Stadt reisen, dorthin, wo der Besitzer der Schüssel wohnt; ich will ihm ein schönes und geziemendes Geschenk bringen und ihm den Preis der Schüssel bezahlen, die mir einer seiner Hunde geschenkt hat."
Doch er muss sehen, dass die Stätte inzwischen in Trümmern liegt.
Wie er sich umwandte, sah er einen armen Mann in einem Zustande, der die Haut erschauern machte und dem selbst der härteste Felsen Mitleid entgegenbrachte.
Es stellt sich heraus, dass dies der ehemalige Besitzer des Palastes ist. Der Händler bietet ihm nun Geld im Werte der Schüssel an.
Aber der Alte schüttelte den Kopf, weinte und klagte, seufzte und sagte: "Du da, ich glaube, du bist von Sinnen! So etwas tut ein verständiger Mann nicht. Wie wäre es möglich, dass ich eine goldene Schale, die einer unserer Hunde dir geschenkt hätte, wieder an mich nähme! (…) Wäre ich auch von grimmiger Not und Sorge beschwert, bei Allah, ich nähme nichts an von dir, und hätte es auch nur eines Nagelspans Wert!"
Der Händler kehrt um und rezitiert:
Nun sind sie alle fort, die Menschen und die Hunde;
Drum ruhe auf den Menschen und den Hunden Friede!
Die Moral der Geschichte etwas undurchsichtig, da sie beide Verhaltensweisen als sittlich gelten lässt.
***
Die Geschichte von dem Schelm in Alexandrien und dem Wachthauptmann
In Alexandrien lebt ein Wachthauptmann namens Husâm ed-Dîn.
Der Name taucht in der Geschichte nie wieder auf und ist auch wegen des Anekdotencharakters beinahe irrelevant. Dagegen hätte man es in der vorigen Geschichte schon gern ein wenig konkreter gehabt.
Zu diesem Hauptmann kommt eines Nachts ein Krieger der behauptet, ihm seien tausend Goldstücke im Chân Soundso geraubt worden.
Jetzt geht es wieder mit den Soundsos los. Das Schema, wann etwas konkret benannt und wann im Vagen gelassen, bleibt unklar.
Der Hauptmann befiehlt, alle Bewohner des Châns festzunehmen und Folterwerkzeuge zu bringen, um den Täter zu identifizieren.
So grausam es sein mag – die Folter könnte bei Diebstählen tatsächlich als Mittel zur Wahrheitsfindung gedient haben: Nur der Täter hat die Möglichkeit, den Ausweg aus der Tortur zu finden, indem er gesteht. (Freilich in der Regel um den Preis einer Hand)
*
342. Nacht
Doch es drängelt sich jemand durch die Menschenmenge, der gesteht, den Beutel gestohlen zu haben und ihn vor dem Krieger und dem Hauptmann ablegt. Die Menge preist ihn daraufhin, und der Schelm sagt, das sei noch gar nichts, er werde den Geldbeutel ein zweites Mal stehlen. Er berichtet lang und breit, wie er den Krieger seit Tagen verfolgt habe und nun nachts zugeschlagen habe. Plastisch erzählt er schließlich:
"Alsbald schlich ich ganz leise zu ihm, schnitt die Satteltasche mit dem Messer auf und nahm den Beutel an mich." Mit diesen Worten streckte er seine Hand aus und nahm den Beutel vor den Augen des Hauptmanns und des Kriegers. Da traten die beiden und all das andere Volk zurück, um ihm zuzuschauen; denn sie glaubten, er wolle ihnen zeigen, wie er den Beutel aus den Satteltaschen genommen hätte. Er aber lief auf und davon und warf sich in einen Teich.
Es folgt eine erfolglose Jagd auf den Dieb.
All das geschah mit Wissen Allahs des Erhabenen.
Wir sind anscheinend mitten in einer Serie von Geld-Anekdoten
***
Die Geschichte von El-Malik en-Nâsir und den drei Wachthauptleuten
Eines Tages ließ Sultan El-Malik en-Nâsir die drei Wachthauptleute von Kairo, Bulak und Alt-Kairo zu sich kommen.
Es könnte Saladin sein, aber auch El-Malik en-Nâsir Muhammad. Den Zusatz haben sich wohl einige gegeben.
"Ich wünsche, dass ein jeder von euch mir das Merkwürdigste berichtet, das er während der Zeit seiner Amtsführung erlebt hat."
*
343. Nacht
Die Geschichte des Wachthauptmannes von Kairo
Der Wachthauptmann von Kairo berichtet, er habe lange Zeit versucht, zwei Männer wegen Dirnenliebe, Weingenuss und Zuchtlosigkeit vor Gericht zu stellen, die aber
in allen Fällen von Blutschuld und Leibesverletzungen als rechtsgültige Zeugen auftraten.
Eines Nachts erfährt er von einem Mann:
"Herr, wisse, die beiden ehrenwerten Zeugen sind jetzt an dem und dem Orte in der und der Straße im Haus des Soundso, und sie treiben große Greuel."
Der Wachthauptmann macht sich auf den Weg und wird von den beiden offenherzig empfangen. Sie bieten ihm an, sie sofort zu strafen oder dreihundert Dinar anzunehmen.
Ich sagte mir nun: "Nimm dies Gold von ihnen und beschütze sie noch dies eine Mal; wenn du sie aber das nächste Mal in die Gewalt bekommst, dann zieh sie zur Rechenschaft."
Das Unheil lässt nicht lange auf sich warten. Der Besitzer des Bordells verklagt den Wachthauptmann vor dem Kadi, zeigt einen Schuldschein über dreihundert Dinar vor und bringt die beiden Hurenböcke als Zeugen vor.
Das Zeugnis der beiden wurde vom Kadi als gültig angesehen. (…) Und ich ging tief beschämt von dannen.
*
Die Geschichte des Wachthauptmannes von Bulak
Dieser Wachthauptmann berichtet, einmal dreihunderttausend Dinare Schulden gehabt zu haben.
So verkaufte ich alles, was hinter mir, vor mir und in meiner Hand war.
Das wird wohl heißen: Sein Erspartes, seine Forderungen und sein Bar-Vermögen.
*
344. Nacht
Eines Nachts klopft es an seiner Tür, und es ist eine Diebesbande,
halbnackt und mit Fell bekleidet
die sich als edel erweist, ihm ihre Beute aus Gold und Silber zu überlassen. Er dankt es ihnen und lässt sie mit seinen letzten hunderttausend Dinaren ziehen.
Beachtlich: Die cartooneske Darstellung der Diebe mit Fell. Vielleicht als Klischee damals verbreitet wie die maskierten Räuber bei Micky Maus.
Am nächsten Morgen stellt er freilich fest, dass er mit vergoldetem Kupfer hereingelegt worden war.
*
Die Geschichte des Wachthauptmannes von Alt-Kairo
Einst ließ ich zehn Diebe hängen, jeden an einen besonderen Galgen, und ich schärfte den Wächtern ein, gut auf sie achtzugeben.
Am nächsten Morgen sieht der Hauptmann, dass nun an einem Galgen zwei Männer hängen. Die Wächter gestehen, geschlafen zu haben, und einer der Gehängten soll gestohlen worden sein. Und so ergriffen sie einen zufällig des Wegs kommenden Bauern, den sie, aus Furcht, bestraft zu werden, aufhängten, bloß damit die Zahl der Gehängten stimme. Der Wachthauptmann befiehlt, den Reisesack des Bauern zu öffnen.
Und siehe da, in ihm befand sich die zerstückelte Leiche eines Mannes! Wie ich das nun sah, sprach ich verwundert zu mir selber: "Preis sei Allah! Dieser Bauer ist doch nur deshalb gehängt, weil er den Mord da begangen hat! Und dein Herr ist nicht ungerecht gegen seine Diener."
Die Schuld wird externalisiert. Das formalisierte Rechtsverständnis, wonach die Wächter sich schuldig gemacht haben, wird aufgehoben zugunsten eines magisch-religiösen: Allah wird’s schon richten.
***
Die Geschichte vom Geldwechsler und dem Dieb
Eine Bande von Dieben beobachtet einen Geldwechsler mit dickem Geldbeutel, und einer von ihnen wettet, den Beutel stehlen zu können. Sie folgen ihm bis zu seinem Haus, wo er den Beutel auf dem Sims ablegt.
Rasch drang der Dieb hinein, ergriff den Beutel, eilte zu seinen Kumpanen zurück und erzählte ihnen, was geschehen war.
*
345. Nacht
Er kann sich seiner Tat noch nicht recht rühmen, denn seine Kumpane wenden ein, dass nun die Sklavin, die dem Geldwechsler Wasser holen sollte, statt des Diebes bestraft würde.
"Ja wenn du ein echter Schelm bist, so musst du die Sklavin vor Prügel und Strafe bewahren."
Ein interessantes Feld: Die Ehre der Verbrecher. Ein Dieb ist ja per se jemand, dem man nicht vertrauen kann. Und dennoch bildet sich anscheinend in jeder dauerhaften Verbrechergemeinschaft auch eine Art Kodex, so wie wir es auch hier beobachten: Bestiehl ruhig den Reichen, aber lass nicht jemand anderen dafür büßen.
Der Dieb kehrt zurück zum Haus des Geldwechslers, der gerade sich anschickt, die Sklavin zu verprügeln, und gibt ihm den Geldbeutel zurück mit den Worten, der Herr habe den Beutel auf dem Basar liegengelassen.
"Ich bin der Diener deines Nachbarn in der Basarhalle."
Als sich der Geldwechsler wieder abwendet, um dem scheinbaren Diener eine Quittung für dessen Herrn auszustellen, stiehlt der Schelm das Geld zum zweiten Mal.
Und die Sklavin war vor der Strafe bewahrt.
***
Die Geschichte vom Wachthauptmanne von Kûs und dem Gauner
Zum Wachthauptmann von Kûs in Ägypten kommt ein Mann, der sich als Straßenräuber zu erkennen gibt.
"Ich will jetzt von meinem Tun ablassen und unter deiner Führung zu Allah dem Erhabenen zurückkehren."
In der Truhe befinden sich Gegenstände im Wert von vierzigtausend Dinaren. Er erbittet tausend in bar,
"damit ich durch sie ein Kapital gewinne, das mir dazu verhilft, mich zu bessern, und es mir möglich macht, von dem bösen Tun abzulassen."
Der Hauptmann willigt ein angesichts der
Juwelen, Edelmetalle, Siegelsteine und Perlen.
Publikums-Warm-Ups
Ich bin der Meinung, Publikums-Aufwärmen sollte wirklich nur sparsam verwendet werden. Oder andersrum gesagt, es wird in der Regel viel zu oft und viel zu lange gemacht.
Publikums-Warm Up bietet sich an, wenn die Zuschauer in irgendeiner Weise einbezogen werden sollen, z.B. bei Theatersport-Abstimmungen oder gezielten Zwischenrufen („Klingt nach einem Lied“ o.ä.“).
Das Publikum fühlt sich oft selber wohler, wenn es irgendwie schon mal die Möglichkeit gehabt hat zu klatschen, diese Chance sollte man ihm geben, aber nicht notwendigerweise mit aufheizendem Klatschtraining oder solchem Murks.
Wenn ein Format erklärt werden soll, dann erklärt es möglichst knapp und deutlich. Als Moderator kann man ruhig auch mal ein paar Gedanken vor der Show darüber verlieren. Nicht über den Wortlaut, aber über den Inhalt dessen, was man zu sagen hat.
Hitchcock 5
Aus Truffaut: „Wie haben Sie das gemacht, Mr. Hitchcock“
H: (Über „The Secret Agent): Der Held soll einen Menschen töten, und er will das nicht. Das ist ein negatives Ziel, und das Ergebnis ist ein Abenteuerfilm, der nicht vorankommt, der leerläuft.
(…) In gewissen Fällen ist ein Happy End nicht notwendig. Wenn Sie das Publikum gut in der Hand haben, folgt es Ihrer Argumentation und akzeptiert auch einen unglücklichen Schluss. Vorausgesetzt, es hat im Verlauf des Films genug befriedigende Elemente gegeben.
(…)
H: Man muss versuchen alle lokalen Gegebenheiten in das Drama einzubauen. Die Seen müssen dasein, damit Leute darin ertränkt werden, und die Alpen, damit sie in Schluchten stürzen.
T: Das ist etwas, das ich sehr mag in Ihren Filmen. Auch der Beruf der Leute ist von dramaturgischer Bedeutung. In The Man Who Knew Too Much ist James Stewart Arzt, und den ganzen Film hindurch verhält er sich auch als Arzt.
(…)
T: Man könnte sich fragen, ob nicht die Begriffe Kino und England eigentlich unvereinbar sind. Das ist sicher übertrieben, aber ich denke an nationale Eigenheiten, die mir als filmfeindlich erscheinen, zum Beispiel das friedliche englische Leben, die solide Routine, die englische Landschaft und sogar das englische Klima. Der berühmte englische Humor, der soviele charmante Mordkomödien hervorgebracht hat, verhindert oft die wirkliche Emotion.
(…)
H: Die in England vorherrschende Haltung ist eine Inselhaltung. Sobald man England verlässt, findet man eine viel universellere Vorstellung von der Welt. (…)
Der englische Humor ist sehr oberflächlich und hat enge Grenzen (!!!).
Chris Bliss: Comedy is translation
- Gute Comedy gründet sich auf die Wirklichkeit und gibt uns eine neue Perspektive.
- Bestes Beispiel für wirklichkeitsbasierte Comedy ist Tina Feys Parodie von Sarah Palin, bei der sie nichts tat, als deren Sätze zu wiederholen.
- Zuschauer der Daily Show von John Stewart sind besser informiert als Zuschauer aller Nachrichtenkanäle.
- Comedy, die funktioniert, ist im Grunde ein verbaler Trick, der uns auf die eine Seite lenkt und uns woanders herauskommen lässt.
- Der physische Effekt sind Lachen und Ausschüttung von Endorphinen, das wiederum unsere Verteidigungsmauern einreißt (im Gegensatz zu Adrenalin, das bei Angst, Wut, Panik ausgeschüttet wird). Dadurch wiederum sind wir offen für neue Sichtweisen auf die Wirklichkeit.
Hitchcock 4
Aus Truffaut: „Wie haben Sie das gemacht, Mr. Hitchcock“
H: Die Konditionierung des Publikums ist die Voraussetzung für jeden Suspense. (…) Ich habe oft bemerkt, dass bestimmte Suspense-Situationen dadurch infrage gestellt werden, dass das Publikum die Situation nicht ganz erfasst. Zum Beispiel tragen zwei Schauspieler fast gleiche Anzüge, und schon unterscheidet sie das Publikum nicht mehr.
(…)
T: Ich frage mich manchmal, ob man Künstler nicht in zwei Kategorien einteilen kann, die Vereinfacher und die Komplizierer. Unter den Komplizierern gibt es natürlich große Künstler, gute Schriftsteller. Aber meinen Sie nicht auch, dass man, wenn man auf dem Gebiet des Schauspiels Erfolg haben will, besser ein Vereinfacher sein sollte?
H: Das ist schon deshalb wichtig, weil man dem Publikum nur die Emotionen vermitteln kann, die man selbst verspürt. Zum Beispiel können Leute, die nicht zu vereinfachen wissen, die Zeit nicht kontrollieren, über die sie verfügen.
(…)
H: Was mir an Buchan so gefällt, ist etwas absolut Britisches, was wir Understatement nennen. (…)
T: Im Französischen gibt es eine rhetorische Figir, die Litotes, aber die hat mehr zu tun mit Zurückhaltung, mit Bescheidenheit als mit Ironie.
H: Understatement bedeutet, dramatische Ereignisse in einem leichten Ton zu präsentieren.
(…)
(Hitchcock zitiert eine von ihm eingebaute Story in The 39 Steps, in der ein Fremder bei einem Bauern und dessen Frau Unterkunft findet. Als der Bauer in den Hühnerstall muss, will die Frau den Fremden verführen: „Schnell, mach, jetzt ist der geeignete Augenblick.“, worauf der Fremde die Hühnerpastete verschlingt. Erinnert mich sehr an den Dieter-Krebs-Klassiker „Pik Flöte“
Anm. DR)
(…)
T: Was man in Ihren Filmen häufig findet und was große Genugtuung bereitet: eine Figur, die ihrem Charakter treubleibt bis zum Äußersten, bis in den Tod, mit einer unerschütterlichen Logik.
(…)
(Zur Perspektive bemerkt Truffaut über ein schlechtes französisches Remake von 39 Steps, dass in einer Beobachtungsszene, sowohl die Perspektive des Beobachteten als auch der Spione gezeigt wurde. Letztere fehlt natürlich bei Hitchcock. DR)H: Das ist wirklich jämmerlich. Wer sowas macht, weiß wirklich nicht, worauf es ankommt. Man kann doch in einer solchen Situation nicht einfach den Standort wechseln, das ist einfach unmöglich.
(Der grundlegende Fehler im ZDF-Remake von der Seewolf (2009). Ständig wird die Perspektive gewechselt, während im Roman und in der Staudte-Verfilmung das Grauen aus der konsequenten Ich-Perspektive rührt. DR)
(…)
H: Wenn man alles analysieren wollte und alles nach Erwägungen der Glaubwürdigkeit und Wahrscheinlichkeit konstruieren, dann würde keine Spielfilmhandlung dieser Analyse standhalten.
(Das ist wohl wahr. Erzählenswert ist immer das Unwahrscheinliche. Andererseits gibt es auch Grenzen der Handlungslogik. Wir können uns zwar wundern über seltsame Taten, aber wenn eine bestimmte Grenze überschritten wird, wirkt die Handlung konstruiert und zusammengeschustert, was einen ganzen Film ins Wanken bringt, wie etwa Flightplan, DR)
(…)
H: Wenn ein Regisseur von der Kritik enttäuscht ist, (…) dann ist der einzige Ausweg, den Beifall des großen Publikums zu suchen. Wenn aber ein Regisseur seine Filme nur noch für das große Publikum dreht, dann versinkt er in Routine, und das ist schlecht.
(…)
H: Eine Geschichte darf unwahrscheinlich, aber sie darf nie banal sein.
(…)
H: Die einzige Frage, die ich mir stelle, ist, ob die Postierung der Kamera an der oder der Stelle der Szene die maximale Kraft gibt. Die Schönheit der Bilder un der Bewegung, der Rhythmus, die Tricks, das alles muss der Handlung untergeordnet und geopfert werden.
Erklärung der Berliner Lesebühnen zum Schokoladen
Berliner Lesebühnen fordern:
Schokoladen schließen!
Klappt die Bürgersteige hoch!
Der Letzte macht das Licht aus!
Seit 1989 sind in Berlin Dutzende von Lesebühnen entstanden: Ensembles von Autorinnen und Autoren, die in Kneipen und Clubs ihre neuen Geschichten vorlesen.
Berlin schmückt sich gern mit diesen Veranstaltungen, die jedes Jahr von Tausenden von Berlinern und Touristen besucht werden und die inzwischen etliche namhafte Kabarettisten und Schriftsteller hervorgebracht haben.
Leider interessiert sich die Berliner Politik nicht dafür, was für die Entstehung einer solchen lebendigen Szene notwendig ist: Cafés, in denen die Getränkepreise so niedrig sein können wie der Eintritt. Kneipen, in denen Künstlerinnen und Künstler einfach etwas ausprobieren können, ohne dass es Geld abwerfen muss. Clubs, deren Betreiber sich nicht ständig sorgen müssen, wie sie die grotesken Renditen für die Hausbesitzer erwirtschaften können.
Nun soll auch der Schokoladen schließen und von der Polizei geräumt werden.
Ohne Orte wie den Schokoladen wären die Berliner Lesebühnen nie entstanden!
Bis vor wenigen Jahren konnten wir uns leicht trösten, wenn wieder einer dieser Orte schließen musste. Es gab ja noch andere. Das war einmal. Heute gibt es praktisch keine Orte mehr, an denen noch etwas entstehen könnte.
Die östliche Innenstadt nähert sich einem Zustand der Stagnation.
Wir können an dieser Stelle nicht ausführlich auf den Prozess der Gentrifizierung eingehen, den wir ohne es zu wollen selbst mit angestoßen haben. Dazu haben sich andere bereits fundierter geäußert, als wir es könnten. Doch wir sehen mit Wut, wie das allgemeine und für alle Bevölkerungsschichten geltende “Recht auf Stadt” immer mehr zum Privileg der Gut- und Besser- und Bestverdiener zu werden droht.
Die Berliner Lesebühnen und ihre Freunde beteiligen sich an den Aktionen zur Rettung des Schokoladens. Und wir bitten alle, die uns kennen, uns dabei zu unterstützen.
-> Kommt zur Demo gegen die Räumung des Schokoladens:
Dienstag 21. Februar, 17.30 Uhr
Klub der Republik, Pappelallee 81
(U-Bhf. Eberswalder Str.)
-> Stellt euch der Räumung in den Weg:
Mittwoch 22. Februar, 8 Uhr
Schokoladen, Ackerstrasse 169
(U-Bhf. Rosenthaler Platz)
Unterzeichner/innen
Einzelpersonen
Ahne
Andreas “Spider” Krenzke
Andreas Gläser
Andreas Jeromin
Andreas Kampa
Andreas Scheffler
Anselm Neft
Bov Bjerg
Clint Lukas
Dan Richter
Daniela Böhle
Elis
Falko Hennig
Felix Jentsch
Frank Sorge
Frédéric Valin
Hans Duschke
Heiko Werning
Hinark Husen
Horst Evers
Ingolf Penderak
Ivo Smolak aka Ivo Lotion
Jacinta Nandi
Jakob Hein
Jochen Schmidt
Judith Hermann
Jürgen Witte
Karsten Krampitz
Kirsten Fuchs
Konrad Endler
Lea Streisand
Lt. Surf
Manfred Maurenbrecher
Martin “Gotti” Gottschild
Micha Ebeling
Paul Bokowski
Robert Naumann
Robert Rescue
Robert Weber
Sarah Bosetti
Sarah Schmidt
Sebastian Krämer
Stephan Serin
Sven van Thom
Thilo Bock
Tilman Birr
Tobias “Tube” Herre
Udo Tiffert
Uli Hannemann
Volker Strübing
Volker Surmann
Wladimir Kaminer
Lesebühnen
Brauseboys
Chaussee der Enthusiasten
Der Frühschoppen
Kantinenlesen
Liebe statt Drogen
Lokalrunde – die Show mit Weltniveau
Radio Hochsee
Rakete2000
Reformbühne Heim & Welt
Surfpoeten
Texte im Untergrund
Tiere streicheln Menschen
Lesebühne Vision & Wahn
Periplaneta Verlag
Marion Alexa Müller
Thomas Mangold
Hitchcock 3
Aus Truffaut: „Wie haben Sie das gemacht, Mr. Hitchcock“
H: Man redet oft über die Regisseure in Hollywood, die literarische Meisterwerke verunstalten. Ich habe nicht die Absicht, je so etwas zu tun. Ich lese eine Geschichte nur einmal. Wenn mir die Grundidee zusagt, übernehme ich sie. Ich vergesse das Buch vollkommen und mache Kino. Ich wäre völlig außerstande, Ihnen die Geschichte von The Birds von Daphne du Maurier zu erzählen. (…) Was ich nicht verstehe, ist, dass jemand sich eines Werkes total bemächtigt, eines guten Romans, an dem ein Autor drei oder vier Jahre geschrieben hat und in dem sein ganzes Leben steckt. Man fummelt daran herum, verschreibt sich ein paar erstklassige Techniker und schon ist man Kandidat für einen Oscar.
(…)
H: Die Zeit zusammenzuziehen oder zu dehnen, ist das nicht die Aufgabe jedes Regisseurs?
(…)
Über den Unterschied zwischen Suspense und Surprise.
H: Wir reden miteinander, vielleicht ist eine Bombe unter dem Tisch (…) und plötzlich, bumm, eine Explosion. Das Publikum ist überrascht, aber die Szene davor war ganz gewöhnlich, ganz uninteressant.
Schauen wir uns jetzt den Suspense an. Die Bombe ist unterm Tisch und das Publikum weiß es. (…) Dieselbe unverfängliche Unterhaltung wird plötzlich interessant, weil das Publikum an der Szene teilnimmt. Es möchte den Leuten auf der Leinwand zurufen: Reden Sie nicht über so banale Dinge, unter den Tisch ist eine Bombe. (…)
(Eigentlich der älteste Theatertrick der Welt. Kasperle legt sich schlafen und bittet die Kinder, ihn zu wecken, wenn das Krokodil kommt. Folgerichtig schreien sich die Kinder die Lungen aus dem Hals…)
(über Improvisation!!)
H: Was den Direktton betrifft, habe ich da einige Erfahrungen mit dem Improvisieren gemacht. Ich habe den Schauspielern den Inhalt der Szene erklärt und ihnen vorgeschlagen, den Dialog selbst zu erfinden. Das Resultat war nicht gut. Zu viele Pausen. Sie hingen zu sehr an dem, was sie sagen sollten. Die Spontaneität, auf die ich gehofft hatte, stellte sich nicht ein. Das Timing stimmte nicht mehr. Das Ganze hatte keinen Rhythmus.
T: Ich finde, dass die europäischen Regisseure dem amerikanischen Kino etwas gegeben haben, das nicht von Hollywoodregisseuren kommen konnte, einen kritischen Blick auf Amerika. Das macht ihre Arbeit doppelt interessant. Es sind Details, die man bei Howard Hawks oder Leo McCarey vergeblich suchen würde, die man aber häufig findet bei Lubitsch, Billy Wilder und Fritz Lang und auch in Ihren Filmen. (…)
H: Das stimmt vor allem im Bereich des Humors. The Trouble with Harry zum Beispiel ist ein rein britisches Genre, der makabre Humor.
(…)
H: Ich möchte Ihnen etwas sagen. Was immer Ihnen auch im Verlauf Ihrer Karriere zustößt, Ihr Talent ist immer da.
Finde das Spiel
Wunderbar in diesem kleinen Filmchen zu erkennen: Was ist das Spiel der Szene? Erkennen und verschärfen.
Die Einfachheit der Impro-Komik.
Hitchcock – 1-2
Aus Truffaut: „Wie haben Sie das gemacht, Mr. Hitchcock“
(Im Film Downhill)
H: John bittet Laurita, ihn zu heiraten, und sie antwortet: „Ich werde Sie gegen Mitternacht anrufen.“ Die nächste Einstellung ist eine Armbanduhr, auf der man sieht, dass es Mitternacht ist. Es ist die Uhr eines Telefonfräuleins, das in einem Buch liest. Ein kleines Licht leuchtet auf dem Schaltbrett, sie stellt die Verbindung her und will weiterlesen, dabei hält sie automatisch den Kopfhörer ans Ohr. Da lässt sie das Buch liegen und hört hingerissen der Unterhaltung zu. Das heißt, den Mann und die Frau habe ich überhaupt nicht gezeigt, aber man verstand alles, was passierte, aus den Reaktionen des Telefonfräuleins.
(…)
(The Ring)
H: Mit dem Film habe ich verschiedene Verfahren eingeführt, die danach in den allgemeinen Gebrauch übergingen. Zum Beispiel, um den Aufstieg eines Boxers zu zeigen, zeigte ich zuerst ein großes Plakat auf der Straße, sein Name steht unten auf dem Plakat. Man merkt, es ist Sommer, sein Name wird größer und steigt auf dem Plakat nach oben. Dann ist es Herbst, und so weiter.
(…)
(Champagne)
H: Das ist wahrscheinlich der Tiefpunkt meiner Karriere. (…)
T: Ich erinnere mich an das Essen, an dem in der Küche alle mit dreckigen Fingern herumfummeln, und als das Gericht die Küche verlässt, wird es mit großen Gesten weitergereicht, immer feierlicher, bis zu dem Augenblick, wo es dem Gast hingestellt wird. Zu Beginn ist es richtig ekelhaft, und dann wird es immer raffinierter. Der Film ist voller Erfindungen.
(Zum Thema Stummfilm)
H: Die Stummfilme waren die reinste Form des Kinos. Das Einzige, was den Stummfilmen fehlte, waren die Stimmen der Leute auf der Leinwand und die Geräusche. Aber diese Unvollkommenheit rechtfertigte nicht die große Veränderung, die der Ton mit sich brachte. Ich will damit sagen, dem Stummfilm fehlte sehr wenig, nur der natürliche Ton. Man hätte deshalb die Technik des reinen Kinos nicht aufzugeben brauchen, wie man das mit dem Tonfilm gemacht hat. (…)
Wenn man im Kino eine Geschichte erzählt, sollte man nur den Dialog verwenden, wenn es anders nicht geht. Ich suche immer zunächst nach der filmischen Weise, eine Geschichte zu erzählen durch die Abfolge der Einstellungen, der Filmstücke. Es ist bedauerlich, dass das Kino mit dem Aufkommen des Tonfilms in einer theaterhaften Form erstarrt ist. Daran ändert auch eine bewegte Kamera nichts. Die Kamera mag den ganzen Gehsteig entlangfahren, und es ist doch immer noch Theater. Die Folge ist das Verschwinden des filmischen Stils und auch ein Schwund an Phantasie.
Hitchcock – Vorwort
Aus Truffaut: „Wie haben Sie das gemacht, Mr. Hitchcock“
„Hitchcock den Suspense übelzunehmen, das hieße, ihm daraus einen Vorwurf zu machen, dass er sein Publikum weniger langweilt als irgendein anderer Filmmacher der Welt.“
„Zwei Suspense-Szenen sind bei ihm nie durch eine gewöhnliche Szene miteinander verknüpft. Hitchcock hasst das Gewöhnliche. (…) Ein Beispiel. Ein Mann (…) geht zum Anwalt. Eine alltägliche Situation. Bei Hitchcock aber wirkt der Anwalt von vornherein skeptisch und zurückhaltend, vielleicht, wie in The Wrong Man übernimmt er den Fall erst, nachdem er seinem künftigen Mandanten erklärt hat, dass er mit solchen Sachen noch nie zu tun hatte und dafür eigentlich nicht der Richtige sei.“
„Bei ihm dient die Form nicht der Verschönerung des Inhalts, sie schafft ihn.“ (ursprüngl. Zitat von Chabrol)
„Alles, was gesagt statt gezeigt wird, ist für das Publikum verloren.“
„Die amerikanischen Regisseure, die nach 1930 zu drehen begannen, haben nicht ein Zehntel des Gebiets zu nutzen versucht, das Griffith für sie urbar gemacht hat. (…) Schaut man heute nach Hollywood, so erscheinen einem Howard Hawks, John Ford und Alfred Hitchcock als die einzigen Erben von Griffiths Geheimnissen.“
„Man erkennt auch in einer Dialogszene mit zwei Personen den hitchcockschen Stil. Man erkenn ihn an der dramatischen Qualität der Kadrierung, an der einmaligen Weise, wie er die Blicke hinundhergehen lässt, die Gesten vereinfacht, Momente des Schweigens in die Unterhaltung einfügt. Man erkennt ihn daran, wie er dem Zuschauer das Gefühl vermittelt, dass eine der beiden Personen von der anderen beherrscht wird.“ (Mit anderen Worten, er nutzt Status. – DR)
(Alle Zitate aus dem Vorwort von Truffaut)
Das Wie
„Wie du tust, was du tust, ist was du bist.“ (Joe Bill zugeschrieben)
Sagte er/sagte sie
Ich sollte wieder ab und zu bei Johnstone nachschlagen. Mich gestern gewundert, warum im Workshop das Spiel „Sagte er / sagte sie“ so schwächelte. Es muss in Hochstimmung gespielt werden. Spieler, die ohnehin zum Nachdenken tendieren, kommen noch mehr in den Kopf.
Johnstone führt es außerdem mit dem Hinweis ein, es sei für Kinder leicht und für Erwachsene schwer.
Awful Feedback
Great parody on improv notes.