Der ewige Klaus Schmidtke – Namen in Impro-Szenen

Ich finde es immer wieder interessant, welche Namen in Impro-Szenen verwendet werden. In Anfänger-Workshops begegnen wir unweigerlich den Maiers, Müllers, Schulzes.
Man könnte annehmen, dass das einfach mit der Häufigkeit der Namen zu tun hat, denen man im Allgemeinen begegnet. Aber ich bezweifle das. Und zwar wegen Klaus. Klaus Schmidtke.
Klaus ist der häufigste männliche Vorname, den sich Impro-Anfänger verpassen. Aber ich möchte behaupten, dass dieser Name bei Männern unter sechzig Jahren ziemlich selten ist. (Von meinen knapp 1.000 Facebook-Freunden heißen lediglich zwei Klaus.) Klaus ist aber bekannt als alter Standard-Name. In Romanen heißen Nebenfiguren gerne Klaus. Klaus ist unauffällig. Mit anderen Worten: Mit einem Klaus wagt man sich als Improspieler weniger aus der Deckung als Konstantin.

Und dann Schmidtke! Nicht Schmidt, sondern Schmidtke.
Bin ich der Einzige, dem das so geht? Seit 15 Jahren Schmidtke. Und ich muss gestehen, auch ich habe ein paar Schmidtkes ins Impro-Universum hinzugefügt. Ich vermute, es sind mehr Schmidtkes im Improtheater geboren worden als im realen Leben.
Was haben Impro-Spieler nur mit Schmidtke? Bei fast jedem Impro-Spieler, ob Anfänger oder Profi sieht man diesen Moment des Zögerns, wenn er einen Namen erfinden muss. Anfänger erfinden dann den Schmidtke. Ich glaube ja, es ist diese Millisekunde, in der dem Spieler klar wird, dass Schmidt ein bissche zu banal wäre. Oder aber es liegt an der Einsilbigkeit. Impro-Spieler erfinden selten eine Frau Schmidt, Schulz, Koch oder Wolf.

Ich verwende ja gern Namen meiner früheren Mitschüler und Lehrer: Braunschweig, Assemacher, Wurzbacher, Hantigk. Sie sind sicherlich wenig spektakulär und auch keine „sprechenden Namen“, wie vielleicht Sorgenreiter, aber sie evozieren sicherlich plastischere Bilder als die üblichen Top 3.

Gutes Scheitern, ungutes Scheitern

Man kann schön und unschön scheitern .
Schön, wenn man voller Hingabe Risiken eingeht, das Engagement sichtbar wird.
Unschön, wenn sich ein Gefühl der Trägheit, der Leere, der Vorsicht auf der Bühne ausbreitet.
Letzte Woche ein künstlerisch anspruchsvolles Genre über einen ganzen Abend gemeistert. Diese Woche mit zwei Langform-Standards, die wir seit Jahren spielen gescheitert. Die Jonglier-Bälle der Improvisation sind uns nicht bei einer atemberaubenden Nummer zu Boden gefallen, wir haben sie nicht einmal hochgeworfen, da kullerten sie uns schon aus der Hand. Vielleicht stellt sich nach enormem Erfolg auch ein Gefühl der Nachlässigkeit ein: Wir können’s ja. Auf einmal ist man weniger engagiert, und missachtet sogar die Grundlagen der Kunst.
Da ist das heitere Scheitern nicht leicht. Nicht die Schuld beim Publikum suchen, nicht bei den Mitspielern. Was hätte ich tun können, um die Show zu retten!
Durchatmen, lächeln, toitoitoi fürs nächste Mal.

Formen üben

Formales Training in der Kunst erhöht die Menge der Optionen. Die Forderung „Sei offensichtlich!“ (Johnstone) kann ja auch irgendwann langweilig werden. Je mehr eigene Offensichtlichkeit wir uns ermöglichen, umso eher haben wir die Chance, überraschend und dennoch organisch zu sein.

Backstage vor der Show – „Wir brauchen kein Warm-Up“

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management

In meiner Anfangs-Phase als Improspieler traten wir manchmal zu Werbe-Zwecken bei einer Open Stage auf. Man hatte sieben Minuten Zeit, und das war’s. Für diesen kurzen Auftritt wärmten wir uns als Gruppe manchmal eine Viertelstunde lang auf. Irgendwann fragte ich die anderen, ob wir das wirklich bräuchten. Entrüstet hielt man mir Unprofessionalität vor. Und so fügte ich mich der Mehrheitsmeinung.

Ich denke, bei kleineren Auftritten wie Mixed Shows und Open Stages kann man sich überlegen, das formale Gruppen-Warm-Up wegzulassen. Schließlich kann es durchaus sein, dass die äußeren Bedingungen dagegen sprechen:
Belästigt man andere Künstler im Backstage mit dem eigenen Herumgehampel?
Eventuell hampeln andere Künstler um einen herum, so dass man sich aufs Warm-Up kaum konzentrieren kann.
Bei Firmenauftritten oder kurzen Shows auf Tagungen kann es sein, dass es weder die Zeit noch den Ort für ein Warm Up gibt.
Aber auch subjektive Gründe können gegen ein Warm Up sprechen. Wenn sich ein Spieler zum Beispiel schon vom Tag dermaßen ausgepowert fühlt, dass er sich die Reserven für die Show sparen will, sollten das die Kollegen in Erwägung ziehen.
Ich habe es auch erlebt, dass das Geplauder eine dermaßen heitere, künstlerisch-intelligente und kraftvolle Dynamik annahm, dass sie quasi fließend in ein sitzendes Warm Up überging und man entschied, das formale Warm Up fallenzulassen, da es nichts mehr hinzuzufügen gab.
Bei gewissen entspannten Shows, die sehr alltags- und publikumsnah aufgeführt werden, etwa zur Mittagspause im Universitäts-Café oder als Game-Show in einer Bar, kann man das Warm Up ebenfalls fallenlassen, wenn die Aufführung sozusagen eher einer Skizze als einer Gala gleicht.
Verzichtet man bei regulären Shows auf ein formales Warm Up, sollte man aber darauf achten, dass der Impro-Fokus erhalten bleibt. Die Zeit vor der Show stattdessen mit unterspanntem Lümmeln und improfremdem Getratsche zu verbringen, halte ich für Zeitverschwendung.

Bad Shows

„The only road to good shows is bad ones. Just go start having a bad time, and if you don’t give up, you will get better.“ (Louis C.K.) Hat er Recht? Ich bin mir nicht sicher. Als Improvisierer sind wir gegenüber anderen Komödianten und Kleinkünstler dadurch im Vorteil, dass wir mit dem Scheitern heiter umgehen können; dass der positive Umgang mit dem Scheitern uns praktisch in die Improwiege gelegt wird. Trotzdem. Einige Shows sind furchtbar. Vor allem wenn man mit dem Auftreten anfängt. Das merkt man, während man sie spielt. Das merkt man, wenn die ersten beiden Zuschauerreihen mit gähnenden oder flüsternden Zuschauern gefüllt sind, von denen die Hälfte während der Pause geht. Und das merkt man auch, wenn man nach über zehn Jahren Impro-Auftritts-Erfahrung eine Show versemmelt, und alles Analysieren über Storytelling, Szenen-Struktur, Schauspiel und Improtechnik einem nicht weiterhilft. Man muss da durch, kann versuchen zu lernen und weiß, es gibt keine 100%ige Garantie in diesem Geschäft, das vom Risiko des Scheiterns lebt.

Dieselben Storys

Wenn man als Gruppe dazu tendiert, ähnliche Storys oder ähnliche Muster zu verwenden, sollte man sich mal einen Ruck geben und sich nach anderen Storys umschauen. Es genügt oft, sich mal andere Geschichten, Theater-Stücke usw. ins Gedächtnis zu rufen.
„Aber was hast du denn gegen Liebesgeschichten?“, fragte mich einmal eine Improvisiererin in diesem Zusammenhang. Gar nichts habe ich dagegen, nur wird man früher oder später auf der Stelle treten, wenn man sich in der Beziehung nicht immer wieder selbst überprüft.

Story: Der Wettkampf

Ein typisches Storymuster, das ich immer wieder in Impro-Shows beobachte, ist „Der Wettkampf“. Underdog wird zum Eisschnelllauf, Tanzwettbewerb, Boxkampf usw. herausgefordert, zweifelt und gewinnt dann doch. So weit, so langweilig.
Irgendwas muss in dieser Form liegen, dass sie für spontane Geschichtenerfindung so naheliegend macht. Vielleicht das klare Ziel, auf das alles hinstrebt.
Ich finde, eine Wettkampf-Story muss immer noch ein drunterliegendes Element mit sich führen, dass so bezaubert, dass der Plot eigentlich wurscht ist.
Aber wenn’s nach mir geht, brauche ich in den nächsten 10 Jahren keine Wettkampf-Szenen mehr zu sehen, und man muss mir auch keine anbieten.

Schlechte Shows von Freunden und Kollegen

Schlimmster-Fall-Szenario: Die von ihrer eigenen Show begeisterten Kollegen wollen sofort ein Feedback, und du weißt, die Wahrheit ist bitter.

Möglichkeiten:
Sofort nach der Show verschwinden.
Nach der Show das Gespräch mit den Kollegen meiden oder auf andere Themen bringen.
Bereits während der Show auf die positiven Aspekte fokussieren, auch wenn’s schwerfällt. Nach der Show dann diese Aspekte erwähnen. Dann sanft auf ein anderes Thema ausweichen.
Fragen stellen, bevor sie selber welche stellen können: Wann spielt ihr denn wieder? Was sind eure nächsten Pläne?
Kritik nur bei guten Freunden abgeben und auch nur dann, wenn sie darum bitten.

Vergraulung eines zwischenrufenden Legionärs-Nazi durch Tempodrosselung

Gegen Ende des ersten Teils der Lesung höre ich, wie aus der hinteren Ecke des Zuschauerraums jemand halblaute Kommentare abgibt. Erfahre in der Pause, es könnte ein Nazi sein, aber aus Angst wagt keiner, ihn rauszuwerfen. Schaue ihn mir in der Pause vor der Tür an, wie er Zehntel-Witze macht und nebenbei fallenlässt, er habe gerade drei Männer zusammengeschlagen. Außerdem berichtet er glaubwürdig, in der Fremdenlegion gewesen zu sein. Bevor man die Polizei ruft, müsste man ihn selber bitten zu gehen. Keiner traut sich. Ich auch nicht.
Denke, wenn wir weiterlesen, lernt er vielleicht sogar noch etwas. Im schlimmsten Fall machen wir eben noch eine zweite Pause. Ich bin mit der Anmoderation nicht mal fertig, da ruft er wieder rein. Ich bitte, all jene zu applaudieren, die diesen Gag lustig fanden. Niemand klatscht. Ich schweige und lasse die Stimmung in den Keller sinken. Mache zwischen meinen wenigen Sätzen enorme Pausen. Es funktioniert: Er zieht gelangweilt ab.

Nahe und ferne Assoziationen

„Auch konventionelle Assoziationen reißen uns nicht vom Hocker – auch wenn Keith Johnstone immer wieder predigt, man solle das Offensichtliche wählen. Wenn jemand beispielsweise auf das Stichwort ‚Werkzeug‘ antwortet ‚Hammer‘, werden wir (…) das Interesse verlieren. Wenn jemand dagegen ‚Schwingschleifer‘ sagt, merken wir auf, wundern uns und gewinnen Interesse an der Figur. (…) Ab einer gewissen Distanz vom Riezwort werden wir eine Assoziation als ‚verrückt‘ ansehen. Beispielswiese ist zwischen ‚Werkzeug‘ und ‚Bratwurst‘ kein Zusammenhang erkennbar. Die Assoziation ist damit ‚verrückt‘ und damit bedeutungslos.“ (Gunter Lösel: Theater ohne Absicht)
Dabei geht es natürlich nicht allein um freies Assoziieren, sondern darum, Szenen, Figuren usw. assoziativ weiterzuführen. Ich behaupte, je konkreter wir die Dinge erfassen, umso interessanter werden sie. Johnstone fordert natürlich „das Offensichtliche“, um zu verhindern, das vor allem Anfänger im Zwang, originell sei zu müssen steckenbleiben.
Sich aus der eigenen Erfahrung zu bedienen, um in Lösels Bild zu bleiben (sich den eigenen Werkzeugkoffer vorzustellen) macht die Szene plastischer als das billigste Klischee zu bedienen.
Frei zu spielen, heißt nicht doof zu bleiben.
Auf der anderen Seite lauert natürlich das ‚Verrückte‘, das man natürlich als Zuschauer in gewissem Maße noch erträgt, und zwar dann, wenn es nicht völlig beliebig wird, sondern sich aus dem Kontext heraus entwickelt. (Denken wir an McGyver oder Egon Olsen, denen vom kaputten Luftballon bis zur Büroklammer alles als Werkzeug diente.)

Einsatzfreude, Witz und Geist

Seltsam, wenn Akzeptieren, Figuren-Schaffen, formales Storytelling usw. funktionieren, aber man als Zuschauer sich dennoch langweilt. Ich glaube, wir sehen so etwas häufig bei „übertrainierten“ Gruppen und bei Impro-Spielern, deren Hauptfokus die Rolle ist. Die Show braucht aber ein zusätzliches Element: Kreatives Engagement. Es ist einerseits wichtig loszulassen, sich auf Impulse der anderen einzulassen, aber genauso wichtig ist es, bereit zu sein, sie kreativ zu verarbeiten. Billiges Gagging zu unterlassen heißt nicht, Humor sei verboten. Sich auf andere einzulassen, sich freizumachen, heißt nicht, doof zu spielen oder den Geist auszuschalten. Nutze deine Fähigkeiten, deinen Geist, deinen Witz.

langweilige Assoziationen

Einen berechtigten Einwand zu Johnstones Forderung, das Offensichtliche zu wählen, erhebt Gunter Lösel (Theater ohne Absicht): Immer das absolut naheliegende zu wählen, wird auf Dauer langweilig. Man möchte allerdings Johnstone zugute halten, dass es sich hier zunächst nur um eine Technik handelt, die zum Ziel hat, die Angst abzuschalten. Du brauchst weder perfekt noch originell zu sein: Sag das Einfache, das Naheliegende. Aber so wie die Angst vor der Unperfektion gibt es auch die Angst davor, für verrückt gehalten zu werden. (Wird ebenfalls von Johnstone beschrieben, Nachmanovitch nennt die Angst vor Geisteskrankheit eine der „five fears“, der fünf Ängste.)
Also muss auch das mutige Assoziieren, der weite Wurf trainiert werden. Es muss durchaus nicht alles sofort verständlich und nachvolliehbar sein. Aus der Perspektive des Storytelling macht ja erst die Besonderheit, das Merkwürdige die Geschichte erzählenswert (s. Goethe über die Novelle).
Allerdings, auch darauf weist Lösel hin, nerven „originelle Assoziationen“, d.h. wenn Originalität forciert wird. Es kommt also darauf an, das Verrückte zuzulassen, ohne es zu forcieren.

Freude und Arbeit

In dem Moment, wo das Geschehen auf der Bühne eher nach angestrengter Arbeit als nach Freude aussieht, langweilt es. Das bedeutet, man sollte sich nicht auf mehr als zwei Regeln gleichzeitig konzentrieren. Für alte Bühnenhasen bedeutet es: Entwickle ein Gespür dafür, wann etwas zur Routine wird. Egal ob lustiges Impro-Spielchen oder elaborierte Langform – für den Zuschauer ist es nur spannend, wenn es auch für den Spieler spannend ist.

Publikumsbindung

Wollte heute Abend zur Impro-Show der Gruppe „…“ gehen, und habe es dann doch nicht getan. Warum nicht? Dachte erst, wegen dem Regen. Aber in Wahrheit, weil ich nichts wirklich Neues erwartet habe.
Das also ist entscheidend, um Publikum dauerhaft zu binden: immer neu, immer frisch bleiben, selbst auf Entdeckungsreise gehen. Höre nicht auf die erhitzten Zuschauer, die dir sagen, wie witzig dieses oder jenes Game war. Ich komme nur dann wirklich wieder, wenn ich nicht gelangweilt werde. Die Spieler sollen etwas riskieren – in der Art wie sie spielen, Geschichten erzählen, wie sie auftreten usw.

Löcher

Oft stehen Spieler einfach nur auf der Bühne rum, verziehen sich an den hinteren oder seitlichen Rand der Bühne.
Als Improspieler brauchen wir jedoch permanente Spielbereitschaft. Das heißt:
– ständige Bereitschaft, auf die Bühne zu gehen
– Bereitschaft zu definieren, zu etablieren, zu behaupten
– Bereitschaft, das Spiel mitzuspielen
– Bereitschaft zu akzeptieren
Fehlt diese Spielbereitschaft entstehen „Löcher“. Als Zuschauer hat man das Gefühl, die Spieler wüssten nicht, was sie da tun. Im schlimmsten Fall kommunizieren die Spieler, dass es ihnen unangenehm ist, auf der Bühne zu stehen.

Es geht nicht darum, ob eine Szene langsam oder schnell gespielt wird. Man sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass langsame Szenen eine ganz besondere Portion der inneren Spannung brauchen, die sogenannte inner action (Viola Spolin). Auch wenn man gemeinsam den Ort, die Handlung, die Personen usw. definiert, muss dem Spiel selbst eine Kraft innewohnen, die kommuniziert, dass jeder weiß, was er tut.
– Klarheit der Gesten
– Klarheit der Handlungen
– und vor allem Kraft der Emotion

Die Bereitschaft, das Spiel des anderen mitzuspielen, führt im besten Falle zum kinetischen Tanz. Ein Spielzug ergibt automatisch den nächsten, eben so wie bei einem gemeinsamen Tanz.

Mitspielbereitschaft bedeutet nicht Lauerhaltung. Genau so, wie ich mitspiele, muss ich auch jederzeit bereit sein zu definieren, den ersten Satz zu sagen, das erste (vielleicht blinde) Angebot zu machen.

Je größer meine Mitspielbereitschaft ist, um so stärker bin ich mit meinem Focus am Spielgeschehen, und zwar auch als Spieler, der gerade nicht auf der Szene ist, so wie ein Basketballspieler, der jederzeit eingewechselt werden kann. Und in dieser Mitspielerhaltung, bin ich auch bereit, jedes Angebot zu akzeptieren, auf jedes in der Luft liegende Spiel einzusteigen usw.