Sieben Jahre Brain Pickings

Sieben Jahre Brainpickings Blog. Woher diese junge Frau die Zeit und die Kraft nimmt, soviel zu lesen und zu schreiben, und das neben einem Vollzeit-Job, ist mir unklar. Ihre sieben wichtigsten Lehre aus diesen sieben Jahren:

  1. Erlaube dir den Luxus, deine Meinung zu ändern.
  2. Tue nichts nur um des Geldes, des Status oder der Anerkennung willen.
  3. Sei großzügig.
  4. Schaffe dir Zonen der Ruhe.
  5. Wenn dir Leute sagen, wer du bist, glaube ihnen nicht.
  6. Präsenz ist eine komplizierter und lohnender als Effizienz.
  7. Alles Lohnende braucht seine Zeit.

Wie „leer“ soll man auf die Bühne gehen?

Soll man mit einer Intention auf die Bühne gehen? Mit einer Figur? Mit dem Ansatz einer Story? Mit einer Bewegung oder Handlung? Oder soll man sich völlig leeren?
Ein Improspieler, der mit einem unverrückbaren Plan die Bühne betritt, verrät letztlich die Improvisation. Abgesehen davon macht es auch nur wenig Spaß, mit so einem Improvisierer zu spielen, da er zu sehr an den eigenen Ideen festhängt.
Auf der anderen Seite sollte ein Spieler auch einen gewissen Schwung auf die Bühne bringen, statt ihn erst auf der Bühne zu finden. Zwar ist es in bestimmten Formen auch interessant zu sehen, wie ein Spieler aus dem völligen Nichts eine Bewegung kreiert, diese verstärkt und sich daraus ein Tanz oder eine Szene ergibt. Aber als generelle Haltung empfinde ich das doch etwas fad, vor allem, wenn wir uns inmitten einer Story befinden. Ein Spieler, der die Bühne betritt, ist eben auf der Bühne, in der Szene, inmitten des Geschehens.
Ich wurde diese Woche im Workshop gefragt, ob wir (von Foxy Freestyle) mit Intentionen auf die Bühne gehen. Meine Antwort: „Kommt drauf an.“ Ich finde es absolut legitim, mit einer Haltung, einer Emotion, einem Status die Bühne zu betreten, insbesondere, wenn bereits etwas etabliert ist. Die Frage, die ich mir offstage stelle, lautet: „Was fehlt? Was kann ich beisteuern?“
Ich kann dann z.B. in Kontrasten denken: Der langsamen Szene etwas flottes folgen lassen. Dem Tiefstatus-Spieler einen etwas höheren Status entgegensetzen. Eine zusätzliche emotionale Färbung beisteuern usw.
Oder ich denke im Sinne von Verstärkung: Den Schwung auf der Bühne ausnutzen und vorantreiben. Das Problem der Szene verschärfen. Das interne „Spiel“ der Szene vollenden usw.
Als Spieler, der die Szene beginnt, kann ich mir etwas kleines vorgeben: Eine emotionale Grundstimmung, eine Tier-Inspiration für meinen Character, ein kleines privates Game, das ich mit meinem Partner spiele, ohne dass er es weiß.
Und natürlich kann ich auch als bereits etablierter Character mit einer bestimmten Intention die Bühne betreten.
Der Witz ist nur – diese Intentionen dürfen nicht dazu führen, dass ich mich Neuem verschließe, dass sie mich davon abhalten, im Moment zu sein, zuzuhören, die Angebote des Mitspielers anzunehmen. Ich brauche innere Transparenz und Durchlässigkeit, sowie die Bereitschaft, meine Intentionen jederzeit für das zu opfern, was neu im Moment entsteht.

Scheitern

Keith Johnstone sagte einmal sinngemäß, wenn eine Improgruppe nicht wenigstens in zehn Prozent ihrer Shows scheitert, hat sie ein echtes Problem. Man kann ihm insofern zustimmen, als dass es ein Zeichen von Stagnation sein kann, wenn alles zu glatt läuft. Die Gruppe arbeitet dann womöglich nicht am oberen Ende ihre Könnens. Als ich vor ein paar Jahren die legendären Crumbs scheitern sah (sie versemmelten nicht die gesamte Show, sondern nur eine Szene), war ich beinahe froh, sie quasi auch nur mit Wasser kochen zu sehen. Man verstehe mich nicht falsch: Ich fühlte keine Schadenfreude, sondern es war wie ein kalter Wasserguss, zu erleben, dass die beiden Impro-Füchse nicht auf Sicherheit spielen, sondern sich auch mal konzeptionell verrennen. Wie sehr müssen sich Improvisierer langweilen (oder vor Neuem fürchten!), wenn sie Woche für Woche über Jahre hinweg immer wieder dieselbe gut funktionierende Show erfolgreich aufführen.
Vielleicht aber sollten wir das Scheitern mal genauer betrachten. Es ist ja nicht gemeint, dass man bewusst scheitern soll oder bewusst schlecht spielen, wie um zu „beweisen“, dass man improvisiert. Scheitern in Kauf zu nehmen bedeutet, die Improvisation ernst zu nehmen, Risiken einzugehen:
Anspruchsvolle Lyrik zu improvisieren.
In einem großen Ensemble Storys mit mehreren Ebenen zu erfinden.
mehrstimmig den gleichen Text improvisierend zu singen.
Einen wagemutigen Improvisierer können wir uns vorstellen wie einen Jongleur, der noch einen zusätzlichen Ball wirft, im Wissen, dass die Gefahr zu droppen erhöht wird. Die Kunst besteht darin, die Grenze zu finden und immer wieder neu auszuloten. Um im Bild zu bleiben: Wenn ich nicht in der Lage bin, drei Bälle in der Luft zu halten, ist es einfach dämlich mit fünfen zu beginnen.

Wann ist eine Show gescheitert? Das zu beantworten, mag schwierig sein: Als Daumenregel kann man sich fragen:
Hat die Show mir gefallen?
Hat die Show meinen Mitspielern gefallen?
Hat die Show dem Publikum gefallen?
1. Wenn die Show sowohl dir als auch deinen Mitspielern gefallen hat, dem Publikum aber nicht, müsst ihr nicht unbedingt in Panik verfallen. Ihr seid in dem Punkt gescheitert, zu kommunizieren, was ihr auf der Bühne zu sagen habt. Wahrscheinlich seid ihr gerade auf dem Wege der künstlerischen Weiterentwicklung. Euer Konzept ist vielleicht noch nicht ausgereift genug, dass die Zuschauer es wirklich goutieren können. Geduld ist gefragt. Oft genügt ein Drehen an dem einen oder anderen Schräubchen.
2. Wenn die Show nur dir oder nur dir und dem Publikum gefallen hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du in die Ego-Falle getappt bist. Entweder die Show ist deine Kopfgeburt oder du hast dich auf Kosten der Mitspieler profiliert. Höre genau auf das Feedback deiner Mitspieler.
3. Wenn die Show nur dir missfallen hat, dann könnte es sein, dass du heute auf einem Negativ-Trip unterwegs bist. Das Scheitern wird von dir größer wahrgenommen als es eigentlich ist.
4. Wenn es allen gefallen hat oder wenn es allen missfallen hat, dann habt ihr kein Problem. „Was? Wieso haben wir kein Problem, wenn alle die Show furchtbar finden?“ „Weil ihr nach wie vor dasselbe wollt. Ihr seid zwar gescheitert, aber eure Reise geht in dieselbe Richtung. Und wahrscheinlich bleibt euch euer Publikum treu, wenn ihr es nicht gerade über Monate hinweg enttäuscht.“)

Problematisch wird es, wenn die Wahrnehmung der Mitspieler untereinander auf Dauer dissonant bleibt. Die einen fanden es großartig, die anderen wollen etwas anderes und spielen nur widerwillig mit. Bevor das sich als Muster verfestigt, solltet ihr miteinander reden.

Ergänzung 2019: Diese Gedanken wurden später noch ausgeführt in Dan Richter: „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management“

Ricky Gervais about his greatest artistic influence

„Making ordinary extraordinary is so much better than starting with the extraordinary, because it doesn’t really connect. … You watch those shows, and it washes over, you don’t think about it the next day. Whereas, if something is real for one person, it’s touched their life… As a dcreator or director it’s your job to make an audience as excited and fascinated about a subject as you are. And real life does that.“ (Ricky Gervais)

Geld und Kunst

Elizabeth Hydes Stevens zum Verhältnis von Geld und Kunst:
„Der Tanz braucht sowohl Geld als auch Kunst, aber nicht zur gleichen Zeit. Auf der ersten Ebene ist das Wichtigste, dass sich der Künstler eine Sphäre für seine Begabung sichert, in der die Kunst geschaffen werden kann. Aus dieser Sphäre muss Geld ferngehalten werden. Aber auf den nächsten zwei Ebenen können sie tanzen. Ich sehe es so, dass [Lewis] Hydes Tanzschritte ungefähr so gehen:
1. Mach Kunst.
2. Lasse die Kunst Geld machen.
3. Lasse Geld Kunst machen.“

Ausführlicher dazu in Maria Popovas Blog

Gunter Lösel zum Prozess der Konstruktion

Gunter Lösel in seinem lesenswerten neuen Buch „Das Spiel mit dem Chaos. Zur Performativität des Improvisationstheaters
„Der Prozess der Konstruktion wird (…) selbst zu einem Wahrnehmungsgegenstand der Improvisationsaufführung und tritt mindestens gleichwertig neben die Fiktion, sodass der Zuschauer jedes Element der Aufführung gleichzeitig innerhalb von zwei Rahmungen wahrnehmen kann, erstens als Element der Fiktion, zweitens als Element des Konstruktionsspiels Improvisation:

(…) Der Prozess der kollaborativen Konstruktion zur Hervorbringung einer Fiktion wird nicht verborgen, sondern sichtbar gemacht. (…) Wo die Fiktion zu glatt wird, verändert sich die Wahrnehmung des Zuschauers, und er nimmt die Aufführung nicht mehr als improvisiert wahr, weil er das zweite Wahrnehmungsobjekt, den Prozess der Konstruktion aus der Aufmerksamkeit verliert.“ (Kursiv im Original)
Ein interessantes Thema. Ich habe hier auch schon vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass einige Games so gespielt werden sollten, dass man wirklich an die Grenze des Machbaren geht. Und wenn z.B. eine ABC-Geschichte zu gut gespielt wird, verliert sie vollkommen ihren Reiz. Andererseits habe ich durchaus „glatte“ Langform-Fiktionen erlebt, ohne dass irgendwer den Prozess des Erschaffens aus den Augen verloren hätte. Denn diese Ebene kann eigentlich gar nicht im Improtheater verlorengehen. Zu sehr ist der Spieler auf den anderen angewiesen, zu sehr ist dem Zuschauer (selbst bei Solo-Improvisationen) der Flow klar, in dem sich der Spieler bewegt, gerade wenn es gut läuft. Dazu trägt natürlich auch andere Faktoren bei, z.B. der Live-Charakter (deshalb funktionieren ja Videoaufnahmen von Impro-Shows oft nur wie ein müder Abklatsch), das Zurechtkommenmüssen mit dem Fehlen von Requisiten, usw.

Filmische Mittel ernstnehmen und persiflieren oder weglassen?

Bekanntlich sind Filmgenres ein beliebtes Format im Improtheater. Das Problem, das sich dabei offensichtlich stellt: Wir sind nun mal auf der Bühne und können viele Möglichkeiten der Kamera, des Casts, Equipment der Spezialeffekte usw. nicht nutzen. Wie geht man damit um?
Einiges lässt sich ja praktisch in die Pantomime einbetten (z.B. in ein Auto steigen).
Aber soll man auf die anderen Effekte völlig verzichten? Nehmen wir z.B. die Nahaufnahme. Wie Improspieler dies auf die Bühne bringen (mit den Armen die Leinwand oder den Fernseher um das Gesicht des Darstellers andeuten), ist selber zum Impro-Klischee geronnen und nichts weiter als ein kleiner Lacher, der ja auch nichts bringt – als Zuschauer sehen wir durch dieses kleine Gimmick auch nicht mehr, und für die Story hat es auch keinen Effekt. Andererseits bieten Landschaftsaufnahmen, Massenszenen u.a. die Möglichkeit, durch körperliche Phantasie Neues zu schaffen. Ich denke, wenn man sich eines Filmgenres annimmt, sollte man sich ruhig auch die Zeit nehmen, die filmischen Mittel zu durchdenken und gegebenenfalls einiges bewusst fallenlassen oder bühnenadäquate Umsetzungen finden, die dem Zuschauer auch wirklich etwas bringen.
Ich bin mir in dieser Frage noch nicht sicher und freue mich über Kommentare und Widerspruch.

Horror-Genre-Klischees

Hübsche Top Ten Liste der Horror-Klischees. Teilweise sind es gar nicht mal Klischees, sondern notwendige Eigenschaften des Genres (z.B. die Isolation des bedrohten Ortes). Wer den Clip nicht ganz sehen will und wem die deutsche Zusammenfassung reicht, bitte nach unten rollen.

10. Nacktheit und Sex = Tod.
9. Der Schwarze stirbt immer (und sogar mit größerer Sicherheit als die Blondine).
8. Vorm Tod verstecken
7. Zwei linke Füße. (Die Flüchtenden fallen andauernd hin.)
6. Nur Messer. (Keine Schusswaffen)
5. Die Polizei ist unbeholfen.
4. Falscher Schrecken. (Vor allem im ersten Teil des Films erschrickt man sich wegen Banalitäten.
3. Irgendwo im Nirgendwo. (Mit der Ausnahme von Zombie-Filmen)
2. „Wir sollten uns hier trennen.“
1. Er stirbt einfach nicht.… Weiterlesen

Ernest Hemingway – Omitting / Weglassen

„If a writer of prose knows enough of what he is writing about he may omit things that he knows and the reader, if the writer is writing truly enough, will have a feeling of those things as strongly as though the writer had stated them. The dignity of movement of an ice-berg is due to only one-eighth of it being above water. A writer who omits things because he does not know them only makes hollow places in his writing.“ „Wenn ein Prosaschriftsteller genug davon versteht, worüber er schreibt, so soll er aussparen, was ihm klar ist. Wenn der Schriftsteller nur aufrichtig genug schreibt, wird der Leser das Ausgelassene genauso stark empfinden, als hätte der Autor es zu Papier gebracht. Ein Eisberg bewegt sich darum so anmutig, da sich nur ein Achtel von ihm über Wasser befindet.“

Customary motifs and themes in Hitchcock’s films – Happy birthday, Alfred

Taken from The Guardian’s infographic on today’s 114th birthday.

1) Hero is a middle-class Everyman.2) Somebody gets murdered.
3) Hero is wrongly suspected of crime.
4) Double chase (e.g. police chases hero, hero chases villain).
5) Villain is charming and initially trusted.
6) There are sinister henchmen (or henchwomen).
7) The heroine believes in the hero’s innocence.
8) There is a staircase.
9) There is a journey by train.
10) There is a hotel, boarding house or cruise ship.
11) There is a scene in a theatre, cinema, concert hall.
12) Priest, nun or religious character.
13) Perversity, voyeurism or fetishism.
14) Villain caught or dies, happy ending, hero and heroine together.

According to this list, „Birds“ is the most atypical Hitchcock film.

1) Der Held ist ein Jedermann aus der Mittelklasse.
2) Jemand wird umgebracht.
3) Der Held wird fälschlicherweise eines Verbrechens verdächtigt.
4) Doppeljagd (z.B. Polizei jagt Held, Held jagt Schurken).
5) Der Schurke ist charmant und man vertraut ihm zunächst.
6) Es gibt düstere Handlanger.
7) Die Heldin glaubt an die Unschuld des Helden.
8) Es gibt eine Treppe.
9) Es gibt eine Zugreise.
10) Es gibt ein Hotel, eine Pension oder ein Kreuzfahrtschiff.
11) Eine Szene spielt im Theater, im Kino oder im Konzertsaal.
12) Es gibt einen Priester, eine Nonne oder eine religiöse Figur.
13) Perversion, Voyeurismus oder Fetischismus kommen vor.
14) Der Schurke stirbt, Happy End, Held und Heldin kommen zusammen.

Nach dieser Liste wäre „Die Vögel“ der atypischste Hitchcock-Film.

Billy Wilder: Der Schluss / The Ending

„Zufälle darf es nur am Anfang einer Geschichte geben. Im dritten Akt haben Zufälle nichts mehr zu suchen.“
„Der dritte Akt muss Tempo aufbauen, steigern, weiter steigern, bis zum letzten Knaller. Und dann – das war’s. Häng‘ nicht länger rum.“
„The third act must build, build, build in tempo and action until the last event, and then — that’s it. Don’t hang around.“ (Billy Wilder)

Kotzen

„Keine Szenen übers Kotzen spielen“ – dieses Johnstone-Gebot hatte sich dermaßen in meinem Hinterkopf eingebrannt (und tatsächlich sieht man selten eine gute Szene, in der gekotzt wird), dass ich wohl noch nie in einer Impro-Aufführung gekotzt habe. Am letzten Freitag dann als Nebenfigur eine kotzende Partyleiche gespielt. Fast hatte der Tabu-Bruch etwas erlösendes. (Dabei hat man ja als Spieler sonst kaum Probleme, Mörder zu spielen.)
Dann noch mal über Johnstone nachgedacht: Es war ja keine Szene übers Kotzen, sondern das Kotzen war nur ein nebensächliches Element, dem nicht einmal viel Bedeutung zukam.
Knack deine Tabus!

„Durchgedreht“

Der ca. sechste Versuch, Improtheater ins Fernsehen zu bringen, ist wieder einmal völlig misslungen. Dafür können wir fünf Gründe nennen:

  1. Jörg Tadeusz als Moderator ist eine intellektuelle und geschmackliche Zumutung. In keinem Augenblick interessiert er sich für das, was er macht, worüber er spricht oder mit wem er spricht. Das gilt für „Die Profis“ auf Radio Eins, seine Talkshow, den von ihm moderierten Poetry Slam, und es wäre ein Wunder, wenn er sich nur ein bisschen mehr als absolut notwendig mit Improtheater beschäftigt hätte. Das Schlimmste aber: Tadeusz hat keinen Humor. Lasst ihn meinetwegen Schlager-Wunschsendungen moderieren.
  2. Die Sendung wird in Köln produziert. Das ist schon fast eine Garantie für billigsten Ich-setze-mir-eine-Perücke-auf-und-dann-lacht-das-Publikum-schon-Humor.
  3. „Durchgedreht“ versucht, Improtheater einen politischen Dreh zu geben. Das ist an sich löblich, da gerade diese Kombi hierzulande fehlt. Nun könnte man die Möglichkeit des Improtheater nutzen, wirklich tagesaktuell auf die Themen einzugehen und der Sache wirklich Biss zu geben. Stattdessen Genre-Replay-Softporno zwischen Obama und Merkel. Bruhaha.
  4. Die Schauspieler. Man setzt auf Parodisten und den allgegenwärtigen Hoecker. Was es bräuchte: Intelligente, humorvolle, schlagfertige Schauspieler.
  5. Und überhaupt!

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Melanie – Format

Habe bisher das schöne Format „Melanie“ noch nicht auf einer deutschen Impro-Seite gefunden. Deshalb also hier:
Die Grundlage von Melanie funktioniert wie ein freier Harold, also eine Collage aus Szenen, Songs, Games usw. zu einem Begriff. Ein Spieler ist „Melanie“. Melanie hält Monologe, und kann in Szenen eingreifen oder sie beenden. Im besten Fall tut sie das stilvoll, also nicht als Regisseur, sondern sie ähnelt eher einem Engel. Sie kann Charaktere oder Szenen kommentieren (verbal oder besser noch: physisch). Und: Sie wird von den anderen Spielern nie angespielt oder kommentiert.

Das Format entstand angeblich in Chicago in Zusammenarbeit von Del Close mit einer speziellen Spielerin namens Melanie, für die der Harold auf diese Weise abgewandelt wurde.

Und ist das alles improvisiert?

Die Frage, ob auch wirklich alles improvisiert ist oder ob es nicht doch heimliche Plot- oder gar Text-Absprachen gibt, wird wohl nie verschwinden. Ich finde es auch nicht schlimm, wenn die Frage in aller Unschuld nach einer Show gestellt wird. Aber es gibt eben auch die ewig skeptischen Zuschauer, die während der ganzen Show nach „dem Trick“ suchen. Oder Zuschauer, die einem einfach nicht glauben. Vor einem Monat spielten wir ein komplett improvisiertes zweistündiges Stück im Stil von Tennessee Williams. Einziger Ausgangspunkt war der vom Publikum vorgeschlagene Titel. Vier Tage später die Internet-Rezension: Das Stück sei überzeugend vorgetragen worden. Aber „zu Beginn der Aufführung sollten die Zuschauer den Namen des Stückes bestimmen. Das war es dann auch mit dem Improvisationstheater.“ Denn wenn das alles improvisiert sein sollte, dann hätten ja die Spieler genial sein müssen.
So geschmeichelt man sich dabei auch fühlen mag, es ist doch erstaunlich, dass diese Art von Zuschauern es der Show nicht gönnen können, „genial“ zu sein. Und sich selbst den Genuss nicht gönnen, etwas Großartigem beizuwohnen.
Aber wir sollten nicht in de Falle tappen, den Zuschauern durch Extra-Gimmicks „beweisen“ zu wollen, dass alles improvisiert ist; denn erstens verwässert man dann die eigene Show für sich und die Mehrheit der Zuschauer und zweitens, das zeigt die Erfahrung, werden die Skeptiker stets Skeptiker bleiben.

Pantomime im Improtheater

Gute Impro-Schauspieler haben auch immer eine gewisse pantomimische Kraft. Andererseits unterscheidet sich die Pantomime, die wir auf der Impro-Bühne brauchen doch von der clownesken Form, die sich im 20. Jahrhundert etabliert hat. Jeder hat den prototypischen wandabtastenden, auf dem Boden gleitenden Clown vor Augen, der mit dem Einsatz des gesamten Körpers imaginäre Türen öffnet, Ballons aufbläst und Rosen pflückt. Dieser Stil ist für unsere Zwecke einen Tick zu groß. Er thematisiert das Mimen zu sehr. Die Präsentation des physischen Darstellens ist ja bei uns meist nur ein Aspekt unter vielen. Da wir aber auch körperlich deutlich machen müssen, was wir tun, ohne es zu benennen, (Türen öffnen, Gegenstände tragen, Kleidung aus- und anziehen usw.) gehen wir einen Mittelweg zwischen dem Großmachen des Marcel-Marceau-Stils und dem theatralen Minimalismus, der keine Pantomime braucht, weil sämtliche Requisiten vorhanden sind.

Think inside the box

„Everybody says: ‚Think outside the box‘. If you think outside the box, other improvisers can’t work with you. So I teach people to think inside the box, that we can work with them. But the fashion goes otherwise nowadays.“


Die Frage ist natürlich, ob meine Box und deine Box dasselbe sind. Meine Offensichtlichkeit verträgt sich vielleicht nicht mit deiner und umgekehrt. Das heißt, dann ist wieder radikales Akzeptieren gefragt. Aber natürlich hat Johnstone hier Recht: Originell sein wollen, witzig oder geistreich erscheinen wollen wegen der Bewunderung oder des schnellen Lachers sind der Tod der Szene.… Weiterlesen

Interview Keith Johnstone

„Often the improvisers only know how to accept ideas. That’s not good enough. You have to know what the other person wants. You have to be good at giving them what they want, because if you do it’s the same with the audience.“
„If you do short term improvisation, and if the third or fourth scene isn’t a disaster, you’re in trouble, because the audience starts looking at it like show business and they expect it getting better and better. Biut it’s not like that. You’re performing risky actions in search for a miracle. You don’t get miracles if it’s all safe. (…) Show business covers all the tracks, it hides the faults.“
„In a really good game the best improvisers sometimes lose. And then it’s unpredictable, it’s fun to see it.“
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Some questions – Ein paar Fragen

Why do improv shows have to be emceed?
Why do impro pros follow sheepishly a storytelling fetishism? [edit: This is not about games vs. storytelling but about narrative vs. anti-narrative. Modern theater has developed non-narrative forms of performance. Improv players don’t seem to watch these kind of shows.]
Why is everybody talking about some great mask workshops but hardly anybody ever performs improv shows with masks?
Why are you walking the old paths?

– Wieso sollen Impro-Shows anmoderiert werden?
– Weshalb folgen die meisten Profis dem Storytelling-Fetischismus?
– Wieso schwärmen immer wieder Impro-Spieler von Masken-Workshops, aber man sieht nie Masken-Shows?
– Warum gehen die meisten Ensembles doch die Pfade, die andere für sie ausgetreten haben?
(Fragen, die in mir entstanden, nachdem ich den Film „AG Geige – ein Amateurfilm“ sah.)

Das Kleine Zuhören und das Große Zuhören

Wir können ganz allgemein zwischen dem Kleinen Zuhören und dem Großen Zuhören unterscheiden. Das Kleine Zuhören bezieht sich dabei eher auf den Moment, die unmittelbare Szene, das Große Zuhören eher auf die Gesamt-Story.
Die üblichen Impro-Games befassen sich vor allem mit dem Kleinen Zuhören, da es die Voraussetzung für das Akzeptieren ist: Was wird gesagt? Welche emotionale Bedeutung hat das Gesagte? Welches Timing wird angeboten? usw.
Für Storys brauchen wir aber auch das Große Zuhören: Welches Angebot ist das Story-Angebot? Wohin geht der Schwung der Story bzw. (in den Worten von Dixon) was ist das „Versprechen“ der Geschichte?
Die Schwierigkeit besteht natürlich darin, beides gleichzeitig zu tun. Das Große Zuhören darf uns nicht von der authentischen Reaktion des Moments ablenken. Das Kleine Zuhören darf uns nicht davon abhalten, das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren.