Monty Python Trash

Carol Hazenfield meint, um schön zu improvisieren, müsse jeder Spieler sein “Glänzendes Ding” (Shiny Thing) finden. Etwas, das ihn erstrahlen lässt, dass das Improvisieren leicht und beglückend erscheinen lässt.
Oft finden wir das in einem Spiel im Spiel.
Ein beeindruckendes Beispiel, um in diese Stimmung zu kommen, wäre das “Monty-Python-Spiel”. Hier die von mir etwas gekürzten Regeln:

  • Jede Figur hat ein Ziel, das sie kompromisslos verfolgt.
  • Jeder reagiert auf jedes Angebot.
  • Extreme Gefühle sind der Regelfall.
  • Man darf nicht nur unterbrechen, sondern soll es sogar.
  • Ort und Zeit sind relativ, ihre Logik muss nicht beachtet werden.

Vor allem bei Spielern, die zu Vorsicht und Nachdenken neigen, lohnt dieses Spiel.

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Negative Verstärkung als Methode

Die hier schon mehrfach erwähnte negative Verstärkung im Unterricht, die vor allem Johnstone benutzt, arbeitet ja mit der Grundannahme, dass es eigentlich keine Fehler gibt, solange ir sie nicht als Fehler markieren.
Auf diese Weise zu unterrichten, verläuft allerdings auch gegen den Impuls des Lehrers, der am liebsten alles gleich “richtig” haben möchte. Während ich früher öfter unterbrach, um die Schüler nicht ins offene Messer laufen zu lassen (wie ich damals verdorbene Szenen sah), um die Frustration zu reduzieren, so gebe ich heute häufiger die Anweisungen der Verstärkung von Verhaltensweisen, z.B. physischen Angewohnheiten, andauerndes Fragen, Blockaden, leisem Sprechen usw., damit man sich des jeweiligen Mittels bewusst ist, um mit spielen zu können.

Interview mit Janis Joplin

Auf die Frage, was sie anders mache als andere Sängerin antwortet Janis Joplin.
“Ich weiß auch nicht, ich habe mich immer gewundert, weil es für mich so natürlich scheint. Ich weiß nicht, vielleicht gilt es nicht als weiblich, aus sich herauszugehen, in die Musik bis zum Grund einzutauchen, anstatt auf der Oberfläche herumzugleiten, was die meisten Mädchen machen. Uhuhuhu – an der Oberfläche er Melodie, anstatt in das Gefühl der Musik zu gehen.”
“Es geht um eine Haltung, mit der man alles angehen kann (nicht nur Gesang). Das bedeutet, unter die Oberfläche zu gehen – den Rhythmus, die Bewegung zu entdecken, anstatt es nur zu zu berühren oder zu beobachten.”

Auf die Frage, ob man als erfolgreiche Sängerin überhaupt den Blues singen könne:
“Playing isn’t necessarily about misery. Playing isn’t necessarily about happiness, but it’s just about letting yourself feel all those things that you have already on the inside of you. But you all the time push them aside, because they don’t make for a polite conversation. That’s the only reason I can sing, because I just close my eyes and let all the things that are inside come out.”

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Verzweiflung als notwendige Vorstufe zur Ergebenheit

Stephen Nachmanovitch beschreibt in Das Tao der Kreativität (Free Play) die Notwendigkeit der Ergebenheit, um innere Transparenz zu schaffen, den Fluss zu ermöglichen. Dies kann auch durch totale Verzweiflung geschehen.
Mit Andrés Atala Quezada diskutieren wir die Frage, ob man denn durch diese Verzweiflung immer wieder gehen muss, um zu wirklicher Ergebenheit zu gelangen. Oder ob man irgendwann auch seine Lektion gelernt haben kann und erkennt, dass Verzweiflung nicht nötig ist, wenn ich weiß, dass ich ohnehin früher oder später an mein Ziel komme, innere Gelassenheit und Humor mich also auch dahin führen.

Erfreuliche Improvisation

Ich glaube, ein großer Teil der Freude, die wir aus Improvisation und besonders aus improvisiertem Theater ziehen, liegt in der Bewunderung für mutige Entscheidungen, die einen in unerwartete und ungewöhnliche Situationen bringen.
Deshalb ist es auch oft schöner, einer unbefangenen Anfängertruppe zuzuschauen als einem fortgeschrittenen Ensemble, das nur dabei ist, alles “richtig” machen zu wollen.
Das ist natürlich kein Plädoyer gegen das Lernen, sondern dafür, das Lernen und die weitere künstlerische und improvisatorische Entwicklung spielerisch zu gestalten.

Regeln und Freiheit

Etwas Grundsätzliches zum Lernen und Unterrichten. Impro-Unterricht sollte immer davon geprägt sein, Freiheiten zu eröffnen, statt zu verschließen. Um dies zu erreichen, kann es durchaus mal notwendig sein, bestimmte Dinge zu “verbieten”, wie z.B. in den gewöhnlichen Impro-Games eine bestimmte Regel aufgestellt wird, die bestimmte Züge gebietet und andere “verbietet”.
Manche Schüler denken, man wolle sie einengen. Z.B. wenn ich sie dazu auffordere, sich nicht körperlich selbst zu fesseln, sondern locker da zu stehen. Oder wenn man Schüler auffordert, auf den Mitspieler zu hören, anstatt einfach drauflos zu quatschen. Der springende Punkt ist in diesem Beispiel, dass die Information, die ich vom anderen bekomme, mich mehr bereichert und überrascht, als es mein eigenes Gerede tun könnte.
Aber auch Lehrer sind nicht frei von diesem Regelfetischismus, wenn sie z.B. glauben, eine Story könne nur auf eine bestimmte Art und Weise erzählt werden, ein Musical müsse auf eine bestimmte Art erzählt werden oder Schauspiel müsse auf eine bestimmte Art geschehen.
Sowohl Lehrer als auch Schüler sollten sich immer wieder neu befreien.

Freiheit

Es gibt ein paar wenige Menschen, die mir das seltene Gefühl überbordender endloser Freiheit vermittelt haben:

  • Ralf Petry
  • Aljoscha, Flake, Paul von Feeling B.
  • Erich Siebenschuh
  • Ahne
  • Leon Düvel
  • Michael Stein
  • Stephen Nachmanovitch

Menschen, die in einer Weise offen waren (oder zumindest diese Offenheit ausstrahlten), dass ich versuchte, soviel davon zu trinken wie möglich.

Ideen

Ideen sollte man wohl so behandeln wie ein meditierender Zen-Buddhist seine Gedanken: Achtsam beobachtend, ohne sich an sie zu klammern. Völlig “leer”, quasi geistlos auf die Bühne oder gar in eine laufende Szene zu gehen, hilft ja auch nichts. Sei bereit, einen Gedanken umzusetzen, ihn aber jederzeit fallenzulassen.

Auffassungen von Improvisation

Die meisten Improvisationsspieler scheinen der Auffassung zu sein, man müsse genügend Techniken, Schemata und Formeln lernen oder sich Listen zulegen, um immer besser spielen zu können. Man habe dann einen großen Sack an Erfahrungen und Möglichkeiten, aus dem man sich bedienen könne.
Ich sehe das anders: Natürlich benötigt man Techniken, das sind in unserem Falle vor allem Schauspiel- und Bühnentechniken. Improvisation hingegen ist kein Regelset: Es geht vielmehr darum, die inneren Schranken und Blockierungen zu überwinden und den Geist des freien Spiels freizusetzen. Das bedarf einer offenen und subtilen Geisteshaltung. Die in der Improvisation gelehrten “Regeln” (Akzeptieren, Zuhören, Beteiligung usw.) sind eher Hilfestellungen, um diese Freiheit zu erreichen.
Um diese These zu prüfen möge man sich an talentierte Anfänger erinnern, die zwar stellenweise etwas grobschlächtig oder ungelenk spielen, die aber eine Freiheit ausstrahlen, die einen einfach mitreißt.

Akzeptieren

Akzeptieren können wir einerseits als Technik begreifen, andererseits aber auch als grundlegendes Prinzip der Improvisation.
Johnstone beschreibt vor allem den technischen Aspekt: Indem wir vor allem auf Sinn-Gehalte eingehen, treiben wir die Geschichte voran. Wir verlassen uns psychologisch auf den Strom der Gedanken und Ideen, der durch uns fließt, ohne an einer einzelnen Idee festzuhalten. Dies betrifft nicht nur die Improvisation mit Partner, sondern auch die Solo-Improvisation, z.B. beim Musizieren oder Schreiben.
Wenn wir Improvisation von einer Ebene darüber betrachten, geht es um Akzeptieren des Spiels. Das heißt, ich muss zunächst erkennen, worin das Spiel liegt. Beispielsweise hat Johnstone das Spiel “Beide blockieren” erfunden, welches recht unterhaltsam sein kann, wenn die Spieler das Spiel akzeptieren und sich entsprechend einbringen. Akzeptieren als Prinzip verlangt einen weiten Blick, ein Gespür für Spiele (i.S.v. “Game”) aller Art. Liegt ein verbales Spiel in der Luft, eine emotionale Achterbahn oder ein langer Erzählbogen.
Um Akzeptieren als Prinzip in uns aufzunehmen, brauchen wir Offenheit und ein Gefühl für Muster. Um Akzeptieren als Technik zu verinnerlichen, müssen wir uns von unserer Angst lösen.

Schaffens-Blockaden

Sowohl zu wenig als auch zu viel Auseinandersetzung mit der Materie kann zu Blockaden führen.
Zu wenig? Man muss im Schreibfluss bleiben, um den Geist wachzuhalten, das Schaffen nicht abreißen zu lassen usw. Man muss die Spielroutine am Laufen halten, um nicht zu erlahmen. Zu viel? Wenn ich wieder und wieder an der selben Stelle arbeite, verliert meine Arbeit ihre Effizienz und ihre Frische. “La siesta, mindfully employed and gainfully enjoyed, can be a powerful instrument of spiritual awakening. Perhaps the most radical sociopolitical invention oft the past four thousand years was the sabbath.” (Stephen Nachmaovitch: Free Play. Improvisation in Life and Art
Gerade für uns Freischaffende ist es so schwierig, sich wirklich freie Tage zu reservieren, an denen man nicht mit Schreiben, Organisieren usw. beschäftigt ist, sondern bewusst (und ohne schlechtem Gewissen!) ruht. Wenn man es aber tut, dann ist der Schaffensdrang danach um so größer.