Keith Richards’ LIFE (6)

“Ein aufgeblähtes Ego innerhalb einer Band ist immer ein Problem, vor allem wenn sie schon so lange zusammen ist und eine geschlossene Einheit bildet. Eine Band ist angewiesen auf eine gewisse Integrität, zumindest unter ihren Mitgliedern. Die Band ist ein Team. Alle Entscheidungen müssen zusammen getroffen werden. […]
Mick hatte große Pläne. Wie alle Leadsänger. Das ist eine allgemein bekannte Krankheit, genannt LVS, Lead Vocailst Syndrome. […]
Kombiniert man LVS mit jahrelangem Dauerbombardement an Schmeicheleien, kann es passieren, dass die betreffende Person anfängt zu glauben, was ihr erzählt wird. […] Du vergisst, dass Schmeicheleien zum Job gehören.[…] In dieser Beziehung bin ich eisern. Das wird mir nie passieren.
Mick hat angefangen, seinem eigenen Talent zu misstrauen – ironischerweise scheint das die Wurzel jeder Selbstüberhöhung zu sein. In den Sechzigern war Mick unglaublich charmant und humorvoll. Es war ein elektrisierender Anblick, wie er auf diesen kleinen Bühnen sang und tanzte. […] Er dachte nie darüber nach. Seine Performance war aufregend und trotzdem wirkte sie völlig unangestrengt. […]
Er vergaß, dass ursprünglich er es war, der über Jahre die Trends setzte. […] Wir merken sofort, wenn er unecht wird. Scheiße, Charlie und ich haben diesen Arsch jetzt seit über vierzig Jahren vor Augen. Wir wissen, wann er den Arsch nach Tanzlehrerorder wackelt.” (S. 599-601)

Notizen aus Keith Richards’ LIFE (5)

“Beim Komponieren benutzten wir eine Methode, die wir “Vowel Movement” nannten – sehr wichtig für Songwriter. Die Suche nach dem Wort mit dem passenden Klang. Oft ahnt man noch nicht, welches Wort an welche Stelle kommt, aber man weiß, dass es einen bestimmten Vokal mit dem passenden Klang enthalten muss. Du schreibst etwas, das auf dem Papier gut aussieht, aber es hat noch nicht den richtigen Klang. Dann fängst du an, um die Vokale herum die richtigen Konsonanten zusammenzubasteln. Es gibt die richtige Stelle für ein ooh und die passende Stelle für ein daah. Wenn du das verhunzt, dann klingt es beschissen.” (S. 355)

“Wie alle meine Songs betrachtete ich auch diesen nicht als meine Schöpfung. Ich habe nur eine verdammt gute Antenne dafür, durch den Raum schwirrende Songs aufzuschnappen.” (S. 355-6) (Über “You Got The Silver”, das er auch alleine sang.)

Über “Wild Horses”:
“Du stellst dir also ein paar wilde Pferde vor. Was kommt danach? Keine Frage: “couldn’t drag me away”. Das ist das Tolle am Songwriting – es geht nicht um Intellekt. Vielleicht musst du hier und da das Hirn einschalten, aber im Wesentlichen musst du den Moment einfangen.” (S. 368)

“Warum setzt man sich hin und schreibt einen Song? Vielleicht weil man wachsen will, in das Herz eines anderen Menschen hinein. Weil man sich dort einnisten will oder zumindest eine Reaktion hervorrufen, eine Resonanz.” (S. 369)

“Ich sah zu wie Mick die Lyrics schrieb [zu “Brown Sugar”]. So was hatte ich noch nicht gesehen. Er hatte einen gelben Schreibblock dabei und kritzelte immer nur eine Strophe pro Seite hin. […] Als drei Seiten voll waren, gingen die Aufnahmen los.” (S. 370)

“Ums Geld ist es mir sowieso nie gegangen. Am Anfang habe ich mich immer gefragt: Okay, reicht es für neue Saiten? Später dann: Okay, reicht es für die Show, die wir uns vorstellen? Ich denke, für Charlie und auch Mick war und ist es dasselbe. Insbesondere am Anfang. Nicht dass wir was gegen Geld gehabt hätten, aber das meiste floss gleich wieder in die Musik.” (S. 383)

Die Aufnahmen zu “Exile On Main Street” liefen im Keller der französischen Villa von Keith.
“Wir testeten ein Kämmerchen nach dem andern. Zur Not konnten wir elektronisches Echo hinzufügen, aber ein natürliches war uns lieber, und das gab es da unten in den aberwitzigsten Variationen. Ich verzog mich mit meiner Gitarre in einen gefliesten Raum, richtete den Verstärker auf irgendeine Ecke und wartete ab, was davon beim Mikro ankam.” (S. 398)

“Songs sind merkwürdige Kreaturen. Winzige Randbemerkungen bleiben hängen und wollen nicht verschwinden. Ganz ehrlich, bei den meisten Songs kam ich mir vor, als würde ich schlicht eine klaffende Lücke füllen – als hätte dieser Song schon vor Jahrhunderten geschrieben werden müssen. Warum ist das noch niemandem eingefallen. Da fehlt doch was! Ständig suchte ich nach Löchern, die noch niemand gestopft hatte. Das ist meine Aufgabe: Löcher stopfen.” (S. 405)

“[Wenn du nicht mehr weiter weißt], staunst du, was du alles aus dir rausholen kannst. Vor allem wenn du gleichzeitig den Rest der Band verarschen musst – die denken, du hast einen glasklaren Plan vor Augen, während du völlig im Dunkeln tappst. […] Irgendwas wird dir schon einfallen. Eine Textzeile, ein paar Töne auf der Gitarre, und schon muss die nächste Zeile her. Das ist doch dein Talent, angeblich.” (S. 405)

“[Ron Wood] war perfekt geeignet für die alte Kunst des weaving, bei der man Rhythmus- nicht mehr von Leadgitarre unterscheiden kann, den Stil, den ich mit Brian entwickelt hatte, das alte Sound-Fundament der Rolling Stones.” (S. 494)

Notizen aus Keith Richards’ LIFE (4)

“Ich habe insgesamt nur zweimal mit Pedalen gearbeitet. [Bei “Satisfaction” und] zum zweiten Mal Ende der Siebziger auf Some Girls. […] Für Satisfaction schwebte mir ein Bläsersatz vor. Also versuchte ich, diesen Sound zu imitieren. Wir hatten eben keine Bläser, weshalb ich mich mit dem vorläufigen Demo begnügen musste. Kurz darauf […] hörte ich uns im Radio. Wir hatten gar nicht mitbekommen, dass Andrew das Scheißteil veröffentlicht hatte.” (S. 235)

“Wenn man so will hatten viele dieser Songs [auf Aftermath] Anti-Mädchen-Texte. Vielleicht wollten wir sie ein bisschen aufstacheln. Und vielleicht gingen ihnen manche dieser Songs tatsächlich ins Herz, so dass sie begriffen: Wir sind Frauen, und wir sind stark. Meiner Meinung nach waren es insbesondere die Beatles und die Stones, die die Mädchen von ihrem “Ich bin so klein und schwach”-Denken befreiten.” (S. 240)

“Brian war hin und weg. Er liebte das Bad in der Menge. […] Manchen Menschen musst du nur ein paar Streicheleinheiten verpassen, und schon kriegen sie sich nicht mehr ein. Weiterstreicheln, betteln sie, los, macht schon, und auf einmal heißt es ‘Ich bin ein Star!'” (S. 251)

(Über den Country&Folk Charakter von Beggars Banquet) “Ich glaube, ich spreche für alle Stones, wenn ich sage, dass uns ziemlich egal war, was die Leute da draußen wollten. Und genau das gehörte zum besonderen Charme der Stones. Die paar Rock’n’Roll Sachen (“Sympathy” und “Street Fighting Man”) reichten aus.” (S. 317)

“Bei Jumpin’ Jack Flash und Street Fighting Man hatte ich einen neuen Sound entdeckt, den ich meiner akustischen Gitarre entlocken konnte. Dieser mahlende, dreckige Sound stammte aus den versifften kleinen Motels, wo es für die Aufnahme nichts anderes gab als die neue Erfindung – den Kassettenrekorder. […] Mit der Akustikgitarre übersteuerte man den Philips-Kassettenrekorder bis zur Verzerrung, so dass es sich beim Abspielen wieder wie eine E-Gitarre anhörte. […] Bei Street Fighting Man gibt es, abgesehen vom Bass, den ich später drüberspielte, kein einziges elektrisches Instrument.” (S. 318-9)
Genau so ahmten wir 1987 den Sound von Jumpin’ Jack Flash nach.
“Die meisten Bluesmusiker verwenden offene Stimmungen ausschließlich dafür [für den Slide-Effekt]. Ich fand, dass die tiefste Saite störte. Nach einer Weile fand ich raus, dass ich sie gar nicht brauchte. Also nahm ich sie ab und benutzte die fünfte Saite als Grundton.” (S. 323)

“Es hat was Steinzeitliches, wie wir auf pulsierende Schläge reagieren, ohne es überhaupt zu merken. Wir existieren nach einem Rhythmus von zweiundsiebzig Beats pro Minute. […] Der menschliche Körper spürt diesen Rhythmus auch dann, wenn er gar nicht da ist. Hör dir nur mal Mystery Train von Elvis Presley an. Einer der größten Rock’n’Roll Songs aller Zeiten, und ganz ohne Schlagzeug.” (S. 325)

“Von all den Musikern, die ich persönlich kannte, hatten zwei die gleiche Einstellung zur Musik wie ich: John Lennon und Gram Parsons. Wir sind der Meinung: In welche Schublade dich die Musikindustrie auch stecken will, es spielt keine Rolle, denn das ist nur ein Verkaufsargument, ein Werkzeug, um dich leichter an den Mann zu bringen. Sie wollen dich in ein Raster bringen, das es ihnen erleichtert rauszufinden, wer sich verkauft und wer nicht. […] Die Musik ist größer als das, sie sollte jeden berühren.” (S. 331)

Notizen aus Keith Richards’: LIFE (3)

Bobby Keys: “Man muss sich das vor Augen halten: 1964 galt im amerikanischen Showbiz, was wir den Leuten boten: Mohair-Anzug und Krawatte, schön geschniegelt, der nette Junge von nebenan. Und plötzlich fiel diese Horde englischer Sackratten ein und spielte Buddy Hollys Song! (…) Ich spürte es bis auf die Knochen, und ich musste lächeln und fing an zu tanzen. Sie hatten nicht die gleichen Klamotten ab, sie spielten keine Sets, sie verstießen gegen jede gottverdammte Regel und ließen es krachen. (…)
Einer von ihnen sagte: ‘Warum wechseln wir nicht auch unsere Klamotten?’ Und ein anderer: ‘Klar, gute Idee.’ Ich dachte, jetzt holen sie ein paar Anzüge und Krawatten raus, aber sie wechselten nur die Klamotten untereinander. Ich fand das ziemlich cool.”

Notizen aus Keith Richards’: LIFE (2)

“Wir hungerten, um Charlie [Watts] bezahlen zu können! Buchstäblich. Wir gingen im Supermarkt klauen, um Charlie Watts zu kriegen. Wir haben unsere Essensrationen gekürzt, so sehr wollten wir den Kerl.” (S. 156)

“Ich habe mich immer sehr wohl auf der Bühne gefühlt, von Anfang an, selbst wenn cih Blödsinn spielte. Man ist ziemlich nervös, ehe man vor so vielen Menschen auf die Bühne steigt, aber bei mir war da immer das Gefühl: ‘Also los, reiß den Käfig auf und lass den Tiger raus.'” (S. 161)

“Charlie studierte Jimmy Reed und dessen Schlagzeuger Earl Phillips. Wegen des richtigen Gefühls, dem Sparsamen und Minimalistischen. Das hat er sich immer bewahrt.” (S. 163)

“Ich hätte alles getan, um ins Studio zu kommen. (…) Wir wollten unbedingt wissen, wie wir klangen Darauf kam es uns an, nicht aufs Geld.” (S. 172)

“Bei unserem Auftritt bei Thank Your Lucky Stars mussten wir diese grässlichen Karojacketts mit Hahnentritt-Muster tragen. Wir warfen sie sofort weg. (…) ‘Wo ist dein Jackett?’ – ‘Keine Ahnung. Trägt jetzt meine Freundin. Bald hatte er [Manager Andrew Loog Oldham] geschnallt, dass er nicht dagegen ankommen würde. Wenn man eine neue gute Band hatte, durfte man genau eines nicht tun: Die Beatles wiederkäuen. (…)
Andrew Loog Oldham hat die Gesetze des öffentlichen Auftretens revolutioniert – mach alles falsch, zumindest in den Augen von Showbiz und Fleet Street. (S. 173-4)

Notizen aus Keith Richards: LIFE (1)

“Wir [Mick & Keith] wussten, dass wir Anfänger waren, aber gleichzeitig wollten wir es unbedingt lernen, und dieses Lernen war zehnmal besser als das in der Schule.” (S. 113)
Das ist das Entscheidende: Der Entdeckertrieb. Ohne den geht nichts beim Lernen – weder in der Kunst noch in der Mathematik.

“Wenn du deine ersten öffentlichen Auftritte hast, und zwar mit Jungs, die das regelmäßig machen, bist du ganz unten in der Hierarchie. (…) Du musst antreten, und zwar pünktlich, und dein Equipment muss funktionieren. (…) Du musst mithalten können. (…) Scheiße noch mal, du bist jetzt ein Profi. Wenigstens ein halber: ein Profi ohne Gage.” (S. 125)

“Rückblickend muss ich sagen, dass beim Blues und bei Musik allgemein nichts aus sich selbst heraus entsteht. So toll das auch sein mag, nichts entspringt einem plötzlichen Geniestreich. (…) Sie sind alle voneinander beeinflusst.” (S. 131)

“Jimmy Reed war ein großes Vorbild für uns. (…) Er hatte etwa zwanzig Nummer-Eins-Hits mit im Grunde immer dem gleichen Song. Er hatte nur zwei Tempi. Aber er verstand die Magie der Wiederholung, der Monotonie, und verwandelte sie in etwas Hypnotisches, Tranceartiges.” (S. 144)

Über einen unkonventionell gegriffenen H7-Akkord von Jimmy Reed:
“Was er beim H/-Akkord machte, das habe ich nie kapiert, bis eben Mitte der Sechziger, als Bobby es mir in einem Bus irgendwo in Ohio zeigte. (…) “Scheiße! Das ist alles?” (…) Plötzlich, aus heiterem Himmel hat man’s drauf. Diesen unheimlichen, dröhnenden Ton. Die völlige Missachtung aller musikalischer Regeln.” (S. 147)

“Unsere Band war sehr zerbrechlich. Niemand rechnete damit, dass wir es weit bringen würden. Wir waren Anti-Pop, Anti-Tanzsaal, wir wollten nichts weiter als Londons beste Bluesband sein und den Pennern zeigen, was Sache ist, weil wir wussten, dass wir das draufhaben.” (…) Den Gedanken, eine Schallplatte aufzunehmen, hatten wir überhaupt nicht…” (S. 150)
In der Beziehung kam der Antrieb wohl von einem anderen Impuls als von den Beatles, deren Wille es war, unbedingt berühmt zu werden. Vielleicht ist auch das der Grund, warum sich die kaputten Stones länger gehalten haben als die befreundeten Beatles.

Nutze die Stille

“Ein karger, roher Klang ohne Kinkerlitzchen, ohne Geigen und Damenchor und Schmalz. (…) Hier gab es nichts Überflüssiges, hier lagen die Wurzeln offen, die man irgendwie immer gespürt (…) hatte. Dafür ziehe ich meinen Hut vor Elvis. Die Stille ist deine Leinwand, das ist der Rahmen, in dem du arbeiten musst – versuch bloß nicht, sie zu übertönen.” (Keith Richards über Elvis’ “Heartbreak Hotel” in “LIFE”)

Falsch! Das ist ein Fissss!

Noten, Noten, Noten! Meine Instrumentallehrer haben mich nie ermutigt, meine Instrumente auszuprobieren, zu schauen, was man ihnen entlocken kann. Dass Etüden auch Spaß machen können. Worum es überhaupt geht, wenn man einen Ton lange auf der Klarinette aushält.
Das wird mir eigentlich erst jetzt bewusst, als ich mir mal eine Alt-Blockflöte (nie vorher gespielt) zur Hand nehme und höre, wie unterschiedlich die Töne klingen.

Zusammenarbeit Lennon/McCartney

Künstlerische Zusammenarbeit ist mehr als die Summe ihrer Teile.

Joshua Wolf Shrenk am Beispiel der Entstehung von “With a little help from my friends” von den Beatles.

In 1967, the journalist Hunter Davies sat in on several of those sessions. One priceless account shows the slow, ambling course of discovery on the way toward “A Little Help From My Friends.”

They started around 2 p.m. in Paul’s workroom, a narrow, rectangular space full of instruments and amps and modern art. The previous afternoon, they’d gotten the tune for the song. Now they were trying to polish the melody and write lyrics. John took up his guitar and Paul banged at the piano. “Each seemed to be in a trance,” Davies wrote, “until the other came up with something good, then he would pluck it out of a mass of noises and try it himself.”

“Are you afraid when you turn out the light?” John offered.

Paul repeated the line, agreeing it was good. John said they could begin each of the verses with a question. He offered another one. “Do you believe in love at first sight?” “No,” he interrupted himself. “It hasn’t got the right number of syllables.” He tried singing the line breaking it in two between “believe” and “in love.”

“How about ‘Do you believe in a love at first sight?’ ” Paul offered. John sang that, and instantly added another line. “Yes I’m certain that it happens all the time.” They repeated these three lines over and over again. It was now five o’clock. Some others came by, and as they bantered about, Paul started doodling on the piano before breaking out into “Can’t Buy Me Love.” John joined in, shouting and laughing. Then they both shouted out “Tequila.”

“Remember in Germany?” John said. “We used to shout out everything.” They did the song again, with John throwing in words in every pause—”Knickers” and “Duke of Edinburgh” and “Hitler.”

“Then, as suddenly as it had started,” Davies wrote, “they both went back to the work at hand.”

John sang a slight modification of the line they’d agreed on. “What do you see when you turn out the light?” Then he answered the question: “I can’t tell you, but I know it’s mine.” Paul said that would do and wrote the four lines on a piece of exercise paper propped up on the piano. Then they broke for cake.

Had Jann Wenner picked up Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, pointed to the second track, and took Lennon up on his offer to say “exactly who wrote what, you know, and which line,” could Lennon have said honestly he had written that day’s material? Sure. The only explicit edit of Paul’s was the indefinite article “a.”

Yet, looking for concrete divisions in their labor, though not irrelevant, can certainly seem myopic. It feels, from Davies’ account, as though the two men were bound by a thousand invisible strings.

http://www.slate.com/id/2267342/entry/2267345/

Dem Rhythmus widerstehen

Rhythmisch akzentuierte Begleitmusik kann für Impro-Spieler oft schwieriger sein, als es dem Musiker erscheint. Vor allem musikalisch sensible Spieler tendieren dazu, den Rhythmus aufzunehmen und tänzerisch umzusetzen. Nun ist nichts gegen Tanz einzuwenden, es sei denn, wir spielen eine Szene, in der der Tanz die Szene eben zerstören würde. (Wie es ja auch in Hollywood- und Russenfilmen der 50er nervt, wenn an jeder dramatischen Stelle eine Horde Tänzer erscheint und der Held zu singen beginnt.)
Nun soll der Musiker sich ja nicht des Rhythmus enthalten, aber er sollte sich bewusst sein, welche Schwierigkeiten er bei den Schauspielern auslöst.

Glanz und Eitelkeit

Seit 1968 wird in Deutschland und in Europa der Niedergang des klassischen Gesangs beklagt. Vor allem am Beispiel der Wagner- und Verdi-Sänger lässt sich das nachvollziehen. Die Stimme steht immer mehr im Vordergrund – ihr Glanz, ihre Pracht. Das Werk tritt dagegen zurück. Die großen Sänger bis in die 40er Jahre hatten zwar auch große Stimme, zielten aber mehr noch auf Nuancen, auf die Kunst im Kleinen. Solche Stimmen hätten heute kaum noch eine Chance auf den großen Bühnen, da Stars gesucht würden. Stücke wie Tristan und Isolde lassen sich dadurch heute gar nicht mehr angemessen aufführen.
S. Artikel in der Süddeutschen Zeitung: “Neue Helden braucht das Land” von Reinhard J. Brembeck
Für uns: Gute Improvisierer beeindrucken durch ihre Fertigkeiten, aber großartige Improvisierer stellen sich in den Dienst der Szene bzw. des Spiels.

Malcolm McLaren – Scheitern als Kunst

Malcolm McLaren gestorben.
Aus einem Taz Interview 2008:
“Widersprüche machen uns auf wunderbare Weise unperfekt. Ich werde nie vergessen, wie einer meiner Professoren die Arbeiten des Spätimpressionisten Pierre Bonnard erklärte: “Es sind die Fehler, die Fehler sind es, die ihn von einem Amateur in einen großen Künstler verwandelt haben. Er zeigte seine Fehler!” Das sind die Dinge, die mich geformt haben, das war Cash from Chaos: Es sind die Fehler in der Musik, die zählen! Zeigt, dass ihr nicht gut spielen könnt, das ist viel besser, als es so aufzunehmen, als ob ihr spielen könntet! Es ist groß, seine Fehler zu zeigen!
Natürlich hielten mich diese Kids für vollkommen verrückt. Kannst du uns nicht einen guten Produzenten besorgen, der kann das frisieren, fragten sie. Nein, nein, ihr müsst die Fehler zeigen! Ich predigte dieselben Worte, die mich gelehrt worden waren. Die Idee war seitdem immer, dass etwas Falsches richtig aussehen konnte.”

Szenen-Musik vs. Song-Musik

Der Impro-Musiker unterstützt die Spieler in den Szenen am besten durch akzentuierte bzw. emotional gehaltvolle Musik. Song-Strukturen bieten sich eher in Musicals o.ä. an. In einer einfachen Szene erschwert Song-Musik dem Schauspieler oft, klare Akzente zu setzen. Und auch für den Zuschauer ist dahinperlende Musik gar nicht so wichtig. Wir brauchen Unterstützung bzw. Kontraste.

Magic Moments: Er ist ein Maulwurf

Einer jener seltenen magischen Momente entstand bei der zweiten Show von Foxy Freestyle in der Alten Kantine. Die Schluss-Szene einer zwar witzigen, aber doch recht verwickelten Geschichte mündet in ein Abschluss-Lied zwischen Matze Fluhrer und mir.
Die letzte Zeile singen wir gemeinsam, ohne uns anzuschauen: Gleicher Text, gleiche Melodie. Das Video ist wie immer lediglich ein müder Abklatsch, aber die Zuschauer sind von diesem besonderen Moment auch begeistert.
Ich denke, die Chance, solche Momente zu erleben, erhöht sich, wenn wir nicht nur aufmerksam sind, sondern vor allem auch mutige Entscheidungen treffen.

Der Song startet ca. bei Minute 3:30… Weiterlesen

Glück + Musik

Mit Stefanie Winny und Matthias Fluhrer improvisiere ich nun schon seit Mai 2001. Was für ein Glück!
Das Schicksal wollte es offenbar auch, dass hier drei musikalisch talentierte Spieler zusammenkamen. Und auf unserem Weg sind wir immer wieder auf großartige Improvisationsmusiker gestoßen: Harry Hawaii, der uns in unserer Lehrzeit auf den Trichter brachte, überhaupt Musik in die Theaterimpro einzubeziehen. Christopher Noodt (heute bei den Ohrbooten), unser erster Pianist bei Paula P., der vom ersten Moment an ein untrügliches Gespür für Szenen, Songs und Schwung hatte. Andrés Atala Quezada, der wohl als Kind in den Musikbottich gefallen sein muss und der uns außerordentlich komplex zu begleiten weiß. Camilla Elisabeth Bergmann, unsere Bühnenkollegin bei Paula P. und Die Bö, die uns immer wieder dazu ermunterte, unser musikalisches Repertoire zu erweitern und zu verfeinern. RicoLoop, der mit einer Armada von Instrumenten und natürlich seiner berühmten Loopstation anrückte und den Szenen eine neue Wildheit verlieh. Fee Stracke, die eine sehr spezielle, einfühlsame und phantasievolle Art entwickelt hat, Szenen zu begleiten.
Danke allen!

Theorie immer mal wieder wegwerfen

“In dem halben Jahr, wo ich mein Comeback vorbereite, wirst du in eine Band gehen! Nimm dir irgendwelche Titel vor! Egal was! Spiel die Sachen in möglichst verschiedenen Anschlagstechniken. Vergiss alle Theorie und höre einfach nur hin. Das ist der ganze Trick (…) Wir müssen unsere Instrumente erst entdecken.” (Ralf Petry in einem Brief an mich 19.3.1987)

Die Demut der Stars

1985. Michael Jackson schreibt “We are the world”, das mit den damaligen US-Stars als Benefizlied aufgenommen werden soll. Man kann natürlich rätseln, wer das aus aufrichtigem Engagement heraus getan hat und wer seine Eitelkeit nicht beherrschen konnte, um bei einer großen Aufnahme mit dabei zu sein und sein Image aufzupolieren.
Michael Jackson selbst lässt die Music Awards sausen, um im Studio die Lead-Spur für die Chöre einzusingen. Dann, mitten in der Nacht kommen sie angefahren, teilweise direkt angejettet von der Preisverleihung, alle mit ihrem öffentlchen Winke-winke-Lächeln. Aber langsam tauen sie auf. Der Chor wird einstudiert, und man sieht einen riesigen Haufen Profis am Werk, uneitel und völlig in der Sache aufgehend.
Jeder gibt sein Bestes. Man spürt (zumindest auf den Making-Of-Video-Aufnahmen) nichts von Neid gegenüber denjenigen, die das Glück hatten, einen Solo-Part zu erwischen.
Eine kleine Unterbrechung der Solosequenzen, als Cyndi Lauper (der vermutlich Jüngsten des ganzen Teams) mit ihren Kettenklunkern die Aufnahme vermasselt. Alle lächeln nachsichtig.
Die Aufnahmen sind vorbei, einer der Musiker bittet einen anderen um ein Autogramm und löst eine Welle aus. Es stellt sich heraus, dass jeder ein Fan von jedem ist, und so verschwinden am Ende noch die Reste von Neid.


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Fiese Vorschläge

Man muss sich ab und zu mal wieder an die positive kreative Kraft erinnern, die wir bei unseren wöchentlichen Auftritten mit dem Dunkeltheater entfaltet haben. Das Publikum wegen der doch oft fatalen Mischung au Gastronomie und Unterhaltung oft überdreht. Die Gereiztheit durch die Dunkelheit tut ihr Übriges. Und dann kommt als letzter Vorschlag für ein Lied der Titel “Stuhlgang”. Camilla, in einem Rausch von Positivität, Gutmütigkeit und Großzügigkeit, macht daraus ein Lied, über die kleinen Dinge des Lebens, die man alleine tut, und das Wort Stuhlgang wird irgendwo erkennbar für die Zuschauer, aber irgendwie auch unerheblich für die Schönheit des Lieds.

Richard Wagner: Der Ring

Höre seit langem mal wieder “Siegfried” aus dem Ring der Nibelungen von Wagner und bin auf neue Art begeistert. Ja, ich weiß, das ist natürlich politisch alles äußerst zweifelhaft. Und die Story, naja, ich sag mal, sie zieht sich.
Aber die Musik und der Text sind schon höchst amüsant. Meine Mitstreiter stellen sich derzeit ständig Stabreimstrophen. Das alles verliert seine Bedeutung und Macht, wenn man anfängt, damit zu spielen.
Gibt es eigentlich eine Impro-Gruppe, der es schon mal befriedigend gelungen ist, eine Oper im Wagner-Stil aufzuführen? Feedback gerne hier.

Timing trainieren

Bekanntlich fließt die Zeit auf der Bühne oft etwas anders. Eine Grundübung, um ein Gefühl für Timing zu entwickeln: Alltägliche Handlungen temporalisieren. Z.B. versuchen, genau eine Minute abzuwaschen oder zu singen. Auch möglich: Auf der Bühne nach einer Szene auf die Uhr schauen, nachdem man die Dauer selber geschätzt hat. Sollte allerdings unauffällig und vom Publikum unbemerkt bleiben. Denn auf der Bühne wirkt alles ostentativ. Und also wirkt man wie jemand, der sich fragt, wie lange er denn hier noch spielen muss.
Musizieren trainiert natürlich auch.

Mozarts Dur-Kompositionen

In seltsamer Einhelligkeit wird von Musikwissenschaftlern und -liebhabern auf Mozarts Moll-Kompositionen verwiesen, die ein Beleg für seinen persönlichen Schmerz seien und angeblich beweisen, dass er ein ernstzunehmender Komponist sei. Bestes Beispiel: Die “kleine” g-moll-Sonfonie, die er im Alter von nur 17 Jahren geschrieben hat. Diese Sinfonie ist tatsächlich unglaublich, aber soll denn tatsächlich, alles, was er vorher geschrieben hat, Pillepalle gewesen sein, nur weil es eben heiter ist?
Es erinnert mich an die endlose Diskussion von Komödie und Improtheater.

Wullewupp Kartoffelsupp

Bei Helge Schneider im Admiralspalast.
Helge sicherlich nicht in Höchstform, ein wenig müde, aber selbst in diesen vergleichbar schwachen Momenten noch inspirierend.
Der Admiralspalast ein wenig ungeeignet. In der 14. Reihe fällt es schon schwer, optisch und akustisch zu folgen. Ob das an den Haustechnikern oder an der Crew von Helge liegt, ist schwer zu sagen.
Sehr schön die mexikanischen Trompeten. Gleitmanns Gymnastik. Die Statusspielchen mit dem Butler. Aber irgendwann würde man auch gern mal jemanden vom Ensemble was sagen hören. Trauen sie sich nicht? Oder sollen sie nicht, weil es Helge vielleicht doch schwerfallen würde, darauf zu reagieren?
Wunderbar: “Der Meisenmann”. Der Liedtext schön weiterentwickelt zu einer absurden Odyssee des Meisenmannes. Und selbst “Katzeklo” klingt schön entspannt und wie ein gut abgehangener alter Jazz-Standard für Vibraphon.
Ehrenhaft, dass die ganze Band die Bühne räumt, damit Pete Yorke ein 5minütiges (Steffi meint, es seien mindestens 10 Minuten gewesen) Schlagzeugsolo hinlegt. Er bekommt auch seinen wohlverdienten Applaus, aber im Zusammenhang des Gesamtabends wirkt die Leistung Yorkes wie eine Arbeitsverweigerung von Helge.
Für die Zugabe holt er die Panflöte heraus, beginnt einen kleinen Monolog und verabschiedet sich. Als habe er aufs Flötespielen dann doch keine Lust mehr gehabt.
Dabei fraß ihm das Publikum wie gewöhnlich aus der Hand. Gelächter nach praktisch jedem Satz. Teilweise schon hysterisch. Seine Fernsehkritik und -parodien zu Casting- und Gerichts-Shows eher einfallslos, beinahe ranschmeißerisch. Prompter Gesinnungsapplaus.
Die musikalischen Beiträge insgesamt stärker. Sehr uneitel holt er diverse Instrumente heraus und spielt sie, ohne eine Sansation draus zu machen, als sei es eine Selbstverständlichkeit: Trompete, Akkordeon, Gitarre, Saxophon, Mundharmonika, Vibraphon. Und das einzige Instrument, das er im klassischen Sinne “gelernt” hat, – das Klavier – lässt er an diesem Abend von einem anderen Musiker spielen.

Pride – lyrics

“‘Pride’ gets over only on the strength of its resounding beat and big, droning bass line, not on the nobility of its lyrics, which are unremarkable” (Kritiker im Rolling Stone)
Vielleicht transzendiert der Text dieses Liedes keine größere Wahrheit als, sagen wir, “I want to hold your hand”. Aber das Erstaunliche ist ja, dass er als Songtext funktioniert, was man vielleicht vor allem als Nicht-Muttersprachler bemerkt:
Die Wiederholung des “One man”-Motivs
Die Vokallastigkeit des Textes
Der Gleichklang von “One Man” und “What more”
Die schlagwortartigen Gegensätze (barbed wire/kiss, love/betray…)
Jede Zeile ein T-Shirt-Spruch.

Wieder mal Helge Schneider übers Improvisieren

“In Stuttgart hab ich so ein Erlebnis gehabt, da bin ich dann irgendwie so auf die Bühne gegangen, wo ich gar nicht wusste, wo die ist. Und das war ein schöner Abend, da war auch noch Stromausfall. Und das kann dir beim Film nicht passieren. Du bist ja ständig am Planen. Wir haben zwar auch improvisiert in dem Film [Texas]…, “

Schlingensief: “Wo liegt eigentlich der Unterschied? Ich hab auch Klavierunterricht gehabt, ich kann überhaupt nicht improvisieren. Kriegt man das beigebracht oder kann man so was? Wie kommt das? Absolutes Gehör? Oder wie kommt das, dass man improvisieren kann?”
Helge Schneider: “Absolutes Gehör hab ich nur bedingt. Ich hab so ‘ne Art Gewohnheitsgehör. Aber absolutes Gehör hab ich nicht. Das muss man auch nicht haben, das hat nichts mit Musikalität zu tun. Musikalität ist die Fähigkeit, etwas, das man singen könnte umzusetzen, auf irgendeinem Instrument. Es ist ganz egal welches. Deshalb spiele ich auch so viele Instrumente: Weil ich gelernt habe, das was ich gedacht habe, für mich zu spielen. Ich kann also jedes Instrument lernen, wenn ich weiß, wie das technisch funktioniert. [Und dass man improvisieren kann] das ist ne Gabe, die man nicht erklären kann. (…)
“Ich hab auch immer gemalt. Ich war ein besessener Zeichner und Maler.”
“Die Könnerschaft fängt nie an. Man hört ja nie auf zu lernen. Die Könnerschaft, die gibt’s gar nicht.”

Schlingensief: “Was ist das Helge-Schneider-System?”
Helge Schneider: “Ich hab da eigentlich ur so Bilder aneinandergereiht. Jetzt geht derjenige hin, der meint, er hätte auf der Filmhochschule alles gelernt und sagt: ‘Hörma Schneider, dein Film ist aber Scheiße, da sind ja furchtbare Schnitte drin, was isn das, da is ja gar kein Rhythmus drin?’ Genau das ist das – das sind die Typen, die zu Technomusik sich den Arsch verrenken und von Rhythmusgefühl keine Bohne haben. Und ich hab das Rhythmusgefühl. Deshalb hab ich den Film so gemacht. Weil ich hab den Rhythmus nämlich breit gestreut, über den ganzen Film. Und der Film hat’n Rhythmus, den siehst du aber erst ganz zum Schluss.”… Weiterlesen