Juni war’s. Und voll Entsetzenfiel ich in die Seelennacht.Wie konnt sie mich so verletzen,stoßen in den tiefsten Schacht?„Helft!“, schrie ich aus voller Kehle,doch am End blieb ich allein.Aus den Gruben seiner Seelekann man sich nur selbst befrein.
(Ich weiß noch diesen Geruch…)
Ich weiß noch diesen Geruch:Der frische Schnee, Holz und Abort.Bevor man hinausging der Spruch:Bleib nicht zu lange noch fort!Beim Bäcker – Kaninchen in Ställen.Den Roggenmehlsack schleppt Fritz.In den Eimer neben den Fellenist munter ihr Blut reingespritzt.Ich weiß noch, das alte
Theaterbesuch mit einem Freund
„Verschieden sind wohl die Geschmäcker“,sprach er mit frischem Mut.Vom Stadttheater ins Hotel.Ich fand’s doof, er gut. „Wie mutig, waren Form und Stoff“,so fuhr er fort im Bus.„Bis an die Grenze des Klamauks,was für ein Kunstgenuss.“ Er stoppte nicht den Lobesschwallzu
Anpassung
Fremde Länder, Sprachen und Gebräuche,auf welche Weise füllt man sich die Bäuche?Welche Kleidung, welche Religionen?Mit welchen Bräuchen wird man dich verschonen?Mit welcher Hand wird Essen angefasst?Bleibst du ganz starr? Hast du dich angepasst?Was ist hier Ernst? Und wo beginnt der
Telecafé
O wie erhaben der Blick vom Fernsehturmcafé.Wie weit entfernt das Niedrige, Gemeine.Das Miteinander fein gefügt.Nicht Schmutz noch Vulgäres trübt das Bild,bis es vom Nachbartische schallt:„Die Sahne is sauer!Ick will jetz den Jeschäftsführa sprechen!“
Verschwendung
Bei dir, mein Weib, hat die Naturmit zarter Schönheit nicht gegeizt.Dein Körper eine Himmelsspur,als hätte Gott sich ausgereizt.Dein Leib, die Glieder, die Pupillevon überirdisch ebnem Maß.In dir zeigt sich ein höhrer Wille.Natur, verschwenderisches Aaß!
Bitte
Nur noch einmal dreh das Rad, Fortuna, mir!Und gib ihm Schwung, dass es nicht stehenbleibe.Denn geplagt hab ich mich lange schon.Jetzt mag irres Spiel für mich entscheiden. Und sollt dabei ich stürzen, ganz zerbrechen,statt zu wachsen und zu strahlen, wie’s
Motive
Täglich Streite, Kämpfe, Schlachten,denen wir uns stellen müssen.Manchmal werden wir verbissen.Wir entfachten Ärger, wenn wir selber lachten.
Leise Klage
Schwer das Lid und müd die Hand, ganz vergeblich.Klammes Denken, untergetauchtes Weh desnoch nicht Toten, hauche die Klage in dasLärmen der Nächte, die nur da sind, um Raum zu verleihen allenleidenden Wanderern und Festgefrornen der Stadt,wo jedes Lachen ein Hohn
Wer? Wie? Was?
Wenn ich alle meine Fragen,die mich quälten nachts im Bette,die mir auf der Zunge lagen,immer auch gestellet hätte, wäre ich vielleicht nicht klüger,denn die schlauen Weisheitsriesenhaben oft als Wahrheitsbiegermanche Frage abgewiesen. Und so heißt es: Sich geduldenund zu warten eine
Resignation
Leerer Blick.Und flacher Atem. Viel zu schwach für neue Tränen.Von gefurchter Stirne rinnenletzte Tropfen kalten Schweißes. Ungekämmt,beraubt des Mutes.Sinn verschwindet in der Sphäre.Blut dröhnt mächtig,und wir schweigen.
Der Zauderer
Der Zauderer wird nie erfahren der Liebe Schmerzen,noch die Genüsse, die sie bietet und erweckt.
Heimkehr
Nach fünfundachtzig Wochen ist er frei.Nervös fährt er nach Hause mit dem Bus.So schnell, so langsam ging die Haft vorbei.Was soll ich tun? Was darf? Was muss? Der Hausflur riecht nach Seife und nach Rauch.Der Schlüssel klemmt wie immer in
Verlust. Aus einer anderen Zeit
Wir hatten Roger gern in unsrer Mitte.Sein Scharfsinn half uns, wenn’s ums Leben ging.In andren Kompanien fiel jeder Dritte.Vielleicht war schlau, wer so am Leben hing. Und nach dem Kriege wurd er Apotheker– ein kleiner Laden, eine kleine Stadt.Er lebte
Abendlied
Der Sternenhimmel wölbt sich überm See.Ich sitz am Steg und sag dem Tag Adé.Erlös die müden Füße von den Schuhn.Nur kurz, dann dürfen auch die Augen ruhn. Der Wind schlief ein. Das Schilf, es flüstert nur.Und innehält ein jede Kreatur.Ein
Erfolg
Sieh an, du hast Erfolg gehabt,und du sprichst laut (wir bleiben still):„Ein jeder kann erfolgreich sein,wenn er es wirklich schaffen will.“ Ich kenne diese Leier schon:Aus eigner Kraft wurd alles dein.Bei Misserfolg sind andre Schuld.Erfolgreich bist nur du allein. So
Scham
Eine Hütte, eine Insel und ein See in KanadaProviant für vierzehn Tage. Außer uns war keiner da.Aßen, lasen, spielten, liebten, grade wie es uns bekam.So vertraut, so dicht und innig ging verloren jede Scham. Ach, wie war der Abend trübe,
Vom Sinn des Strafens
Das Böse wird wohl niemals schlafen.Das Böse, das ist stets aktiv.Das Böse müssen wir bestrafen.Gefängnis oder Geldstrafbrief. Dann lernst du hübsch zu unterscheiden:Was ist hier böse, was ist gut?Dann weißt du: Man soll Böses meidenund dass man Böses ja nicht
Nachtwahn
Die Uhr zeigt Zwei Punkt Sechsunddreißig.Wie sich die Stille doch bläht, wo’s krachen und schreien müsst.Verborgen lauschen die fromm-frechen Nachbarn.Seit Juni schon haben sie mich auf dem Kieker,weil sie mich beneiden um meine Gedanken.Am Schlüsselloch!Es riecht schon wieder nach Gas.
Vor Gericht
Sie waren ihrer Kraft entladennach sieben Tagen vor Gericht.Der Zorn, wie dichte Pulverschwaden,verfliegt nur langsam, wenn man ficht.Das Haus, das Geld, die Zeit, die Kinder.Wer von uns beiden lebt gesünder?Und was ich will, bekommst du nicht. Was kriege ich, was
Der Spieler
In jedem Spieler wohnt das Laster.An jedem Spieltisch wohnt die Qual.Was er gewonnen hat, verprasst er.Was er verloren hat – egal.
Geschäfte
Wie schön wär’s, stünde meine Kunst für sich.Ich müsst nicht dauernd ans Verkaufen denken.Ich brauch die Kunst, und meine Kunst braucht mich.Am liebsten würd ich sie leger verschenken. Der Künstler denk beim Künstlern nicht ans Geld,das würde seine Kunst nur
Phantasie
Es wohnt ein Narr in dir, grad zwischen deinen Ohren.Wenn du die Augen schließt, schleust er dich aus der Zeit.Dein enggelenktes Denken hat er längst befreit.Wenn er dich tränkt, dann fühlst du dich wie neugeboren. Die Hirnartillerie schießt schon aus
Wiederkehr (Abzählreim)
Auf und niederNichts kehrt wiederEinerleiEs geht vorbeiHin und wegHat kein Zweck. Sing die LiederIch komm wiederWas auch sei,ich komm im Mai.Hier der Scheck.Bin kurz weg.
In Erwartung des Winters
Laue Tagereiche Ernte,wolln uns auf das End besinnen.Trage heim, was du verdientestVor es kalt wird, deck dich ein.Maulwurf, Eichhorn, Fledermaus wolln nicht ohne Nahrung sein.Sei behend und spute dich. Auch die Herbstzeit wird verrinnen. Sorge faltet meine Stirn.Kann ich denn
Trauerzeit
Die Trauer währte vierzig Tage lang.Dann nahm das Hochzeitsbild sie von der Wand.Sie wurde hart. Und ward ihr einmal bang,so ballte sie zur Faust die rechte Hand. Die Freunde sagten, man sieht’s ihr kaum an,es ist, als würde sie ihn
Spruch
Wohl dem, der seine Emotionenauch in Not beisammenhält,dass kein unbedachtes Wortentweiche in die Welt.
Ein letzter Rat
Nun, da wir uns trennenund umso besser kennen,Leere drohend naht.Um meinen Geist zu stillen,um unsrer Freundschaft willen,erbitt ich einen letzten Rat. Soll das, was uns verbindetund langsam schon entschwindet,geheim und innig sein?Oder solln das Spielenauch andre Menschen fühlen,da Lieben Liebe
Ja, ich kröche…
Ja, ich kröche durch den Schlamm und litte für dichund einen höh’ren Zweck.Ohne Schmerzen wird das Leben nicht angeboten.So viele Analgethika kannste gar nicht fressen.Ja, eine Narbe hinterlässt jeder Seelenstich,doch lohnt sich’s, die Tage auszuloten,ohne sich ängstlich ins Hemd zu
Empathie
Er spürt die Träne,die ihre Träne ist. Hätte er geweint, so wär’s dasselbe. Stich im Hals, ganz tief.Ein leichtes Ohrensausen. Leidet sie, so leidet er,kann sich des nicht erwehren.Drückt sein Mitleid ihn zuweilen,lass ihn allein.Es heilt ihn.