138. Nacht

Sowohl Kân-mâ-kân als auch Kudija-Fakân wachsen zu schönen jungen Menschen heran, wie in beispielhaften Versen betont wird.
Kân-mâ-kân erdreistet sich auf einem Fest, ihre Schönheit zu loben und seine Liebe zu gestehen, nicht ohne dieses Bekenntnis in Verse zu kleiden:

Wann wird das Herz des Betrübten geheilt vom Schmerz des Fernseins?
Wann lächelt des Wiedersehen Mund? Wann hat die Trennung ein End?
O wüsste ich doch, ob ich je einmal eine Nacht verbringe
Nahe der Lieben, die selbst einen Teil meiner Qualen kennt!

Kudija-Fakân ist darüber empört und droht Kân-mâ-kân, dies dem Oberkammerherrn zu melden, der ja nun inzwischen Sultan von Bagdad und Chorasân ist.

Völlig unklar: 1. Wie ist denn deren Verhältnis, wenn die beiden doch eigentlich "vermählt" sind? 2. Wieso wird der jetzige Sultan immer noch "Oberkammerherr" genannt, ohne dass wir je seinen Namen erfahren?

137. Nacht

Tâdsch el-Mulûk feiert einen Monat lang Hochzeit mit Dunja.

und sie lebten hinfort immerdar herrlich in Freuden, bis der Zerstörer aller Wonnen zu ihnen kam.

***

Fortsetzung der Geschichte des Königs ibn en-Nu’mân und seiner Söhne.

Der Wesir Dandân hat seine Geschichte beendet, und allgemein wird festgestellt, dass man ja nun schon seit vier Jahren vor Konstantinopel lagert, die Truppen murren. Und Dau el-Makân beginnt, sich nach Weib und Kind zu sehnen.

Alles gute Gründe für die Beendigung eines jeden Krieges.

Man zieht also zurück nach Bagdad

Die Daheimgebliebenen scharten sich um die Heimkehrenden, und jeder Emir ging in sein Haus. Der König aber zog zu seinem Schlosse und begab sich zu seinem Sohne Kân-mâ-kân, der nun schon sein siebentes Lebensjahr vollendet hatte und bereits auszureiten pflegte.

Hab ich da etwas in der Zeitrechnung versäumt? Ich denke, es waren nur vier Jahre vor Konstantinopel?

Meinen ersten alleinigen Ausritt habe ich übrigens mit 9 Jahren gewagt. Das Fahrrad hatten mir meine Eltern zum Geburtstag mit der Bedingung geschenkt, ich dürfe mich damit nur durchs Wohngebiet bewegen. Also in den Grenzen Wilhelm-Guddorf-Str./Frankfurter Allee/Harnackstr.


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Sorina Albrecht überredete mich, die Spritztour auszuweiten, und so radelten wir bis zum Tierpark, und da die Straße “Am Tierpark” damals noch nicht so dicht befahren war wie heute, erlaubten wir uns, singend schöne Schlängellinien mit unseren Fahrrädern auf der Schnellstraße zu fahren. Der Weg nach Hause gestaltete sich ein wenig schwierig, da wir ein wenig die Orientierung verloren hatten. Als ich gegen 20 Uhr zuhause eintraf wurde der Ärger meiner Eltern nur unwesentlich von ihrer Erleichterung mich wohlbehalten wiederzusehen relativiert. Mein Vater hatte bereits die Jacke angezogen, um die Polizei zu verständigen, meine Schwester hatte durch eine Lippenverletzung den Stress in der Familie noch befördert. Seltsamerweise wurde die Beschränkung aufs Wohngebiet nach diesem Vorfall nicht etwa verschärft, sondern aufgehoben. Komisch, diese Erwachsenen.

Der Heizer, der Dau el-Makân damals so viel geholfen hatte, soll nun endlich seinen Lohn erhalten.

Nun war jedoch der Heizer dick und fett geworden, und sein Gesicht wie der Bauch eines Delphinen gar. Auch war er stumpfen Geistes geworden, da er sich nie von der Stätte, an der er sich befand, gerührt hatte.

Nach einigem Hin und Her, Nichtwiedererkennen, zu bescheidene Bitten usw. macht man ihn zum Statthalter von Damaskus.

Max Weber unterscheidet drei Typen legitimer Herrschaft: rationale, traditionale und charismatische Herrschaft. Womit mag man es hier zu tun haben? Das Charisma eines Delphinbauchs.

Er möge, so Dau el-Makân beim Abschied, sich binnen zwei Jahren zum Kampf gegen die Ungläubigen bereitmachen.

Ein fetter Heizer als Heerführer?

Kudija-Fakân, die Tochter Scharkâns, wird von Dandân, der den Heizer zur Amtseinsetzung begleitete nach Bagdad zurückgebracht. Sie und Kân-mâ-kân wachsen gemeinsam auf.

Nur zeigte es sich, dass Kudija-Fakân umsichtig und verständig war und auf den Ausgang einer Sache achtete, während Kân-mâ-kân großherzig und freigebig war.

Nach weiteren vier Jahren setzt Dau el-Makân, der inzwischen Todesahnungen hat, seinen Sohn zum Sultan ein und bestellt den Oberkammerherrn zum Vormund über ihn.
Außerdem werden Kân-mâ-kân und Kudija-Fakân miteinander verheiratet,

was beachtlich ist, da Kudija-Fakân ja schon immerhin die Tochter von Bruder und Schwester war. Aber Vermeidung von Inzucht wird in dieser Geschichte und überhaupt in der damaligen islamischen Aristokratie nicht groß geschrieben.

Dau el-Makân spürt den Tod kommen und beauftragt nun seinen Sohn, die Rache für Scharkân zu übernehmen und Dhât ed-Dawâhi zu bestrafen.
Als Dau el-Makân nach vier Jahren Krankheit stirbt, setzt das Volk von Bagdad Kân-mâ-kân ab.

Historisch ziemlich unwahrscheinlich, dass das “Volk” daran einen Anteil gehabt haben soll. Eher die Würdenträger und Machthaber, die um ihre beim Oberkammerherrn erworbenen Privilegien fürchten.

Kân-mâ-kâns Mutter, die Witwe von Dau el-Makân, wendet sich nun ihrer Trauer an Nuzhat ez-Zamân, ihre Schwägerin, die ihr Ehrenkleider und eine Wohnung in ihrem Schloss zuweist.… Weiterlesen

89. Nacht

Am Montag wache ich reuevoll erst um 11.30 Uhr auf. Um mal ein bisschen sozial zu sein, habe ich mich am Vorabend auf eine Spielerunde eingelassen, die dann bis 2.30 Uhr austrullerte. Hätte ich nur daran gedacht, dass ich mich am nächsten Tag mit den Enthusiasten treffe. Volker, hat einen besseren Vietnam-Imbiss vorgeschlagen, bei dem man bis auf einen Tisch eigentlich nur essen und schnell wieder gehen will – Feng-Shui-Logik von Imbiss-Restaurants. Gutes Essen, aber kaum einer richtig entspannt. Jochen mit halbem Ohr ständig telefonkonferierend, Volker leidet an Hexenschuss. Immerhin mal wieder nettes Beisammensein.


Bohni


Dan Richter


Robert Naumann


Stephan Zeisig


Jochen Schmidt

 


Volker Strübing

 

 

Den Rest des Tages verbringe ich damit, die berühmte Restaurant-Szene aus "The Godfather" zu untertiteln. Die Figuren Michael Corleone und Virgil Sollozzo sprechen sizilianisch, und bisher war man auf Vermutungen angewiesen.

 

 

***

Um seinen Bruder zu testen, erkundigt sich Scharkân bei ihm nach dem Heizer. Dau el-Makân antwortet, er würde ihn nach der Schlacht gegen die Christen für seine Taten belohnen.

Dafür dass er so viele Leiden ertragen hat, lassen sie den armen Heizer ganz schön lang auf seine Belohnung warten.

Man rüstet sich zum Kampf, und Dau el-Makân verabschiedet sich von seiner im fünften Monat schwangeren Frau.

So schnell kann’s gehen. Anscheinend leidet hier ein wenig das Erzähl-Timing der Geschichte.

Der Wesir Dandân übernimmt das syrische Heer, Rustem die Dailamiten 88 , Bahrâm die Türken.

Von Rustem und Bahrâm ist vorher noch keine Rede gewesen.

Das Heer zieht los, und als man die Grenze zu Griechenland erricht, flieht das arme Volk nach Konstantinopel.

Wir können also von argen Plünderungen ausgehen.

Auf Anraten der alten Dhât ed-Dawâhi reist König Hardûb mit ihr zu König Afridûn nach Konstantinopel, um diesem seine Tochter Sophia zurückzubringen. Nun rüstet er selbst zum Kampf und erhält Unterstützung von seinen christlich-europäischen Kollegen:

Zu ihnen stießen die Franken aus allen Ländern: Franzosen, Deutsche, Ragusaner, Zaranesen 88b, Venezianer, Genuesen und all die Heerscharen der Bleichgesichter 88a.

Die erste Schlacht führt der Wesir Dandân mit den syrischen Truppen.

Nun erhoben die Christen ihr Feldgeschrei: "O Jesus, o Maria o Kreuz!" – das verdammet sei – und stürmten gegen den Wesir Dandân und seine syrischen Heere an.

Klingt als Schlachtruf ziemlich seltsam. In Kreuzzügen des 11. Jahrhunderts benutzten die Christen "Deus vult!"

 

88 Mit den Dailamiten sind wahrscheinlich die Perser gemeint. Genau gesagt ist Dailam eine Gebirgsregion im Iran. Ich vermute, es könnte auch sein, dass mit "Dailamiten" auch eine Art persische Elitetruppe bezeichnet wird.

88a  Bleichgesichter? Man fragt sich, ob hier der Übersetzer bei Karl May abgeguckt hat.

88b Evtl. sind hier die Sardinier gemeint. Auffällig, dass ja vor allem italienische Städte genannt werden, die mit den Arabern im 9. Jahrhundert (also zu der Zeit, da unsere Geschichte wahrscheinlich spielt) im Krieg lagen.

87. Nacht

Eigentlich ist es erstaunlich, wieviele Presse-Erzeugnisse ich noch konsumiere, da ich doch die gleichen Informationen aus dem Internet beziehen könnte. Aber so bezahle ich einen gigantischen Apparat von Organisationen, Personen und Logistik, die dafr sorgen, dass Informationen, die mich tendenziell interessieren, thematisch gebündelt werden, dass ich mir bestimmte Meinungen anhöre (d.h. auf der anderen Seite: bestimmte Meinungen blende ich aus), und dass mir diese Informationen pünktlich auf Papier gedruckt serviert werden. Derzeit habe ich abonniert:

Die Zeitschrift meiner Krankenkasse und das ai-journal bekomme ich zugeschickt, ohne etwas dafür tun oder zahlen zu müssen. Aber der Papierverbrauch! Wer räumt das alles wieder auf? Wer pflanzt die Bäumchen neu? Wer lohnt es mir, dass ich mir seit März 1990 (also noch vor der Währungsunion) die zitty kaufe? Die Antwort, Ladies und Gentlemen lautet auf all diese Fragen: Niemand.

Dau el-Makân schüttet nun also den gesamten Tribut von Damaskus unter den Truppen aus.

"Niemals sahen wir einen König solche Gaben austeilen."

Natürlich will der neue Herrscher auf diese Weise Loyalität begründen, fragt sich nur, ob diese Art von Großzügigkeit ein probates Mittel ist, en Dankbarkeit ist von kurzer Dauer. "Wer klug ist, sieht lieber die Leute seiner bedürftig als ihm dankbar verbunden. […] Wer seinen Durst gelöscht hat, kehrt der Quelle den Rücken, und die ausgequetschte Apfelsine fällt von der goldenen Schüssel in den Kot.", schreibt Baltasar Gracián im "Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit" (Kap. Abhängigkeit begründen). Mit anderen Worten, der König müsste vor allem darauf achten, dass seine Truppen dauerhaft einen angemessenen Sold erhalten.

Als sie vier Tage später in Bagdad eintreffen und er den Thron bestiegen hat, unternimmt Dau el-Makân gegenüber seinem Bruder einen klugen Schachzug: In einem Brief, den er dem Wesir Dandân mitgibt, bittet er ihn, mit seinen Truppen zu ihm dazuzustoßen, um gegen die griechischen Christen zu kämpfen, vor allem aber bietet er ihm die Krone an und deutet an, sich mit dem Posten des Vizekönigs von Damaskus zu begnügen.

Dau el-Makân reitet auf die Jagd,

(Unklar)

und bei seiner Rückkehr schenkt ihm ein Emir Sklaven und Sklavinnen.

Wurde der Emir damit beauftragt?

Mit einer der Sklavinnen schläft er in derselben Nacht

und sie empfing durch ihn zur selben Stunde.

Bald darauf trifft Scharkân in Bagdad ein, die Brüder begegnen sich in Freundschaft, und berichten einander von dem, was vorgefallen ist.

Nach dem bisher Berichteten wäre aber anzunehmen, dass Scharkân entweder etwas im Schilde führt oder dass sein Groll bei der nächstbesten Gelegenheit wieder aufflammt.

86. Nacht

Tatsächlich übergibt der König der Alten seine Nebenfrau Sophia. Die Alte übergibt ihm nun einen versiegelten Becher, den er am dreißigsten Tag austrinken soll.

Aha, die Süßspeisen und das Wasser im Krug waren also völlig harmlos. Offenbar ging es der alten Dhât ed-Dawâhi damit nur darum, den König auszutesten und ihn unvorsichtig werden zu lassen. Er hätte ja auch jemand anderen die Süßspeise oder das Wasser vorkosten lassen können. Erst als sie ihn völlig auf ihrer Seite hat, gibt sie ihm das Gift im Becher.

Der Wesir Dandân berichtet weiter, dass er und die Bediensteten zunächst vermuteten, der König schliefe, dann hoben sie die Tür aus den Angeln, fanden die Leiche und im Deckel des Bechers die Nachricht der alten Dhât ed-Dawâhi, die es nicht bei der Begründung für diese arge Rache belässt, sondern obendrein Krieg ankündigt:

"… vernichtet sollt ihr werden bis auf den letzten Mann, keine Menschenseele bleibt von euch übrig dann, keiner, der ein Feuer anblasen kann, es sei denn er bete das Kreuz und den Gürtel 86 an."

So beendet der Wesir Dandân seinen Bericht. Dau el-Makân verleiht dem Wesir und den Emiren Ehrengewänder und belässt sie in ihren Ämtern. Den Tribut aus Damaskus schüttet er unter den Truppen aus.

Natürlich, um sich die Loyalität dieser Männer zu sichern. Stellt sich nur die Frage, wo er an dieser Stelle die Ehrengewänder aufgetrieben hat.

 

86 Offenbar bezieht sich diese Anspielung darauf, dass Christen in der Zeit seit Kalif Al-Muttawakil gezwungen wurden, Umhänge und Gürtel zu tragen. Aus den Schutzbefohlenen Dhimmi wurden somit sichtbar Ausgegrenzte. Die Vorstellung, Christen würden den Gürtel anbeten und dies von anderen verlangen, ist natürlich absurd, aber die Vorstellung, sie würden das tun, eine interessante Folge dieses Diskrimierungsgebots.

85. Nacht

Tatsächlich fastet der König zehn Tage lang und trinkt danach aus dem Krug.

Man muss nicht das  Pro und Contra des Fastens  unter medizinischen Gesichtspunkten beurteilen. Interessant ist eigentlich eher der religiöse Aspekt : Warum taucht das Fasten in allen größeren Religionen in irgendeiner Form auf? (Am wenigsten vielleicht bei den reformierten Kirchen des Christentums.) Neuere psychologische Untersuchungen gehen davon aus, dass strenge Askese, Selbstkasteiung usw. das Zusammengehörigkeitsgefühl in Gruppen stärkt und kurioserweise auch ihre Attraktivität: Wenn man sich solchem Leid aussetzt, dann muss wohl was dran sein.
Und auch in dieser Geschichte lockt die Alte ja den König mit übertriebener Frömmigkeit in die Falle.

Während der zweiten zehn Tage des Monats aber kam die Alte zurück mit Süßigkeiten, die in grüne Blätter, ungleich anderen Baumblättern, gehüllt waren. (…) "Oh König, die unsichtbaren Geister grüßen dich; denn ich habe ihnen von dir erzählt, und sie freuen sich deiner und schicken durch mich diese süße Speise, die von den Süßigkeiten des Jenseits stammt."

Diese Dreistigkeit erinnert schon an die Streiche Eulenspiegels.

Um das Fass noch voll zu machen: Die Alte schlägt vor, die Jungfrauen am 27. Tag zu den Geistern mitzuführen, ebenso jemanden aus dem Palast, den er König mag. Der König überlässt ihr Sophia (die Mutter Dau el-Makâns und Nuzhat ez-Zamâns).

84. Nacht

Der Wesir Dandân fährt fort, Dau el-Makân davon zu berichten, wie die Alte dem König Omar ibn en-Nu’mân durch Anekdoten ihre Weisheit unter Beweis stellt.

Der Imam esch-Schâfi’i 84 pflegte zu sagen: "Ich habe es gern, wenn die Menschen aus meiner Gelehrsamkeit Nutzen ziehen, wenn nur mir nichts davon zugeschrieben wird."

Als Imam, der von allen geachtet wird, kann er sich solche demonstrative Bescheidenheit freilich leisten, die ihm dann wieder zum Ruhm gereicht. Und dass der Ausspruch noch heute bekannt ist, macht ihn sozusagen selbst zum Paradoxon.

Eine Anekdote über Abu Hanifa 84a berichtet über dessen Verachtung gegenüber dem zweiten Abassidenkalifen Abu Dscha’far el-Mansur 84b, den er als Tyrannen bezeichnet.

esch-Schâfi’i sprach:

Willst du, o Seele, meinen Rat befolgen,
Und reich an Ehren sein in Ewigkeit,
Wirf von dir die Begierden und die Wünsche!
Wie mancher Wunsch schon brachte Todesleid.

Es folgen weitere Anekdoten. Nachdem die Alte ihr Rede endet, ist König Omar ibn en-Nu’mân so ergriffen, dass er der Alten und den hochbrüstigen Jungfrauen den Palast der verstorbenen Prinzessin Abrîza zuweist. Er erkundigt sich bei der Alten nach dem Preis der Jungfrauen.

"Ich verkaufe sie dir nur um den Preis, dass du einen vollen Monat lang fastest, und zwar so, dass du tagsüber fastest und die Nacht hindurch wachest um Allahs des Erhabenen willen."

Die Alte steigt durch dieses Ansinnen in den Augen de Königs:

"Allah segne uns durch diese fromme Frau."

Sie reicht ihm außerdem einen Krug, aus dem er nach zehn Tagen trinken soll.

 

84 Eine als "Biographie" betitelte Sammlung von Anekdoten über diesen Imam (132-204 n.H.) findet sich hier.

84a Gründer der hanafitischen Rechtsschule – der bedeutendsten im Islam.

84b Gründer Bagdads

83. Nacht

Der Wesir Dandân fährt fort, Dau el-Makân davon zu berichten, wie die fünfte der hochbrüstigen Jungfrauen dem König Omar ibn en-Nu’mân durch Anekdoten ihre Weisheit unter Beweis stellt.
Sie berichtet die Geschichte Moses, wie sie nach der Sure 28,27 berichtet wird.

Eine Sure, in der Mohammed sich als nicht ganz bibelfest erweist: Er vermischt die Geschichte Moses mit der Jakobs.

Weitere Anekdoten mit zäher Moral über

Nun trat das fünfte Mädchen zurück, und die Alte trat hervor.

Etwas merkwürdig: Aus welchem Grunde sollte die Alte noch mit ihrem Wissen prahlen?

Die von ihr berichteten Anekdoten sind im Wesentlichen Berichte über die Gottesfurcht der Gottesfürchtigen.

 

 

83 Ein Tauber, der antwortet, wenn man ihn fragt!

82. Nacht

Der Wesir Dandân fährt fort, Dau el-Makân davon zu berichten, wie die vierte der hochbrüstigen Jungfrauen dem König Omar ibn en-Nu’mân ihre Weisheit unter Beweis stellt. Wieder durch Anekdoten.

Er – den Gott selig haben möge 82 – sagte auch: "Das Heil der Seele liegt darin, dass man ihr widersteht, und ihr Verderben darin, dass man ihr folgt."

Gemeint ist wohl Triebbeherrschung, die als Problematik im Westen seit Freud quasi von der Religion entkoppelt wurde und in die Psychologie ausgelagert wurde. Für die harten Fälle (Gewalt) stand damals wie heute das Recht bereit.
Und die Bereiche haben sich verschoben: Sexuelle Triebbeherrschung wird als nicht mehr als Problem empfunden, und wenn, dann nur in der Frage des Fremdgehens, womit die Paare selbst klarkommen müssen. Wer sich sexuell nicht ausleben kann, wird eher bemitleidet.
Dafür richtet der Überfluss an elektronischen Verbreitungsmedien (vor allem Fernsehen) Deformierungen in der Psyche an. Überfluss an Nahrung Deformierungen der Physiologie. Anscheinend sind unsere Hirne so ausgerichtet, dass wir gar nicht anders können als auf bewegte Bilder bzw. auf das fett/süß/warm-Schema anzuspringen.

Außerdem beginnt das vierte Mädchen die Geschichte über Moses und Shuaib (Jitro).

Bibel 2. Mose (Exodus) 2.21.
Interessant, dass dieser als Meister von Mose verehrte Mann, es gewesen sein soll, der ihm zur Einsetzung von unabhängigen Richtern riet. Begründet wird das zunächst nur mit arbeitsmäßiger Entlastung. Quasi unter der Hand jedoch treibt er damit soziale Differenzierung voran, die hier noch in der Form der Stratifizierung erscheint: Es werden "redliche" Oberste "über tausend, über hundert, über fünfzig und über zehn" (Exodus 18.21). Aber wir sehen hier auch funktionale Differenzierung angelegt: Rechtsprechung wird getrennt von Gesetzgebung und Religion. Die letzten beiden behält Mose bis zu seinem Tode in der Hand; er bleibt sowohl der Priester als auch der Verkünder der Gesetze.

 

 

82 Ich nehme an, gemeint ist der Prophet Mohammed.

81. Nacht

Der Wesir Dandân fährt fort, Dau el-Makân davon zu berichten, wie die zweite der hochbrüstigen Jungfrauen dem König Omar ibn en-Nu’mân ihre Weisheit unter Beweis stellt. Sie und die folgenden tun es hauptsächlich wieder durch Anekdoten.
Mohammed gab einem Ratsuchende folgenden Rat:

"Ich gebe dir den Rat, in Bezug auf diese Welt ein enthaltsamer Herr, in Bezug auf die zukünftige aber ein gieriger Sklave zu sein."

Zwei Brüder des Volkes Israel befragen einander nach der schlimmsten Tat, die sie begangen haben. Einer von ihnen sagt:

"Die schlimmste Tat, die ich tue, ist die: wenn ich mich zum Gebet erhebe, so fürchte ich, ich könne es nur um des Lohnes willen tun."

Ein Motiv, dass sich auch im Zen-Buddhismus wiederfindet: Man muss sich von den Zwecken und Zielen freimachen, und das heißt auch vom Ziel der Erleuchtung. Was man tut, soll Zweck für sich genug sein. Im Gebet/der Meditation sowieso.

Das dritte Mädchen tritt hervor und beginnt nun ebenfalls, Anekdoten zu referieren, so z.B. diese:

Sooft Atâ es-Sulâmi eine Mahnung beendet hatte, zitterte er und bebte und weinte heftig; und als man ihn fragte, weshalb er das tue, antwortete er: "Ich will mich an eine ernste Aufgabe machen: ich will vor Allah den Erhabenen treten, um meiner Mahnung entsprechend zu handeln."

Was ist menschlicher: Maximen zu fordern, die man selbst handelt, oder Maximen zu fordern, die für einen selbst eine Herausforderung sind?

Das vierte Mädchen tritt hervor und berichtet u.a. folgende Anekdote:

Ferner erzählte Ibrahim: Ich sah einmal, wie Bischr einen Dânik 81 verlor; da ging ich zu ihm hin und gab ihm einen Dirhem dafür wieder. Doch er sprach: "Den nehme ich nicht an." Ich sagte: "Das ist doch völlig erlaubt"; aber er entgegnete mir: "Ich kann nicht die Güter dieser Welt in Güter der künftigen Welt umtauschen."

 

 

81 Eine Münze – anscheinend im Wert von 1/6 Dirhem.

80. Nacht

Der Wesir Dandân fährt fort, Dau el-Makân davon zu berichten, wie die hochbrüstigen Jungfrauen dem König Omar ibn en-Nu’mân ihre Weisheit unter Beweis stellen.

Die erste Jungfrau tritt zurück, die zweite tritt  vor und gibt anekdotenhaft Lebensweisheiten zum Besten:

Der weise Lokmân 80 sprach zu seinem Sohne: "Drei Menschen gibt es, die sich nur in drei verschiedenen Lagen erkennen lassen: den Gütigen erkennst du nur im Zorne, den Tapfern nur in der Schlacht und deinen Freund nur in der Not."

Dies ist natürlich doppelt zu verstehen: Als Hinweis auf Menschenkenntnis, aber auch als Aufforderung zur Tugend. Und dies in mehrfacher Hinsicht:

  • Lokmân an seinen Sohn

  • die zweite hochbrüstige Jungfrau an König Omar ibn en-Nu’mân

  • Wesir Dandân an Dau el-Makân (warum sonst sollte er all dies so detailliert erzählen?)

  • Schehrezâd an König Schehrijâr

  • der durch die Erzählform versteckte Erzähler an den Leser oder Zuhörer

  • Dan Richter an den Leser dieses Blogs

  • Verlinker auf diese Seite an die Surfer

Sie zitiert Kais 80a

Ich bin von allen Menschen am fernsten doch dem Heuchler,
der andere irren sieht und kennt doch den Weg selber nicht.
Reichtum und Geistesgaben sind ja nur ein Darlehn:
Was jeder im Herzen verbirgt, stehet ihm im Gesicht.
Gehst du in eine Sache von falscher Seite hinein,
so irrst du. Doch gehst du recht, trittst du zur rechten Türe ein.

Die letzten beiden Zeilen wieder ein Beispiel für die enge Tautologie, in der sich die primitive Ethik bewegt: Das falsche ist falsch, das richtige ist richtig.

Thâbit el-Bunani 80b weinte, bis er fast das Augenlicht verlor. Man brachte ihn aber zu einem Manne, der ihn heilen sollte, und der sprach: "Ich werde dich heilen unter der Bedingung, dass du mir gehorchst." Da fragte Thâbit: "Worin?" Der Arzt erwiderte: "Darin, dass du nicht mehr weinst!" "Was soll ich mit meinen Augen", antwortete Thâbit, "wenn sie nicht weinen?"

Gut 1.200 Jahre später baut ein Herr de Saint Exupery einen ähnlichen Gedanken in seine Geschichte "Der kleine Prinz" ein: "Man sieht nur mit dem Herzen gut."

 

80 Leben und Wirken von Lokmân gelten als umstritten. Beansprucht wird er in türkischen und arabischen Traditionen, und es ranken sich eine Reihe Legenden um ihn. Die ihm zugeschriebenen Fabeln sind offenbar eine Abwandlung der Fabeln von Äsop. Ob diese Bearbeitung aber von ihm stammen, durch mündliche Überlieferung oder durch christliche Bearbeitung, ist unklar.

80a Ich vermute, gemeint ist der vor-islamische arabische Dichter Amru al-Kais (6. Jh. n.Chr.).

80b Nach islamischer Tradition: Ein Weiser und Frommer, der 748 n.Chr. starb.

76. Nacht

Der Eunuch erwischt den Heizer gerade noch, als dieser auf seinem Esel fliehen will. Er lässt ihn von Sklaven bewachen, und der Heizer glaubt nun, Dau el-Makân habe ihn verraten. Dass ihm aber statt des Esels ein Pferd zur Verfügung gestellt und ihm Zuckerscherbett serviert wird, irritiert ihn dann doch. Der Eunuch treibt so sein Spiel mit ihm.

Der Heizer ist immer noch namenlos. Der Eunuch sowieso.

Die Karawane zieht weiter.

Der Kammerherr ritt bald an der Tür der Sänfte seiner Gemahlin, um den Prinzen Dau el-Makân und seine Schwester zu bedienen, bald behielt er den Heizer im Auge.

Der permanente Wechsel im sozialen Status des Kammerdieners bleibt interessant. Bis vor kurzem war er der höchste Würdenträger innerhalb der Karawane, nun wieder ist er zurückgeworfen auf seine Funktion als Kammerdiener. Da ihm aber gleichzeitig die wahre Stellung seiner Gattin offenbart wurde, kann er sich berechtigte Hoffnungen auf eine fürstliche Zukunft machen.

Man befindet sich drei Tagesmärsche von Bagdad entfernt, als sich eine dunkle Staubwolke auf sie zubewegt. Er reitet ihr mit seinen Mamluken entgegen, und es stellt sich heraus, dass es ein Heer aus Bagdad ist. Die Nachricht, dass der König Omar ibn en-Nu’mân tot ist, ruft Verwunderung hervor.

Auch beim Leser, der ja bisher, wie der Erzähler, in einer Allwissenheits-Perspektive war.

Der Wesir Dandân, der sich in einem Zelt des Heers aufhält, berichtet, dass der König vergiftet worden sei. Im Volk sei daraufhin Unruhe über die Nachfolge ausgebrochen. Eigentlich würde sie Scharkân zustehen, das Volk liebe aber Dau el-Makân, der aber seit fünf Jahren mit seiner Schwester als verschollen gilt.

Im deutschen Recht ( Verschollenengesetz ) wird ein Verschollener für tot erklärt, wenn man 10 Jahre nichts von ihm gehört hat. 76 Ausnahmen sind u.a.:

  • Schiffsunglücke – 6 Monate

  • Flugzeugunglücke – drei Monate

  • Kriegsende – ein Jahr

  • über 80jährige – 5 Jahre

Eine Hidschaz muss zu jener Zeit ziemlich gefährlich gewesen sein, so dass die Kadis, die über die Nachfolge zu entscheiden hatten, getrost vom Tod des Geschwisterpaars ausgehen konnten.

So sei man nun auf dem Wege nach Damaskus, um Scharkân zu holen. Da aber Dau el-Makân nun heimkehrt, wird dieser wohl Sultan von Bagdad.

Der potentielle Konflikt unter den Brüdern, die sich kaum je sahen, wird verschärft. Fragt sich nur, wer den König tötete. Ich als Leser hätte da die hochbusigen, gelehrten Jungfrauen im Verdacht.

 

 

76 (Interessant auch für das Erbrecht: Im deutschen Recht gelten zwei gleichzeitig Verschollene als gleichzeitig gestorben. Im englischen Common Law gilt der Ältere als zuerst gestorben.)

70. Nacht

Die Bitte des gemeinsamen Vaters Omar, ihm die gebildete Sklavin zu schicken, bringt die beiden in eine arge Bredouille. Nuzhat ez-Zamân macht den Vorschlag, tatsächlich nach Bagdad zu reisen, wo sie ihrem Vater alles erklären will.

Dieser Vorschlag überrascht vor allem, weil er so einfach und kommunikativ ist, wo doch die Protagonisten hier dazu tendieren, aus Scham, Eitelkeit oder Ehre zu Tricks zu greifen oder zu fliehen.

Die gemeinsame Tochter Kudijâ Fakân bleibt in Damaskus, während der Tribut bereitgestellt wird. Siehe da – Dau el-Makân und der Heizer beobachten das Beladen der Maultiere, Kamele und Trampeltiere und Dau el-Makân beschließt, sich der Karawane anzuschließen. Der treue Heizer zieht mit.
Die Karawane zieht los, und nach fünf Tagen erreichen sie die Stadt Hama , wo sie drei Tage verweilen.

Interessant wäre es, die Handlung zeitlich einzugrenzen: Da Hama 1401 zerstört wurde, muss die Handlung vorher spielen. Wahrscheinlich lassen sich ohnehin lauter Widersprüche finden, denn einen Herrscher Omar ibn en-Nu’mân hat es in Bagdad nie gegeben.

69. Nacht

Nuzhat ez-Zamân berichtet ihm nun ihre ganze Geschichte. Ihr Bruder schlägt ihr nun auf ungewöhnlich ruhige Weise vor, sie möge seinen Kammerherrn ehelichen, damit die "Todsünde" der Welt nicht bekannt würde.

Nun also doch Todsünde im Islam, über deren Existenz wir noch in der 66. Nacht  spekuliert hatten. Aber vielleicht hat es sich auch der Übersetzer hier ein bisschen einfach gemacht.

Die Tochter der beiden wird Kudija-Fakân69 genannt.

Wenn diese Story klassisch ablaufen sollte, dann kann dieses Kind eigentlich nur Bringerin oder Empfängerin von Unglück werden.

Tatsächlich wird Nuzhat ez-Zamân nun mit dem Kammerherrn vermählt und das Kind aufgezogen

mit Hilfe der Sklavinnen und pflegten es mit allerlei Säften und Pulvern.

Ist die Ehe einer Königstochter mit dem Kammerherrn überhaupt standesgemäß? Säfte und Pulver als Mittel des Aufziehens? Oder ist es ein Hinweis auf die Kränklichkeit der Inzesttochter?

Ein Brief von Omar ibn en Nu’mân trifft ein, in dem dieser den Tribut von Damaskus einfordert. Außerdem berichtet er davon, dass eine alte Griechin engetroffen sei.

und bei ihr sind fünf Mädchen, hochbusige Jungfrauen, die beherrschen das Wissen, die Bildung und die feine Wissenschaft

Hochbusig und gebildet. Eine in der Tat seltene Kombi.

Diese Mädchen seien, so die Alte, nur für den Preis des Tributs von Damaskus zu verkaufen, außerdem bitte Omar seinen Sohn, auch das von ihm so gepriesene Mädchen zu schicken, damit dieses sich mit den gelehrten Mädchen im Wissensstreit messe.

Die Alte, so können wir ahnen, muss Dhat ed-Dawahi sein, die Mutter des mit König Omar verfeindeten Griechenkönig Hardûb. Ihr Plan  beginnt nun zu reifen.

 

69 Kuija Fakân = "Es war bestimmt und es geschah." Eine Anspielung auf die unergründlichen Wege Allahs, denen man sich zu fügen habe.

68. Nacht

Scharkân liest weiter im Brief seines Vaters, welcher den Verlust seiner Kinder beklagt:

Ihr Bild entschwindet nie, nicht eine einz’ge Stunde
Im Herzen wies ich ihm den Platz der Ehren zu.
Wär Hoffnung nicht auf Heimkehr, ich lebte keine Stunde.
Wär nicht das Bild des Traumes, ich fände keine Ruh.

Beachtlich das originelle Reimpaar Stunde/Stunde.

Als Scharkân das Schreiben gelesen hatte, da grämte er sich um seinen Vater, aber er freute sich um den Verlust seines Bruders und seiner Schwester.

Scharkân besucht nun seine Schwester/Gemahlin Nuzhat ez-Zamân, die gerade im Geburtstuhl  saß und entbunden hat, um ihr den Brief zu zeigen. Seine Freude über die neugeborene Tochter, der man erst am siebten Tage nach der Geburt einen Namen geben will (denn "Das ist der Brauch unter den Menschen") 68, währt nur so lange, bis er den Juwel
an deren Hals sieht,

eins von den dreien, die Prinzessin Abrîza aus Griechenland mitgebracht hatte.

"Woher hast du das Juwel, Sklavin?"

Erst jetzt platzt es aus Nuzhat ez-Zamân heraus:

"Schämst du dich nicht, mich Sklavin zu nennen? (…) Ich bin Nuzhat ez-Zaman!"

Als er diese Worte hörte, fasste ihn ein Zittern und er ließ den Kopf zu Boden hängen.

Depression ist für Scharkân eine eher untypische Reaktion. Bisher reagierte er auf unschöne Nachrichten eher explosiv.

 

68  Für die Katholiken hingegen scheint es ja eher wichtig zu sein, die Taufe möglichst schnell über die Bühne zu bringen, damit, falls das Kind stirbt, es nicht ungetauft im Fegefeuer landet. Sollte der Säugling ungewöhnlich schwach sein, kommt sogar eine Nottaufe in Betracht.

67. Nacht

Scharkân hat genug von der Weisheit des Mädchens gehört, die ihm die anwesenden Kadis bestätigen:

"Macht euch daran, die Hochzeitsfeier zu rüsten und bereitet Speisen jeglicher Art."

Heutzutage würden seine Eltern bedenklich das Haupt schütteln: "Eine Philosophin? Na ick weeß ja nich."

Es wird gespeist und musiziert. Dann führen die Kammerfrauen die Maid fort, um sie zu schmücken und anzukleiden; doch sie bemerkten, dass sie keines Schmuckes bedurfte.

Derart knapp wurde die Schönheit eines Mädchens hier noch nicht auf den Punkt gebracht.

Scharkân lässt sich nun im Prunksitz seine Braut in verschiedenen Gewändern vorführen. Dann geben ihr die Kammerfrauen

die Ermahnungen, die man Jungfrauen in der Hochzeitsnacht zu geben pflegt.

Welcher Natur diese Ermahnungen sein mögen, davon mag man spekulieren. Nur sexueller? Oder betreffen sie auch das Leben "danach"?

Scharkân ging zu ihr ein, und nahm ihr das Mädchentum; und sie empfing in selbiger Nacht, und als sie es ihm sagte, da freute er sich sehr und er befahl in den Gelehrten, die Zeit der Empfängnis zu verzeichnen.

Ein wenig unklar: Will sie es noch in derselben Nacht gewusst haben? Dann muss sie ein gutes Gespür für ihren Körper haben, wie man es sonst nur von reiferen Frauen kennt. Selbst die Mucus-Methode muss man eine Weile trainieren.
Oder sagt sie es ihm Wochen später? Der Umstand, dass er gleich zu seinen Gelehrten geht, deutet darauf hin. Es ist schließlich unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die Gelehrten hinter der Tür des Hochzeitsgemachs warten.

Voller Freude schreibt Scharkân an seinen Vater über seine neue Sklavin/ Braut, und er bittet ihn, sie bei sich zu Besuch aufzunehmen, damit sie seine Geschwister Dau el-Makân und Nuzhat ez-Zamân kennenlerne.

(Nicht wissend, dass er gerade seine eigen Schwester entjungfert hat.)

Der betrübte Vater in Bagdad erwidert ihm mit einem traurigen Brief, in dem er vom Verschwinden der beiden berichtet.

59. Nacht

Der Händler (dessen Namen wir immer noch nicht erfahren haben) kleidet die Nuzhat ez-Zamân, schmückt sie, lässt sie schlafen, um sie am nächsten Tag vor den Statthalter von Damaskus zu führen – Scharkân.

Doch sobald der sie erblickte, ward Blut zu Blut hingezogen; obgleich sie schon von ihrem ersten Lebensjahre getrennt gewesen war.

Scharkân stellt dem Händler die gewünschte Zollbefreiungsurkunde aus, gibt ihm 100.000 Goldstücke für die Prinzessin, noch einmal 100.000 für ihre Kleidung und ihren Schmuck, sowie 120.000 Goldstücke als Zugabe

und zuletzt verlieh er ihm ein Ehrengewand.

Seltsam – die Zollbefreiungsurkunde sollte doch von dessen Vater Omar in Bagdad ausgestellt werden. Oder wird diese weiterreichen? Außerdem sehnte sich die Prinzessin nach Bagdad, warum gibt er sie an den Damaszener Statthalter.

Vor allem aber will Scharkân die “Sklavin” freilassen und sie zu seiner Gemahlin nehmen.

Dass Nuzhat et-Zamân auch hierzu schweigt, muss wohl so gedeutet werden, dass sie ihren Halbbruder nicht nur noch nie gesehen hat, sondern auch nicht weiß dass ein Sohn ihres Vaters Statthalter von Damaskus ist.

53. Nacht

Während König Hardûb dem Rat der Alten folgt und Dutzende Mädchen ausbilden lässt, gewahrt König Omar ibn en-Nu’mân das Verschwinden von Abrîza, und lässt nun die Tore der Stadt noch stärker bewachen. Seinen drei Kindern lässt er nun alle Liebe angedeihen, was Scharkân zu immer größerer Eifersucht aufstachelt:

"Ich fürchte, sie wird in mir so stark werden, dass ich sie umbringe und dass du aus Rache mich erschlägst. Dies ist also der Grund, warum meine Farbe bleich ist."

Um diesem Schicksal zu entgehen, lässt sich Scharkân als Statthalter von Damaskus einsetzen. Er reist dorthin, und nimmt den Wesir Dandân mit sich.
Kaum ist Scharkân abgereist, so erhält der König die Kunde, dass die anderen beiden Kinder voll ausgebildet sind. Vor allem der Sohn Dau el-Makân

widmete sich der Frömmigkeit und dem Gottesdienste; denn er liebte die Armen, die Gelehrten und Männer des Korans, so dass ihn alles Volk von Bagdad liebgewann, Männer wie Frauen.

Als eines Tages nun eine nach Mekka reisende Pilgerschar durch Bagdad kommt, bittet Dau el-Makân seinen Vater, mitreisen zu dürfen, was dieser ihm verweigert. So beschließen er und seine Schwester sich heimlich dem Zug anzuschließen.

So erreichten sie das hochheilige Mekka, verweilten am Berge Arafât und vollzogen alle Pilgerpflichten. Dann gingen sie nach Medina zum Grabe des Propheten.


Mekka heutzutage während der Hadsch

Schließlich gelüstet es Dau el-Makân, auch nach Jerusalem zu reisen. Doch auf der Reise erkrankt erst Nuzhat ez-Zamân, die wieder gesund wird, aber ihren Bruder ansteckt, der, als sie Jerusalem erreichen, völlig am Ende ist. Seine Schwester pflegt ihn, aber das Geld geht ihnen aus. Als der Dau el-Makân wieder bei Besinnung ist, erbittet er sich etwas Fleisch.

"Bei Gott, lieber Bruder (…) ich habe nicht die Stirn zum Betteln; aber morgen will ich in das Haus eines Reichen gehen und durch Dienst etwas erwerben, wovon wir beide leben können." (…) Er entgegnete: "Das verhüte Gott! Du wirst ins Elend geraten."

Spricht hier die Erfahrung, dass man durch Arbeit nicht reich wird oder sieht es der Bruder als Schande an, dass seine Schwester als Frau arbeiten muss oder weil sie adlig ist?

Tatsächlich kehrt die Schwester zwei Tage lang nicht wieder. Zitternd steht er auf, um auf dem Basar etwas zu erbetteln. Sein Anblick rührt die Kaufleute, sie spenden ihm Nahrung. Und als er zusammenbricht, gibt man einem Kameltreiber Geld, damit dieser ihn nach Damaskus brächte.

Heißt das, in Jerusalem gibt es keine Spitäler?

Der Kameltreiber nimmt das Geld, doch hält er den Kranken nicht für reisefähig und wirft ihn auf den Misthaufen hinter en Badehaus. Dessen Heizer hält Dau el-Makân zunächst für einen Drogensüchtigen:

"Na ja, so’n Kerl wie du frisst Opium und wirft sich dann hin, wo es gerade trifft." Doch als er ihm ins Gesicht blickte und seine bartlosen Wangen und seine Schönheit und Anmut sah, da hatte er Mitleid mit ihm und erkannte, dass er ein kranker Fremder war."

Er nimmt ihn zu sich auf,

denn der Prophet – Allah segne ihn und gebe ihm Heil – hat befohlen, den Fremdling zu ehren, vor allem, wenn der Fremdling krank ist."

Langsam geht es Dau el-Makân besser.

51. Nacht

Die Mädchen legen nun die fränkische Kleidung ab und ziehen

die Kleidung der Töchter Griechenlands

an. Scharkân sendet einen Voraustrupp, der ihr Kommen ankündigt, und so werden sie in Bagdad von tausend Reitern und dem Wesir Dandân empfangen. Scharkân geht in den Palast zu seinem Vater und berichtet ihm von den wahren Hintergründen der Geschichte mit den Edelsteinen und der Sophia und lobt Prinzessin Abrîza.
Der König lässt Abrîza zu sich führen, ist von ihr geblendet und lässt sich von ihr die drei Juwelen schenken.

Doch als sie davonging, nahm sie sein Herz mit sich.

Der König schenkt Scharkân ein Juwel:

"… eins will ich deinem Bruder Dau el-Makân geben und das andere deiner Schwester Nuzhat et-Zamân."

So erfährt Scharkân erstmals davon, dass er noch einen Bruder hat, der inzwischen sechs Jahre alt ist.

Das kam Scharkân hart an; doch er bewahrte seine innersten Gedanken.

In seiner Sorge geht er zu Abrîza, der vom König ein eigener Palast gewährt worden ist.

Die Lässigkeit, mit der die Bagdader Herrscher Paläste verschenken, lässt entweder auf eine unglaubliche Palastdichte in dieser Stadt oder auf eine hohe Fluktuation der Besitzer schließen.

Abrîza ist verärgert, dass der König die Juwelen nicht in seine Schatzkammer gelegt, sondern sie seinen Kindern geschenkt hat, sie erbittet von Scharkân die Rückgabe des Juwels, das in seinem Besitz ist. Sie beruhigt ihn, dass sie sich trotz der unübersehbaren Avancen des Königs diesem niemals hingeben wird, hat aber auch Sorge, dass ihr Vater, wenn er erfährt, dass sie in Bagdad ist, einen Krieg vom Zaun brechen könnte. Scharkân meint, sie dann zu beschützen. Sie essen gemeinsam.

Doch bald ging er voll Sorgen und Gram in sein eigenes Haus.

Der König Omar ibn en-Nu’mân indessen geht zu seiner Nebenfrau Sophia und schenkt deren Kinder die beiden Juwelen. Aber er fragt sie auch, warum sie ihm nie gesagt habe, die Tochter des Königs Afridûn zu sein.

"O König, was sollte ich mir denn Größeres oder Höheres wünschen, als diesen Rang, den ich bei dir einnehme?" (…) Ihre Antwort gefiel dem König, und als er sie verlassen hatte, da bestimmte er für sie und ihre Kinder einen wundeschönen Palast. Auch ernannte er Eunuchen und Diener für sie, und Rechtsgelehrte, Philosophen, Astrologen, Ärzte und Chirurgen, deren Obhut er sie anvertraute.

Ein eigener Chirurg – wer wünscht sich das nicht!

Doch den König zieht es zu Abrîza, die er in den nächsten Tagen immer wieder aufsucht, die aber höflich seine Avancen aufgibt. Der listige Wesir Dandân, bei dem sich König Omar ibn en-Nu’mân Rat holt, rät ihm, ihr vorm Schlafengehen ein Stück Bendsch in den Wein zu werfen.

"Dann gehe du ihr nach und bleibe bei ihr und stille dein Verlangen an ihr!"

Nachdem der Wesir schon den Rat zum Krieg gegeben hat, wird er jetzt von Nacht zu Nacht unsympathischer.

Omar ibn en-Nu’mân befolgt den Rat.

Wie der König sie so daliegen sah und zu ihren Häuptern eine brennende Kerze fand und zu ihren Füßen eine zweite, die da beleuchtete, was ihre Lenden umschlossen, da verließ ihn sein Verstand, Satan führte ihn in Versuchung, und er konnte sich nicht mehr beherrschen; sondern er zog das Kleid aus, fiel über sie her und nahm ihr die Mädchenschaft. Dann stand er auf, ging zu einer ihrer Frauen, Mardschâna mit Namen, und sagte: "Geh zu deiner Herrin, sie lässt dich rufen!" Die Sklavin lief hinein und fand ihre Herrin bewusstlos auf dem Rücken liegend, während ihr das Blut von den Beinen herabrann.

Als die Nacht verstrichen ist, niest Abrîza das Stück Bendsch wieder aus. (s. auch 40. Nacht )Sie sieht, was der König ihr angetan hat und zieht sich nun in ihre Gemächer zurück, wo sie in den nächsten Monaten einsam lebt, während des Königs Verlangen nach ihr erstirbt.
Sie ist aber schwanger geworden, und als sie fast so weit ist auszutragen, überkommt sie die Reue.

So sprach sie zu ihrer Dienerin Mardschâna: "Wisse nicht die Welt hat unrecht an mir gehandelt, sondern ich habe mich gegen die Welt versündigt, weil ich meinen Vater, meine Mutter und mein Land verlassen habe."

Was sagt da die moderne Psychologie dazu, wenn das Trauma in einen Schuldkomplex internalisiert wird?

"Gibt es Trost für den, der kein Land und keine Heimatstatt,
Keinen Freund und keinen Becher, ja auch kein Dach mehr hat?"

Dann machte Abrîza alles bereit, bewahrte ihr Geheimnis und wartete ei paar Tage, bis der König auf die Jagd auszog und sein Sohn Scharkân sich zu den Burgen begab.

Abgesehen davon, dass man sich fragt, warum Scharkân Abrîza in den letzten Monaten offenbar vernachlässigt hat: Von was für Burgen ist hier die Rede?

Mardschâna sucht einen Diener, der bestochen wird, um mitzukommen und die beiden Frauen auf der Reise zu beschützen –

einen schwarzen Sklaven namens el-Ghadbân.

Dieser willigt ein, aber spricht zu sich selbst:

"Ich werde schon meinen Willen an ihnen durchsetzen; und wenn sie mir nicht zu Willen sind, dann töte ich sie beide und nehme ihnen ihr Geld."

Es wäre ja auch zu schön, wenn einmal etwas Gutes von einem "Negersklaven" käme!

Die drei reiten los, aber schon nach drei Tagen wird Abrîza von den Schmerzen der Wehen überwältigt, dass sie absteigen und sich niederlegen muss.

Als aber el-Ghadbân sie auf dem Boden sah, da drang Satan in ihn ein, und er zog sein Schwert vor ihrem Antlitz und sagte: "O Herrin, gewähre mir deine Gunst." Doch als sie seine Worte hörte, da sah sie ihn an und sagte: "Es bliebe nur noch übrig, dass ich mich Negersklaven hingäbe, nachdem ich mich Königen und Helden verweigert habe!"

Wenn man mich fragt, wird die Story nun schon fast so komplex wie die Ilias – entführte Prinzessinnen (Sophia – die sogar Griechin ist!), ein eifersüchtiger Prinz (Scharkân), ein einfältiger, sich gehenlassender König (Omar), unheilstiftende Berater (Wesir Dandân und die alte Dhât ed-Dawâhi). Es riecht förmlich nach Schlacht.

50. Nacht

Scharkân erkennt,

dass sie niemandem etwas von ihm gesagt hatte, sondern dass die Kunde von ihm im Lande sich verbreitet hatte.

Er kämpft zunächst mit Ritter Masûra

und hieb ihm mit dem Schwert auf die Schulter, so dass ihm die Klinge glitzernd zum Rücken und zu den Eingeweiden herausfuhr.

Prinzessin Abrîza spornt die anderen Ritter an:

"Nehmt Rache für euren Führer."

Diesen anspornenden Blutdurst von Frauen, die bei Männerkloppereien anwesend sind, habe ich nie verstanden. Hier natürlich besonders deutlich, da ja Abrîza auf Scharkâns Seite steht.

Nachdem er fünfzig Ritter einzeln erschlägt, überfallen ihn alle gemeinsam, und er stürmt auf sie los,

bis dass er sie zermahlen und zerdroschen und ihnen Sinne und Leben geraubt hatte. (…) Dann trat die Prinzessin zu Scharkân und zog ihn an ihre Brust.

Brutalität, die mit Liebe belohnt wird.

Die Prinzessin bittet nun Scharkân, auch noch den Torwächtern, die die Boten des Königs durchgelassen hatten, die Köpfe abzuschlagen, was er prompt erledigt. dann offenbart sie sich:

"Wisse denn, ich bin die Tochter des Königs Hardûb von Kleinasien; ich heiße Abrîza, und die Alte, die Dhât ed-Dawâhi heißt, ist meine Großmutter von Vaters Seite her."

Da sie nun die Rache ihres Vaters und ihrer Großmutter fürchtet, stellt sie sich in Scharkâns Schutz, unter der Bedingung, dass er in sein Land zurückkehrt. Scharkân zögert, denn schließlich soll er seinem eigenen Vater, dem König Omar ibn en-Nu’mân den Schatz mit den drei Wunderjuwelen bringen. Abrîza berichtet ihm den wahren Hintergrund der Geschichte (zum Vgl. für die Geschichte aus der Sicht des konstantinopolitanischen Königs s. 45. Nacht. +++ Sophia, die Griechin ist diejenige, welche Scharkâns Geschwister geboren hat. vgl. 45. Nacht.)
Als vor einigen Jahren der König von Kleinasien das jährliche Klosterfest feierte, zu dem Könige aus allen Gauen  angereist kamen, war darunter auch Sophia, die Tochter des Königs von Konstantinopel. Als Sophia auf einem Schiff wieder abreiste, wurde das Schiff von 500 fränkischen Seeräubern von der Kampferinsel angegriffen und geentert. Die ganze Truppe geriet jedoch in einen Sturm und das Schiff zerschellte auf einem Riff. Die Kleinasier kamen herbei und betrachteten nun Schmuck und Mädchen als Beute, ohne zu wissen, wer diese seien und König Hardûb verschenkte nun die Sophia an den König von Baghdad Omar ibn en-Numân.

Auf die Idee, die Mädchen zu fragen, woher sie stammten, kam man offenbar nicht.

Die Nachricht erreichte nun auch den Vater von Sophia, König Afridûn. Hardûb zögerte, ihm die ganze Wahrheit mitzuteilen, zumal er inzwischen erfahren hatte, dass Sophia dem König Omar ibn en-Nu’mân Kinder geboren hat. Dann tat er es doch und Afridûn flippte aus:

"Was! Hat er eine Tochter gefangengenommen und sie mit Sklavinnen auf eine Stufe gestellt, so dass sie von Hand zu Hand weitergegeben und Königen als Gabe gesandt ist, die ohne Ehevertrag bei ihr liegen? Beim Messias und beim wahren Glauben, ich will nicht ruhen, bis ich Blutrache genommen und meine Schande getilgt hab; wahrlich ich will eine Tat tun, von der man nach meinem Tod singen und sagen soll."

Die Edelsteine hingegen gehörten Sophia, die andere Version (s. 45. Nacht) ist falsch.

Abrîza bittet nun Scharkân vorauszureiten zu seiner Truppe und sie zur Umkehr zu bewegen, sie käme nach:

"Ich sagte ihr Lebewohl: meine Rechte wischte die Tränen,
Die Linke umschlang sie und presste sie an das Herze mein.
Sie fragte: ‘Fürchtest du nicht die Schande?’ ‘Nein!’ gab ich zur Antwort,
‘Der Tag des Abschieds ist der Liebenden Schande allein.’"

Scharkân macht sich nun auf, befiehlt seiner Truppe umzukehren und nach fünf Tagen erreichen sie eine bewaldete Talsohle. Nach weiteren fünfundzwanzig Tagen erreichen sie die Grenzen des eigenen Landes

und das Landvolk brachte ihnen Gastgeschenke, Futter für die Tiere und Proviant.

Auf welche Grundlage diese Freiwilligkeit angesichts eines derart bewaffneten Heeres beruht, kann man sich denken.

Das Heer zieht unter der Führung des Wesirs Dandân wieder los, Scharkân aber bleibt mir hundert Reitern zurück.

Warum eigentlich? Wenn er wünscht, dass seine Ankunft in Bagdad gebührend gewürdigt wird, genügt ja ein kleiner Voraustrupp, der ihn ankündigt.

Einen Tag später,

als sie etwa zwei Parasangen50  zurückgelegt hatten,

nähert sich ihnen eine Staubwolke,

da traten hundert Reiter heraus, die sahen wir grimmige Löwen aus, mit eisernen Panzern gerüstet zum Strauß.

Man beachte wieder diese seltsamen Prosareime. "Strauß" im Sinne von Kampf habe ich nie zuvor gehört, aber sowohl Duden als auch der Microsoft-Thesaurus bieten diese Option. Angeblich aus dem Mittelhochdeutschen struz, wovon auch "sich sträuben" abzuleiten ist.Man lernt nie aus.

Die Ritter sind Franken, und nachdem sie einen Tag miteinander gekämpft haben, ziehen sich beide Parteien zurück, und bemerken, dass keiner verwundet oder gefallen ist. Die Moslems haben den Eindruck, von den Franken geschont zu werden. Am nächsten Tag wird einzeln im Zweikampf gefochten, und nun nehmen die Franken einen Moslem nach dem anderen gefangen, obwohl der Führer der Franken auf der Wange noch keinen Flaum hat.
Am nächsten Tag kämpft nun Scharkân mit dem fränkischen Anführer, und ist am Abend völlig perplex, denn er bemerkt an dem fränkischen Ritter:

"wenn er an seinem Gegner eine Blöße für einen Todesstoß sieht, so kehrt er seine Lanze um und stößt nicht mit dem unteren Ende!"

Erst am nächsten Tag, als sie wieder miteinander kämpfen, gibt sich der Anführer zu erkennen: Es ist Abrîza selbst, und die "Ritter"

"sind Jungfrauen, und doch haben sie im offenen Kampf deine Reiter besiegt."

Allgemeine Verbrüderung. Man zieht gemeinsam Richtung Bagdad, nicht ohne das Scharkân die Christen bittet, ihre fränkischen Gewänder abzulegen.

 

50 Eine Parasang (–> pers.) = eine Reitstunde. Die Distanz variiert zwischen vier und sechs Kilometern.

46. Nacht

Die Geschenke der Gesandten an den König bestehen aus

fünfzig der erlesensten Mädchen aus Griechenland und aus fünfzig Mamluken und Gewändern aus Brokat und mit Gürteln aus Silber und Gold; jeder Mamluk trug in seinem Ohr einen goldenen Ring mit einer Perle, die tausend Goldstücke wert war. Die Mädchen waren gleichfalls geschmückt, und sie trugen Stoffe, die sehr viel Geld wert waren.

Der König berät sich nun mit seinen Wesiren. Der älteste unter ihnen namens Dandân46 rät ihm zu, das Heer auszurüsten und den König von Konstantinopel zu unterstützen, unter anderem,

weil der König von Griechenland dir Geschenke gesandt hat, die du angenommen hast.

Geschenke als Erpressung. Keine verlorengegangene Praxis, sondern selbst in scheinbar unkomplizierten Zusammenhängen wie auf Studentenpartys zu beobachten: Man bringt eine Flasche Wein als Geschenk mit und erkauft sich durch dieses Geschenk das Recht, mitzusaufen. In familiären und intimen Beziehungen wird es noch komplizierter. Je liebevoller und ausgesuchter das Geschenk, umso höher die Erwartungshaltung. Der Fluch der Geschenke-Reziprozität.
Auf unserer Tour durch Sibirien werden wir mit Werken der örtlichen Autoren beschenkt – fast alles Dichterinnen. Glauben die wirklich, wir könnten das alles lesen und verstehen oder würden uns da durcharbeiten? Allein in Omsk ein halbes Kilo Gedichte:

Der König erwidert lobend:

“Von deinesgleichen sollten die Könige sich Rat holen, und es erscheint mir angebracht, dass du die Vorhut des Heeres führst.”

Ob das wirklich eine Ehre ist für einen Mann in dem Alter? Aber man wünschte es sich schon für jeden, der zum Krieg rät, egal ob sie Cheney, Wolfowitz, Huntington oder auch Dandân heißen.

Man stellt ein Heer von zehntausend Reitern zusammen plus Fußvolk und Tross.

Als drei Tage verstrichen waren, zog das Heer in die Vororte der Stadt Bagdad.

Wozu? Um zu lagern?

Dann zieht man los und eilt 21 Tage lang. Das Heer lagert in einem Flusstal. Da man sich in der Nähe zum Feind befindet, kundschaftet Scharkân die Lage persönlich aus. Irgendwann wird er müde und schläft ein, während das Pferd weitergeht. Zu Mitternacht bemerkt er, dass er sich in der Nähe eines Klosters befindet. Dort spielen zehn Mädchen miteinander

Die Wiese strahlt in herrlichem Glanze
Der weißen Jungfrauen dort.
Noch lieblicher wird ihre Schönheit und Anmut
Durch sie, der herrlichen Tugenden Hort.
Jede der Jungfrauen nimmt gefangen
Durch zarte Bewegung und Blicke so weich.
Sie lassen Haare herunterhangen
Dichten Trauben der Reben gleich.
Sie bezaubern mit ihren Augen,
Senden treffsicher Pfeile aus.
Sie schreiten dahin, und sie besiegen
Mannenführer, erprobt im Strauß.

Strauß?

Eine von ihnen sagt auf arabisch (!):

“Beim Messias, nein, das ist von euch nicht fein. Aber jede, die von euch noch ein Wort spricht, werfe ich zu Boden und binde ihr die Hände auf dem Rücken mit ihrem eigenen Gürtel zusammen.”

was sie auch tatsächlich tut. Da tritt ein altes Weib hervor

und sagte wie im Zorn zu ihr: “Du Metze, freust du dich, wenn du die Mädchen zu Boden wirfst? Siehe, ich bin ein altes Weib, und doch habe ich sie vierzigmal geworfen! Was hast du also zu prahlen? Aber wenn du die Kraft hast, mit mir zu ringen, dann tue es; dann werde ich dich fassen und dir den Kopf zwischen die Füße legen.”

46 Dandân (= دندان) bedeutet “Zahn” und war das erste Wort, das ich auf Persisch konnte, nachdem Ralf aus dem Wörterbuch ein Wort herausgesucht hatte, das meinem Namen ähnelte.

45. Nacht

Nachdem Ghânim dem Kalifen seine Geschichte erzählt hat, macht er ihn nun zu seinem Vertrauten und bittet um Entschuldigung, die dieser natürlich gewährt.

Wäre ja mal eine schöne Wendung, wenn das nicht geschähe.

Dann gab er den Befehl, ihm einen Palast anzuweisen, und er verlieh ihm Gehälter, Einkünfte und Schenkungen, die sich auf eine hohe Summe beliefen.

Vielleicht ist es auch die Maßlosigkeit von Gunst und Drohung, die den Kalifen jedes mal wie einen irren Gott erscheinen lassen.

Darauf ließ er ihn mit seiner Mutter und seiner Schwester dort einziehen; und als der Kalif vernahm, dass seine Schwester Fitna an Schönheit eine wahre "fitna", das heißt eine Verführerin war, da erbat er sie von Ghânim zur Ehe.

Fragt sich, ob das für Fitna eine schöne Aussicht ist, als Vögelchen im goldenen Käfig zu sitzen.

So heiraten der Kalif Fitna und Ghânim Kût el-Kulûb am selben Tag.
Der Kalif lässt die Geschichte für seine Archive aufzeichnen.

Ende

***

Die Geschichte des Königs Omar ibn en-Numân und seiner Söhne Scharkân und Dau el-Makân und dessen, was ihnen widerfuhr an Merkwürdigkeiten und seltsamen Begebenheiten

In Bagdad herrscht

vor dem Kalifat des Abd el-Melik

d.h. also vor 685 n.Chr.

ein König namens Omar ibn en-Numân, der die persischen Könige und die oströmischen Kaiser besiegt hat.

Er war König aller Länder und Gott hatte ihm alle Menschheit unterstellt.

Gegenden, die seiner Herrschaft untertan sein sollen:

  • das nahe und das ferne Indien

  • China

  • das Land des Hidschâz

  • Jemen

  • die Inseln von Hinterindien und China

  • Mesopotamien

  • Sudan

  • die Inseln des Weltmeeres

  • Die weltberühmten Ströme der Erde: Jaxartes, Oxus45, Nil, Euphrat

Scharkân heißt der Sohn des Königs, der, obwohl mit vier Frauen verheiratet, sonst keine Kinder hat. Und dieser Scharkân wird zu einem stattlichen Mann, dem sich keiner zu widersetzen vermag. Außer den vier Frauen hat er noch 360 Nebenfrauen, für jeden Tag im Jahr eine. Und von diesen wird dann doch eine Griechin namens Sophia schwanger. So sehr der Vater nun hofft, sein Nachkomme möge männlich werden, so sehr befürchtet Scharkân dies, da er annimmt, ein männlicher Nachkomme würde seine Herrschaft streitig machen, und so beschließt er, falls es ein Junge wird, diesen zu töten.

Dieser Scharkân schraubt sich ja gleich zu Beginn der Geschichte, die, soweit ich das sehen kann, uns in den nächsten Wochen begleiten wird, in unsere Herzen.

Die Sklavin gebiert eine Tochter, man überbringt Scharkân die Nachricht, und er beruhigt sich, nicht wissend, dass die Sklavin noch einmal Wehen bekommt und nun einen Jungen zur Welt bringt.
Man nennt das Mädchen Nuzhat ez-Zamân ("Wonne der Zeit") und den Jungen Dau el-Makân ("Licht des Hauses").

Vier Jahre später bittet eine Gesandtschaft des christlichen Königs Afridûn von Konstantinopel den Omar ibn en-Numân um Unterstützung in einem Feldzug gegen den Fürsten des armenischen Cäsarea. Dieser habe nämlich dem König Afridûn eine Schiffsladung geraubt, auf denen sich drei straußeneigroße Juwelen, die nutz- und schutzbringend sind, wenn man sie einem neugeborenen Kind um den Hals hängt.

Fragt sich natürlich, wie ein Neugeborenes die Last eines straußeneigroßen Juwels tragen soll

Zwei Feldzüge seien schon fehlgeschlagen, nun bitte man

den König von Bagdad und Chorasân

um Hilfe.

Ich rate mal, wie es weitergeht: Während Scharkân in die Kämpfe verwickelt wird, gefangen genommen und zuhause für tot erklärt wird, übernimmt sein Halbbruder in Bagdad die Macht. Die Brüder ziehen gegeneinander in den Krieg. Verbrüderung oder Kampf um Leben und Tod.

 

 

45 Altertümliche Bezeichnungen: Jaxartes = Syrdarja, Oxus = Amudarja

 

44. Nacht

Kût el-Kulûb befiehlt dem Basarvorsteher, seiner Frau zu sagen, diese möge die beiden Frauen baden und pflegen.

Unklare Sozialhierarchie: Eine Sklavin des Kalifen kann dem Basarvorsteher Befehle erteilen! D.h. die Nähe zum Hofe des "Beherrschers der Gläubigen" lässt einen über die Geschlechterhierarchie und über die Hierarchie Sklave/Freier hinauswachsen.

Die beiden werden also gebadet und neu eingekleidet,

so dass sich die Spuren ihres Standes deutlich zeigten.

Zu dritt besuchen sie Ghânim.

Ghânim ibn-Aijûb aber, der verstörte Sklave der Liebe, hörte sie plötzlich den Namen Kût el-Kulûbs nennen; da kehrte das Leben in ihn zurück.

Nachdem Ghânim erfahren hat, was inzwischen geschehen ist, lässt man ihn pflegen, badet ihn und füttert ihn mit Brühen, Galgantwasser, Kükenfleisch, Apfelsaft und Scherbet.
Der Kalif erfährt von Kût el-Kulûb, dass man Ghânim gefunden habe, und dieser schickt Dscha’far, um ihn zu holen.

Wie wird dieser Wesir über den Kalifen denken? Beim letzten Mal wurde er losgeschickt, um Ghânims Haus zu plündern.

Siehe, da kam auch schon Dscha’far auf seinem nubischen Maultier.

Als Ghânim dann vor den Kalifen tritt, spricht er folgende Verse:

Sei mir gegrüßt, o König von hocherhabener Würde,
der du deiner Wohltat Gaben stets verteilest reich an alle!
Sie geben keinem anderen als dir den Namen des Kaisers
dir, dem mächtigen Herrscher, dem Herrn der Ruhmeshalle.
Es legen die Könige, wenn sie dir grüßend nahen,
Der Kronen Edelsteine auf deine Schwelle hin,
Und wenn dann ihre Augen dein Antlitz nur erblicken,
So werfen sie sich zu Boden mit ehrfurchtsvollem Sinn.
O Majestät, du verleihest ihnen in deiner Gnade
Hohe Ehrenstellen und deiner Herrschaft Macht.
Zu eng für deine Heere wurden Ehre und Menschheit;
Drum schlage deine Zelte hoch in der Sterne Pracht.
Dich möge der Könige König erhalten in seiner Liebe
Dein sei ein festes Herz und dein ein trefflicher Rat!
Du breitetest deine Gerechtigkeit über die ganze Erde,
Bis sie den Fernen gleichwie den Nahen umfasset hat.

Und das an einen, der ihm Reichtum, Weib und Gesundheit raubte!

Als er seine Verse beendet hatte, war der Kalif entzückt, denn ihm gefiel die Feinheit seiner Sprache und die Lieblichkeit seiner Rede.

43. Nacht

80 Tage lang lässt der Kalif Kût el-Kulûb im dunklen Zimmer. Dann kommt er daran vorbei und vernimmt ihre Klage:

"O Ghânim! (…) Du handeltest gut an einem, der schlecht an dir gehandelt hat. (…) Aber wahrlich, du wirst mit dem Beherrscher der Gläubigen och vor einem gerechten Richter stehen, und du wirst dein Recht von ihm erhalten an dem Tage, an dem er Herr in seiner Majestät und Allgewalt der Richter ist und die Engel die Zeugen sind."

Der Kalif lässt sie von seinem Eunuchen Masrûr zu sich holen und entschuldigt sich auf Kalifenart bei ihr:

"Es gibt keine Majestät und es gibt keine Macht außer bei Allah! Erbitte dir eine Gnade, sie soll dir gewährt werden."

Sie erbittet ihren Geliebten Ghânim. Und der Kalif verspricht:

"Wenn er vor mich tritt, so will ich dich ihm schenken als das Geschenk eines Großherzigen, der seine Gabe nicht widerruft."

Man will diesen aufgeblasenen Gockel mal irgendwann stürzen sehen 43. Sollte er sich nicht wenigstens an der Suche nach Ghânim beteiligen, so wie er auch dessen Verfolgung beauftragte?

Kût el-Kulûb  sucht nun nach Ghânim, besucht die Ältesten der Gemeinde und verteilt Almosen in Ghânims Namen.

Unklar: Rolle der Gemeindeältesten in Bagdad

Auch dem Vorsteher des Basars (der, wie wir wissen, Ghânim pflegt) erhält eine Spende mit dem Auftrag, sie unter den Fremdlingen zu verteilen. Dieser stellt ihr die etwas sonderbare Frage:

"Herrin, willst du zu mir in mein Haus kommen und dir einen fremden Jüngling dort ansehen, der schön und anmutig ist?"

Sie lässt sich von einem Knaben dorthin führen, pflegt Ghânim, ohne ihn zu erkennen, da er immer noch dünn wie ein Zahnstocher ist, und kehrt zum Palast zurück.

Seltsames Verhalten eigentlich: Warum kommt sie überhaupt mit, wenn sie nicht glaubt, dass es Ghânim sein könnte. Und wenn sie andererseits diese Vermutung hegt, so könnte sie ja mal etwas genauer hinschauen, denn er trägt ja immer noch die Kleider, von damals, oder, wie es der Basarvorsteher ausdrückt:

"Bei Allah, er stammt von guten Leuten und trägt die Spuren des Wohlstandes."

Kurz darauf treffen auch Ghânims Mutter und Schwester ein, und auch sie sind

in härene Gewänder gekleidet und tragen deutlich die Spuren des Wohlstandes und Glückes an sich.

was offenbar auch ein entscheidender Grund ist, warum sie vom Basarvorsteher aufgenommen werden. Reichtum scheint mit göttlicher/natürlicher Noblesse gekoppelt zu sein. Und es ist für den Einzelnen eine von Allah anzurechnende Tugend, die Dinge wieder ins Lot zu rücken – also dem Edlen zu helfen, wenn ihm das Glück abhanden kam. Aristoteles, dessen Schriften unter Dscha’far eingeführt wurden, argumentiert, dass aus den getrennten Teilen des zusammenhängenden Ganzen auch immer ein Regierendes und ein Regiertes hervorgeht. Oder – wie Luhmann das hochmittelalterliche Denken in Bezug auf menschliches Handeln und Natur beschreibt: "Beides ist zwar Natur, aber während das Feuer immer heiß ist, wenn es brennt, und die brennbaren Dinge immer verbrennt, erreicht der Adelige nicht immer die seiner Natur entsprechende Perfektion, und dies obwohl die Natur immer in Richtung vom Imperfekten aufs Perfekte nimmt." 43a

…die beiden haben jede einen Brotbeutel um den Hals hängen; ihre Augen sind voller Tränen und ihr Herz voller Betrübnis.

Einen Brotbeutel mussten wir als Kinder im Alter von 5-8 Jahren tragen, und unser Herz war ob dieses umständlichen Utensils und manchmal fraglichen Inhalts ebenfalls oft voller Betrübnis. Designt waren sie wie unsere Schultaschen – außen Leder, innen Plaste. Wurstklappstullen und Äpfel.
Schön der Tag, als wir unsere Stullen ganz normal in der Schultasche transportieren durften (in meinem Fall in ausgewaschenen Milchtüten, wie sie in Ostberlin typisch waren). Und ich habe nicht einmal ein Foto davon. Stattdessen – wie es eben üblich ist – einen Haufen Urlaubsfotos.

Die beiden klagen über ihren verlorenen Sohn und Bruder Ghânim. Kût el-Kulûb darauf:

"Seid getrost, denn dieser Tag ist der erste eures Glücks und der letzte eures Unglücks! Seid nicht mehr traurig!"

 

43 Der historische Harûn er-Raschîd aber starb (ohne gestürzt zu werden) wenige Jahre nachdem er die Barmekiden-Familie ihrer Positionen beraubt und ihre Mitglieder hingerichtet oder eingesperrt hatte. Der Fluch kam, wenn man so will, über Harûns zwei Söhne, unter denen er das Reich aufteilte, das damit instabil wurde.

43a s. Niklas Luhmann: Gesellschaft der Gesellschaft. 2. Teilband, S. 917, Frankfurt/M. 1998

42. Nacht

Eines Tages geht der Kalif zum Frauengemach hin und legt sich zum Schlafen nieder. Eine Sklavin fächelt ihm am Haupt Luft zu, eine zweite knetet ihm die Füße.

Rar gewordenes Inventar: Frauen, die zur Stelle sind, wenn man sie braucht, und dann auch noch wissen, was zu tun ist.

Als die Sklavinnen glauben, der Kalif schlafe, unterhalten sie sich über Kût el Kulûb und die Füßekneterin berichtet der Luftzufächlerin von deren Schicksal und lässt auch noch die erstaunliche Information heraus:

"Ich habe die Fürstin Zubaida hören sagen, sie sei bei einem jungen Kaufmann aus Damaskus, genannt Ghânim ibn Aijûb."

Woher kann die Fürstin das denn wissen?

Klar, dass der Kalif über diese Information nicht erfreut ist:

Da ergrimmte er gewaltig, und er stand auf und berief die Emire des Reiches; und mit ihnen kam der Wesir Dscha’far el-Barmeki 42 (…): "Dscha’far, geh mit einer Schar Bewaffneter hinunter und frage nach dem Haus des Ghânim ibn Aijûb: fallt über das Haus her und bringt ihn her mit meiner Sklavin Kût el-Kulûb."

Man umstellt das Haus.

Da waren der Wesir und der Präfekt und die Wächter und die Mamluken mit gezückten Schwertern und umgaben das Haus, wie das Weiße des Auges das Schwarze umgibt.

Währenddessen essen Ghânim ibn Aijûb und Kût el-Kulûb Fleisch. Kût el-Kulûb entdeckt die Bewaffneten und rät Ghânim ibn Aijûb, sich als Bote zu verkleiden und mit dem Fleischkorb auf dem Kopf das Haus zu verlassen. Das tut er auch

Und der Allbehüter nahm sich seiner an, so dass er den Gefahren und Nöten entrann.

Die Schergen plündern das Haus

Plünderungen im Islam?

und Dscha’far führt Kût el-Kulûb zum Kalifen;

der aber ließ Kût el-Kulûb in ein dunkles Zimmer bringen und gab ihr eine alte Frau zu ihrem Dienst; denn er war überzeugt, dass Ghânim sie verführt und bei ihr geschlafen hätte.

Unklar: Worauf bezieht sich das "denn"? Bekommt sie als sozusagen entwertete Sklavin nur eine alte Frau? Oder deutet das dunkle Zimmer auf eine Art Karzer hin? Die ganze Story wirft ein seltsames Licht auf die impulsive Gefühlswelt des Kalifen, der eben noch einen Monat um Kût el-Kulûb trauerte und sie nun einsperrt.

Dem Statthalter in Damaskus, Sulaimân ez-Zaini 42a, gibt er einen Brief mit, in dem dieser aufgefordert wird, ihm Ghânim ibn Aijûb zu schicken, sobald dieser in Damaskus auffordere. Da das zunächst nicht möglich ist, gibt der Statthalter dem Volk einen Freibrief, das Haus, in dem noch Mutter und Schwester von Ghânim ibn Aijûb wohnen, zu plündern.
Inzwischen erreicht Ghânim ibn Aijûb erschöpft eine Moschee und bricht dort zusammen.

Aber das Herz zitterte ihm vor Hunger, und da er schwitzte, so liefen ihm Läuse über die Haut, sein Atem wurde stinkend, und sein ganzes Aussehen wurde verändert. Als nun die Bewohner jenes Dorfes zum Frühgebet kamen, fanden sie ihn dort, liegend in Qualen, hager vom Hunger und doch noch mit den Zeichen einstigen Reichtums.

Und so sehen ihn auch zwei Bettlerinnen – Mutter und Schwester – die ihn aber nicht wiedererkennen.
Man bindet ihn auf ein Kamel, das man einem Treiber gibt, der es nach Bagdad führt, wo er Ghânim ibn Aijûb vor das Tor eines Hospitals legt.

Als die Leute durch die Straßen zu gehen begannen, da erblickten sie ihn, der so dünn war wie ein Zahnstocher.

Der Vorsteher des Basars vertreibt die Schaulustigen:

"Ich will mir durch dieses arme Geschöpf das Paradies gewinnen; denn wenn sie ihn in das Hospital aufnehmen, so werden sie ihn in einem einzigen Tage töten." Dann ließ er ihn durch seine Sklaven in sein Haus tragen, ließ ihm ein neues Bett bereiten, neue Kissen darauf legen und sagte zu seiner Frau: "Pflege ihn sorgsam."

Neue Information: Durch Barmherzigkeit kann man sich also auch im Islam den Weg ins Paradies bahnen.
Unklar: Warum würde man ihn im Hospital binnen eines Tages töten? Sind die Zustände dort so miserabel oder die Pfleger so mordlüstern?

Die Frau des Basarvorstehers

gab ihm einen Becher Wein zu trinken und sprengte Rosenwasser über ihn.

Wein als Medizin

 

 

42Bisher wurde Dscha’far in der Übersetzung immer eingedeutscht "der Barmekide" genannt.
Die Barmekiden waren eine persische edle Familie, die den Abbasiden zur Macht verhalf und ihnen in hohen Staatsämtern diente. Später, gegen Ende der Regierungszeit von Harûn er-Raschîd, fielen sie in Ungnade. Dscha’far war der Sohn des Vertrauten von Harûn, Yahya, und selber, wenn überhaupt, nur kurze Zeit Wesir. Im Jahr 806 fiel die Familie in Ungnade, entweder wegen Amtsanmaßungen oder (romantisch aber unwahrscheinlich) wegen eines Liebesverhältnisses zwischen Dscha’far und Harûns Schwester.
Dem historischen Dscha’far wird außerdem unterstellt, die griechische Wissenschaftstradition in Bagdad eingeführt zu haben, und, nachdem er von gefangenen Chinesen in die Geheimnisse der Papierherstellung eingeweiht worden war, in Bagdad die erste Papiermühle errichten zu lassen.

42a Dessen Sohn haben wir schon in der38. Nacht kennengelernt, wo Harûn ihn als Statthalter von Basra (!) absetzt. Sein Sohn soll Statthalter von Damaskus gewesen sein.

41. Nacht

Ghânim ibn Aijûb führt die Schöne in der Kiste nach Hause,

wo alles noch fein säuberlich steht – die Aufregung um einen möglichen Überfall war also umsonst –

er kauft ihr Essen, Kerzen, Wein, Wohlgerüche,

und als die Maid ihn sah, da lachte sie und küsste ihn und umschlang seinen Hals Und sie begann ihn zu streicheln, so dass seine Liebe noch stärker wurde und sein Herz ganz beherrschte.

Aber es bleibt beim anständigen Tändeln. Ebenso am nächsten Tag, und als Ghânim sie um das Letzte bittet, erwidert sie

"das steht dir nicht zu; den auf der Schnur meiner Hose steht ein harte Wort!"

Er respektiert das, und einen Monat lang fahren sie fort in diesem unschuldigen Liebesspiel, bis er eines Nachts dir Worte auf der Schnur liest:

"Ich bin dein und du bist mein, o Nachkomme des Propheten.41a)"

Nun berichtet das Mädchen, es heiße Kût el-Kulûb.

Nach einem Monat erst sagt sie ihm ihren Namen!

Sie sei die Geliebte Harûn er-Raschîds. Die Herrin Zubaida41 ist eifersüchtig auf das junge Mädchen, lässt es mit Bendsch betäuben und von den drei Sklaven, die sie bestochen hatte (ebenso wie die Türhüter), fortbringen und in das Grabmal legen.

Fragt sich nur, woher Kût el-Kulûb diese Informationen hat, wenn sie doch betäubt gewesen ist.

Als Ghânim ibn Aijûb die Worte der Kût el-Kulûb vernahm und erfuhr, dass sie die Geliebte des Kalifen war, da wich er zurück; denn ihn befiel eine heilige Scheu vor der Kalifenmacht, und er setzte sich abseits von ihr in einem Winkel des Raumes nieder.

Des Liebenden Herz verzehrt sich in Sehnsucht nach der Geliebten;
Und ihre herrliche Schönheit raubt ihm den Verstand.
Einst ward ich gefragt: "Wie schmeckt die Liebe?" Ich gab zur Antwort:
"Die Liebe ist süß, und doch knüpft sie an Leiden ihr Band."

Er hält sich weiterhin zurück, doch am nächsten Tag bietet sich Kût el-Kulûb ihm an:

"Stille dein Begehr an mir!" Er aber unterbrach sie: "Ich nehme meine Zuflucht zu Allah! Das darf nie sein. Wie darf sich der Hund an die Stelle des Löwen setzen?" (…) Doch ihre Liebe zu ihm wuchs dadurch, dass er sich zurückhielt.

Dies scheint mir eines der schwierigsten Aspekte des Flirtspiels: Wie lange und wie stark hält man sich zurück? Ein wenig sich zieren, kann sie (oder ihn) ja auch schar machen, aber irgendwann ist der Zug auch abgefahren, und der andere wirft sich einem Draufgänger an den Hals, der sich um Tändelei nicht schert.

Die Fürstin Zubaida indessen sorgt sich, der Kalif könne etwas von der Missetat mitkriegen, und so wendet sie sich um Rat an eine alte Frau. Diese empfiehlt ihr, eine Holzpuppe anfertigen zu lassen, sie einzuwickeln und sie in der Mitte des Palastes beerdigen zu lassen und dem Kalifen gegenüber zu behaupten, Kût el-Kulûb sei gestorben.

"Will der Kalif die Laken abnehmen lassen, um sie zu sehen, so hindere du ihn daran und sage: "Der Anblick der Nacktheit ist nicht erlaubt."

Tatsächlich befällt den Kalifen große Trauer, als er von seiner Reise zurückkommt, allerdings auch Argwohn, und tatsächlich will er die Leiche auspacken lassen, was ihm aber verwehrt wird. So trauert er einen Monat an ihrem Grab.

 

 

41 Bekannt aus den Nächten 27 und 28 (Geschichte des Verwalters)

41a) Harûn er-Raschîd ist mitnichten ein Nachkomme Mohammeds. Das trifft nur auf die ersten vier Kalifen zu. er-Raschîd gehörte der Dynastie der Abassiden an, die die Ummayaden abgelöst hatten.

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40. Nacht

Kafûr läuft seinem Herrn entgegen und berichtet, dessen Frau wäre gestorben, woraufhin dieser in großes Geheul ausbricht und nach Hause rennt. Auf dem Weg begegnet ihm sein Weib, die beiden wundern sich. Und Kafûr beömmelt sich wie über einen gelungenen Aprilscherz. Als sein Herr, nachdem er erfährt, dass sich Kafûr auch noch aktiv an der Zerstörung des Mobiliars beteiligt habe, bei ihm beschwert und ihm droht, das Fleisch von den Knochen zu reißen, gibt Kafûr schlaumeierisch zur Antwort, sein Herr habe ihn ja mit dieser Bedingung gekauft, und dies sei erst die halbe Lüge, der zweite Teil folge später in diesem Jahr. Daraufhin will der ihn einfach nur noch loswerden:

"Oh Hund, Sohn eines Hundes!", reif mein Herr, "verfluchtester aller Sklaven, ist dies alles nur eine halbe Lüge? Wahrlich, ist es doch ein ganzes Unheil! Geh von mir, du bist frei in Allahs Namen!"

Die erstaunliche Antwort hierauf: Der Sklave Kafûr will gar nicht freigelassen werden, da die eine Lüge ja noch aussteht. Erst wenn die eingelöst ist, will er verkauft werden. Freilassen darf ihn der Herr aber nicht,

"denn ich kenne kein Handwerk, durch das ich mir meinen Lebensunterhalt verdienen kann; und diese meine Forderung an dich ist gesetzlich, die Rechtsgelehrten haben sie im Paragraphen von der Freilassung aufgeführt."

Sklavenmentalität als die andere Seite der Sklaverei.

Nach einer Prügelstrafe

ließ mein Herr mich in meiner Ohnmacht und holte einen Barbier, der mich entmannte und die Wunde ausbrannte.

wodurch wir von einer weiteren, eher unappetitlichen Aufgabe der Barbiere erfahren. Aber wer mag sich dann noch von einem solchen Mann rasieren lassen, wenn er weiß, was mit dem Messer nur wenige Stunden vorher geschah. Ohne großer Freud-Fan zu sein: Wer hier keine Kastrationsangst verspürt, ist kein Mann.

Dann nahm er mich und verkaufte mich um einen hohen Preis, da ich jetzt Eunuch war.

Beachtlich: Eunuchen teurer als unkastrierte Sklaven!

Hier zur Rolle der Sklaverei im Islam

Die Zandsch genannten Sklaven waren schwarzhäutige Sklaven aus Afrika, die den Muslimen nicht ebenbürtig galten. Wegen ihrer krassen Unterdrückung erhoben sie sich im Jahr 869 in Basra und nahmen die Stadt zwei Jahre später ein.

***

Dem dritten Eunuch ist nicht nach Erzählen zumute, er erwähnt nur lapidar:

"Ich habe sowohl meine Herrin wie den Sohn meines Herrn gemissbraucht."

Dann klettert er über die Mauer und öffnet sie von innen.

Seltsam ich dachte, das sei schon in der 39. Nacht geschehen.

Die drei schaufeln eine Grube und legen die Kiste hinein, dann verschwinden sie. Am nächsten Morgen, gräbt Ghânim die Grube mit den Händen auf, öffnet die Kiste und entdeckt darin eine schlafende Maid.

Als sie den Wind roch und die Luft in ihrer Nase, da nieste sie. Dann würgte und hustete sie, und aus ihrem Halse fiel eine Pille von kretischem Bendsch.

Bendsch = Cannabis

Als sie nun wusste, wie es um sie stand, rief sie: "Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Allah und dass Mohammed der Gesandte Allahs ist."

Bisher habe ich es hier kaum notiert, aber das Glaubensbekenntnis taucht in beinahe jeder Geschichte auf.

Das Mädchen gibt ihm Instruktionen, sie wieder in die Kiste zu legen und per Maultier oder Kamel in sein Haus zu bringen, wo sie ihm ihre Geschichte erzählen würde.

Schon glühte die Liebe zu ihr in seinem Herzen, denn sie war ein Mädchen, wert zehntausend Goldstücke, und trug Schmuck und Gewänder, die ein großes Vermögen wert waren.

Ob der Schmuck und die Gewänder ihren Teil zu dieser Liebe beitrugen?

39. Nacht

Die beiden Kinder des Kaufmannes erben unter anderem

hundert Kamellasten von Seidenstoffen, Brokaten und Moschusblasen; und auf jedem Ballen stand geschrieben: "Dies ist bestimmt für Baghdad."

Ghânim ibn Aijûb reist nun tatsächlich nach Bagdad, um dort Handel zu treiben. Seine Reise ist glücklich. Nach einer Ruhepause begibt er sich mit einem Stoffballen zum

Laden des Marktvorstehers, dem er das Bündel übergab. Der öffnete es, zog die Stoffe hervor und verkaufte sie mit einem Nutzen von zwei Dinaren auf jeden Dinar des Einkaufspreises.

Diese Makler- und Marktvorsteherfunktion wird mir nicht so recht klar: Was ist denn dessen Funktion? Ist es die Glaubwürdigkeit? Wird der Marktvorsteher nur in bestimmten Fällen aktiv?
Außerdem unklar: Der "Nutzen von zwei Dinaren" – Ist das der Gewinn oder der Erlös?

Er tat so ein volles Jahr lang.

Nach einem Jahr findet er den Basar verschlossen, weil einer der Kaufleute verstorben ist. Man bewegt ihn dazu, zur Trauerfeier mitzugehen. Als die Gruppe ankommt, sehen sie,

dass die Verwandten des Verstorbenen über der Gruft ein Zelt errichtet und es mit Lampen und Wachskerzen versehen hatten.

Seltsamer Brauch: Zelt über der Gruft.

Die bislang größte Trauerfeier an der ich teilnehmen durfte, war 1997 in Ghana. Ähnlich wie der Held dieser Geschichte, wurde ich da hineingezogen, ohne zu wissen, was mich erwartete: Der Onkel einer Kollegin, ein Dorf-Häuptling, hatte das Zeitliche gesegnet. Und da er recht populär war, fanden sich zirka 2.000 Menschen zu seiner Beerdigung ein. Für die Anwesenden war es eine besondere Ehre, dass sich auch ein Deutscher eingefunden hatte. Man bekam 1/8 Apfel als Leichenschmaus. Das Merkwürdigste aber: Ich habe zu keinem Zeitpunkt einen Sarg oder eine Urne gesehen. Ich weiß bis heute nicht, wo der Verstorbene beerdigt wurde.

Ghânim ibn Aijûb ist in Sorge über sein Haus, das vielleicht von Räubern überfallen werden konnte. Als er sich endlich frei machen kann, schafft er es doch nicht mehr rechtzeitig: Die Tore der Stadt sind verschlossen.

Er fand ein Heiligengrab: vier Mauern schlossen es ein, drin war ein Palmbaum, und es hatte ein Tor aus hartem Stein. Und da das Tor offen stand, ging er hinein.

Er kann nicht einschlafen, geht noch einmal hinaus und entdeckt einen Lichtschein, der sich auf ihn zubewegt. Aus Angst klettert er auf die Palme. Zum Glück, denn es sind drei schwarze Sklaven namens Kafûr, Sawâb und Buchait.

Und bisher haben schwarze Sklaven noch immer Unglück über die Helden unserer Erzählungen gebracht.

Sie wundern sich über das verschlossene Tor, aber Buchait meint:

"Wie dumm seid ihr! Wisst ihr nicht, dass die Besitzer der Gärten öfters von Baghdad aus hierher kommen? Wenn dann der Abend sie überrascht, so treten sie hier ein und schließen das Tor, aus Furcht, Schwarze wie wir könnten sie fangen, braten und verzehren.

Kannibalismus als weiteres Laster schwarzer Sklaven, neben der bisher erwähnten Gier, Hinterhältigkeit, Hurerei und Schmutzigkeit.

Nun klettert einer über die Mauer, öffnet den beiden, und da sie müde sind, lassen sie die Arbeit ruhen (und offenbar auch den Gedanken an etwaige Eindringlinge auf der Palme) und erzählen sich die Geschichten über ihre Entmannung.

Die Geschichte des Eunuchen Buchait

Buchait wurde im Alter von fünf Jahren aus seiner Heimat geraubt und einem Unteroffizier verkauft. Als Kind darf er mit dessen Tochter spielen. Als er zwölf Jahre alt ist und sie zehn, kommt sie aus dem Bad. Es folgt die bisher drastischste Beschreibung einer sexuellen Beziehung:

Nun begann sie mit mir zu spielen und ich mit ihr. (…) So richtete sich mein Glied auf, bis es einem großen Schlüssel gleich ward. Sie stieß mich zu Boden, so dass ich auf den Rücken fiel, setzte sich mir rittlings auf die Brust und fing an sich auf mir herumzuwinden, bis mein Glied entblößt war. Als sie es aufrecht dastehen sah, nahm sie es in die Hand und begann damit, vor ihrer Hose an den Lippen ihrer Scham zu reiben. (…) Und ehe ich mich dessen versah, zerriss mein Glied ihr die Hose und vernichtete ihr Mädchentum.

Die Sache wird dem Vater verschwiegen, und die Mutter des Mädchens gibt vor, die Angelegenheit zu vergessen, bis zum Tag der Hochzeit, als man den Sklaven schnappt und "verschneidet".

In der Hochzeitsnacht schlachteten sie eine Taube und sprengten Blut in ihr Hemd.

Die Geschichte des Eunuchen Kafûr

Der Makel des noch kindlichen Sklaven Kafûr besteht darin, dass er jedes Jahr einmal lügt. Doch ein Kaufmann erwirbt ihn dennoch für 600 Dirhems. Als eines Tages der Kaufmann mit seinen Kollegen speist, befiehlt er dem Sklaven aus seinem Hause etwas zu holen. Dort angekommen, behauptet er, der Kaufmann sei von einer umstürzenden Mauer erschlagen worden. Angesichts dieser Botschaft verzweifelt die Gattin es Kaufmanns und beginnt das Geschirr zu zerdeppern,

zerbrach die Fenster und Läden, beschmierte die Wände mit Lehm und blauer Farbe und rief: "Heda, Kafûr! Komm, hilf mir und reiß den Schrank um, zerbrich die Gefäße und dies Porzellan und alles andere dazu!"

Er gehorcht, und nun erfahren auch die Freunde und Verwandten vom angeblichen Unglück.

Und sie folgten mir mit unverschleierten Gesichtern und unbedeckten Köpfen.

So ziehen sie zum Präfekten, um ihm alles zu berichten.

38. Nacht

Nûr ed-Dîns Verwunderung, warum ein Fischer einem Statthalter in Basra Aufträge erteilen könne, ist verständlich, doch Harûn er-Raschîd redet sich heraus:

"Ich lernte mit ihm in derselben Schule und unter demselben Lehrer, und ich war Klassenerster. Seither ist ihm das Glück hold gewesen, so dass er Sultan wurde, während Gott ihn erniedrigte und mich zum Fischer machte."

Die sonst an derartigen Stellen so typische Nachfrage: "Wie war das denn?" bleibt uns und dem Kalifen hier erspart.

Nûr ed-Dîn entfernt sich nun mit dem Brief Richtung Baghdad und lässt Enîs el-Dschelîs tatsächlich zurück.

Dieses Verhältnis scheint mir immer noch unklar: Ist sie nun seine Geliebte oder wirklich nur eine Art Entertainment-Sklavin? Ihr gemeinsames Spiel deutet er auf eine Intimbeziehung hin, andererseits haben sie nie geheiratet oder ein derartiges Ziel ins Auge gefasst, und es ist auch stets von der Sklavin die Rede. Aber: Wenn er sie als Sklavin und somit als wertvolles Objekt betrachtet, warum sollte er sie einem verlausten Fischer überlassen?

Der Kalif gibt sich Scheich Ibrahim zu erkennen.

Da wurde er plötzlich wieder nüchtern, warf sich zu Boden und sprach die Verse:

Vergib mir die Sünde, in die mein Fuß hineingeglitten!
Der Sklave erwartet ja von seinem Herrn die Huld.
Ich habe gestanden, und das gebot mein Vergehen.
Doch wo ist nun, was dir gebietet verzeihende Huld?

Man möge dem Scheich die schlechten "Reime" verzeihen. Improvisation in betrunkenem Zustande zahlt sich selten aus.

Der Kalif aber vergibt ihm seine Ausfälle und lässt Enîs el-Dschelîs in seinen Palast führen, wo er ihr ein Zimmer zuweist.
Als Nûr ed-Dîn in Basra ankommt, ist der Sultan einigermaßen erstaunt über das Schreiben des Kalifen, da dieser ihm darin befiehlt, sein Amt niederzulegen und es Nûr ed-Dîn zu übergeben.

Dann berief er die vier Kadis und die Emire.

"Die vier Kadis?" Heißt das, es gab nicht mehr Richter in Baghdad? Oder sind das die vier Leib-Kadis?

doch der schurkische Wesir el-Mu’in ibn Sâwa zerreißt das Schreiben und frisst es. Seine Handlung begründet er damit, dass das Schreiben nicht echt gewesen sei, und Nûr ed-Dîn ein Betrüger. Er schlägt vor, Nûr ed-Dîn in Begleitung nach Baghdad zu schicken, um die Echtheit zu prüfen. Der Sultan ist einverstanden, aber el-Mu’in ibn Sâwasperrt Nûr ed-Dîn in seinen Privatkerker und gibt dem Kerkermeister den Befehl, ihn zu foltern. Doch der Kerkermeister behandelt Nûr ed-Dîn freundlich.
Vierzig Tage später kommt ein Geschenk des Kalifen an, und der Sultan (der sich schon einmal als etwas vergesslich gezeigt hatte), gibt nun den Befehl, Nûr ed-Dîn zu enthaupten.

Doch als die Leute den Ausrufer hörten, trauerten alle und weinten, die Kinder in der Schule und die kleinen Kaufleute in ihren Läden; und einige wetteiferten, Plätze zum Zusehen zu finden, und andere gingen zum Gefängnis, um ihm das Geleit zu geben.

Obwohl Nûr ed-Dîn ihn warnt und mahnt, spottet der Wesir mit den Dichterworten

Ein Mann, der seinen Feind noch überlebt
Um einen Tag, erreicht, was er erstrebt.

Schließlich führten sie ihn unter das Fenster des Palastes und setzten ihn dort auf das Blutleder

Unklares Inventar: Blutleder.

Doch naht hier zum rechten Zeitpunkt die vierzehnte Kavallerieabteilung Dscha’far, der Barmekide, der Wesir des Kalifen, der mit seiner Schar eine Staubwolke aufwirbelt.
Denn inzwischen war folgendes geschehen:

Dreißig Tage hatte der Kalif nicht mehr an das Geschenk des Nûr ed-Dîn Alî gedacht (…) Bis er eines Nachts an dem Gemache der Elîs el-Dschelîs vorüberkam und sie weinen hörte. (…)
Da fragte der Kalif: "Wer bist du?" Sie antwortete: Ich bin die, die Alî ibn Fadl dir zum Geschenk gemacht hat, und ich sehne mich danach, dass du dein Versprechen, das du mir gegeben hast, erfüllen und mich zu ihm mit der Ehrengabe schicken möchtest; jetzt bin ich hier seit dreißig Tagen, ohne die Süße des Schlafes gekostet zu haben."

Diese Herrscher scheinen alle ihren Gedächtnisverlust mit hoher Impulsivität kompensieren zu müssen:

Dscha’far wird nach Baghdad geschickt.

"Wenn du dich auf dem Wege länger aufhältst als nötig, lasse ich dir den Kopf abschlagen."

An diese Drohungen scheint sich Dscha’far gewöhnt zu haben.

In Basra lässt er Sultan und Wesir verhaften und setzt Nûr ed-Dîn als Sultan ein.
Nach einer Frist von drei Tagen – die Zeit der Gastpflicht – reisen alle wieder nach Baghdad. Dort angekommen, verlangt der Kalif, das Nûr ed-Dîn dem Wesir persönlich den Kopf abschlägt. Dieser beginnt zu bereuen und sagt:

"Ich habe nach meiner Natur gehandelt, handle du nach deiner Natur." Da warf Nûr ed-Dîn das Schwert aus der Hand, blickte den Kalifen an und sprach: "O Beherrscher der Gläubigen, er hat mich mit seinen Worten entwaffnet."

Eine Szene, die an Karl May erinnert.

Aber immerhin hat der Kalif noch den Schwertträger Masrûr, der seine Arbeit ohne Federlesen verrichtet. Nûr ed-Dîn verzichtet auf die Königswürde von Basra, und so gibt ihm der Kalif Elîs el-Dschelîs zurück, überhäuft die beiden mit Geschenken, macht Nûr ed-Dîn zu seinem Tischgenossen, der nun ein schönes Leben führt,

bis ihn der Tod ereilte.

***

Die Geschichte von Ghânim ibn Aijûb, dem verstörten Sklaven der Liebe

Für meinen Geschmack wäre es mal wieder Zeit für ein paar Dämonen und Zaubereien. Dieser Titel klingt nach einer weiteren Liebes-Anekdote mit hübschen Damen, die ihre Anbeter auf die Schippe nehmen. Aber lasst uns sehen.

In Damaskus stirbt ein reicher Kaufmann, der einen Sohn,

dem Monde gleich in der Nacht seiner Fülle und dazu von lieblicher Rede; dieser hieß Ghânim ibn Aijûb, der verstörte Sklave der Liebe. Und der hatte eine Schwester, die hieß Fitna, ein Mädchen, einzig an Schönheit und Lieblichkeit.

37. Nacht

Scheich Ibrahim trinkt nun also mit dem Pärchen, und als ihnen der Alkohol schon völlig zu Kopf gestiegen ist, beginnen sie auch noch, sämtliche Lampen und Kerzen des Palastes anzuzünden.

Nun hatte Allah, der mächtig ist über alle Dinge, und der für jede Ursache eine Wirkung festsetzt, es so gefügt, dass der Kalif sich in ebendiesem Augenblick das Mondeslicht anschaute und durch eines der Fenster blickte, die nach der Seite des Tigris lagen.

Als er das Schloss hell erleuchtet erblickt, ruft er nach seinem Wesir Dscha’far, den er zusammenstaucht:

"Du Hund von einem Wesir, willst du mir diese Stadt Baghdad wegnehmen, ohne mir ein Wort davon zu sagen?" "Was mögen diese Worte bedeuten?", fragte Dscha’far; und der Kalif erwiderte: Wenn mir die Stadt Baghdad nicht genommen wäre, so wäre das Schloss der Bilder nicht erleuchtet…"

Ein Minister, der keine Ahnung hat, was in seinem Verantwortungsbereich geschieht, ist heutzutage bald ein Ex-Minister. Zu Haruns Zeiten bald ein toter Minister.

Und so legt er sich eine Ausrede zu: Der Scheich feiere das Beschneidungsfest seiner Söhne im Gartenpalast. Vor so viel Frömmigkeit hat auch der Kalif Ehrfurcht, und er beschließt, dem Scheich Gesellschaft zu leisten.
Dem Wesir Dscha’far geht nun die Muffe in der Frequenz des Mauseherzschlags, denn er und Masrûr der Eunuch müssen ihn – natürlich verkleidet – begleiten.
Vor dem Palast steht ein Walnussbaum, auf den der Kalif klettert, um das Fest zu beobachten, und er kommt gerade rechtzeitig, um den Scheich rezitieren zu hören:

Lass ihn kreisen, den Wein, in großen und kleinen Bechern,
Und nimm ihn aus der Hand des strahlenden Mondes, des Schenken!
Und trinke nie, ohne dass gesungen wird; denn ich schaute,
Wie selbst die Knechte pfeifen, wen sie ihre Pferde tränken.

Dass der Kalif, eine Beschneidungsfeier erwartend, ob des Trinkgelages irritiert ist, war zu erwarten. Aber er ist andererseits auch gebannt von der Schönheit des jungen Paares. Dscha’far schöpft ob dieses Vergnügens des Kalifen wieder Hoffnung für sein Leben, die der Kalif wieder zunichte macht, als das Mädchen zur Laute greift:

"Bei Allah", sagte der Kalif, "wenn dieses Mädchen schlecht singt, so lasse ich euch alle kreuzigen; doch wenn sie gut singt, werde ich ihnen verzeihen, und nur dich ans Kreuz schlagen lassen." Da rief Dscha’far: "Oh Allah, lass sie schlecht singen!" Der Kalif fragte: "Weshalb?" Und er antwortete: "Wenn du uns alle kreuzigen lässt, so leisten wir einander Gesellschaft." Da lachte der Kalif über seine Worte.

Kreuzigungen unter Harûn er-Raschîd?
Ich finde keinen Hinweis, der die bestätigt. Obwohl die Tötungsart im alten Persien entstanden und der Koran indirekt auf die Kreuzigung Jesu verweist, scheint es zur Zeit des Kalifats keine Kreuzigungen gegeben zu haben.

Dscha’far hat Glück: den Kalifen versöhnt der Galgenhumor des Ministers und der schöne Gesang des Mädchens. Währenddessen kommt ein Fischer des Wegs, der – obwohl es verboten ist – an dieser Stelle fischen will.

Da stand mit einem Male der Kalif allein dicht vor ihm. Jener erkannte ihn und rief: "He, Karîm!"

Eine höchst unwahrscheinliches Detail: Der historische Harûn er-Raschîd hat kaum je seinen Palast verlassen. Kaum vorstellbar, dass er einen solchen Fischer, dessen

Kittel aus grober Wolle, der an hunderten Stellen geflickt war und von geschwänzten Läusen wimmelte, und einen Turban, den er seit Jahren nicht mehr aufgewickelt,

persönlich kennt, und dann auch noch, um die Tarnung zu perfektionieren, seine Kleidung (von Seide ausAlexandrien und Baalbek) mit ihm tauscht.

Als Fischer verkleidet geht er nun ans Tor seines eigenen Palastes und bietet den Zechern Fische an. Nûr ed-Dîn bemängelt, dass sie noch nicht gebraten sind, und so geht der Kalif in die Hütte eines Gärtners und brät sie eigenhändig.
Dafür verwendete Zutaten: Salz, Safran, Thymian, Bananenblatt, Limonen, Fallobst, Zitronen.
Nûr ed-Dîn belohnt den verkleideten Kalifen mit drei Goldstücken, doch dieser bittet, Enîs el-Dschelîs noch einmal singen hören zu dürfen. Diese Bitte wird ihm gewährt. Der Kalif ist erfreut und Nûr ed-Dîn bietet ihm Enîs el-Dschelîs an:

"Sie ist ein Geschenk an dich."

Völlig unklar! Weshalb sollte Nûr ed-Dîn sie verschenken? Und sei es auch nur für eine Nacht! Und dann auch noch an einen verlausten Fischer!

Enîs el-Dschelîs singt abermals und diesmal ist von Trennungsschmerz im Lied die Rede. Der Kalif horcht auf und besteht darauf die ganze Story zu hören.

"O Fischer," fragte Nûr ed-Dîn, "willst du unsere Geschichte in Prosa hören oder in Versen?" Der Kalif antwortete darauf: "Prosa sind Worte nur, doch Verse sind eine Perlenschnur."

Nûr ed-Dîn das bisher längste Gedicht (32 Verse), das die bisherigen Geschehnisse zusammenfasst. Beispielvers:

Wie der Rufer auf dem Markte zum Verkaufe sie hielt feil,
Sieh, da bot ein alter Graukopf, der war schlecht und geil.

Etwas aus seiner Rolle als Fischer fallend bietet der Kalif Nûr ed-Dîn an:

"Wenn ich dir ein Schreiben an den Sultan Mohammed ibn Sulaimân ez-Zaini mitgebe, und wenn er es liest, so wird er dir keinerlei Leid antun."