Wie ich hier vor ein paar Jahren beschrieben habe, wird gerade eines der populärsten Spiele, nämlich Freeze Tag (Tag Out, Einfrieren) von Johnstone und Spolin kritisiert. Von Spolin, weil die Einfrier-Haltung einen körperlich und geistig lähmt. Von Johnstone, weil letztlich andauernd Ideen zerstört werden.
Ich denke aber, dass man das Spiel trotzdem gut spielen kann.
– Man friere nicht starr ein, sondern bleibe innerlich locker und beweglich.
– Das Spiel kann als Training für die Wahrnehmung von Beats genutzt werden: Wann ist die minimale Sinn-Einheit vorbei.
– Als Warm-Up finde ich es auch sinnvoll, wenn wir einfach Ideen am laufenden Band produzieren, quasi ein szenisches Äquivalent zum freien Assoziieren. Dabei ist es nicht einmal nötig, die Haltung des Ausgeklatschten zu übernehmen, sondern man assoziiert auf die Haltung dessen, der in der Szene bleibt.
– Ich denke auch, dass es, wenn es gut gemacht ist, auch aufführbar ist. Voraussetzung hier: Die Spieler schaffen es wirklich, mit fünf-sechs Sätzen eine kleine sinnvolle Szene darzustellen.
Erwartungsrahmen
„‚Originell sein‘ heißt, man bringt externes Material in die Szene, wohingegen ‚offensichtlich sein‘ heißt, daszu enthüllen, was latent bereits in der Szene steckt.“ (Keith Johnstone: „Theaterspiele“ aka „Impro for Storytellers“)
Für längere Szenen heißt das auch, dass man vor allem beim Bau der Plattform für den geschaffenen Erwartungsrahmen wachsam sein sollte: Welches Genre wird gespielt? Bzw. mit welchem Genre wird gespielt?
Tiefstatus im Raum
Johnstone: „Ein König darf Untertanen gegnüber Tiefstatus spielen, doch nicht gegenüber seinem Palast.“
Ich denke, hier irrt Johnstone. Es gibt Chefs, die sich ständig fehl am Platze fühlen.
Der Widerspruch zwischen sozialem und theatralem Status ist auch räumlich darstellbar und durchaus realistisch.
Was sagen wir hier eigentlich
Keith Johnstone ermutigt die Impro-Anfänger, das Neheliegende zu wählen, auch wenn es Obszönitäten sind oder völliger Quatsch entsteht.
Aber von Zeit zu Zeit sollten wir doch auch ein Auge auf den Inhalt werfen, den wir da produzieren. Wozu sonst stehen wir auf der Bühne.
Randy Dixon gibt folgenden Vergleich: Wir produzieren eine Schale. Und im Improtheater schauen wir in der Regel auf die Schale (d.h. das Format oder Game) und wie gut wir diese Schale hinbekommen haben. Meistens diskutieren wir jedoch über den Prozess des Erschaffens der Schale. So gut wie nie jedoch über den Inhalt, den diese Schale hält (oder auch nicht). So wacklig diese Metapher auch sein mag, so wichtig ist es jedoch auch, dass wir von Zeit zu Zeit auch mal die Konvention brechen, und mal nicht nur über das Wie, sondern auch über das Was zu reden.
Habe ich überhaupt etwas zu sagen? Will ich etwas sagen? Wem will ich etwas sagen? Usw.
Es ist eine Diskussion, die man wahrscheinlich am ehesten mit sich selbst allein führen muss. Oder?
„Sei langweilig!“
Die seltsame Aufforderung Johnstones „Sei langweilig!“ steht ja im enormen Widerspruch zur allgemeinen Bühnenregel: Man darf auf der Bühne alles außer langweilig sein.
Aber genaugenommen fordert uns Johnstone hier auf, die Ruhe zu bewahren, konsistent zu bleiben, d.h. das Naheliegende zu tun oder zu sagen. Denn Johnstone weiß genau, dass man dem Publikum eigentlich eine Menge zumuten kann, ohne dass es sich langweilt, vor allem, wenn es darum geht, erst mal eine Plattform für die Szene zu schaffen. Wenn wir etablieren, wer wir sind, wo wir uns befinden und was wir hier tun, sind Handlungsbrüche, emotionale Ausbrüche, verrückte Wendungen usw. eher hinderlich. Als Zuschauer will man erst mal an die Hand genommen werden.
Für uns Schauspieler heißt das, Liebe zum Detail zu finden. Je größere Sicherheit wir im Improvisieren erlangen, umso eher wird es uns auch gelingen, das allzunaheliegende Klischee zu vermeiden, und stattdessen das naheligende Konkrete zu etablieren.
Oder wie Gunter Lösel es mal so schön beschrieb: Als Werkzeug nicht den Hammer wählen, der wäre zu klischiert. Aber auch nicht die Bockwurst, die wäre zu „originell“. Nimm den Schwingschleifer, der ist spezifisch.
Johnstonismen
Wie jede Lehre kann natürlich auch Johnstone – ins Extrem getrieben – kippen.
– Den Trash zulassen, um in den Spielfluss zu kommen und den inneren Zensor auszuschalten, schließt ja nicht aus, sich auch ab und zu über Qualität und Verfeinerungen Gedanken zu machen.
– Mit dem Publikum zu flirten kann irgendwann schmierig werden, wenn man nur noch Tongue-in-Cheek spielt.
– Status ist eine sehr gute Technik, aber nicht die einzige.
– Theatersport…
Schauspielerische Präsenz
„Was die Garbo hatte, war ein Körper, der etwas mitteilen und empfangen konnte. Von ihrem Rückgrat hätte sie schwärmen sollen. Sie reagierte spontan mit Gefühl und Wärme, und was sie empfunden hat, fühlten auch die Zuschauer; doch der Ausdruck, den der Körper vermittelte, schien ihnen vom Gesicht zu kommen. Man kann einem großen Zuschauer in einem großen Theater zusehen. Sein Gesicht ist winzig klein und doch hat man die Illusion, jede kleinste Veränderun des Ausdrucks gesehen zu haben. Ein solcher Schauspieler kann eine hölzerne Maske zum Lächeln bringen.“ (Keith Johnstone)
Fette blinde Angebote
Blinde Angebote sind OK, wenn sie nicht zu groß gemacht werden. Zum Beispiel, ich gebe jemandem ein „Paket“ mit dem Kommentar: „Das ist für Sie abgegeben worden“; zwar schiebe ich dem Mitspieler die Aufgabe des Definierens zu, aber er hat noch immer genügend Spielraum für seine Phantasie.
Keith Johnstone zieht die Grenze bei „Lesen Sie dies vor!“, was ich immer noch für akzeptabel halte.
Ungemein schwierig wird es aber, wenn man pantomimisch Objekte oder Räume etabliert oder andeutet und die Definition dem Mitspieler überlässt.
Grundregel also: Definiere es selbst!
Obszoenitaeten
In New York heute die fuenfte Impro-Show in Folge gesehen, die mit ekelhaften Obszoenitaeten begann. Man fragt sich: Warum? Wir spielen ja manchmal auch mit Zweideutigkeiten oder ueberschreiten mal gezielt eine Grenze, aber hier scheint es, gerade fuer Anfaengergruppen, typisch zu sein, ueber das Fallenlassen von Obszoenitaeten, Lacher zu erzielen. Masturbieren, Vagina, Analsex, Vergewaltigung, Unterleibskrebs, usw. usf. Natuerlich kann jedes dieser Themen Inhalt einer guten Improszene sein, aber hier hat man jedes mal das Gefuehl, einer besoffenen College-WG zuzuschauen.
Strukturell ist es ja nichts anderes als das Name-Dropping im politischen Kabarett. Schon das Wort „Merkel“ garantiert Lacher. Interessant ist aber, dass dieses Phaenomen des Obszoenitaetendropping in Deutschland so gut wie gar nicht auftaucht.
Psychologisch koennte man es vielleicht so deuten wie Keith Johnstone es angedeutet hat: Die Anfaenger-Spieler versuchen, ihre Grenzen zu ueberschreiten. Sie beginnen mit Stammelei, dann kommen die Obszoenitaeten, dann die depressive Phase. Und erst wenn all das durchschritten ist, lernen die Spieler zu „tanzen“.
Piep, Piep!
Wieder ausgegrabenes Spiel bei Johnstone, das ich völlig vergessen hatte und das gut geeignet ist, um Sprechern ein Gefühl für Publikumskontakt zu geben: Die Zuschauer haben den rechten Arm erhoben und senken ihn langsam. Der Sprecher hat die Aufgabe, während eines Monologs mit den Zuschauern immer wieder Augenkontakt herzustellen. Gibt es Augenkontakt hebt der betreffende Zuschauer wieder den Arm. Sinkt die Hand auf Kniehöhe macht dieser „piep-piep-piep“.
Johnstone macht in diesem Kapitel auch darauf aufmerksam, wie feindselig der „gleitende Blick“ wirkt. „Große Entertainer lösen das Problem, indem sie praktisch ununterbrochen Erkennungssignale aussenden – auch wenn die Lampen sie blenden – und überzeugen uns damit, dass sie uns gesehen haben.“
Status im Menschen-Zoo
Offenbar übernahm Johnstone das Konzept „Status“ von Desmond Morris „Der Menschen-Zoo“, auch wenn man damit theatral schon länger spielte. Fragt sich nur, wie bewusst. Soweit ich es sehe, beschreibt erst Johnstone den Status halbwegs angemessen. Denn es geht eben nicht um sozialen oder moralischen Status, sondern um das physisch-emotionale Verhältnis von
- Person – Person
- Person – Gegenstand
- Person – Raum,
das seinen Ausdruck im körperlichen und sprachlichen Verhalten findet (und nur zweitranging, wenn überhaupt, im Inhalt des Gesagten).
Freie Bühne
Workshop für eine Gruppe, die sehr fortgeschritten ist in den Themen Figuren-Erschaffung und einigermaßen gut über Storytelling bescheidweiß. Das Problem: Sie verhakeln sich in ihren tausend Regeln, die vielleicht irgendwann mal als Tips gedacht waren, sie denken an Strukturen und vergessen den Moment.
Ich erinnere sie daran, dass die Bühne ihnen gehört und dass sie dort machen können, worauf sie Lust haben. Das ist die Hauptsache. Verfeinerungen stehen an zweiter Stelle.
Ich gebe ihnen eine Lizenz zum Trashen. Der Witz ist – sie verlieren gar nicht so sehr an Tiefe und Feinheit, sondern gewinnen an Kraft.
Die Angst davor, blödes Improtheater zu spielen, limitiert. Zurück zu Johnstone: Lass es zu, obszön zu sein, politisch unkorrekt usw. Die Grenzen des guten Geschmacks entdecken wir nur, wenn wir sie von Zeit zu Zeit übertreten. Wenn es frisch ist und aus dem Moment kommt, wird es einem auch keiner übelnehmen.
Blöd sind nur kopierte Gags. (Wie oft ich in den letzten Wochen auf Improbühnen „Ich habe Rücken“ gehört habe!)
Keith Johnstone
Ein kleiner Video-Ausschnitt mit Keith Johnstone in Aktion:
Bemerkenswert, wie er die Schreihälse und Streithähne zur Kooperation bewegt.… Weiterlesen
Haltung der Schüler
Johnstone nennt es „Die Haltung der Schüler ändern“. Allzu oft erwarten Schüler eine ganz konkrete Lektion oder sie haben ganz konkrete Vorstellungen, wie ein Workshop abzulaufen habe. Die Kunst des Schülerseins besteht aber – im Improtheater ganz besonders – darin, sich vom Lehrer überraschen zu lassen, neue Erfahrungen zu machen und diese einzubauen.
Lehrer, von denen ich Lehren gelernt habe:
Ramona Krönke – Freude und Wertschätzung des Spielerischen
Sten Rudström – Klarheit und physisch/psychologisches Erfahren
Randy Dixon – geistige Durchdringung
Stephen Nachmanovitch – Ermöglichen
Keith Johnstone (soweit man das nachvollziehen kann) – Beobachtung und Feedback
Von mir selber – improvisierende Haltung zum Unterrichten.
Story oder Prozess
An irgendeiner Stelle meint Johnstone, es käme dem Zuschauer nicht darauf an, ob die Szene improvisiert oder geschrieben sei – er wolle letztlich nur eine gute Story sehen. Ich bezweifle das. Zu beobachten, wie die Szene entsteht, wie die Spieler sich die Bälle zuspielen, wie das Unerwartete freien Lauf nimmt, ist ein ganz besonderes Vergnügen, und schließlich bauen auch viele Spiele Johnstones genau auf dieser Erkenntnis auf.
Negative Verstärkung als Methode
Die hier schon mehrfach erwähnte negative Verstärkung im Unterricht, die vor allem Johnstone benutzt, arbeitet ja mit der Grundannahme, dass es eigentlich keine Fehler gibt, solange ir sie nicht als Fehler markieren.
Auf diese Weise zu unterrichten, verläuft allerdings auch gegen den Impuls des Lehrers, der am liebsten alles gleich „richtig“ haben möchte. Während ich früher öfter unterbrach, um die Schüler nicht ins offene Messer laufen zu lassen (wie ich damals verdorbene Szenen sah), um die Frustration zu reduzieren, so gebe ich heute häufiger die Anweisungen der Verstärkung von Verhaltensweisen, z.B. physischen Angewohnheiten, andauerndes Fragen, Blockaden, leisem Sprechen usw., damit man sich des jeweiligen Mittels bewusst ist, um mit spielen zu können.
Gags und Brechungen
Crossover-Impro mit Jochen Schmidt als Autor von der Chaussee der Enthusiasten. Erstaunliches szenisches Engagement. Gutes Gespür fürs Aufeinandereingehen.
Hinterher die Diskussion, wie man mit dem Impuls des Brechens und der Pointe umgeht. Vermutlich eröffnet sich hier noch ein sehr weites Feld, das mit dem Johnstoneschen Verbot des Gagging nicht abgehakt ist. Gags (bzw. Pointen), die das Gesehene auf den Kopf stellen, setzen im Prinzip einen Schluss, es geht nicht mehr weiter oder man muss von vorn anfangen.
Andererseits kann das gegenseitige Brechen der Perspektiven auch im angenehmen Flow geschehen, wie wir es bei den Chaussee-Dialogen erfahren. Es ist auch immer eine Frage des Spannungsbogens. Ein kurzer Sketch kann gut mit einem Gag beendet werden. Derselbe Gag kann tödlich sein, wenn wir uns in einem langen Narrativ befinden oder überhaupt eine Plattform bauen.
Jochen meint, die Frage liege darin, was man überhaupt will: Storys erzählen oder Sachverhalte beleuchten. In jedem Fall ist, so denke ich, der schnelle Gag der billigste. Die Freude an der langen fließenden Improvisation oder Komposition ist anhaltender. Aber dafür braucht sowohl das Publikum als auch das Ensemble Kraft.
Um etwas brechen zu können, muss ich auch erst mal die Kraft haben, etwas aufzubauen.
Das alles sind nur kurze Gedanken. Man müsste es noch genauer analysieren.
Regelfetischismus
Viel zu oft vertiefen sich Impro-Spieler in die Regeln einzelner Games, in die Regeln der Improvisation usw. Auch dies kann man in gewissem Maße als Angst auffassen – Angst vor der Freiheit.
Beispiel: Die Regel „Stell keine Fragen!“ hat natürlich ihren Sinn: Nämlich den, nicht die Verantwortung an den Mitspieler abzugeben. Dennoch wäre es purer Regelfetischismus, keine Fragen auf der Bühne zuzulassen. Johnstone selbst führt die Regeln ein, um sie sogleich in einem Spiel konstruktiv ad absurdum zu führen: „Stelle nur Fragen!“ (Ähnlich sein Spiel „Beide blockieren!“)
Mit anderen Worten, wir können die Regeln beiseite legen, wenn wir bereit sind, zu spielen, uns kreativ einzubringen, miteinander zu spielen.
Und doch wollen wir die Regeln nicht völlig verdammen, wie es etwa Mick Napier tut. Sie können uns daran erinnern, wor an es liegen könnte wenn wir am Ende sind.
langweilige Assoziationen
Einen berechtigten Einwand zu Johnstones Forderung, das Offensichtliche zu wählen, erhebt Gunter Lösel (Theater ohne Absicht): Immer das absolut naheliegende zu wählen, wird auf Dauer langweilig. Man möchte allerdings Johnstone zugute halten, dass es sich hier zunächst nur um eine Technik handelt, die zum Ziel hat, die Angst abzuschalten. Du brauchst weder perfekt noch originell zu sein: Sag das Einfache, das Naheliegende. Aber so wie die Angst vor der Unperfektion gibt es auch die Angst davor, für verrückt gehalten zu werden. (Wird ebenfalls von Johnstone beschrieben, Nachmanovitch nennt die Angst vor Geisteskrankheit eine der „five fears“, der fünf Ängste.)
Also muss auch das mutige Assoziieren, der weite Wurf trainiert werden. Es muss durchaus nicht alles sofort verständlich und nachvolliehbar sein. Aus der Perspektive des Storytelling macht ja erst die Besonderheit, das Merkwürdige die Geschichte erzählenswert (s. Goethe über die Novelle).
Allerdings, auch darauf weist Lösel hin, nerven „originelle Assoziationen“, d.h. wenn Originalität forciert wird. Es kommt also darauf an, das Verrückte zuzulassen, ohne es zu forcieren.
Protagonist/Held sein
In Johnstones Buch gibt es das seltsame Kapitel „Wie man kein Held ist“. Auch sonst lässt er zur Heldenfrage hier und da einen Gedanken fallen: Die Heldin muss gemartert werden usw.
Abhängig von der Länge der Szenen ergibt sich auch, wie schnell „die Heldin gemartert“ werden muss, wieviel Zeit wir uns für eine positive Plattform lassen usw.
Eine hübsch einfache Faustregel, um nicht in eine Vertauschung der Helden zu rutschen: Der Held sagt „Ich“, alle anderen sagen „Du“. (Mit anderen Worten: Es geht immer um den Helden.)
Format-Abwandlungen
Ich habe nie verstanden, warum Johnstone sich so geärgert hat, dass Improspieler an verschiedenen Orten sein Theatersport-Konzept abwandeln: Die bescheuerten Strafkörbe weglassen, den ganzen Jury/Richter/Moderator/Regisseur-Hokuspokus modifizieren.
Im Gegenteil glaube ich, dass jede Gruppe und jeder Spieler herausfinden muss, was sie inspiriert, was die Freiheit des Spiels fördert. Ganz offensichtlich ist das ja bei der Collage-Form „Harold“. Inzwischen spielt kaum mehr jemand diese Form so, wie es in Del Close‘ „Truth in Comedy“ beschrieben wurde. Je nach Ensemble-Typus orientiert man sich auf Storys, auf abstrahierende Elemente oder auf locker verbundene Games.
Allerdings glaube ich auch, dass gerade bei den kurzen Impro-Spielen viel Abwandlungs-Schindluder getrieben wird: z.B. die Unsitte, mehrere Game-Features in ein Spiel zu stopfen. Oder sich die Hürden so niedrig zu setzen, dass man es „leichter“ spielen kann (d.h. weniger improvisieren muss).
Ansonsten kann man Abwandlungen nur begrüßen. Aus ihnen entstehen nicht selten neue Formate.
Technik und Freiheit
Improvisationstheater zu lehren bedeutet ja meist zweierlei: Improvisation lehren und theatrale Techniken lehren.
Wichtig ist in jedem Fall, dass die technischen Aspekte nicht überhand nehmen – auf Kosten der Freiheit, was oft bei Fortgeschrittenen geschieht. Umgekehrt brauchen wir eine ständige Erweiterung und Verfeinerung von Technik, um nicht künstlerisch stehenzubleiben.
Im Idealfall geht beides zusammen – man entdeckt freudig ein Stück Freiheit und schluckt die neue Technik wie nebenbei.
Akzeptieren
Akzeptieren können wir einerseits als Technik begreifen, andererseits aber auch als grundlegendes Prinzip der Improvisation.
Johnstone beschreibt vor allem den technischen Aspekt: Indem wir vor allem auf Sinn-Gehalte eingehen, treiben wir die Geschichte voran. Wir verlassen uns psychologisch auf den Strom der Gedanken und Ideen, der durch uns fließt, ohne an einer einzelnen Idee festzuhalten. Dies betrifft nicht nur die Improvisation mit Partner, sondern auch die Solo-Improvisation, z.B. beim Musizieren oder Schreiben.
Wenn wir Improvisation von einer Ebene darüber betrachten, geht es um Akzeptieren des Spiels. Das heißt, ich muss zunächst erkennen, worin das Spiel liegt. Beispielsweise hat Johnstone das Spiel „Beide blockieren“ erfunden, welches recht unterhaltsam sein kann, wenn die Spieler das Spiel akzeptieren und sich entsprechend einbringen. Akzeptieren als Prinzip verlangt einen weiten Blick, ein Gespür für Spiele (i.S.v. „Game“) aller Art. Liegt ein verbales Spiel in der Luft, eine emotionale Achterbahn oder ein langer Erzählbogen.
Um Akzeptieren als Prinzip in uns aufzunehmen, brauchen wir Offenheit und ein Gefühl für Muster. Um Akzeptieren als Technik zu verinnerlichen, müssen wir uns von unserer Angst lösen.