Improvisation anwenden um die Welt zu verändern

Vom 23. — 26. September findet unter diesem Titel in Amsterdam die Internationale Konferenz des weltweiten “Applied Improvisation Network” (Netzwerk angewandte Improvisation — siehe unten) statt. Es warten vielfältige kreative und stärkende Impulse!
Es gibt drei “Hauptspuren”, entlang derer die Konferenz laufen wird:
# Die Geschäftswelt: Innovation, Veränderungen in Unternehmen, eigene Geschäftsfelder definieren und ausbauen
# Die soziale Welt: Sozialer Wandel, der Aufbau von Gemeinschaften und Weiterentwicklung von Settings
# Die persönliche Welt: Auseinandersetzung mit unserer eigenen Entwicklung, Einzelcoaching, Methoden die ein besseres und erfüllendes Leben mit LebenspartnerInnen und FreundInnen fördern
Gesucht werden nun Menschen, die in ihren Berufsfeldern oder als KünstlerInnen Improvisationstechniken umsetzen z. B. auch Playback-Theater, Soziodrama, Statuen- und Forumtheater, Methoden von Keith Johnstone oder Viola Spolin usw. Unter http://www.surveymonkey.com/s/QCMKYYJ! können noch bis 6. Mai (Bitte auf Englisch) Vorschläge für 2-Stunden-Workshops eingebracht werden.
“Applied Improvisation Network – AIN” Mitglieder des 2002 gegründeten AIN kommen aus den verschiedensten Ländern der Erde. Es sind Menschen aus verschiedenen Berufen, die Improvisationstechniken in vielfältigen Feldern anwenden: in der Beratung und Begleitung von Unternehmen und Institutionen verschiedenster Branchen sowie von Städten und Gemeinden, in der Erwachsenenbildung sowie im Gesundheits- und Sozialbereich. Dabei geht es um zentrale Themenfelder wie gelungene Kommunikation, emotionale und soziale Kompetenz, Improvisation als Motor für Innovation und Qualitätssteigerung, Umgang mit Konflikten, Supervision und Coaching sowie um neue Zugänge für die Planung und Umsetzung von Projekten oder Arbeitsabläufen. http://appliedimprov.ning.com

Dumm & Schlau

Dumm zu sein ist keine Entschuldigung. Lerne.
Schlau zu sein macht aus dir noch keinen guten Improvisierer. Manchmal stellt sich das Hirn dem Herz in den Weg. Denk dran, Spock, du bist zur Hälfte ein Mensch.
Jason Chin: “Long-Form Improvisation & The Art Of Zen: A Manual For Advanced Performers”

Zeitgefühl

Spannende neue Lektüre von Zimbardo & Boyd:
“Improvisers require a fine sense of timing and the ability to make something new happen on the spot. Naturally, these performers bring to each session the knowledge of what others have done in the past in order to know what not to repeat as well as what to build upon, extend and enhance. But being able to use the past as a scaffold and not a blueprint marks the creative performer as one who can improvise in ways that go beyond the past into new realms. For comedians, it means allowing themselves to be totally open to the mood and reactions of the audience, and for jazz musicians, to be totally open to their feelings and ‘online’ mental process.”
(Philip Zimbardo & John Boyd: “The Time Paradox. The New Psychology of Time That Will Change Your Life”)

Impro Workshop für Jugendliche mit krebskrankem Elternteil

Seit über 1 1/2 Jahren arbeiten Regina Fabian von den Gorillas und Angela Tietz, die als Psychoonkologin arbeitet, an der Entwicklung eines Projektes für Jugendliche mit einem Elternteil, das an Krebs erkrankt ist.
Bisher gibt es wenig Unterstützungsangebote für diese Angehörigengruppe. Angela und Regina möchten ein längerfristiges Projekt, das auch Theater mit einbezieht, initiieren. Ein erster Schritt ist ein Workshoptag am 22.11.2009, bei dem die Jugendlichen sich kennen lernen, sich austauschen und auch Improvisieren und Spaß miteinandern haben können.
Sonntag, 22.11.09 von 12 – 17 Uhr
Yogaraum · Falckensteinstraße 48 · U-Bhf Schlesisches Tor (3 min Fußweg)
Der Workshop ist kostenlos und wird vom Improvisationstheater “Die Gorillas” veranstaltet.
Anmeldung und Infos bei: Regina Fabian 030/ 42 80 52 63
regfabian@web.de · http://www.die-gorillas.de/web/index.php?id=64

Ja und! Böse böse

“If you go into the office of Scientology and sit down and take the personality test and talk to one of their ‘representatives’ it is really an improvisational skill: They are yesanding everything you are saying and adding on what they feel you need. Combine that fantastic storytelling of Theatins and it’s a Religious Zealot Genre Improv.” (Shaun Landry über die Gerüchte, Del Close habe L. Ron Hubbards gekannt, ihn aber für verrückt gehalten.)

szenisch gerechtfertigte Angst

Manchmal wird des Spielers Angst vor dem Unbekannten augenfällig in die Szene überführt. Neulich, als wir spontan einen Sänger und Schauspieler, der aber relativ wenig Erfahrungen mit Improtheater hatte, spontan zu einer Szene einluden. War seine Antwort auf das erste Angebot: “Ich wollte mich doch erst mal umbringen!”
Übersetzt: “Ich würde am liebsten abhauen.”
Umgekehrt lieben wir als Zuschauer natürlich Figuren, deren Mut sich aus dem Mut der Spieler speist.

Mentale Gesundheit oder Wo steckt das Genie?

Die Bestseller-Autorin Elisabeth Gilbert über die Angst vor “dem Buch nach dem Erfolg”. Wir Künstler machen uns krank, wenn wir das Genie in uns selbst suchen statt die Muse außerhalb von uns zu sehen. Denn wir werden mit der Last der Erwartung nicht mehr fertig.
Auch die Tom-Waits-Anekdote ist schön, selbst wenn Tom Waits sie sich ausgedacht hat, um eine Tom-Waits-Geschichte zu erzählen.

Ob sie Stephen Nachmanovitchs Buch gelesen hat?… Weiterlesen

Impro und Listen

Vera Birkenbihl rehabilitiert Listen als kreatives Instrument. (Ich hatte ja hier schon mehrmals meinen Unmut über die Listen-Wut der Improspieler bekundet.) Die Frage aber ist, wie wir Listen verwenden. Sie taugen sehr wohl, wenn man ein bisher unmarkiertes Gedankenfeld untersuchen will – eine Art Brainstorming, mit dem Ziel, die Reichweite eines Themas zu bestimmen. Wenn man beispielsweise als Schauspieler bemerkt, emotional immer wieder in die gleichen Bahnen zu geraten, kann es durchaus angemessen sein, sich mal eine offene, innerhalb einer Stunde/eines Tages/ einer Woche immer weiter zu verlängernde Liste anzulegen und dann zu sehen, was man davon benutzt und was nicht. Die Liste sollte öffnen, zum weiteren Arbeiten inspirieren, und nicht als geschlossenes System betrachtet werden, aus dem sich der Improspieler zu bedienen hat, wie es mir neulich traurigerweise vom Loose Mosse berichtet wurde, wo in der Garderobe die Fastfood-Schauspiel-Listen von Johnstone hängen, nach denen man sich zu richten habe.

212. Nacht – Gedenken

Regal Menschenrechte

Elftes Buch von rechts

Stefanie Endlich/Thomas Lutz: “Gedenken und Lernen an historischen Orten. Ein Wegweiser zu Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin”

Erworben: ca. 1996
Status: Einzelnes nachgeschlagen.
Erster Satz: “‘Topographie des Terrors’ heißt die ständige Ausstellung auf dem ehemaligen Prinz-Albrecht-Gelände, dem Gestapo-Gelände neben dem Martin-Gropius-Bau in Kreuzberg.”
Kommentar: Als Nachschlage-Taschenbuch sehr gut.

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König Schehrimân kehrt heim und lässt in Gedenken an seinen verschollenen Sohn

ein Gebäude errichten, das er “das Haus der Trauer” nannte.

Erst jetzt frage ich mich, wie Kamar ez-Zamân und Marzuwân fliehen konnten, da doch Chalidân ein Insel-Staat ist. Sie hätten doch ein Schiff gebraucht.

Kamar ez-Zamân wartet inzwischen sehnsüchtig auf das Schiff, das der Auskunft des Gärtners gemäß einmal jährlich ins Land der Muslime fahre. Eines Tages stolpert er und verletzt sich die Stirn, so dass sich das Blut mit seinen Tränen vermengt. Kurz darauf sieht er, wie sich zwei Vögel in einem Baum streiten. Der größere reißt dem kleineren den Kopf ab und fliegt davon. Den Leib des toten Vogels betrauern zwei andere Vögel.

Beide senkten ihre Flügel und Schnäbel über ihn, reckten ihre Hälse nach ihm aus und weinten.

Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass es emotionalen Tränenerguss nur beim Menschen gibt.

Impulse in Improvisation und Leben

Wie gehen wir mit unseren Impulsen um? Strategien:

  1. Ignorieren und unterdrücken: Die krassen Fälle dieser Strategie landen auf Lass-Deine-Wut-Raus-Seminaren oder leiden an Magenproblemen.
    Auf der Bühne haben solche Spieler Ladehemmung oder wirken unspontan.
  2. Sich hingeben: Im Extremfall gibt sich dieser Typus jedem Impuls hin, nichts Langfristiges wird beendet, jedem Vergnügen, jeder Sucht, jedem Tic wird nachgegeben.
    Auf der Bühne fallen diese Spieler dadurch auf, dass sie zwar schnell sind, aber auf die externen Impulse auf die immergleiche Art und Weise reagieren
  3. Handlungsoptionen verbreitern: Die ideale Form des mannigfaltigen Lebens. Fokus auf und Traing von positiven Reaktionen auf Impulse, komplexe Impulsverarbeitung.
    Auf der Bühne kennzeichnet diese Spieler eine große Palette an Reaktionen auf verschiedene Impulse aus.

Statt für die Bühne könnte man das auch für den Samurai-Kämpfer durchdeklinieren.

Ideen – revisited

Ich präzisiere meine Position zum Thema “Ideen”. Vor drei Jahren sagte ich hier, es komme auf Ideen nicht an, sondern auf den Flow. Inzwischen denke ich, man sollte die eigenen Ideen zwar schätzen, sich aber nicht an sie klammern. Im Grunde ist jede Idee brauchbar, entscheidend ist, was wir daraus machen. Sei offen für den Fluss der Ideen. Schätze jede einzelne, aber sei bereit, sie fahren zu lassen. Wenn man sich öffnet, muss man auch nicht befürchten, dass der Ideenfluss versiegt.
Vor allem in der Partner-Improvisation müssen wir lernen, die Ideen des Anderen zu schätzen. Wem das schwerfällt, möge versuchen, sie erst mal überhaupt nicht zu bewerten, sondern nur zu nutzen, zu akzeptieren und mit ihnen zu spielen. Die Liebe wird sich dann mehr oder weniger automatisch einstellen.

Wir sind alle nur Kinder

Wir würden unseren zwischenmenschlichen Stress reduzieren, wenn wir unsere Erwartungen aneinander reduzieren, so wie man ja auch an kleine Kinder keine hohen sozialen Erwartungen stellt – sie sind tollpatschig, unerfahren, ichbezogen.
Was wäre nun, wenn wir uns bewusst machen, dass in jedem von uns ein kleines Kind steckt? Dass wir unvollkommen sind, und trotz dieser Unvollkommenheit alle liebenswert sind. Stewardessen beherrschen diesen Trick:

“Der Crew eines Flugzeugs wird zum Beispiel
häufig empfohlen, dieses als ihr Wohnzimmer
und die Passagiere als ihre persönlichen Gäste
zu betrachten. Denn den eigenen Gästen gegenüber
hat man in der Regel automatisch posi-
tive Gefühle. Benimmt sich dann der eine oder
andere Passagier unfreundlich oder nörgelt am
Service, kann man so tun, als ob es sich um
Kinder handle – diese macht man für ihr quengeliges
Verhalten weniger verantwortlich, und
negative Gefühle kommen dann nicht so
schnell auf.”
Aus demselben Artikel aus “Gehirn und Geist”: http://www.wissenschaft-online.de/artikel/951556

Kinder-Kauderwelsch

In der S-Bahn ein zweieinhalbjähriger Junge und ein vierjähriges Mädchen, die einander liebevoll necken. Auf einmal fallen sie ins Kauderwelsch. Denke zunächst, ich würde mich verhören, es sei Kindergenuschel oder eine Fremdsprache. Ist es aber definitiv nicht. Erstaunlich, wie sie aufeinander eingehen. Was erwachsene Impro-Schülern häufig erst mühevoll wiedererlernen müssen – dass man Wort- und Satz-Elemente des anderen mitverwendet, dass man die Worte aus der Emotionalität entstehen lässt – das machen die beiden völlig natürlich. Zwischendurch schalten sie immer wieder mal ins Deutsche. Und zu keinem Zeitpunkt wird das Spiel infrage gestellt. Denn in diesem Alter ist einfach alles Spiel. Die Regeln ergeben sich beim Tun.

Stottern: Linkshändigkeit, Singen, Tiere, “Selbstvertrauen”

Linkshänder stottern anscheinend häufiger (s. Obama), was wohl oft damit zu tun hat, dass sie ihre Impulse unterdrücken sollen, da sie “falsch” sind.
Stotterer stottern seltener (ein schöner Satzbeginn für Stotterer), wenn sie singen: Der Fokus liegt dann nicht auf dem “richtigen” Formulieren.
Stotterer stottern seltener wenn sie mit Tieren reden.
Im Hypnoseforum wendet der User Chippie ein: “ich vermute, dass das eher daran liegt, dass man sich nicht mehr aufs sprechen konzentriert, sondern auf die vorstellung. das lenkt ab, macht aber nicht sicher. ich glaube eher, dass es was mit selbstvertrauen zu tun hat.” Und das ist aber der springende Punkt, den wir auch vom Impro und kreativen Prozessen kennen: Wir konzentrieren uns auf das Wie, auf ein schönes Detail, und nicht auf das “Richtig” oder “Falsch”, und dann kommt schon was Schönes zustande.

Scheinalternative: Impuls oder Ausdenken

Carol Hazenfield rät, den eigenen Impulsen zu vertrauen, anstatt sich Reaktionen auszudenken. Dabei hat sie vor allem unechte Gefühlsreaktionen im Blick. Andererseits ist der Rat “Vertraue deinen Gefühlen” auch ein wenig zu einfach. Die Wahrhaftigkeit der Reaktion macht ja noch nicht allein den guten Improspieler aus. Wie ich reagiere, kann z.B. auch damit zu tun haben, wie lang die Szene schon dauert, ob ich also vorantreibe oder innehalte und Erzählelemente wiedereinführe, ob ich das Tempo eher anziehe oder drossle, wie ich mich im Raum bewege usw.
Vielleicht ist die Unterscheidung Kopf/Gefühl auch unscharf, vielleicht ist Impuls auch ein unscharfer Begriff. Denn in der Bühnen-Realität gehen viele Dinge gleichzeitig vor sich, die wir wahrnehmen. Die Kunst besteht darin, bestimmte Reaktionen automatisiert zu haben. D.h., ein großer Teil des Anfängertrainings besteht ja darin, Impulse umzulenken. Z.B. den Impuls des Gefahrenausweichens in ein Vorangehen. Je größer unser Spektrum der Möglichkeiten, umso mehr können wir internalisieren. Der Modus des Entscheidens ist vielleicht “halbbewusst”.
Nehmen wir folgende Szene in der Mitte eines längeren improvisierten Stückes: Nach einer lauten, dramatischen Schulhofszene, bittet der intrigante Direktor die Mutter des aufsässigen Schuljungen in sein Zimmer, wo er ihr die Verantwortung für diverse Katastrophen zuschiebt, was in dem Satz kulminiert: “Sie haben versagt.” Die Schauspielerin hat nun verschiedene Möglichkeiten: Sie kann die Stille verstärken und das Leiden der Mutter in den Vordergrund rücken oder einen Ausbruch bekommen und die Lautstärke der vorangegangenen Schulhofszene überbieten. Sie kann nervös auf und ab gehen oder im Stuhl zusammenfallen. Sie kann inhaltlich widersprechen und sich ergeben. All das und noch mehr ergibt sich in Sekundenbruchteilen, und durchaus nicht völlig unbewusst, sondern im guten Fall in einem wachen Zustand der Kreativität. Ähnlich einem Tennisspieler, der ja nicht nur reagiert, sondern auch “entscheidet”. Aber in welchem Maße das bewusst oder halbbewusst geschieht, lässt sich nur schwer benennen. Vereinfachungen wie “triff eine Entscheidung” oder “reagiere impulsiv” helfen vielleicht situativ, aber nicht als allgemeine Regel.
s.a. hier: https://www.danrichter.de/improblog/2008/01/impulskontrolle.html

Negative Bestätigung

Viele gute Lehrer tun es entweder instinktiv oder bewusst: negative Haltungen zunächst bestätigen. Johnstone machte z.B. Spiele daraus: “Nur blockieren”, “Nur Fragen stellen”. Man könnte das ganze auch noch radikalisieren. Nina Wehnert berichtet gar von einem Contact-Impro-Lehrer, der zunächst den Widerstand und die Müdigkeit der Schüler bedient. Psychologischer Hintergrund: Ins Extrem getrieben werden alle Dinge öde, sogar das Müdesein. Hier liegt vielleicht ein guter Schlüssel für die Arbeit mit Einzelspielern, z.B. mit körperlichen und sprachlichen Gewohnheiten.

Nachdenken und Reagieren

“Sian Leah Beilock von der University of Chicago fand heraus: Golfprofis treffen den Ball am besten, wenn sie keine Zeit haben, über den Schlag nachzudenken. Bei Anfängern verhält es sich jedoch umgekehrt. Wer auf einem Gebiet erfahren und gut trainiert ist, kann sich also eher auf sein Bauchgefühl verlassen.” (Gehirn und Geist 11/2007) s.a. http://hpl.uchicago.edu/Popular%20Press/Pop%20PDFs/Golf%20Illinois%202006.pdf
Wie ist das bei Impro-Anfängern? Soll man denen auch mehr Zeit zum Entscheiden lassen? Soll man überhaupt dem Entscheiden mehr Gewicht beimessen als dem “Reagieren”?

89. Nacht

Auf Radio Eins haben sie die unsäglichen Traumdeutungen des Psychoanalytikers Dr. Claus Braun wieder ins Programm genommen, dessen Deutungen jedem seriösen Analytiker die Haare zu Berge stehen lassen. Ich glaube, für so etwas ist mal der Begriff "Küchenpsychologie" geschaffen worden: Ohne die Hintergründe oder gar den Alltag zu kennen, bastelt er – gewieften Astrologen gleich – die narrativen Elemente des Traums neu zusammen. Die Frage ist ja, ob man Träume überhaupt "deuten" kann, nur weil das schon immer so gemacht wurde. Es gibt bisher wenig Evidenz dafür, dass Träume im Freudschen Sinne uns Botschaften über das Unbewusste geben oder gar (so C.G. Jung) ein Weg zu unserem wahren Ich seien. Die bisher einzige empirisch halbwegs belegbare Funktions-Hypothese ist, dass Träume ihren Anteil zur Entstehung unseres Gedächtnisses haben (z.B. höherer REM-Anteil bei Kleinkindern). Ansonsten scheinen die Träume nur wenig zu bedeuten, zumal sich Trauminhalte erst beim Aufwachen ergeben, sozusagen in das emotionale Erleben hineingedeutet werden: Z.B. Ich bekomme im Schlaf aus physiologischen Gründen einen Wadenkrampf, was mir Angst verschafft – ich generiere den passenden Trauminhalt: Ein übles Monster sticht mir in die Wade. Dass natürlich Sachverhalte, die uns gedanklich an jenem Tag sehr beschäftigen oder die überhaupt eine große Rolle in unserem Leben spielen, zu Trauminhalten werden, ist klar, aber die Pathologisierung der Träume, wie es die Analytiker tun, scheint mir zu sehr ihrem professionellen Bedürfnis zu entspringen. Aber nur wenige Menschen können diese Art "Sinnlosigkeit" ertragen: "Es muss doch etwas bedeuten!" Tatsächlich kann es uns regelrecht quälen, wenn wir erkennen müssen, dass Ereignisse sinnlos sind, nicht-kausal usw.

***

Der hinterlistigen Dhât ed-Dawâhi ist es nun zu verdanken, dass 50.000 Mann übers Meer fahren, sich am "Berg des Rauchs" 89 verstecken und von dort den kämpfenden Muslimen in den Rücken fallen.
Die Schlacht geht los, von Dau el-Makân und Scharkân angeführt mit ca. 120.000 Mann,

während die Ungläubigen sechzehnhunderttausend zählten.

Was soll das für eine Streitmacht gewesen sein?

Scharkân wird seinem Ruf als Kriegsheld gerecht:

Er tobte unter den Tausenden und stritt, so furchtbar anzuschauen, dass Säuglingen davon die Haare ergrauen.

In dieser ersten Schlacht siegen die Muslime, und König Afridûn verspricht, nun den ruhmreichen Lukas, Sohn des Schamlût, einzusetzen und alle Emire

mit dem heiligen Weihrauch zu weihen. Der Weihrauch aber, den er meinte, bestand aus den Exkrementen des Großpatriarchen, des Lügners und Leugners. […] Die Patriarchen vermengten ihn mit ihren eigenen Exkrementen, da die des Großpatriarchen für zehn Provinzen nicht genügten. […] Und die mächtigsten Könige taten ein wenig davon in die Augensalbe und heilten damit Krankheit und Kolik.

Das eigentlich Erstaunliche ist hier nicht die groteske Beleidigung des Großpatriarchen, sondern dass sie seinem Kot tatsächlich heilende Wirkung zugestehen.

 

89 Ich glaube nicht, dass damit der Djebel Dukhan gemeint ist, da dieser im Bahrain liegt, während hier wohl eher das Mittelmeer gemeint ist. Aber welcher Vulkan?

Mut/Angst

Angst kann einen regelrecht lähmen zu improvisieren. Mut hingegen beflügeln. Deutlich spürbar ist das in musikalischer Improvisation, vor allem beim Gesang. Wenn ich aufgefordert werde, z.B. eine zweite Stimme als Background zu improvisieren, dann habe ich damit in der Regel kein Problem. Wenn man mir aber sagt, ich dürfe dabei keinen Fehler machen oder ich müsse stets genau die Terz-Abstände einhalten, sonst sei das alles großer Mist, dann habe ich schon vorher die Garantie, dass ich scheitern werde. Wenn ich hingegen völlig frei bin, weiß ich aus Erfahrung, dass ich sehr genau sein werde.